Der Schlotzer Schutzbund

Geschichten um den Schlotzer Schutzbund

 

Verteidigung von Gut Schattenholz

Anfang Rondra 1032 BF

Der erschöpfte Ritter Alten Schlages, Traviahold aus dem Wutzenwald, betrachtete seinen Hof und die Überreste der drei Schritt hohen Wehrmauer aus Schüttwerk. Die hölzerne Überdachung über den steinernen Zinnen war fast vollständig abgebrannt und dampfte noch an einigen Stellen. Die Brandpfeile der Schergen des Kriegsfürsten waren verheerend. Die Geschosse steckten immer noch an vielen Stellen im Boden. Zwei steckten sogar noch in seinem Reiterschild, das sein Leben gerettet hatte. Die Oberkante seines Schildes war zerschmettert und sein Wappen war kaum noch zu erkennen. Schwarz verbrannt und mit dem Blut derer bespritzt, die es schafften in den Adels-Hof durchzubrechen. Von seinem Alten Langschwert war die Spitze abgebrochen und viele Kerben hatten sich in den Stahl gefressen. Auch der Alte brünnierte Gestechsharnisch war vor allem auf der linken Seite verbeult - die Schildseite. Der Boden war von den Schweren Stiefeln der Verteidiger und der Angreifer aufgewühlt und schlammig. Der anhaltende Regen hatte sein Wams unter dem schmutzigen Harnisch fast völlig durchnässt. Kälte kroch in seine Knochen. Hinter ihm hörte er seine junge Knappin atmen. Ein Geräusch, für das er den Göttern dankte. Der trutzige Turm hinter ihm, in der nordwestlichen Ecke seines Junker-Gutes, warf seinen Schatten über den schweren darpatischen Ritter, der seinen finsteren Topfhelm mit Drachenflügeln trug. Während dem Angriff hatte sich sein Gesinde und die anderen nicht Kampffähigen Bediensteten in den Turm zurückgezogen und mit den Armbrüsten aus den Scharten auf die Feinde geschossen, bis schließlich keine Bolzen mehr übrig waren. Die Angreifer hatten unter Kors Hohnlachen viele umliegenden Bauernhöfe verwüstet, während sie plündernd und brandschatzend durch die Baronie zogen. Sie witterten fette Beute am Hof des Ritters, der auch gleichzeitig der größte der Gegend war. Aber zusammen mit seiner Lanze hielt der Ritter seinen Hof und verteidigte die, die bei ihm Schutz gesucht hatten. Sein Waffenknecht, Argwulf Eisenhagel, hatte von den Zinnen aus den Hof verteidigt und feuerte mal Kettenbrecher, mal Kriegsbolzen aus seiner Eisenwalder-Armbrust. Fast jeder dieser Geschosse war tödlich. Der Bannerträger Grordan Graustein hatte sich zusammen mit den letzten Soldaten des Ritters in die Mitte des Hofes zurückziehen müssen, als die Schergen das Torhaus durchbrachen. Die aus den Angeln gerissenen und verbrannten Torflügel waren stumme Zeugen dieses Durchbruchs, der den Zahlenmäßig Überlegenen mit Hilfe eines schweren Karrens gelungen war, den sie immer und immer wieder gegen das Tor gerammt hatten. Aber sein Bannerträger und seine letzten Soldaten hielten unter schweren Verlusten stand und verteidigten seine Standarte – die zu keiner Zeit während des Kampfes den Boden berührt hatte, darauf legte der Ritter viel wert. Das blutbespritzte Banner zeigte den schwarzen Topfhelm mit den Drachenflügeln auf zweigeteiltem Schwarz goldenem Grund. Sogar sein Schreiber war herbei gestürmt, mit dem Schwert in der Hand, und kämpfte mit dem Bannerträger Rücken an Rücken. Der Schreiber hielt das Zeichen seines Ritters weiter, als der Bannerträger schwer von einem Wurfspeer getroffen wurde. Währenddessen hatte der Ritter höchst selbst vom Rücken seines Schweren Streitrosses aus gekämpft und machte Feind um Feind nieder, während die Gefallenen unter den Hufen des stolzen Tieres weiter zertrampelt wurden. Mit so viel Widerstand hatten die Schergen des ehrlosen Kriegsfürsten nicht gerechnet. In ihrer Verzweiflung hatten sie sogar auf das Ross eingeschlagen. Doch das schwarze Streitross hatte standgehalten und auch den Ritter weiter auf seinem Rücken. Das Hauen und Stechen war so wild, dass sich Rondra selbst fast abgewendet hätte. Der Schwarze Ritter nahm seinen Helm ab um besser atmen zu können und klemmte ihn sich unter den Arm. Das Dach der Scheune war abgebrannt und zusammen gebrochen. Viele einstmals Rechtschaffene fielen der Verführung des Schwerts in der Wildermark anheim und stritten gegeneinander. Sie nahmen Burgen und Dörfer mit Gewalt, dort wo die Kaiserin keine Macht mehr zu haben schien. Doch nicht sein Gut und Lehen, über das er aufgrund seiner alten Blutlinie herrschte, nicht solange Rondra ihm die Kraft verlieh die Schwachen zu schützen. Er wandte sich um. Die Knappin des Ritters war kreidebleich und ihr schwarzes Haar klebte an ihrem Kopf. Der Regen bahnte sich einen Weg über ihr Gesicht, vermischte sich mit dem Blut ihrer Kopfwunde und lief ihre Wange hinunter. Ihr frisches adliges Blut rann ihren Arm herab. Die Hand war zur Faust geballt und ihre kleinen Knöchel traten weiß hervor…

 

Gründung des Schlotzer Schutzbundes

Gut Schattenholz – Anfang Travia 1032 BF

Ein Bote nahte dem Gut Schattenholz und überbrachte einen Brief seines Herrn Storko von Gernatsborn. Die Botschaft ist mit einem Wachssiegel, Sense und Schwert gekreuzt, versehen.

An Seine Wohlgeboren Traviahold aus dem Wutzenwald,

Ich möchte Euch auf diesem Wege meine Grüße ausrichten und mich nun als Junker von Gut Gernatsborn vostellen. Was für ein Wink der Götter, dass Wir, vor einigen Zeiten noch die Schlachten im selben Heer für die rechte Sache fochten, nun auch noch gemeinsam in der selben Baronie unsere Güter sehen können. Die Götter haben es so gewollt, dass Ich, nachdem all Meine Verwandten im Kampfe für Götter und Kaiserhaus in Borons Hallen ruhen, das Erbe als Junker zu Gernatsborn antrete. Gerade in so bewegten Zeiten wie diesen, müssen solch götterfürchtige und rechtmäßige Edlen wie Wir es sind zusammenhalten, so hoffe Ich in Zukunft auch auf eine gute militärische und politische Zusammenarbeit mit Euch. Gerne seid Ihr jederzeit auf meinem Gut willkommen damit ich einen Kapfgefährten beherbergen und bewirtschaften kann.

Mit brüderlichen Grüßen,

Seine Wohlgeboren Storko von Gernatsborn Gut Gernatsborn Anfang Peraine 1032 BF

Gut Gernatsborn – Anfang Travia 1032 BF

Der Bote war zu Gut Gernatsborn zurückgekehrt, verneigte sich vor seinem Herrn und wartete, bis er die vollste Aufmerksamkeit hatte. Dann blickte er auf und begann zu sprechen:

„Euer Wohlgeboren, ich habe die Nachricht überbracht, genau wie ihr es mir aufgetragen habt. Zunächst hat mich der große Junker Traviahold misstrauisch angestarrt, und bei dem Brief runzelte er finster die Stirn und lies seinen einäugigen Schreiber rufen, der ihm das Schreiben vorlesen musste, ganz so als wäre eure Schrift etwas schwer zu lesen. Der Junker sagte mir, ich solle euch ausrichten, dass er am morgigen Tage mit fünf Mann Gefolge zu eurem Gut reisen wird um eurer Bitte nachzukommen.“

Der Bote warte kurz und berichtet dann:

„Euer Wohlgeboren, in der Umgebung von Gut Schattenholz sieht es sehr schlimm aus. Überall konnte ich Belagerungsspuren entdecken, ganz so als wäre dort vor kurzem noch gekämpft worden. Viele Felder sind verheert und das nahe gelegene Dorf Schratenholzen...Herr...ich wollte meinen Augen nicht trauen, aber es ist nur noch eine niedergebrannte Ruine!“

Dann sank er wieder den Blick...

Gut Gernatsborn – Travia 1032 BF

Traviahold erblickte das kupferne Dach des Haupthauses und den kleinen Turm des Gutes Gernatsborn schon von weitem. Der Rauch einer Schmiede stieg steil empor, es war fast Winstill. Die Roggenfelder und Gemüsebeete am Südhang zeugten davon, dass es hier genug Nahrung gab. Noch…

Traviahold hob seinen eisernen brünierten Panzerhandschuh, und die „Schwarze Lanze“ stoppte fast augenblicklich. Der Ritter winkte Argwulf Eisenhagel herbei.

Waffenknecht,… sieh dich hier in der Nähe des Gutes um und berichte mir später, und lass deinen Eisenwalder gefälligst auf dem Rücken.

Bannerträger Grordan Graustein wusste das nicken seines Herrn in Richtung des Gutes zu deuten und ritt los. Das Banner von Schattenholz in der Linken, ritt er die letzte Meile auf das Tor und die beiden Waffenknechte die dort Wache standen zu. Er blieb mit seinem schwarzen Warunker vor ihnen stehen.

Seine Wohlgeboren Traviahold aus dem Wutzenwald zu Schattenholz wird in Kürze hier sein – berichtet das eurem Herrn.

Sogleich machte sich einer der beiden auf den Weg.

Einige Zeit später passierten die restlichen schwarzen Reiter und Traviahold selbst das Tor. Der kleine Innenhof konnte die Versammelten gerade noch fassen. Der große düstere Ritter in voller Gestechsrüstung hakte seine Kriegslanze in einer Halterung ein, und befestigte seinen großen Reiterschild, der ebenfalls das Wappen von Schattenholz trug, an seinem Kriegssattel. Seine schwarzhaarige Knappin sprang mit einem Satz von ihrem Pferd und half ihrem Ritter von seinem schwarzen Streitross.

Traviahold warf seinen schwarzen Umhang nach hinten um mehr Bewegungsfreiheit zu haben und nahm seinen schwarzen Topfhelm mit Drachenflügeln ab und drückte ihn der Knappin in die Hand. Der Schwarze Ritter schritt wortlos und bedrohlich auf den Herren des Gutes zu und…packte diesen mit einer herzlichen Umarmung, so dass die Platten seiner Rüstung nur so schepperten und zog diesen an sich heran und klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken.

Die versammelten Waffenknechte und Freien atmeten erleichtert aus und kümmerten sich um die Pferde der Gäste, die sofort in den Stall gebracht wurden.

Traviahold folgte Storko in das Innere seines Haupthauses.

Bevor Traviabold Storko in das Innere des steinernen Haupthauses folgte, blickte er sich noch einmal im kleinen Innenhof des Guts Gernatsborn um. Alle Gebäude standen unbeschadet da und zeigten keinerlei Spuren von Kämpfen, die Waffenknechte Storkos waren einheitlich bewaffnet und gerüstet, ja und manch Leibeigener sah für Traviabold gar etwas fett aus. Er blieb kurz vor der schweren Türe stehen und musterte das mit kunstvoll gearbeiteten Kupferplatten verzierte Eichenportal. Ein Zischen ließ seinen Blick plötzlich zu seiner Rechten schenken. Das Geräusch kam aus der Werkstätte, aus dessen hohem Schornstein schwarzer Rauch weit in den Himmel aufstieg. Traviabold und seine Knappin folgten Storko über eine breite Holztreppe in einen kleinen Saal im ersten Stock. Ein Kamin an der Stirnseite war schon längst entzündet und bot an diesem kühlen Herbsttag seine Wärme an. An dem länglichen hölzernen Tisch im Raum bot Storko seinen Gästen einen Trunk in kleinen kupfernen Bechern an:

„Mein lieber Freund, ich freue mich Euch bei mir bewirten zu dürfen. Lasst Euch den Löwenbiss gut schmecken.“

Traviabold kippte den Becher in einem Schluck hinunter, der Rachen brannte kurz. Storko bat ihn sich zu setzten und schenkte seinen Gästen nach.

„Ich möchte Euch auch sogleich bitten bis Übermorgen auf meinem Gut zu bleiben. Ich würde mit Euch, Traviabold, morgen gerne einen Ausritt ins Umland machen und mit euch einiges besprechen. Wie man mir berichtete mangelt es Euch an einem Schmied. Meister Rodiak ist ein wahrer Kenner seines Faches, doch er könnte gewiss währenddessen das nötigste reparieren. Auch wenn es mir selbst an Eisen und Stahl mangelt, so gebietet mir dies meine Freundschaft als Waffenbruder.“

Da kamen auch schon drei Mägde herein und brachten kupferne Platten mit Speisen und Kelche mit Wein herein. Traviabold ließ hungrig seinen Blick über die Speisen schweifen: ein gebraterener Frischling mit Knödel und Rotkraut mit Kastanien verfeinert, dazu Beerenmus. Ohne große Worte nahm sich Traviabold kräftig von den Platten.

Nach dem Schmaus wurde nochmals zur guten Verdauung ein Löwenbiss getrunken und Storko begann die Geschichte seiner Familie zu erzählen:

„Nachdem im frühen siebenten Jahrhundert BF die Orks in Schlotz weitgehend vertrieben wurden zogen meine Vorfahren, eine Siedlerfamilie von Frei- und Wehrbauern nahe des Gernats, um auf einem Hügel ein Wehrgut zu errichten. Während die Bauarbeiten voran gingen wurde die Dame des Hauses schwanger. Obwohl sie das Kind schon bald erwartete ging sie immer wieder an den Ufern des Gernats spazieren, so dass es sich zutrug, dass das Kind am Schotterbett des Flusses das Licht Deres erblickte: ihre erste Tochter Irmelgunde. Mit der Zeit reifte Irmelgunde zu einer wackeren Kriegerin heran, die an der Seite des Barons treu ihren Dienst tat und mit ihm versuchte die Gegend von den Rot- und Schwarzpelzen zu befreien. Für ihre Dienste machte sie der Baron zur Junkerin von - da allgemein bekannt war, dass Irmelgunde an den Ufern des Gernats geboren wurde - Gernatsborn, was nicht nur der Adelsname des Geschlechtes, sondern auch der Name des Guts und des Hügels wurde. Es herrscht bis heute die Tradition, dass die Frauen der Familie Gernatsborn an den Ufern des Flusses ihre Kinder zur Welt bringen, ansonsten würde das ein Unglück bedeuten.“

Storko hielt kurz inne und sprach dann ruhiger weiter.

„Meine Schwester, mag sie selig in Borons Hallen ruhen, wurde, da meine Eltern auf Reisen waren, nicht am Gernat geboren. Und was ist passiert, sie starb am frühen Kindstod.“

Mit einem andächtigen Blick ließ sich Storko wieder zurück in seinen Stuhl fallen. Nach einem Augenblick erhob er wieder das Wort.

„Seis drum, wollen wir über etwas anderes sprechen. Erinnert ihr euch noch an die Schlacht ...“

Den weiteren Abend verbrachten die beiden Adligen, mit Wein und Löwenbiss ausgestattet, plaudernd über vergangene gewonnene Schlachten und Scharmützel, bis sie leicht angetrunken zu Bette gingen. Für Traviabold und seine Knappin waren einzelne Kammern vorbereitet, seine restlichen Gefolgsleute wurden im Gesindehaus untergebracht und versorgt.

Traviahold, der sich mittlerweile seiner Gestechspanzerung entledigt hatte, wartete noch etwa eine Stunde bis der Herr des Gutes und das Gesinde eingeschlafen waren, und begab sich dann wieder in den kleinen Saal. Der Ritter nahm sich einen Stuhl und stellte ihn direkt vor dem immer noch brennenden Kamin und nahm Platz. Kurz darauf folgte seine schwarzhaarige Knappin und traf ihren Herrn wie jede Nacht und setzte sich leise neben ihn vor den Kamin. Ohne dass dieser es merkte rückte sie ein wenig näher an ihn heran, zumindest dachte sie das. Traviahold starrte mit zusammen gekniffenen Augen ins Feuer und redete im sehr leisen Ton mit seiner Knappin, die immer fort ihrem Herrn zunickte und ihren Blick nicht von ihm abzuwenden vermochte. Das Feuer des Kamins spiegelte sich währenddessen in ihren schönen Augen. Sie hatte sich schon seit langem an die Unsitte ihres Ritters gewohnt, nachts zu wachen und den Tag zu meiden. Auch seine Waffenknechte hatten sich daran gewöhnt, dass er oft nachts mit ihnen auszog, waren aber trotzdem froh, wenn sie in den Dunklen Stunden schlafen konnten. Die Knappin hatte dadurch schon unzählige Stunden allein mit dem Ritter verbracht und seinen Worten gelauscht. Sie mochte seine Stimme. Auch wenn er mit ihr schimpfte oder gar schrie. Erst als es draußen hell wurde, gingen die beiden zu Bett; jeder in sein eigenes Zimmer.

Argwulf Eisenhagel inspizierte derweil weiter unauffällig draußen das Gut und die Umgebung. Er schlich über den Nordhang des Hügels in Richtung Gernat. Dort fand er eine Grube in der im Tagebau wohl Kupfer abgebaut wurde. Dann schlich er zu einem unweit gelegenen Wäldchen südlich des Hügels und beobachtete den Kohlemeiler, den er dort entdeckte. Dann huschte er nach Norden zu einem Steg über den Fluss und beobachtete auch die Hütte die dort stand und das Floß mit dem man auf die andere Uferseite übersetzen konnte. Dann suchte er sich ein Windgeschütztes Plätzchen und lauerte in die Nacht hinein. Sein Herr verließ sich niemals auf fremde Wachen…


Traviahold erschien nicht zum Frühstück. Es wagte wohl niemand ihn zu wecken. Und das war auch gut so. Er schlief nicht – niemals. Er wachte. Seine Augen waren lediglich halb geschlossen, was für Außenstehende gespenstig aussehen musste. Er nahm Bewegungen in seiner Umgebung dann immer wahr und konnte selbst Gesprächen zuhören. Und er vernahm das Schmieden von Meister Rodiak wahr, der schon gestern begonnen hatte „Hunger“ zu reparieren. Rodiak fragte auch ob er sein Langschwert reparieren solle, aber das lehnte Traviahold ab. Das Symbol auf dem alten Schwert war nicht für die Augen des Schmiedes bestimmt.

Erst zur Mittagsstunde stand Traviahold auf, streifte sich sein Kettenpanzer über und weckte sogleich seine Knappin im Raum nebenan mit einem unsanften Tritt. Sie gehorchte und stand ebenfalls auf, obwohl sie noch müde war. Da sie an einem fremden Hof waren konnte sie nicht so lange schlafen.

An der Tafel hatte sich dieselbe Besetzung wie gestern eingefunden. Traviahold lobte Storko für die nahrhaften Speisen, überlies aber die allzu exotischen Leckereien seiner Knappin. Er trank auch beileibe nicht so viel wie Storko, der wohl größere Mengen Alkohol gewöhnt war.

„Ich danke euch sehr, dass sich euer Schmied um meine Große Klinge kümmert. Ich habe sie schon an der Ogermauer geführt, damals als die Zantim mein Pferd unter dem Hintern Wegfraßen, aber ich schweife ab. Ich bleibe gerne an eurem Gut zu Gast, denn ihr seid überaus Gastfreundlich. Ich würde vielleicht noch ein paar Tage länger bleiben und hoffe dass ihr vielleicht noch die Edle Valyria von Baernfarn-Binsböckel hinzu zuladen könnt, wenn ich schon mal hier bin. Ich würde diese gerne kennen lernen und auch mit ihr sprechen. Die andere Hälfte meiner „Schwarzen Lanze“ wacht derweil über Gut Schattenholz. Ich hoffe ihr könnt das einrichten. Und ich freue mich mit euch heute auszureiten, aber bitte erst zu späterer Stunde. Ich hoffe ihr habt nichts dagegen wenn meine Knappin uns begleitet.“

Die Stunden vergingen während die beiden weiter über Alte Zeiten sprachen. Traviahold änderte aber immer wieder geschickt das Thema wenn dieses in Richtung Vorfahren abzudriften drohte.

Gegen Abend dann machten sich beide bereit für den Ausritt. Der düstere Ritter trug „nur“ Kettenpanzer, dunkle Schulterplatte und Arm- und Beinschienen. Als die beiden Edlen aus dem Tor ritten hielt die Knappin respektvoll Abstand, so wie ihr aufgetragen wurde, so dass die beiden Herren unter sich waren. Die Helligkeit war den dunklen Abendstunden gewichen, aber es war noch hell genug um in die Ferne zu Blicken.

Storko wunderte sich schon, dass der Ritter den Tag über nicht aus seiner Kammer kam. Er selbst war schon wie gewohnt früh morgens aufgestanden um nach dem Frühstück am Schreibtisch noch ein paar Dinge zu erledigen. Danach, da sein Gast nicht auszumachen war, widmete er sich seiner hoch geschätzten Abschrift von "Der ringende Herr" und wartete den Tag ab ...

Nachdem die Berittenen das Tor des Guts passiert hatten blieben Traviabold und Storko auf dem Gernatsborner Hügel stehen, sodass man, obgleich der Abend angebrochen war, weit ins nahe gelegene Umland blicken konnte. Nordöstlich war der Gernat auszumachen, nordwestlich erhob sich eine sanfte Hügelkette, nur südlich versperrte ein dunkler Wald die Sicht in die Weite.

„Seht“, begann Storko zu sprechen und deutete mit seinem linken Arm in mehrere Richtungen, 2dies ist mein Land, mein Grund und Boden, soweit das Auge reicht2. Storko deutete auf sein Wappen am Umhang. „Das Schwert und die Sense; meine Ahnen haben seit jeher das Land bestellen lassen und es verteidigt. Und meine Kinder werden es mir und ihnen gleich tun. Ich denke Ihr fühl dasselbe. Wir sollten uns unsere Lehen nicht von Schwarztobrischen Soldknechten, Raubrittern oder Rot- und Schwarzpelzen verheeren lassen. Kommt ...“

Storko ritt im Galopp den Hügel hinab um einen Weg nach Norden einzuschlagen. Traviabold und seine Knappin, mit Abstand, folgten. Sie ritten im Trab den Gernat am Treidelweg, der schon tagsüber kaum auszumachen war, flussabwärts hinunter.

„Nun passieren wir die Grenzen meines Lehens und auch die Grenzen der Baronie, sprach Storko. Der kleine Landstrich südlich des Gernats und das Land nördlich davon ist Hallingen. Man berichtete mir, dass zwei Raubritter der Bregelsaums eine Burg dort eroberten und im ganzen Landstrich ihr Unwesen treiben. Drei Familien flüchteten vor ihnen und ich gestattete ihnen sich bei meinem Gut niederzulassen. Sie erzählten mir von ihrer außerordentlichen Brutalität, und, dass sie es besonders auf Gefolgsleute und Kollaborateure der Rabenmunds abgesehen haben. Sollten sie unser gewahr werden, so werden sie gewiss nicht scheuen in unser Land einzudringen.“

Storko schwankte gen Südwesten um die Hügelkette zu überwinden. Nach einiger Zeit des Schweigens erklommen ihre Pferde die Spitze eines besonders hohen Hügels, der eine Sicht in die schwarze Weite darbot. Doch konnte man in der Ferne wenige Lichter einer Siedlung erkennen.

„Dort“, und Storko deutete auf die Lichter, ist der Ort Firunsfelde. „Ein schwarztobrischer Söldnerhaufen hat die Herrschaft seit einiger Zeit inne. Wenn ich mich nicht irre sind es die Söldner, die auch Euch angegriffen hatten, doch ihr konntet sie zurückschlagen. Nun haben sie einen Schwächeren überwunden und sich im Ort verschanzt. Der Baron hat gar einen Ritter mit seiner Landwehr hingesandt um den Ort zu befreien, doch sie wurden aufgerieben. Auch von diesem Ort, der allzu nah zu unseren Gütern liegt droht Gefahr.“

Weiter ritten sie nach Norden um nach einiger Zeit zum Ort Beorwang zu gelangen.

„Dieser Ort liegt schutzlos da, seitdem der beschützende Ritter verschwunden ist. Er ist allein auf Unsere Hilfe angewiesen, denn wie Wir gesehen ist Firunusfelde nicht weit.“

Mittlerweile war es eine kalte Nacht geworden und sie ritten zurück in Richtung Gernatsborn, doch Storko sprach weiter.

„Ihr habt es nun gesehen, im Norden lauern Raubritter, im Osten schwarze Söldnerscharen, ja und im Westen Rotpelze wie man mir erzählte. Der Baron ist jenseits des Wutenwaldes weit weg auf Burg Schlotz von uns getrennt und seine Macht reicht so scheint es mir gerade so weit, wie er vom Schlotzer Hügel ins Land schauen kann. Doch die armen Bauern hier brauchen Hilfe und Schutz, und von wem sollten sie dieses bekommen, wenn nicht von uns. Deshalb wollte ich anregen, mein Freund, dass wir unsere Kräfte zum Wohle des Schlotzer Landes und des unseren vereinen, denn bei all den Gefahren sind selbst Wir auf den anderen angewiesen.„

Kurz nachdem sie den Gernatsborn in der dunklen Nacht erahnen konnten blieb Storko stehen und stieg von seinem Pferd ab. Der große Ritter tat es ihm gleich und Storko kam nahe an ihn heran. Er begann leise ein Lied zu singen:

„Er frohgemut die Sense schwenkt,
die goldenen Ähren zu Boden senkt.
Er heiterlich ins Leben sieht,
auf den Lippen ein lustiges Lied.

Die Herrschaft ist ihm höchstes Gut,
die er errungen in guter Stund',
als er kämpfte mit großem Mut
und blutete aus mancher Wund'.

Er warf das Schwert in die Ecke,
mochte kein Blut mehr seh'n.
Griff zum Pfluge und zur Egge,
vergaß der alten Tage Weh'n.

Die Saat des Bodens hat gekeimt
und die Familie steht vereint
auf ihrer Scholle fest und stet,
bis ein neuer Feind vor den Mauern steht.

Dann hängt er die Sense an die Wand
und nimmt das Schwert erneut zur Hand.
Verteidigt Gut, Weib und Kind,
schreibt nicht das Lehen in den Wind.

Drum ist ihm beider Werkzeug recht.
Sein scharfes Auge ständig wacht.
Lieber tot als eines anderen Knecht.
Freiheit hat man nie gepacht'!

Nun ist es wieder Zeit das Schwert zum Wohle des Schlotzer Landes zu erheben und es von den inneren und äußeren Feinden zu befreien. Ich möchte Euch vorschlagen mit mir den "Schlotzer Schutzbund" zu gründen. Er soll Uns verbinden und verpflichten Uns gegen Feinde die Uns bedrohen beizustehen, sowie das Schlotzer Land von den Feinden zu befreien.“ Ohne dass Traviabold lang überlegen konnte fuhr Storko fort: „Ja so etwas sollte nicht zu voreilig eingegangen werden, denn ein Vertrag bindet. Schlaft eine Nacht darüber und sprecht morgen mit mir wie Ihr Euch entscheidet.“

Die Reiter passierten wieder das Tor des Guts, Storko wünschte eine gute Nacht und ließ den Ritter Traviabold mit seinen Gedanken in seiner Kammer zurück ...

Das Hämmern des Schmiedemeisters, der mittlerweile das Schwert und den Verstärkten Holzschild der Knappin reparierte, war nicht mehr in den Hintergrund zu verdrängen. Also stand Traviahold, der nun schon den dritten Tag auf Gut Gernatsborn verbrachte, auf.

Traviahold weckte noch seine Knappin und wartete bis diese sich ebenfalls angezogen hatte, rief noch Waffenknechte hinzu und ging dann mit all diesen in den Saal des Haupthauses. Wo wie schon an den beiden Tagen zuvor der längliche schwere Holztisch mit Speis und Trank gedeckt war. Dann sprach der große Ritter zu Storko: „Ruft eure Waffenknechte, auf dass sie Zeuge werden.“

Kurze Zeit später waren alle Waffenträger versammelt und bildeten zwei sich gegenüberstehende enge Halbkreise. Dann baute sich der Große Ritter auf und sprach mit lauterer und charismatischer Stimme:

„Ihr habt Recht, es ist die Zeit, das Schwert und die Axt zu erheben um unsere Lehen und die Baronie zu schützen und alle Inneren und Äußeren Feinde zu erschlagen. Sie zu strafen vor den Göttern, den Neuen wie den Alten. Denn durch unser Blut besitzen wir das Recht und die Pflicht, über andere zu herrschen, diese auch zu beschützen und uns gegenseitig zu unterstützen. Unser Blut schenkt uns die Fähigkeit diese Aufgabe zu meistern. Unser Blut schenkt uns den Mut im Angesicht der Horden der Kriegsfürsten zu bestehen, mit Schwert und Lanze in der Hand. Unser Blut verleiht uns die Kraft und Stärke in der Schlacht zu bestehen, dort wo andere fallen!“ Die Stimme des Ritters wurde immer lauter und riss die Umstehenden mit sich, ganz so als würden sie sich auf einem Schlachtfeld befinden. „Unser Blut soll diesen Bund, den wir den „Bund des Alten Schlages“ nennen, besiegeln. So zieht euer Schwert, Edler Storko von Gernatsborn, und reckt es in die Höhe mit eurem Blute daran um unsere beider klingen zu vereinen. Und auch ihr Knechte des Krieges zieht eure Klingen und reckt sie zum Schlage empor!“

Die beiden Ritter schnitten sich beide mit ihren Schwertern über die Linke Hand und hoben die Waffen dann empor, ihre Waffenträger taten es ihnen gleich. Die Stimme des großen Ritters hallte durch den Saal, sein Schwert mit der abgebrochenen Spitze am höchsten erhoben:

„So lasst unsere Klingen mit donnerndem Schlag niederfahren, um unsere Feinde zu zerschmettern und sie mit den stiebenden Funken unserer Waffen zu verbrennen!“

Über ein Dutzend Klingen schmetterten mit wuchtigem Hieb auf den steinernen Boden, so dass Funken empor sprangen.

„So sei es. Und so sind wir nun „Streiter des Alten Schlages“!“

Noch nie zuvor schmeckte Speis und Trank so gut, wie an diesem Abend und das Siegesfunkeln, dass Traviahold herbeigeschworen hatte, war in jedermanns Augen zu sehen. Dieser Abend auf Gut Gernatsborn würde man nicht so schnell vergessen. Ein Bund wurde geschmiedet. Nun galt es weitere Verbündete zu finden. Traviahold schlug Junker Gerbhold von Zwölfengrund, Ritter Bernhelm von Ehrenforst, Ritterin Praiosmin von Siebenstein und Ritterin Ismena von Quellenfels vor. Und Storko schlug sogleich Ritter Sieghelm von Firunsjön und die Edle Valyria von Baernfarn Binsböckel vor. Pläne wurden geschmiedet. Storko solle die seinen Vorgeschlagenen Edlen des Nordens der Baronie auf sein Gut laden und einschwören so sie denn zustimmen würden, und Traviahold die Südlichen Edlen auf seinem Gute. Briefe wurden geschrieben und gesiegelt um die genannten Personen innerhalb einer Woche auf die jeweiligen Güter zu laden. Dabei war es gut, dass Traviahold, der ein mitreißender Redner war, gleich vier Edle zu überzeugen hatte. Aber auch Storko, der ein hervorragender Organisator und Diplomat war, war dieser Aufgabe sicherlich gewachsen.

 

Gut Gernatsborn – Travia 1032 BF

Die Sonne war schon tief unter den Horizont versunken. Valyria hatte die vergangenen Stunden mit Storko und Traviahold über die Pläne des Schlotzer Schutzbundes debattiert. Valyria war beeindruckt von dem Engagement und der Tatkraft der beiden Edlen, die sie hier kennen gelernt hatte. Im Inneren begrüßte sie das Ansinnen der beiden Recken. Allerdings war Valyria auch eine vorsichtige Frau, die ungern Versprechen gab, die sich nicht einhalten ließen. Zuallererst hatte Valyria die Bedenken geäußert, dass sie, da sie ja in Gernatsquell keine Truppe unterhalte, wenig zu dem Bündnis beitragen könne. Jedoch hatte Storko ihre Bedenken zerstreut. Es müsse ja nicht zwangsläufig heißen, dass man dem gemeinsamen Bund Truppen stellen müsse. Ebenso sei es ein unverzichtbarer Beitrag, wenn jemand eine Truppe mit Nahrungsmitteln, Pferden oder auch Bier und Meth versorge. Zwar war Valyria besorgt, dass den teuren Pferden auf einer solchen Mission ein Unglück geschehen könnte, was einen erheblichen finanziellen Schaden verursachen würde. Aber man würde im Einzelfall sehen, was möglich war. Valyria hatte ja auch die möglichkeit, nur für die Dauer einer solchen Aktion des Bundes Söldner anzuwerben. Das war mit Sicherheit deutlich günstiger, als ständig bewaffnete Gefolgsleute unterhalten zu müssen. Und nicht zuletzt: Von einem friedlichen Umfeld würde niemand mehr profitieren als ein Händler wie Valyria. Das bezahlen der Mietlinge, die immer wieder die Warentransporte absicherten, war auch nicht umsonst zu haben. Doch letztlich waren alle sich einig, dass die Bundesgründung ein Schritt in die richtige Richtung war. ein Schritt zur Befreiung des Schlotzer Landes. Und damit würde sie ja auch die Nachschubwege nach Gallys und den dortigen Aufständigen zu sichern, der Stadt und den Menschen, die zu befreien Valyria sich geschworen hatte.

Doch es war spät geworden. Das Feuer im Kamin prasselte schon, und Storko hatte seinem Gesinde aufgetragen, sich um das Mahl zu kümmern. Ein Humpen mit Bier stand auch schon bereit.

Es war an der Zeit, die Gastfreundschaft Storkos zu vergelten und der Herrin Travia zu danken, dass noch immer Gastfreundschaft herrschte im Schlotzer Land. Valyria griff sich die Drehleier, die sie, sorgsam in einen Lederkoffer verpackt, mitgenommen hatte. Leise stimmte sie die Saiten und rief sich den alten Text in Erinnerung. Dann stimmte sie das Schlotzer Lied an.

„He-Ho, wir fahrn nach Schlotz
He-Ho, wir fahrn nach Schlotz
Kamerad, heb Dich empor,
Bleibst Du hier bist Du ein Tor
He-Ho, wir fahrn nach Schlotz
He-Ho, wir fahrn nach Schlotz
He-Ho, wir fahrn nach Schlotz
Ich habe dieses Leben satt
Will raus aus dieser großen Stadt
He-Ho, wir fahrn nach Schlotz

In Gareth-Stadt
herrscht Tristesse pur,
bin ich niemals froh,
herrscht Enge nur,
Gedränge nur und niemals Ruh
und die Menschen schrein dazu
Das hält keiner aus
Ich will hier raus

He-Ho, wir fahrn nach Schlotz
He-Ho, wir fahrn nach Schlotz
Da fassen wir das Glück am Schopf
Wer hier bleibt ist ein armer Tropf
He-Ho, wir fahrn nach Schlotz

Dies stinkende Nest
Gibt mir den Rest
Ich bin hier nicht frei
Geld ist mir einerlei
ich brauch den Wutzenwald
und auch den Gernatstrand
Drum reite ich sehr bald
Ins Schlotzerland

He-Ho, wir fahrn nach Schlotz
He-Ho, wir fahrn nach Schlotz
Dann feiern wir ein großes Fest
Das uns die Welt vergessen läßt
He-Ho, wir fahrn nach Schlotz

Dort kann ich leben, dort bin ich frei
Und auch die Liebe ist mit dabei

He-Ho, wir fahrn nach Schlotz
He-Ho, wir fahrn nach Schlotz
Komm mit, die Pferde warten schon
Steig auf und sei mein Kompagnon
He-Ho, wir fahrn nach Schlotz“

Nach dem üppigen Mahl diskutierten die drei Adligen beim wohlig warmen Kaminfeuer noch bis in die Nacht hinein was der Schlotzer Schutzbund als erstes zur Befreiung des Landes unternehmen sollten. Sie kamen dabei zum Schluss, dass zuallererst der Ort Firunsbelde befreit werden müsse. Wenn sich die restlichen Adligen der Baronie dem Bund angeschlossen haben, so werde man zur Befreiung der Siedlung aufrufen. Sie beschlossen noch weiters, dass der kampferprobte Ritter Traviahold die militärische Führung übernehmen solle, und Junker Storko die politische und koordinierende Position einnimmt.

Traviahold und Valyria blieben als Gäste über Nacht und brachen am nächsten Morgen in Richtung ihrer Güter auf. Während der Tage, die Traviahold in Gernatsborn verbrachte konnte Meister Rodiak viele seiner Waffen und die Waffen seiner Mannen reparieren. Storko verabschiedete sich von beiden herzlichst mit einem "Mögen die Götter Euch und Unserer Unternehmung wohl gesonnen sein!" und sie verließen das Gut in ihre Richtungen. Lange hörten sie noch die Schläge des Handwerksmeisters aus der Schmiede, der schon die nächste Arbeit begonnen hatte.

 

Besuch von Ritter Sieghelm von Firnsjön auf Gut Gernatsborn

Gut Gernatsborn – Boron 1032 BF

Sieghelm von Firnsjön hatte seinen Knappen in Firnsjön zurückgelassen. Er würde ohnehin bald seine Schwertleite erhalten, da war es nur Recht, wenn sich der Bursche um Gut und Dorf zu kümmert, wenn er nicht da war. Lediglich Udalbert, ein Waffenknecht, hatte ihn begleitet. Die Entfernung war ohnehin nicht soweit und hier im Norden der Baronie, waren Bregelsaumsche noch die schlimmste Bedrohung für Reisende, so dass ihm als alten Parteigänger des Hauses von dieser Seite keine Gefahr drohte. Außerdem, er hatte Oger, Ork und Schlimmers überstanden, da würde er eine Reise durch das Lehen seines Neffens wohl auch überstehen. In Schwaz hatte er noch nach dem Rechten gesehen. Alles war dort beinahe so, als ob es die Unruhen der letzten Jahre nicht gegeben hätte. Nun war er in Gut Gernatsborn angekommen und grüßte den Junker Storko von Gernatsborn mit dem Gruß der Rondrianer, ehe er sich klirrend und scheppernd aus dem Sattel schwang. Die 60 hatte er schon vor einigen Jahren hinter sich gelassen, doch zum alten Eisen zählte er noch lange nicht. Kette und Plattenteile trug er noch immer so, als hätte er die Akademie in Rommilys eben erst verlassen.

"Die Zwölfe, Alveransleuin und gütige Herrin voran, zum Gruß!" Der Ritter blickte sich respektvoll um, wobei er sich durch den grauen Kinnbart fuhr. "Wenn ich mich so umblickte, dann sag ich es offen und frei heraus, Wohlgeboren. Euer Vater und Bruder schauen gewiss mit stolz von Rondras Tafel zu uns herab." Er musterte den jungen Junker nun offen und nickte kurz. "Mein Neffe kann froh sein, Euch als Lehnsmann zu haben. Aber genug des Lobes, wir haben Dinge zu besprechen."

Als man Storko berichtete, dass ein Ritter mit Waffenknecht dem Gernatsborner Hügel nahte stand er sofort von seinem Schreibtisch auf, legte seine Lektüre beiseite und ordnete an, dass ein edles Mahl zubereitet und der Kamin im Saal entzündet werden solle. Er gurtete sein Schwert und zupfte sein Barett noch zurecht um sodann in den Hof zu schreiten und den Ritter Willkommen zu heißen.

"Euer Lob beschämt mich, mein Herr" sprach Storko und streckte seine Hand zum freundschaftlichen Gruße dem Ritter entgegen. "Ich heiße Euch auf meinem bescheidenen Gut Willkommen. Ich freue mich, dass Ihr die Zeit finden konntet mir einen Besuch abzustatten und mein Gast zu sein. Doch kommt herein in die Stube. Ich habe schon den Kamin im Saal entzünden lassen, und ein Becher Wehrheimer Löwenbiss wird uns bestimmt auch gut tun." Storko geleitete Sieghelm ins Haupthaus und ging mit ihm die hölzerne Treppe in den ersten Stock hinaus um im kürzlich erwärmten Kaminsaal auf den Stühlen Platz zu nehmen. Davor nahm er noch zwei kupferne Becher und schenkte den erwähnten Brand ein um dem Ritter diesen anzubieten. "Es erfüllt mich mit Ehre, dass ein so erfahrener Ritter wie Ihr es seid dem Schlotzer Schutzbund beitritt. Das Schlotzer Land wird von vielen Feinden bedroht, Raubritter im Nordwesten, Goblins im Osten und schwarztobrische Söldlinge haben das Land verwüstet und sich im Westen in Firunsfelde verschanzt. Seine Hochgeboren, euer verehrter Neffe, sandte schon einen Ritter mit seinen Mannen um den Ort zu befreien, doch sie scheiterten und wurden regelrecht niedergemetzelt. Ihr seht nur gemeinsam können Wir diese Schergen des Bösen besiegen. Es zeigt wahrlich von Euer Ritterlichkeit, dass Ihr gekommen seid um Uns beizustehen diese Gefahren zu meistern, da Ihr und Euer Lehen doch gut geschützt im Walde liegt und Ihr Unsere Hilfe wahrscheinlich nicht bedürfen werdet. Ich danke Euch von tiefstem Herzen." Storko stand auf ging wenige Schritte zu einem Tischchen an der Wand und holte aus einer Lade einen Bogen Papier, Tinte, eine Kerze und Siegelwachs. Auf dem Papier war der Vertrag des Schlotzer Schutzbundes und ihre Statuten zu lesen:

1) Ein jedes Mitglied verpflichtet sich mit besten Taten einem jedweden anderen Mitglied beizustehen, sollte es von Feinden bedroht, belagert oder angegriffen werden.

2) Ein jedes Mitglied verpflichtet sich mit besten Taten das Schlotzer Land von inneren und äußeren Feinden zu befreien und es vor diesen zu beschützen.

"Lasst Uns gemeinsam diesen hohen Statuten zustimmen und den Vertrag besiegeln!" sprach Storko und reichte dem Ritter das Papier.

Sieghelm kommentierte nach einem tiefen Schluck zustimmend:

"Deshalb bin ich hier," mit diesen Worten ergriff er die Feder und setzte schwungvoll seinen Namen unter den Vertrag. "Was im Übrigen meinen Neffen angeht, ich soll Euch in seinem Namen ausrichten, dass er den Bund mit Wohlwollen betrachtet. Es freut ihn, wenn seine Lehnsleute auf diese Weise für ihr Land einstehen. Ich will sehen, dass er stärker die Initiative ergreift. Vielleicht den Stahlherzen beitritt, aber er trägt seinen Namen nicht umsonst," wie er mit einem Lächeln anfügte. "Was mich interessieren würde, Ihr habt ja lange genug im Reichsheer gedient, wann ergreift der Marschall dann endlich mal die Initiative?"

Storko lehnte sich in den Stuhl zurück und überlegte kurz. "Tja, der Marshall kämpft für die rechte Sache, doch seine Mittel und die Unterstützung die er bekommt sind beschränkt. Das Land ist zerstritten, ohne dass die Edlen gemeinsam hinter einem Banner stehen wird es der Marshall schwer haben. Derweil sind wir wohl auf Uns allein gestellt und können vom Reich nicht viel erwarten, dies ist ja auch der Grund warum ich zur Gründung des Schlotzer Schutzbundes anregte. Der lokale Adel muss zusammen halten."

"Ich kenn viele, die sagen die Kaiserin hat uns dieses Banner genommen. Ich war ja nie ein großer Anhänger der Rabenmunds, aber unter Irmegunde – möge Travia zu sich genommen haben - da hatten wir das Banner noch. Einen Grafen haben wir ja auch nicht. Ich sage ja immer, solange man in den Strukturen keine Ordnung hält, kann es auch keine rechte Ordnung geben." Antwortete Sieghelm.

Da kamen auch schon zwei Mägde in den Saal, die auf kupfernen Platten die Speisen für die Herren hineinbrachten. Gegrillte Hühner, Weißkohl und Roggenbrot, dazu wurde Bier gereicht. "Ah, das Mahl ist serviert" sprach Storko und griff sich auf seinen Bauch. "Lasst es Euch schmecken. Ich hoffe es ist Euch genehm. Hätte ich gewusst, dass Ihr kommt, hätte ich auch ein Wild schießen lassen. Ich hoffe Ihr vergibt mir, dass es nur Hühner sind."

"In Travias Namen, hier gibt es nichts zu vergeben. Und was die Jagd angeht, sollten wir einmal zusammen auf die Pirsch gehen. Gibt ja nichts besseres, um sich besser kennen zu lernen."

Storko schnitt das Grillhuhn mit einem großen Messer auseinander um die eine Hälfte Sieghelm auf seinen Teller zu legen. "Wie schon erwähnt wird Unser erster gemeinsamer Feldzug zur Befreiung von Firunsfelde vonstatten gehen. Sobald wir Nachricht von allen Edlen bekommen haben, werden wir dazu aufrufen. Nun sagt, wie stark könntet Ihr uns militärisch dabei unterstützen, mit wie viel Mannen könntet Ihr kommen?

Wird er das? , der alte Ritter musterte den Junker noch einmal genau. "Ich denke, das Ziel ist wohl gewählt. Entscheiden können wir das doch wohl aber erst, wenn alle Edlen zusammen kommen. Wenn es dann aber soweit ist. Nun, ich würde meine 'Lanze' schicken, dazu 10 Frauen und Männer meiner Landwehr, gute Schützen darunter. Alles in allem der Großteil dessen, was ich aufbieten kann." Sieghelm nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bierkrug und fuhr sich mit seinem Handrücken über den Bart, ehe er fortfuhr. "Wenn der Tag dann gekommen ist, nun, dann will ich auch versuchen, meinen Neffen um einige seiner Frauen und Männer zu bitten."

"Das freut mich zu hören, mit solch tatkräftiger Unterstützung werden wir das Land so die Götter wollen alsbald befreien können." sprach Storko und machte sich über die nächste Hühnerkeule her. "Ich hätte da noch eine weitere Frage an Euch. Ich bin erst vor kurzem nach Gernatsborn gekommen um mein Erbe anzutreten, nachdem all meine Verwandten im Kampfe gefallen sind. Nun stehe ich ganz alleine da, ohne Erben. Sollte ich in Borons Hallen gehen, so wird das Haus Gernatsborn erloschen sein. Wisst Ihr vielleicht eine rechte Edelbraut aus dem Schlotzer Land oder auch jenseits der Grenzen um die ich werben könnte, auf dass wir den Traviabund schließen könnten und sie mir Erben schenken würde. Wenn sie schön wäre und von hohem Hause so wäre dies auch nicht verkehrt, oder zumindest eines davon?" Storko zog seine Augenbrauen hoch und blickte den erfahrenen Ritter mit einem schiefen Lächeln erwartungsvoll an.

"Was rastet, das rostet, pflegte einer meiner Lehrer in Rommilys immer zu sagen. Dem habe ich immer versucht gerecht zu werden," wischte der alte Recke das Lob des Junkers zur Seite und tat es diesem in Sachen Hühnerkeule gleich. Als er sie halb verputzt hatte, griff er das Gespräch wieder auf. "Eine gute Frage und auch die Gewichtung gefällt mir. Es kommt natürlich drauf an, was Ihr wollt. Soll sie Ritterin sein, ein edles Fräulein oder ganz was anderes? Ab davon, im Schlotzer Land gibt es wohl die ein oder andere, darüber hinaus natürlich auch. Da wäre natürlich Praiosmin in Siebeneichen, die ist noch nicht vergeben. Der Ehrenforst hat dann noch eine Nichte, um die er sich kümmert. Die käme auch in Frage." Erneut musterte der Ritter den jungen Junker. "Da wäre natürlich auch noch meine Odila, das jüngste meiner Kinder. Alt genug für den Traviabund ist sie und natürlich von äußerstem Liebreiz." Während er sich nun wieder über den Rest der Keule hermachte, beobachtete er Storko genau.

Während Sieghelm Storko eingehend beobachtete merkte er, dass es seinem Gegenüber unangenehm wurde. Storko wischte sich die fettigen Finger an einem Tuch ab und nahm erste einmal einen Schluck Bier bevor er antwortete. "Nun eine Rittsfrau sollte es nicht sein, man sollte doch die Zügeln selbst behalten. Wohl eher wäre mir ein Fräulein aus edlem Hause angenehm, nicht mit einem starken Schwertarm, sondern mehr mit einer gebär- und rahjafreudigen Statur, wenn Ihr wisst was ich meine. Gerne besuche ich auch Euch ins Firnsjön um Eure liebreizende Tochter kennen zu lernen, sofern Ihr erlaubt." Storko lächelte leicht verlegen. "Nun sofern Ihr Lust habt würde ich Euch gerne am morgigen Tage zu einem Jagdausflug in den Wald einladen, auf dass wir ein Wild erlegen können. Wie Ihr sagtet bei einem Jagdausflug, und meiner Meinung nach auch in der Schlacht, lernt man sich am besten kennen."

"Gut," Sieghelm hatte seine Keule abgenagt und das Ganze mit dem Rest aus seinem Krug herunter gespült. "Ihr seit mir jederzeit willkommen. Und was die Jagd angeht," fuhr er mit einem breiten Lächeln fort, "es gibt doch nichts besseres, was einen auf die Schlacht und den Kampf vorbereiten könnte. Abgesehen davon, macht sie doch auch Spaß und wenn einem Firun holt ist, so hat man auch noch etwas zum Essen."

Storko strich sich über den gefüllten Bauch und rückte den beiden die Flasche mit dem Wehrheimer Löwenbiss näher um mit dem Schnaps die Verdauung anzuregen. Er goss seinem Gast und sich in den Becher ein, prostete seinem Gegenüber zu und kippte den Inhalt hinunter. "Mich freut es, dass ich seitdem ich nach Gut Gernatsborn gezogen bin durchwegs immer wieder Gäste bei mir hatte. Zuerst Traviahold aus dem Wutzenwald, dann auch Ihre Hochgeboren Valyria von Baernfarn-Binsböckel, und nun Ihr. Ich bin es nicht gewohnt alleine zu verweilen, weshalb ich wie gesagt eine Braut suche. Doch erzählt mir von Euch, ich will von Eurem reichen Schatz der Erfahrungen lernen." Uns so plauderten die beiden, mit Bier und Schnaps bestärkt, bis in den Abend hinein beim Kaminfeuer, wobei Storko den Geschichten des alten Ritters andächtig lauschte.

Es war ein nebelig kalter Wintermorgen im engen Hof des Gutes. Schon sehr früh waren die beiden Edlen aufgestanden um in den ersten Morgenstunden auf die Pirsch zu gehen. Storko war in einer pelzbesetzten Jagdkleidung aus erdfarbenen Farben erschienen. Neben einem schweren Jagdmesser war er auch mit seinem schlanken Schwert gegürtet. Über die Schulter trug er eine kunstvoll verzierte leichte Armbrust mit Zielvisier. Hinter ihm stand sein Grenzjäger Wolfram, der einen Bogen in seinen Händen hielt.

"Wir werden in den Wald südlich von hier aufbrechen. Es ist mein Jagdrevier, der 'Gernatsborner Wald'". Nur wenige hundert Schritt vom Fuße des Hügels entfern begann das Waldstück, das obgleich der morgendliche Nebel die Sicht beeinträchtigte, welches sich vom Hügel aus zu erkennen gab. Und so brachen sie zur Jagd auf.

Der Gast aus Firnsjön hatte sich für zweckmäßige Kleidung aus Leder entschieden. Gegen die Kälte und etwaige Gefahren hatte er sich darüber hinaus für einen Gambeson entschieden. An seinem Gürtel trug er neben seinem alten Jagdmesser noch ein Kurzschwert. Ansonsten war er mit Jagdbogen und Köcher ausgerüstet. Den Blick den er zu beginn auf den Herrn von Gernatsborn geworfen hatte, zeigte zumindest kurzzeitig einen leichten Unmut. Eine Armbrust war ganz offenbar nicht die Waffe, die man seiner Ansicht nach zur Jagd tragen sollte.

Storko bemerkte den leichten Unmut, den seine Schusswaffe bei dem Ritter auslöste - er ließ sich jedoch nichts anmerken. In Wahrheit hielt Stoko nicht viel von der althergebrachten verträumten Ritterlichkeit, spätestens die Schlacht würde nach seiner Meinung anders aussehen. Wie auch immer, er würde wohl in Zukunft dies besser nicht zur Schau stellen.

Durch den feuchtkalten Morgen schritten die Drei den Hügel hinab. Es knarrte unter den Schritten ihrer Füße, denn der Boden war erfroren und mit einer kristallharten Schicht aus Schnee und Eis bedeckt. Sie passierten die paar, erst vor wenigen Monden errichteten, Katen der Leibeigenen, die vor den Raubrittern aus dem Norden geflüchtet waren. Ein Mann brachte gerade Holz für den Ofen herein. Als er die Edlen erblickte blieb er stehen und senkte sein Haupt. Tatsächlich waren es nur wenige hundert Schritte, da standen sie auch schon vor dem Wald. Dieser war zwar ein Ausläufer des Wutzenwaldes, doch nicht mit diesem direkt verbunden. Sie sahen ein Gewirr von Geäst, das von Reif und Eis überzogen war und die dicken Nebelschwaden versperrten ihnen die Sicht ins Innere. Sie betraten den Wald um auf die Pirsch zu gehen. Wolfram, der Grenzjäger führte sie zielstrebig tiefer in den Wald hinein. Er kannte den Wald und bei der Vorsuche in den letzten Tage hatte er einige viel versprechende Spuren entdeckt. Noch hatten die beiden hohen Herren Zeit sich zu unterhalten und so führten sie ihr Gespräch dort fort, wo sie es am Tag zuvor beendet hatten. Doch nicht lange und der Grenzjäger signalisierte ihnen, von nun an leise zu sein. Und tatsächlich, schon bald darauf fanden sie die frische Fährte eines Rehbocks. Im frischen Schnee noch gut zu erkennen. Von nun an gingen sie vorsichtiger vor, hofften das Tier zu erlegen, dessen Spur sie gefunden hatten. Doch wollte es ihnen der grimme Herr Firun nicht zu leicht machen. Umgestürzte Bäume, Senken, Erhebungen und einen nur von einer dünnen Eisschicht bedeckten Bach mussten sie überqueren oder umgehen. Sieghelm war ganz in seinem Element. Gehörte dies alles doch zu dem, was er an der Jagd so liebte.

Es sollte eine ganze Weile dauern, bis sie endlich ihre Beute sahen. Der Boden war leicht abschüssig und vor ihnen bildete sich eine größere Senke, in der Mitte ein kleiner Tümpel. Der Bewuchs war hier lichter und so konnten sie das Tier zwischen den Schatten der Bäume ausmachen. Er trank an dem kleinen Tümpel. Noch hatte er sie nicht bemerkt. Vorsichtig näherten Storko und Sieghelm sich dem Tier weiter an. Wolfram wartete oberhalb der Senke, dies war nicht seine Jagd. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen. Doch noch immer hatte er sie noch nicht entdeckt. Endlich, nach einer kleinen Ewigkeit, hatte Sieghelm eine Stelle erreicht, von wo er mit seinem Bogen eine gute Position hatte. Der Junker hatte ihm als Gast den Vortritt gelassen.

Ruhig legte der alte Ritter an. Sein Atem ging gleichmäßig. So hatte er es schon unzählige Male gemacht. Und auch dieses Mal hatte er gut gezielt. Doch ehe sein Pfeil treffen konnte, hatte sich der Rehbock bewegt und seinen Kopf erhoben. Zwar traf der Herr von Firnsjön, doch war der Pfeil nicht so tödlich wie erhofft. Getroffen sprang das Tier auf und begann panisch zu flüchten. Storko versuchte noch es mit einem Bolzen seiner Armbrust, doch ging dieser fehl und bohrt sich lediglich in das Holz einer Tanne. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als der blutigen Spur zu folgen. Das Tier würde an der Wunde sterben. Doch würde es noch einige Zeit brauchen, ehe sie es endgültig stellen würden. Und so kam es auch. Gut ein Stundemaß brauchte die kleine Gruppe, bis sie das Tier fanden. Mehr als zwei sollte es dauern, bis sie zurück auf Gernatsborn waren. Doch die Anspannung der Jagd war von ihnen gewichen und so unterhielten sie sich ausgelassen über die Jagd und andere Themen.

So ging schließlich der Besuch Sieghelms bei seinem Nachbarn zu Ende. Nicht ohne eine Einladung an Storko ihn doch seinerseits bei Zeiten in Firnsjön zu besuchen.

 

Besuch von Storko von Gernatsborn in Gernatsau

Gut Gernatsborn - im späten Boron 1032 BF

Es war kalt geworden in den letzten Wochen. Doch zum Glück blieb der Regen und Schnee aus und der Herr Firun sandte nur seinen grimmen Atem über die einstmals so friedlichen Lande Darpartiens, die nun als Wildermark bekannt waren. Ein einsamer Reiter in Grün-Grauer Kleidung ritt den Treidelpfad nach Gut Gernatsborn am Gernat herauf. Er schien es nicht sonderlich eilig zu haben und sein Pferd schien zu ausgeruht um bereits eine längere Strecke geritten zu sein. Am Gut angekommen übergab der Reiter ein Pergament mit den Worten. "Der Junker Anshag von Sturmfels lässt seine besten Grüße entrichten und bittet diesen Brief an den Junker zu Gernatsborn weiter zureichen."

Daraufhin wartete der Bote, ob es zu einer eventuellen Antwort kommt und kümmerte sich um sein Pferd.

Die Botschaft lautete wie folgt:

Sehr geehrter Junker zu Gernatsborn, lange schon liegen unsere Ländereien in unmittelbarer Nähe zueinander, doch gelang es uns bisher nicht miteinander in Kontakt zu treten. In diesen harten Zeiten aber müssen wir alle beisammen stehen, um ein wieder geeintes Darpartien zu schaffen. Es wäre mir eine große Ehre Euch auf meinem Gut in Gernatsau begrüßen zu dürfen, um gemeinsam eine Zukunft Darpartiens zu besprechen und eventuellen Handel möglich zu machen.

Hochachtungsvoll

Anshag von Sturmfels zu Gernatsau


Anshag von Sturmfels? Noch nie von ihm gehört? Storko dachte nach ob dieser Name ihm schon einmal untergekommen war während er sich mit dem Schriftstück in den Händen in seinen Arbeitsstuhl sinken ließ. "Soll der Bote warten, euer Wohlgeboren?" fragte der Soldat der ihm die Nachricht in das Arbeitszimmer gebracht hatte. "Ja. Gebt ihm einen warmen Meth" antwortete er und fragte ihn "woher kommt der Bote her?" "Aus Gernatsau, einem Ort in Kaiserlich Hallingen, so hat er uns berichtet. Er ritt ohne Eile den Gernat flussaufwärts." Hallingen wird immer wieder von den Bregelsaumer Raubritter heimgesucht, und diese haben es insbesondere auf Kollaborateure der Rabenmunds abgesehen. Könnte es sein, dass sie Wind von der Vergangenheit Storkos bekommen haben und dies nun eine Falle ist um ihn nach Hallingen zu locken? Andererseits würde ihn eine Freundschaft in Hallingen vor diesen schützen können und es könnten sich auch Handelsbeziehungen bilden. Erst am selben Tage war Storko vom Besuch seiner anderen Nachbarin Valyria von Baernfarn-Binsböckel zurückgekehrt, bald wollte er ohnehin in die Rabenmark nach Burg Mersingenaufbrechen, der Besuch nach Gernatsau wäre nur ein kleiner Umweg der sowieso mühseligen Reise im Winter. Für den Fall eines Aggressor wird er all seine Soldaten zum Geleit mitnehmen und sollte er gefangen genommen werden, dann wären die Mitglieder des Schlotzer Schutzbundes auch verpflichten ihm beizustehen.

Storko nahm ein frisches Blatt Papier zur Hand und begann mit schwarzer Tinte zu schreiben:

Die Zwölfe zum Gruße, Rondra voran!

Es freut mich zutiefst von Euch Wohlgeboren Anshag von Sturmfels, meinem Nachbarn in Hallingen zu hören und gleich traviagefällig auf Euer Gut geladen zu werden. Ihr sprecht wahr, in den finsteren Zeiten müssen jene Edlen, die in den Ländereien die "Wildermark" genannt werden ihr Land haben zusammenhalten, auf dass das Land wieder erstarke und blühe. Die erste Voraussetzung für friedliche Zusammenarbeit ist Handel und Austausch, weshalb ich Euer Angebot gerne in Anspruch nehme und am morgigen Tage mit Bedeckung nach Gernatsau aufbrechen werde.

Seine Wohlgeboren Storko von und zu Gernatsborn

Er versiegelte das Schreiben noch mit Wappen seines Hauses. Auf dem dunkelblauen Wachsfleck war grob Schwert und Sense gekreuzt zu erahnen. "Der Bote soll das Schreiben zu seinem Herrn zurückbringen" ordnete Storko an "aber zuvor soll er den Weg nach Gernatsau noch gut beschreiben".

Dankbar nahm der Reiter den warmen Met entgegen. Auf die Frage nach einer Wegbeschreibung antwortet er wie folgt: "Der Weg nach Gernatsau ist nicht schwierig. Folgt dem Pfad bis zur Fähre. Dort setzt Ihr über. Wendet euch gen Südwesten und folgt dem Weg etwa eine Stunde, so erreicht ihr die ersten Häuser des Dorfes. Von dort aus ist das Gut meines Herrn bereits zu sehen. Der Weg mag etwa zwei bis drei Stunden in Anspruch nehmen, wenn man es nicht zu eilig hat, sonst würde es natürlich auch schneller gehen."

Mit einer knappen Verbeugung nahm der Bote das Antwortschreiben entgegen und machte sich auf den Rückweg. Kaum auf dem Gutshof angekommen, sah er auch schon den Junker, welcher an einem Tisch auf dem Hof saß.

"Wohlgeboren, das Antwortschreiben des Herrn von und zu Gernatsborn"

Der Junker wandte sich nun voll dem Reiter zu. "Na, dann lass mal hören, Rauert" klang die tiefe Stimme des Junkers.

"Seine Wohlgeboren freut sich, dass er von Euch eingeladen wurde und gedenkt morgen anzureisen."

"Dann bereite schonmal vor. Ich möchte den Junker ja nicht mit leeren Händen empfangen. Lass die gute Stube ein bisschen auf Vordermann bringen, ich befürchte wir werden morgen einige Zeit darin verbringen. Und sag Perainhold, dass ich was von seinem Selbstgebrautem brauche. Braten und Brot sollen auch vorbereitet werden und Gaststuben, falls der Junker über Nacht bleiben möchte."

So verging der Tag in geschäftigen Treiben, bis man am nächsten Tag den Junker von und zu Gernatsborn erwartete. Der Junker und seine Lanze warteten in ihren Praiostagsgewändern und der Junker war der Einzige, den man nicht hatte überreden können sein Schwert wegzulegen. Viele Dorfbewohner warteten neugierig auf die Besucher an den Fenstern ihrer Häuser. Es geschah schließlich nicht alle Tage, dass ein Adliger zu Besuch kam. Nur die Rinder grasten wie immer unbekümmert und beobachteten unbedarft die Strasse.

Am nächsten Tage brach Storko auf. Er ritt, gehüllt in dicke Pelze, auf seinem Pferd. Dahinter marschierten seine Soldaten in Zweierreihe, die Spieße hoch erhoben. Ein schwer beladenes Packpferd wurde auch mitgeführt. Nicht nur, dass Zelte mitgenommen wurde, der Junker wollte auch seine Plattenrüstung auf Reisen bei sich haben. Nach dem Besuch in Gernatsau soll die Reise ja auch weiter in die Rabenmark gehen und in diesen Zeiten ist es immer gut gerüstet durch die wilden Lande zu ziehen. Die Wolken hingen tief ins Land hinein und vereinzelt wanderten weiße Flocken vom Himmel herab. Froh waren sie, dass der Wind, der die letzten Tage geherrscht hatte, nicht mehr so stark war, und sie nicht mehr so sehr in ihre Pelze und Schals hinein kriechen mussten. Auf dem vereisten Treidelpfad versuchten sie so schnell wie es ging den Gernat flussabwärts zu ziehen, so wie es der Bote aus Gernatsau gewiesen hatte. Nach etwa drei Stunden erblickte Storko am weißen Horizont einige Häuser. Das muss Gernatsau sein, dachte er sich. Im Winter so wie jetzt war die Gegend in teilweise vereiste Flächen und matschige Schneepisten verwandelt. Die Gebäude waren einfache Bauernhäuser mit Ställen für das Vieh und machten einen recht provinziellen Eindruck. Zu seiner Rechten erblickte er auch einen Bauernhof, der unverkennbar erst vor einiger Zeit mit einer schützenden Holzpalisade umzogen wurde. Sie marschierten näher und kamen an den "Dorfplatz", sofern ihn so nennen konnte. Jedenfalls war ein Brunnen in der Mitte und an einer Seite erkannte Storko ein kleines Gotteshaus der Mutter Travia. Die Bewohner schienen wachsam interessiert zu sein. Vor den Häusern waren sie nicht zu sehen, doch konnte man erkennen, dass einige aus den geöffneten Fensterläden ins Freie und damit auf die Besucher blickten. Storko war gerade vom Pferd abgestiegen und wollte, so wie es als Gast angebracht war, in den Tempel gehen und eine kleine Spende abgeben, da kam ein gemütlich blickender gut über fünfzig Winter zählender Mann aus einem der Häuser und begrüßte die Besucher herzlichst: "Travia zum Gruße, Euer Wohlgeboren!" sprach er Storko an, während er sich verbeugte. "Unser edler Herr und Junker erwartet Euch schon auf seinem Anwesen". Der Herr wies in eine Richtung, in der in wenigen hundert Schritt Entfernung auf einem kleinen Hügel ein Gut errichtet war. Storko nickte und antwortete "ja, ja ich sehe es", beachtete den Mann nicht weiter und begab sich in das Gotteshaus um ein paar Silbermünzen dort zu lassen. Er schmiss sie einzeln mit Kraft in die Opferschale, so dass der Mann sein Opfer auch unweigerlich hören musste. Nun wie ein Hinterhalt der Bregelsaumer Raubritter sah es bisher nicht aus, dachte er sich, sonst hätten sie ihn bestimmt schon im Dorf überfallen. Er schwang sich wieder auf sein Ross und trabte in Richtung des Ritterguts voran. Sein Weibel bellte den Befehl zum weiter marschieren und die Soldaten schlossen sich ihrem Befehlshaber im Gleichschritt an. Das Anwesen des Ritters von Sturmfels bestand aus einem zweistöckigen Steinhaus mit einem kleinen Turm, die man schon von weitem sehen konnte. Daneben sah man noch Gesinde- und Wirtschaftsgebäude. Auf dem Turm war die Flagge des Ritters gehisst. Augenscheinlich hatten die Bewohner auch schon längst die Herannahenden erkannt, denn mehrere Personen warteten schon vor dem Gut auf die Besucher.

Einzelne Schneeflocken trieben über den Hof des Junkerguts. Die meisten Leute froren trotz ihrer Winterkleidung, nur Junker Anshag stand dort, als wäre ein schöner Sommertag, nur sein Pelzumhang gemahnte daran, dass es selbst für ihn zu kalt war, um die Zeit auf dem Hof einfach so zu überdauern. Die Brauen des Junkers zogen sich zusammen, als er den kleinen Heerzug den Weg entlang kommen sah. "Da glaubt wohl jemand hier nicht sicher zu sein, was?" fragte er halblaut mehr sich selber als einen der Anwesenden. "Sollen wir etwas vorbereiten Herr?" fragte eine junge muskulöse Frau, die Waffenmagd des Junkers. "Legt eure Waffen so, dass ihr sie im Notfall schnell erreichen könnt aber so, dass man sie nicht direkt sieht. Er wird hoffentlich nicht dumm genug sein ein Gut in kaiserlich Hallingen anzugreifen, denn der Zorn der Kaiserin wäre unermesslich." antwortete Anshag ruhig, auch wenn seine Stirn von einigen Falten des Zweifels gezeichnet war. Aufmerksam beobachtete die kleine Schar, wie der Besucher den Traviatempel betrat. Als der Besucher wieder heraustrat, sah man den jungen Geweihten des Tempels wie er sich dankbar vor dem Besucher verbeugte und scheinbar einige Worte des Dankes an ihn richtete.

Als der Zug sich wieder in Bewegung setzte gab Anshag der Magd und den Burschen das Zeichen das erste Bierfass anzuschlagen und einige Krüge warmen Mets vorzubereiten. Hoffentlich kriegen wir die alle unter, dachte der Junker bei sich. Freundlich lächelnd ging er dem Besucher einige Schritt entgegen und reichte ihm als dieser abgestiegen war die Hand zur Begrüßung. "Seid aufs herzlichste Willkommen in Gernatsau, Euer Liebden. Erweist mir die Ehre mich in mein Haus zu begleiten, während Eure Männer mit warmen Met, Bier und etwas zu Essen versorgt werden. Ich habe für Euch bereits ein Zimmer herrichten lassen, falls Ihr geruht über Nacht zu bleiben." Mit einer einladenden Geste deutete Anshag auf das Haus und hält sich während des Weges neben seinem Gast.

Anshag musterte seinen Besucher. Der Junker Storko war von etwa gleicher Größe wie er selbst, wenn auch nicht von ganz so stämmiger und muskulöser Statur. Er trug edle Pelzkleidung, die gewiss auch auf einem Hoftag Verwendung finden könnte. Bis auf einem gepflegten, gewachsten Spitz- und Schnurrbart war er frisch rasiert und seine brünetten Haarspitzen lugten nur vereinzelt unter der dicken Pelzmütze hervor. Seine Mimik schien zuerst unemotional und selbst als er Anshag ansah, glaubte dieser, dass er ins Weite sah. "In Travias Namen, habt Dank für die Einladung. Es traf sich gut, da ich ohnehin auf eine weitere Reise aufbreche. Ich hoffe ihr gewährt mir mit meinen Mannen eine Nacht auf eurem Gut zu bleiben." Sie stapften langsam durch den Schnee in Richtung des Haupthauses, als Storko ohne eine weitere Antwort abzuwarten weiter sprach. "Wisst ihr, ich muss mich entschuldigen euch, meinem Nachbar, noch nicht meine Aufwartung gemacht zu haben, doch ich erbte mein Junkergut erst vor weniger als zwei Monden. Mein halbes Leben war ich von der Heimat entfernt gewesen und diente als Offizier in der Reichsarmee. Es kam aber so, dass Vater, Mutter, Bruder, alle starben für Land und Reich in der Schlacht. Nun trat ich erst vor kurzem mein Erbe an." Storko wandte seinen Blick noch einmal zurück zum Dorf. "Ich muss euch sagen, ihr könnt ein schönes Dorf und Land euer Eigen nennen. Nun ich hörte aus der Hallinger Gegend immer wieder von den Raubrittern der Bregelsaum: die Ritter Wolfgram und Azzo von Bregelsaum sollen den Landstrich terrorisieren. An meinem Gernatsborner Hügel ließ ich zu, dass Geflohene aus Hallingen siedeln dürfen. Sie erzählten mir, dass ihr Dorf von diesen Rittern verwüstet wurde. Sagt mir, wisst ihr etwas über diese Gefahr?" Mittlerweile waren sie am Tor des Hauses angekommen und betraten die Stube.

Anshag hört seinem Besucher aufmerksam zu, während sie das Haus betraten. Mit jedem Schritt im Inneren des Hauses viel es Anshag schwerer aufmerksam zu bleiben und er war froh, als man den engen Flur verlassen hatte und in den zumindest etwas größeren Aufenthaltsraum gelangte. Sofort wurden ihm und seinem Besucher Humpen mit Bier gereicht. Lächelnd nahm Anshag seinen entgegen und prostete Storko zu bevor er einen großen Schluck nahm. "Natürlich könnt ihr und Eure Begleitung die heutige Nacht hier verbringen. Ich habe bereits ein Zimmer für Euch herrichten lassen, eure Leute müssten allerdings im Dorf unterkommen, denn bis auf zwei weitere, die im Gesindehaus schlafen können, habe ich auf dem Gut selbst keinen Platz. Aber keine Sorge, noch nie hat ein Gernatsauer einem Gast die Türe gewiesen und man hat immer irgendwo ein Plätzchen frei." Als Storko das Thema der Raubritter anspricht bildete sich eine steile Falte auf der Stirn Anshags. "Nun, ich habe Gerüchte in diese Richtung gehört aber ich glaube mehr ist es auch nicht als Gerüchte. Bisher habe ich nichts davon mitbekommen, dass sich hier Raubritter rumtreiben und ich lebe schon eine Weile hier. Wäre ja noch schöner, wenn wir das Land der Kaiserin nicht mal vor ein paar Raubrittern schützen könnten, die sollen ruhig herkommen und sich ne blutige Nase abholen..." Anshag war dabei sich in Rage zu reden, als ein junger schwarzhaariger Mann ihm auf die Schulter tippte. " Verzeiht Euer Liebden, doch glaube ich, dass Ihr das Thema der Diskussion, ein wenig überspannt" "Ja,ja ist ja schon gut Rauert. Er ist mein gutes Gewissen was die Etikette anbelangt." fährt er in Richtung von Storko fort. "Ich hatte nie ein gutes Händchen dafür aber er scheint genug für drei zu haben aber egal." Anshag hebt den Humpen erneut und leert ihn. Sofort kommt eine junge Magd und füllt ihn nach. "Also Nachbar, wie ich schon in meinem Brief hab schreiben lassen, halte ich es für sinnvoll, wenn wir uns untereinander austauschen. Ich meine unsere Güter liegen keine Tagesreise auseinander und es sind gefährliche Zeiten. Vor allem in den Teilen der Provinz die noch nicht wieder unter kaiserlicher Kontrolle stehen. Natürlich würde es sich dabei nicht nur um militärisches Handeln, sondern auch um Waren. Ich weiss ja nicht wie viele Rinder Ihr habt, aber von dem Fleisch der meinigen bleibt in der Regel ein wenig Überschuss, genauso wie von Fell oder Getreide. Man könnte sich aushelfen und so gemeinsam daran arbeiten, dass die Kaiserin hier bald wieder das Zepter in der Hand hat und nicht diese elenden Kriegsfürsten, seien es Rabenmunds, Schwarzländer oder Söldnerseelen wie dieser Verräter Leomar." Zwei Mägde bringen Essen an den Tisch. Deftigen Braten mit frischem Brot und einige Kartoffeln. Anshag lässt sich Storkos Teller vorher geben. Er beäugt ihn genau und riecht schließlich daran. "Wohlschmecken, Euer Liebden" Während Anshag beginnt zu speisen, schüttelt der junge Schwarzhaarige im Hintergrund leicht den Kopf, allerdings wirkt er eher amüsiert als wirklich schockiert. Mit noch vollem Mund hebt Anshag wieder an zu sprechen. "Besseres Fleisch findet man in der Umgebung nur selten. Genauso wie es hier eines der besten Biere gibt. Wie Ihr seht, viel zu gewinnen, wenig zu verlieren, also was meint Ihr? Bleiben unsere Güter in Kontakt?" Anshag fixiert Storko mit seinem Blick bis zu dem Augenblick, da er sich scheinbar an einem Stück Fleisch verschluckt. Sein Husten klingt allerdings nach einigen großen Schluck Bier wieder ab und er sieht Storko wieder an, allerdings lange nicht mehr so fixierend wie vor einigen Augenblicken.

Bei der recht schlechten Etikette von Anshag musst Storko gar Lächeln - doch war ihm dies eigentlich egal, in der 'Höhle des Löwen' in Wehrheim ging es nicht anders zu. Das Essen schmeckte Storko, er aß gerne und gut, würde er nicht so viel Bewegung machen, dann hätte er bestimmt schon ein Bäuchlein. Als Anshag über Leomar vom Berg sprach missfiel das ihm, doch zeigte er keine Regung dabei. Mit einem Lächeln hob er den Bierhumpen und prostete seinem Gegenüber zu. "Ja das Essen ist ausgezeichnet. Auf Mutter Travia." Beide prosteten einander zu und leerten ihr Bier mit einem großen Schluck. Die junge Magd kam abermals und füllte die Humpen wieder voll. Storko blickte in ihr Dekoltee und als sie wieder ging auf ihr Hinterteil. Anshag merkte das Verhalten des Gastes und auf seiner Stirn bildete sich wieder eine steile Falte. "Ah, was wollte ich noch gleich sagen" sprach Storko wieder. "Ja, ich habe schon bemerkt, dass ihr euch auf die Rinderzucht spezialisiert habt. Nun an den Hängen meines Hügels wird so manches angebaut: Roggen, Rüben und Kohl, auch habe ich einiges an Vieh wie ein paar Rinder, Schweine, Ziegen, Schafe und Hühner, auch stehen einige Obstbäume in den Feldern aus denen Brandt gemacht wird, doch kann ich nicht sagen in welchem Gut ich Überschüsse erzielen werde. Meistens sollte es gerade für mich und meine Unfreien reichen. Aber, ich kann mit etwas anderem aufwaten." Er nahm noch einen Schluck ehe er weiter sprach. "Ingerimm sei gelobt, ich stelle in meinem Gut Kupfererzeugnisse wie Geschirr, Besteck und allerlei anderes her. Sowie kupferne Dachschindeln, die Feuerfest sind und sich ausgezeichnet für Wehranlagen eignen, und zudem einiges hermachen. Ich denke die momentane Auftragsauslastung ist nicht ausgeschöpft. Also falls ihr einige Rinder - oder gar Dukaten", und Anshag sah die Augen seines Besucher glänzen als er über Handel und Geld sprach, "zu viel habt, so können wir - nach der Schneeschmelze - ins Geschäft kommen. Die Rinder könnte ich gut weiter verkaufen." Wieder hob er den Humpen und leerte ihn. Die Magd kam erneut um nachzuschenken und Storko konnte nicht widerstehen ihr abermals ins Dekoltee zu glotzen. Er war ein fester Trinker, die Jahre in Armee und Söldnerschar hatten ihn zu einem gemacht. "Sagt" fuhr er fort und kam Anshag näher "steht ihr im Traviabund oder führt ihr euer Gut alleine. Mir ist es zuwider niemanden an der Seite zu haben." Storko ließ auch seine Contenance etwas beiseite, einerseits weil er ahnte, dass sein Gegenüber nicht viel davon wusste und wahrscheinlich auch nicht viel davon hielt, andererseits da er doch schon ein paar Humpen in recht kurzer Zeit geleert hatte." Ehrlich gesagt bin ich gerade auf Reisen um diesen Umstand zu verändern und mir eine passende Braut zu suchen. Falls ihr noch alleine seid und ebenfalls eine passende Dame für den Traviabund suchtet, so würde ich gleich an zwei edle Frauen denken, die euren Eigenschaften bestimmt gerecht werden könnten. Anshag war etwas verwundert, die beiden kannten sich erst eine Stunde und Storko sprach schon von Eheschacherei.

Anshag blickte Storko erstaunt entgegen. Er wusste zwar nicht viel von Etikette, doch wusste er, dass dies bestimmt kein Thema war, wenn man sich gerade eine Stunde kannte. Anshag konnte nicht anders als Respekt für Storko zu empfinden. Er sah zwar aus wie einer dieser garethischen Schönlinge, trank und redete aber wie ein Mann von echtem Schrot und Korn, wenn er jetzt noch gut kämpfen kann, wäre an ihm ein rechter Weidener verloren gegangen. "Nein, ich bin nicht im Traviabund aber welcher Mann möchte denn keine Familie gründen? Es wäre schön wenn man einen Nachkommen hätte, den man der Kaiserin anempfehlen könnte, wenn man dereinst nicht mehr in der Lage ist, die Geschäfte des Guts zu führen." Eine kurze nachdenkliche Pause bildete sich zwischen den beiden Adligen, doch bevor es zu einem peinlichen Schweigen werden konnte ergriff Anshag wieder das Wort. "An Euren Waren hätte ich Interesse und ich denke, dass sich eine Einigung über den Preis erreichen lässt. Wenn Eure Schindeln wirklich so gut sind, werde ich gerne darauf zurückkommen, denn was nützt einem die wehrhafteste Hauswand, wenn einem das Dach brennend auf den Kopf fällt?" schallen begann Anshag zu lachen und leerte seinen nächsten Krug, der sofort wieder aufgefüllt wurde. Er bemerkte zwar die Blicke Storkos, doch sagte er nichts, sondern lächelte nur mild. "Ja, ja die Frauenzimmer können einen schon um den Verstand bringen. Es geht nicht mit ihnen aber est recht nicht ohne sie. Trinkt ruhig noch etwas, es ist genügend da und zur Not, lasse ich noch ein Fass ranrollen. Wäre ja noch schöner, wenn Ihr auf Euren Reisen sagen musstet, das bei Junker Anshag der Humpen trocken geblieben wäre." lachend prostete Anshag seinem Gegenüber noch einmal zu. Der schwarzhaarige Berater Anshags zog sich eben zurück, als Anshag mit einer Geste die Magd mit einer Flasche kommen ließ. Sie stellte zwei kleinere Becher auf den Tisch und goß eine klare, goldgelbe Flüssigkeit in diese. "Echter Weidender Bärentod. Es gibt keinen besseren Brandt auf dieser Welt. Da merkt man das man lebt. Aber um auf das Thema von eben zurückzukommen, wer wären die holden Damen die Euch in den Sinn kommen? Vielleicht ist es die richtige Zeit an eine Familie zu denken und dementsprechend zu handeln." Langsam machte sich auch bei Anshag der Alkohol bemerkbar und so hatte er noch weniger als sonst etwas dagegen bei dem Gespräch abseits der Etikette zu wandeln. Zum Glück war sein Schreiber nicht mehr da, also musste er auch nicht damit rechnen, dass dieser ihn auf die Etikette wieder aufmerksam machte. Mit freundlichem Blick schaute Anshag zu Storko herüber, der nach dem Bärentod wohl auch die ersten wirklichen Auswirkungen des Alkohols zu spüren bekam.

Gerade hatte Storko den Becher von seinen Lippen genommen und wischte ein paar Tropfen davon ab. "Der Bärentod ist wirklich ein guter Schnaps - ja und schön mild." Anshag blickte etwas verwundert, war der Brandt alles andere als mild. Storko aber begann zu lachen und auch Anshag überriß den Sarkasmus in den Worten seines Trinkgenossen und lachte mit ihm. "Nein, ich bin ja jahrelang den 'Wehrheimer Löwenbiss' gewohnt" fuhr Storko fort "der ist so stakt und reizt den Rachen, Bärentod ist wahrlich von besserer Qualität." "Also, um wieder zur Thematik mit den Frauenzimmern zurück zu kommen. In der Baronie Schlotz, also jenseits des Gernats und Wutzenwaldes, wüsste ich möglicherweise zwei potentielle Damen. Die eine ist gar die Cusine des Schlotzer Barons. Ihr Name ist Odila von Firnsjön. Sie ist zwar noch etwas jung, aber dann bleibt sie länger frisch ... ha ha!" Storko begann herzhaft zu lachen, der Alkohol machte sich schon bemerkbar. Als er der Rohheit seiner Worte gewahr wurde hörte er sofort zum Lachen auf und mäßigte sich wieder. "Nun ihr Vater Sieghelm von Firnsjön ist ein wirklich ehrenvoller Ritter, ich bin mir sicher, dass er an euch als Schwiegersohn Gefallen finden würde. Die zweite Option die ich anzubieten hätte wäre Praiosmin von Siebenstein, sie ist eine junge Ritterin zu Siebeneichen, ein Dorf an den südlichen Ausläufern des Wutzenwaldes. Meines Wissens wird das Dorf von einigen Rotpelzen bedrängt, die sich überhaupt schon viel zu weit westlich herumtreiben. Sollte man sie bei der Verteidigung des Ortes unterstützen, so könnte man bestimmt ihr Herz dabei gewinnen." Anshag blickte etwas nachdenklich und Storko fuhr fort. "Also, sowohl Sieghelm von Firnsjön, als auch Praiosmin von Siebenstein sind dem Schlotzer Schutzbund beigetreten, um die Feinde die unsere Baronie bedrohen zu besiegen und zu vertreiben. Wisset, Anshag, es sind nicht nur die Rotpelze, die sich um den Wutzenwald herumtreiben und die Gegend unsicher machen. Nein, eine schwarztobrische Söldnerschar durchzog das Schlotzer Land, brannte einen Ort nieder, überfiel einen weiteren und verschanzte sich im Dorf Firunsfelde. Sie könnten eine Gefahr für die ganze Umgebung werden. Um dieser Gefahr zu trotzen wurde erst vor kurzer Zeit auf meine Initiative hin der Schlotzer Schutzbundgegründet, auf dass wir gemeinsam den Gefahren begegnen können. Wenn die Schneeschmelze hereinbricht werden wir Kriegsrat halten und dann entweder den Rotpelz jagen oder Firunsfelde befreien. Solltet ihr uns dabei unterstützen so würdet ihr nicht nur einige Gefahren des Landes beseitigen und euch Freunde in Schlotz machen, sondern könntet sogar das Herz einer Holden gewinnen." Storko erhob den wieder gefüllten Becher und lenkte ihn zu seinem Mund.

"Ich muss schon sagen, ich bin von Euch beeindruckt. Als ich Euch sah, dachte ich erst, ich hätte mir einen garethischen Höfling ins Haus geladen aber wie sehr ich mich getäuscht habe. Ihr könnt trinken, versteht auch einen derben Scherz. Wenn ihr noch gut kämpfen könnt, seid Ihr wahrlich in meinen Augen ein rechter Recke gegen die Feinde Darpartiens." Anshag schlug Storko freundschaftlich auf die Schulter. "Mein Vater, Boron habe ihn selig, wäre sicher froh gewesen zu wissen, dass ein solcher Mann das Nachbarjunkertum inne hat." Anshag stand auf und reckte sich. "Was meint Ihr, wollen wir einen kleinen Spaziergang mache? Mich dauert es die ganze Zeit in der Bude zu hocken. Auf dem Hof nehmen wir dann noch eine Pfeife und die hier..." Anshag griff nach der Flasche Bärentod"..., die nehmen wir mit, auf dass es nicht zu kalt wird" Anshag ging mit seinem Besucher auf den Hof, der mittlerweile von Schnee weiß geworden war. Rauch stieg aus dem Schornstein des Backhauses und der Duft frischen Brotes verbreitete sich auf dem Hof. Noch einmal streckte sich Anshag und sog tief die kalte Luft ein, während Storko kalt war. Anshag gab Storko die Flasche mit Bärentod lächelnd in die Hände und bedeutete ihm sich zu setzen, als ein Diener schon zwei schön gestaltete Meerschaumpfeifen und Knaster brachte. "Langt nur ordentlich zu, wo das her kommt gibt es noch genug davon. Diese Praiosmin von Siebenstreich wird also von Goblins belagert, ja? Weiß man wie viele Rotpelze es sind? Ich meine es wird ja nen Grund geben, warum die Holde auf Hilfe angewiesen ist nicht war? Und wenn sie im Schlotzer Schutzbund ist, warum steht ihr dieser dann nicht bei? Aber an sich wäre ich bereit, dem Schlotzer Schutzbund unter die Arme zu greifen, wenn dieser nicht mit ein paar Rotpelzen klar kommt" belustigt beobachtete Anshag wie Storkos Augen vor Zorn enger wurden und begann schallend zu lachen. "Keine Sorge, ich glaube kaum, dass es darprtische Ritter gibt die nicht mit Rotpelzen zu Recht kommt und vom Schlotzer Schutzbund habe ich bisher schon einiges eindruckvolles gehört. Wenn er also eingreift sagt mir Bescheid und ich werde gerne mit Euch ziehen." Anshag sog genussvoll den Rauch der Pfeife ein und blies ihn genießerisch aus der Nase. "So, jetzt habt Ihr die Flasche aber lang genug gehabt, lasst mir auch noch einen Schluck" sagte Anshag lachend und griff nach der Flasche Bärentod.

Storko war von Natur aus weder ein eitler Stutzer noch ein rauer Geselle, er war das was seiner Gegenüber am meisten haben wollte. Gute Manieren hatten für ihn genauso keinen Selbstzweck und Stellenwert wie rüpelhaftes Verhalten, auch wenn er das erste vorzog und das zweite in mancher Stund aus ihm hervor kam. Jedenfalls schien es ihm, als ob Anshag ihn gut Leiden konnte, er hatte seinen Gastgeber gut eingeschätzt. Storko gab Anshag die Flasche des Brandts und zog lange den Rausch der Pfeife ein. Beim Ausatmen versuchte er Ringe mit Rauch in die kalte Winterluft zu hauchen und sprach sodann. "Nun, ihr solltet den Rotpelz nicht unterschätzten. Jetzt im Winter ist er von Vorteil und kann sich gut im Wald verschanzen. Die Tage sind kurz und die Nächte sind lange und kalt, der Rotpelz kommt in der Dämmerung, stiehlt Vieh und Korn und verschwindet im dunklen Wald. Wenn für ihn eine Bedrohung kommt, dann verschanzt er sich immer tiefer im Gestrüpp - und er ist flink im tiefen Schnee, uns weit überlegen. Im Frühjahr aber, dann können Wir auf die Hatz gehen und haben die besseren Karten auf der Hand und werden ihn in die Berge vertreiben. Der Winter aber ist keine gute Zeit für Krieg und Scharmützel. Glaubt nicht, dass wir nicht mit denen fertig werden können, aber wenn man sich von mehreren Seiten von Feinden umgeben sieht, dann muss man sich schon gut überlegen welche Flanke man weniger gut schützen will. Um ehrlich zu sein habe ich Praiosmin von Siebenstein selbst noch nie getroffen, aber mein Schlotzer Adelsfreund Traviahold hat mir berichtet, dass sie es vorzieht in diesem Winter zur Sicherung ihrer Bauern den Ort nicht zu verlassen." Nach diesen Worten, die Storko mit mehr mahnender Miene gesagt hatte begann er wieder zu lächeln. "Nun, aber ich freue mich, dass ihr gewillt seid uns zu unterstützen." Er hielt kurz inne. "Wollen wir nicht ein Lied singen. Ein Hymne auf Reich und Vaterland, die ich schon als junger Kadett gesungen habe." In den letzten Jahren hatte er das Lieb wirklich schon lange nicht mehr gesungen, hatte er dem Reich ja auch nicht mehr gedient und es lag ihm in Wahrheit auch nicht viel an ihm, lieber würde er eine möglichst unabhängige 'Wildermark' bzw. ein 'Wehrheimer Land' sehen. Das Lied würde Anshag aber bestimmt gefallen. Storko stimmte ein, der Text war ihm egal, die Melodie aber - Aufbruchstimmung verbreitende Marschmusik - gefiel ihm und deshalb hielt er dabei die Flasche in die Höhe.

Sei gesegnet ohne Ende,
Mittelreich’sche Heimat, wunderhold!
Freundlich schmücken dein Gelände
Tannengrün und Ährengold.
Mittelreich’sche Herrschaft, ernst und redlich!
Mittelreich’sche Liebe, zart und weich,
Mittelreich, wie bist du herrlich!
Peraine mit dir, oh Raul’sches Reich!

Mit Adel schreiten, seine Knechte,
Off'nes Feld für unsre Kraft!
Adelspflichten, Adelsrechte!
Frei nach dem was Ehre schafft!
Starken Mutes, festen Blickes,
Trotzend jedem Schicksalsstreich,
Steig empor den Pfad des Glückes,
Rondra mit dir, groß’ Mittelreich!

Mittelreich bist du geheißen
Und von Gareth kommt das Licht,
Nacht und Finsternis zerreißen,
Wenn es durch die Wolken bricht.
Seht verklärten Angesichtes
Den ersehnten Tag vor euch!
Land der Ordnung, Land des Lichtes,
Praios mit dir, Garether Reich!

Lasst, durch keinen Zwist geschieden,
Uns nach einem Ziele schaun!
Lasst in Eintracht und in Frieden
Uns am Heil der Zukunft baun!
Uns'res Landes Jugend werde
Ihren starken Vorfahr’n gleich!
Sei gesegnet, Heimaterde!
Travia mit dir, Neues Reich!

Gebannt lauschte Anshag dem Gesang Storkos. Nach kurzer Zeit summte er die Melodie bereits mit und man sah ihm förmlich an, wie er versuchte sich den Text einzuprägen. Als Storko mit dem Lied geendet hatte klopfte Anshag seinen Beifall auf dem Tisch und sein Gesicht zeigte Entschlossenheit und Freude.

"Wirklich ein schönes Lied. Ihr habt gut daran getan, es mir vorzusingen. Ich kenne ebenfalls ein Lied. Mein Vater hat es mir und meinen Brüdern vor langer Zeit beigebracht aber mir war lange nicht nach singen zu mute. Mal sehen ob ich es noch kann." sagte Anshag mit einem beinahe schon kindlichen Lächeln im Gesicht. Dieser Eindruck wurde durch die von der Kälte geröteten Wangen noch verstärkt.

Anshag begann mit seiner sehr tiefen und doch melodischen Stimme einen ähnlich aufbegehrenden Marsch zu singen:

„Obs stürmt oder schneit
ob die Sonne uns lacht
der Tag glühend heiß
oder eiskalt die Nacht
Verstaubt sind die Gesichter
doch froh ist unser Sinn
Es brausen die Ritter im Sturmwind dahin.

Mit donnernden Hufen
geschwind wie der Blitz
Dem Feinde entgegen
vom Harnisch geschützt
Voraus gemeinen Soldaten
im Kampf stehn wir allein
So stoßen wir tief in die feindlichen Reih´n

Wenn vor uns ein feindliches
Heer dann erscheint
Wird Galopp geritten
und ran an den Feind
Was gilt denn unser Leben
für Rondras höchste Ehr?
Für die Götter zu sterben
ist uns grösste Ehr

Mit Speeren und Lanzen
hält der Gegner uns auf
Wir lachen nur drüber
und reiten nicht drauf
Und droh´n vor uns die Schützen
versteckt durch Marschallshand
Wir suchen uns Wege
die sonst keiner fand

Und lässt uns im Stich
einst das treulose Glück
und kehren wir nicht mehr
zur Heimat zurück
Trifft uns der Todesbolzen
ruft uns die Göttin ab
So wird unser Harnisch
zum ehernen Grab

Nachdem Anshag geendet hatte bleibt er einige Momente still. Er schüttelt kurz den Kopf bevor er wieder in Richtung Storkos lächelt. "Nunja, vielleicht nicht die höchste Dichtkunst aber so wie ein Darpartier ist. Ehrlich, stolz und direkt. Zumindest sollte ein Mann so sein. Wie wenig hatte ich immer für diese höfischen Possenspiele und Intrigen übrig. Ich mag es nicht, wenn ein Mann sich verstellt. Wem soll man noch trauen können? Muss man nicht immer Angst haben, dass derjenige dem man was vorspielt die List durchschaut?"

Anshag blickt Storko einige Momente an. Sein Blick ist nur schwer zu deuten, doch plötzlich prustet Anshag los und kann sich vor Lachen kaum halten.

"Ihr hättet mal Euer Gesicht sehen sollen, Gernatsborn. Wahrlich ein Geschenk an die Götter" Noch einige Momente lacht Anshag herzlich und vor allem laut, bis er sich die Flasche noch einmal vornimmt. Leicht betrübt hält er sie nur einen Augenblick später falsch herum, um zu zeigen, dass sie leer ist.

"Was meint Ihr, Gernatsborn, soll ich noch eine Flasche holen lassen, oder geben wir uns mit dem Rauchkraut und noch etwas Bier zufrieden?"

Storko nickte bejahend. "Wirklich ein schönes Lied. Ein Lied auf eure Familie der Sturmfesler." Und er meinte dies durchaus ernst. "Ich denke Bier wird reichen. Wisst ihr, ich habe morgen noch eine weite Reise durch den harten Winter vor mir, da muss ich ausgeruht sein. Aber wenn ich sehe was ich für einen ehrenvollen Ritter als Nachbar habe, dann kann ich ja unbesorgt mein Gut für ein paar Wochen alleine lassen." Storko blickte in den mittlerweile sternenklaren Nachthimmel und rieb sich die Hände zusammen. "Wollen wir nicht wieder hineingehen und am warmen Kamin weiter plaudern." Anshag murrte zwar etwas aber begab sich wieder ins Haus. Er schien wohl die Weite der Natur der Enge von Räumen vorzuziehen, dachte sich Storko.

Wenn Anshag so Kaiser- und Rohajatreu war wie er hervorhob, dann musste er auch wohl im Jahr des Feuers auf ihrer Seite gekämpft haben. Storko hatte den Ritter aber nie in den feindlichen Reihen gesehen - da er selbst ja wohl auch nie in den ersten Reihen anzutreffen war - und Anshag hatte ihn ebenso nicht als Gegner wieder erkannt. Ja, der Streit um die Nachfolge war geschlagen und der alteingesessene Adel musste nun wieder die Trümmer aufräumen. Aber vielleicht war es gut, so dachte er sich, dass nun Rohaja am Thron des Reiches sich wieder fand und nicht Answin, denn sie hatte dem Adel einige Zugeständnisse gemacht und das Mittelreich war wesentlich weniger zentralistisch als zuvor - nur Satinav weiß wie es anders sich zugetragen hätte.

Vor dem Kamin des Hauses tranken die beiden noch einen Humpen Bier und rauchten genüsslich ihre Pfeifen. Nebenbei plauderten sie über ihre Adelshäuser und Familien. Storko betonte immer wieder wie all seine Verwandten im Kampfe für Heimat und Mittelreich ihr Leben ließen. Doch immer wenn das Gespräch in Richtung der letzten Jahre und der Kämpfe im Zusammenhang mit Storko ging, versuchte er es gewandt woandershin lenken zu lassen.

"Mein lieber Freund und Nachbar" Storko klopfte Anshag auf die Schulter " auch wenn der Abend und die Gespräche sehr unterhaltsam waren, ich denke es ist Zeit für mich zu Bette zu gehen. Ich bin es gewohnt früh aufzustehen und morgen erwartet mich ein langer Tag." Er stellte den leeren Bierkrug ab, bedankte sich nochmals für die Gastfreundschaft und wollte sich dann seine Kammer im Haus zeigen um ins Traumreich Borons einzutauchen.

Anshag nickte Storko freundlich zu. "Ja, Ihr habt wohl Recht, die Stunden flogen nur so dahin und es ist wahrlich Zeit sich zur Ruhe zu begeben." Anshag rief nach einer Magd, die Storko sein Gemach zeigen sollte. Dieses wurde schon durch einen Ofen geheizt, so dass es eine angenehme Temperatur hatte. In der Mitte des Zimmers stand ein großes Bett, welchem man ansah, dass es frisch gemacht war.

Auch Anshag ging zu Bett, gab allerdings die Order, dass man ihn zu wecken habe, sobald sein Gast aufgestanden war, sodass er ihn angemessen verabschieden konnte.

So kam es, dass sich Anshag am Morgen wieder begegneten. "Nun, werter Storko. Lasst Ihr mir noch die Ehre zuteil werden mit Euch ein Frühstück einzunehmen? Eure Männer wurden bereits mit Proviant für 2 Tage versorgt. Nach dem Frühstück, werde ich Euch dann noch zum Dorfplatz geleiten, doch werden sich unsere Wege dort zunächst trennen. Was meint Ihr?"

Anshag machte eine einladende Geste in Richtung des reich gedeckten Frühstückstisch, an dem bereits mehrere Tassen Tee träge vor sich hin dampften und die Lanze Anshags bereits saß, allerdings noch nicht begonnen hatte zu essen.

„Einem guten Frühstück kann ich nicht widerstehen“ sprach Storko und überblickte die Frühstückstafel. Frisch gebackenes Brot war zu sehen, daneben ein großes Stück Rinderspeck und ein nicht minder großes Käserad. Eine junge aber sehr kräftige Waffenmagd schnitt sich gerade ein großes Stück vom Geräucherten ab. Storkos Blick fiel auf den daneben sitzenden Mann mit recht elfisch spitzen Ohren, der grade den heißen Tee schlürfte. Er setzte sich zu den Waffenknechten auf einem Stuhl an den Tisch und begrüßte alle mit einem „Einen traviagefälligen Morgen, allerseits.“ Die junge blonde Waffenmagd schien ihm das Fleisch geschnitten zu haben, denn sie reichte ihm einen Teller mit dem Speck und Brot. Der schwarzhaarige Schreiber Rauert, der seinen Herrn gestern vor schlechter Etikette bewahren wollte, schenkte zudem gerade in die Tasse Tee ein. Storko aß Brot und Speck. „Mhh, ausgezeichnet euer Rindergeräuchertes. Ich bin mir sicher ich werde bei euch ein paar Stein Speck bestellen lassen.“ Anshag nickte ob des Lobes. Storko ließ es sich schmecken und verdrückte einige Brote mit dem guten Speck und Käse. Er rieb sich den Bauch – auch wenn er eigentlich recht schlank war und keiner zu sehen war – und erhob sich vom Tisch. „Die Zeit ist gekommen zu gehen. Es erwarten mich lange und mühevolle Tage auf der Reise.“ „Ich habe eure Pferde schon satteln lassen, und ich denke eure Soldaten sind auch schon aufmarschiert“, bemerkte Anshag freundlich.

Beide gingen hinaus auf den Hof des Guts. Dicke Wolken versperrten die Sicht auf die Praiosscheibe und einige Flocken glitten langsam durch die Windstille zum Boden hinab. Knechte hatten die Pferde schon für den Aufbruch vorbereitet und auch die Soldaten Storkos waren zum Rapport vor den Weibel angetreten. Einer wie der andere hielt die Infanteriewaffe in die Höhe – auf dem Rücken war Schild und Gepäck aufgeladen. Der Weibel – Spieß Wehrheimer – machte eine militärische Meldung bei dem Offizier Storko, dass alles und alle bereit für den Aufbruch wären. Storko und auch Anshag – da er sie noch bis ins Dorf begleiten wollte – stiegen auf ihre Rösser und schritten voran. Der Spieß gab das Kommando und im Gleichschritt marschierten sie aus dem Gut und trillerten ein Marschlied in die kalte Landschaft hinaus:

O du schöner Wutzenwald

I. Heute wollen wir marschieren
Einen neuen Marsch probieren
In dem schönen Wutzenwald
Ja da pfeift der Wind so kalt.

Refrain O du schöner Wutzenwald
Über deine Höhen pfeift der Wind so kalt
Jedoch der kleinste Sonnenschein
Dringt tief in's Herz hinein.

II. Und die Birsel und der Lans
Geh'n Praiostags gern zum Tanz
Weil das Tanzen Freude macht
Und das Herz im Liebe lacht.

Refrain

III. Ist das Tanzen dann vorbei
Gibt's gewöhnlich Keilerei
Und dem Bursch' den das nicht freut
Man sagt der hat kein Schneid.

Refrain


Im Dorf waren die Bewohner aus ihren Häusern gegangen um die Besucher ihres Schutzherren zu verabschieden. Inmitten aller wartete derselbe Mann, der am gestrigen Tage die Ankömmlinge Willkommen geheißen hatte – wohl der Schulze dachte sich Storko. Im Dorf angekommen stieg er wieder ab um im Tempel der Mutter Travia eine Spende zu hinterlassen. Dann verabschiedete er sich von Anshag endgültig: „Ich danke euch nochmals für eure großzügige Gastfreundschaft und den schönen gestrigen Abend. Ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft sowohl im Handel als auch in der Politik gut zusammen arbeiten werden“ – tatsächlich wusste Storko, dass sie ganz andere politische Ziele und Ansichten hatten. „Besonders freue ich mich euch im Frühjahr auf mein Gut laden zu dürfen wenn der Schlotzer Schutzbund Kriegsrat halten wird, und wir mit eurer Unterstützung zur Vertreibung der Übel des Landes rechnen können, das ist wahrlich ritterlich von euch.“ Storko und Anshag reichten sich die Hände zum Abschied. „Die Zwölfe mit Euch!“ sprach er noch und schwang sich auf das Pferd.

So verließen die Besucher Gernatsau und beide hatten einen guten Nachbar jenseits des Gernats mehr.

 

Besuch von Gerbold von Zwölfengrund auf Gut Schattenholz

Anfang Boron 1032 BF

Junker Gerbold von Zwölfengrund passierte zusammen mit seinem Waffenknecht und seinen zwei Jägern das Tor zu Gut Schattenholz. Es gab kein Tor mehr, das sie aufhalten konnte, denn das hing aufgebrochen in seinen verbogenen Angeln. Rammbockspuren waren auf der Außenseite zu erkennen. Dafür traten aber schlagartig 5 abgerissene Gestalten, manche in Kettenhemden, und manche in Kurbulen gepanzert, den Ankömmlingen entgegen und zogen sofort die Waffen – jeder eine andere. Die Jäger griffen bereits nach ihren Pfeilen und der Waffenknecht war kurz davor sein Pferd schützend vor das seines Herren zu lenken, als eine sechste Gestalt in einer dunklen Kapuze von hinten durch den Toreingang. Auf dem Rücken trug er eine Eisenwalder Armbrust und an der Seite hing ein Langschwert.
„Waffen runter, das hier sind unsere Gäste die unser Herr erwartet.“ Langsam ging er an den Jägern und dem Junker und seinem Waffenknecht vorbei, jedoch ohne dieses aus den Augen zulassen, und stellte sich vor die anderen Gestalten, die jetzt begannen ihre Waffen zögerlich weg zustecken. Auch die Frauen und Männer des Junkers entspannten sich. Er selbst hatte seinen Schwertarm auf den Knauf seiner Waffe gelegt, griff nun aber wieder nach den Zügeln. Seltsame Sitten hatten hier Einzug gehalten. „Wartet hier kurz, ich werde Bescheid geben, dass ihr angekommen seid.“ Der Mann mit dem Kapuzenumhang verschwand im Haupthaus und kam erst viele Augenblicke später wieder zurück, blickte hoch in das Antlitz des hellen Götterfürsten, und winkte dann die Neuankömmlinge hinein. Der kleine Rittersaal war mit einem alten Teppich in der Mitte ausgelegt. Darauf stand ein schwerer Holztisch, in dem schon viele Kerben zu erkennen waren. Zu viele Kerben um genau zu sein, ganz so als hätte man mit ihm schon einmal den Eingang zum Haupthaus verbarrikadiert, und als hätten Angreifer von außen dagegen geschlagen. Vor einem brennendem Kamin stand ein großer Ritter, in Kettenpanzer und brünierten Schulterplatten, sein Helm, der legendäre schwarze Topfhelm mit Drachenflügeln, stand auf dem Tisch. Der große Ritter drehte sich um. Das Kaminfeuer war die einzige Lichtquelle im Raum. „Seid willkommen euer Wohlgeboren Gerbold von Zwölfengrund, setzt euch.“ Eine Magd schenkte den Gästen aus einer Karaffe Wein ein. Niemand setzte sich. „Mit einigen Männern der Schwarzen Lanze habt ihr wohl schon Bekanntschaft gemacht, entschuldigt ihr auftreten.“ Eine Entschuldigung die nicht ernst gemeint war. „Ich hoffe eure Reise hier her war sicher.“ Und auch keine ernst gemeinte Frage. Der große Ritter schüttelte dem Junker mit beiden Händen die Hand und dieser begrüßte ihn im Namen Praios. Kein entgegnender Zwölfgöttergruß folgte. Traviahold legte seinen Arm auf die Schulter des Junkers, der mit seinen knapp über 1 Schritt und 60 Halbfingern deutlich von diesem überragt wurde, was von diesem mit einem missbilligend Blick quittiert wurde. Doch lies er sich auf diese Weise vor den wärmenden Kamin geleiten.
Eine junge Knappin betrat den Rittersaal, nickte ihrem Herrn kurz unterwürfig zu und stellte sich mit dem Rücken vor ein kleines Fenster, wodurch es noch etwas dunkler wurde. „Ich freue mich, dass ihr meiner Bitte gefolgt seid, ich weiß dies zu schätzen. Ich wollte euch schon viel eher kennen lernen, immerhin seid ihr der Herr des zweit größten Ortes in der Baronie, Junker Gerbhold von Zwölfengrund.“ Traviahold streckte seine Hände in Richtung der Flammen, hinter ihm warf das bizarre Schatten in den düsteren Saal. Traviahold erklärte Gerbhold die Situation der nahe gelegenen Orte und erwähnte dabei auch die Finsteren Schergen von Firunsfelde und die Goblins von Siebeneichen. Auch erklärte er ihm das Bündnis noch einmal genau. Und betonte dabei besonders, dass der Junker jederzeit auch mit der Hilfe von Schattenholz rechnen könne und dass er mit der Schwarzen Lanze schnell vor Ort wäre, sollte Sokramshain von wem auch immer bedroht werden. Eine Versprechen das sehr wohl ernst gemeint war, fast so als läge dieser uralte Ort dem Großen Ritter ganz besonders am Herzen. Gerbold hörte sich das alles überwiegend schweigend an. Er kannte die Situation in Schlotz sehr gut. Nur ab und an stellte er kurze Fragen. Sein Gegenüber liebte es ganz offenbar die Initiative zu übernehmen. Das konnte Stärke und Schwäche zugleich sein. Letzteres vor allem, wenn darüber hinaus noch zu viel Arroganz im Spiel war. Während dessen wurde Wildbret aufgetischt, das zwar eher schlicht aber dafür umso fettiger und schmackhafter war. R3eduziert auf das wesentliche – das Fleisch. Traviahold bestand sogar darauf, dass die Begleiter des Junkers mit aßen, ihm machte das nichts aus. Gerbhold erwähnte die Göttin des Herdfeuers, während sich die Lage immer mehr entspannte. „Mögen wir zusammen unsere Feinde in ihrem Blut ersaufen lassen, auf dass nicht einmal mehr Sokramor die Schwarze ihnen Leben spenden könne.“ Bei diesen Worten blickte der Junker auf und hielt kurz mit dem Kauen inne. "Ihr mögt klare Worte," war die erste Reaktion des Junkers. Sein Gegenüber mochte ein Anhänger der Alten Kulte sein, vielleicht wollte er ihn aber auch nur testen. Wer konnte das sagen? Zu den gleichen Göttern zu beten, machte einen jedenfalls noch nicht automatisch zu Verbündeten. "Ich hoffe Ihr nehmt einen Rat an. Ihr solltet die Worte mit mehr bedacht wählen. Ich selbst kenne die Lande und ihre Sitten nur zu gut. Wie die meisten in den Ausläufern der Sichel dulde ich ein gewisses Maß an 'Bräuchen und Eigenheiten' bei meinen Untertanen. Das gilt jedoch nicht für alle von uns. In unseren Kreisen hingegen," er zögerte kurz, " nun, da mögt Ihr auf jemanden treffen wie mich. Jemanden der Euch einen freundschaftlichen Rat gibt. Andere hingegen mögen sich von Euch abwenden. In besseren Zeiten bedeutete dies lediglich einen schlechten Ruf. Heute hingegen, nun heute mag dies die Unterstützung sein, die den Unterschied von Sieg und Niederlage ausmacht." Traviahold nagte seinen Knochen fertig und legte diesen Beiseite. „Ja meine Worte sind klar und schneidig, wie ein Vorläufer in einem Gefecht.“ Die Dienerin wartete eine kurze Pause ab, um den hohen Herren erneut einzuschenken. „Ich danke euch für euren Rat, Gerbold.“ Die Knappin schien jetzt genau hin zuhören. „Ruf ist sicherlich nicht zu unterschätzen, aber auch ein Schlechter Ruf hat seine Vorzüge. Vor allem, wenn er die Feinde schon einschüchtert, bevor der Kampf begonnen hat.“ Da es doch langsam etwas zu dunkel wurde, wies Traviahold die Dienerin an, die Kerzen zu entzünden, die in einem alten silbernen Kerzenständer nur darauf warteten entzündet zu werden. „Die Wildermark ist nicht der Stall eines jeden Adligen. Hier wildern die wahren Wölfe. Hier gelten eigene Gesetzte.“ Die Kerzen erhellten nun den Saal viel deutlicher, so dass Gerbold die vielen Narben im Gesicht des großen Ritters viel deutlicher auffielen. „Natürlich heiße ich dies nicht gut, aber es ist so wie es ist, und es wird so bleiben, wenn wir nichts dagegen unternehmen. Es ist an der Zeit Taten sprechen zu lassen. Taten nach denen wir vielleicht schon bald gemessen werden. Taten, denen Ruf folgen wird. Lasst uns diesen Bund mit Blut besiegeln.“ "Ein guter Ruf mag den selben Effekt haben," Gerbold hob sogleich seine Hände zu einer beschwichtigenden Geste. "Ich hingegen war schon immer der Ansicht, dass jeder den Weg beschreitet, der ihm richtig erscheint. Eines solltet Ihr jedoch nie vergessen, Ihr könnt Euch noch so hervortun, was am Ende zählt ist eines: Euer Blut und Eure Abstammung. Das sind die Gesetze dieser Lande. Auch wenn wir heute in einer Zeit der Schrecknisse leben, am Ende, da bin ich sicher, gilt es sich an die Gebote unseres Standes gehalten zu haben. So gesehen," Gerbold zog das Jagdmesser, welches er an seinem Gürtel trug, "lasst uns im Sinne der Tugenden der Ritterschaft handeln und alles tun dieses Land zu schützen. Bei einem solch der Sturmherrin gefälligen Tun, ist es nur mehr als angemessen, wenn wir den Bund mit Blut besiegeln."

Traviahold musste sich eingestehen, dass er länger über die Worte des Junkers Gerbold nachdachte, als er eigentlich wollte. Die Wildermark bestand nun schon seit fast 5 Jahren - eine Ewigkeit in diesem Rauen Land, in dem man um sein Überleben kämpfen musste. Würde vielleicht schon in gar nicht allzu weiter ferne wieder Ruhe und Friede einkehren können? Sollte er daran glauben können? Selbst wenn man jeden Kriegsfürsten zu Strecke bringen würde, wären da immer noch die Schwarzen Lande direkt an der Grenze. Er musste daran glauben. Und er würde sicherlich noch öfter über die Worte des Junkers nachdenken. Zufrieden darüber, dass der Junker Gerbold nicht davor zurück schreckte, den Bund des Alten Schlages mit Blut zu besiegeln, unterhielten sich die beiden Adligen darüber, was Sokramshain dem Bund an Hilfe beisteuern könne um Firunsfelde zu befreien und Siebeneichen zu beschützen. Der Feldzug rückte näher. Und Traviahold wollte wissen welchen Platz Gerbold in diesem Feldzug einnehmen würde.

Dieser antwortete ehrlich, als er sagte, dass er dies heute nur schwer sagen könnte. Er würde alles daran setzen zu kommen und seine Lanze in die Schlacht zu führen. Sokramshain sollte aber auch nicht ohne Schutz da stehen. Er würde wohl ein und halbes Dutzend, vielleicht auch zwei seiner Leute mitnehmen. Er würde sie dann selbst nach seinem besten Wissen und Gewissen führen, wie es alte Tradition ist.

 

Neue Verbündete und Neue Feinde

Unterwegs in der Wildermark – Boron 1032 BF

Die sechs Mann starke Reitertruppe der "Schwarzen Lanze" war schnell unterwegs. Das Wetter war schlecht, und der Boden matschig vom vielen Regen. Linkerhand war der Rand des mysteriösen Wutzenwaldes zu sehen. Jener Wald über den sich so viele Geschichten rankten, jener Wald den der Ritter Alten Schlages in seinem Namen trug. Nur wenige Holzfäller und Köhler trauten sich in diesen Wald, vor dem sie sich fürchteten. Auch die Goblins fürchteten ihn. Zumindest hoffte Traviahold aus dem Wutzenwald das. Der Ritter jedoch hatte eher ein vertrautes Gefühl, immer wenn er in die Nähe dieses Waldes kam. Nicht dass er den Sagen und Legenden die ihn umranken keinen Glauben schenkte, aber er hatte das Gefühl, dass das tiefe Unterholz ihn willkommen hieß. Sein Waffenknecht Eisenhagel hatte sogar eine noch festere Verbindung mit dem Wald, in dem er immer wieder verschwand und dort dem "Gott des Waldes" lauschte. Dass Ziel der Reise war Siebeneichen. Ein Ort der direkt am Waldrand lag, nordöstlich von Gut Schattenholz. Die Ritterin Praiosmin von Siebenstein verteidigte diesen Ort mit den Resten ihrer Lanze, gegen eine immer größer werdende Schar von Goblin-Banditen, die unter der Führung von Chraaz "dem Verräter" standen, einem hiesigen Goblin-Kriegsfürsten, der die Gegend terrorisierte. Der düstere Ritter lenkte seine Mannen immer dichter an den Waldrand und ritt bis zur Abenddämmerung. Erst als man kaum noch was sehen konnte, ließ er Fackeln entzünden und ritt direkt 200 Schritt in den Wald hinein und ließ Eisenhagel einen Rastplatz suchen, der gut zu verteidigen war. Dort ließ er noch ein Dutzend weitere Fackeln entzünden, so dass es nach außen hin schien, als würden hier viel mehr Männer Rasten. Zwei Lagerfeuer wurden errichtet, die die Kälte aus den Gliedern vertrieb. Viele Fackeln wurden am Rand des Rastplatzes in die Erde gesteckt, um eventuelle Gegner früher sehen zu können. Und dann teilte er die Wachen ein – alle – niemand schlief in den Zelten die sie errichtet hatten. Traviahold saß, soweit das überhaupt möglich war, in seiner Gestechsrüstung auf einem Baumstumpf, nahe am Feuer. Das Zweihandschwert "Hunger" hatte er in den kalten Boden gerammt, während er suchend in den Wald starrte. Nur seinen Helm hatte er ausgezogen und an seinem Streitross befestigt. Seine Knappin saß, etwas tiefer, direkt an der Seite ihres Herrn und hatte dessen Großschild am linken Arm und ihre Hand auf ihrem Schwertknauf. Im Schein des Feuers betrachtete sie die Narben des Ritters auf dessen Gesicht. Traviahold schaute finster drein, wie immer. Sie mochte diesen Blick. Traviahold schlug der verträumten schwarzhaarigen Knappin plötzlich mit der Rückhand auf den rechten Oberarm und deutete ruckartig in die‚ Finsternis des Waldes…


Siebeneichen – Boron 1032 BF

Nach dem die Nacht am Rande des Wutzenwaldes ereignislos verlief, kam die Schwarze Lanze mittags endlich in Siebeneichen an. Unterwegs hatten die Reiter das stetige Gefühl beobachtet zu werden - aber kein einziger Goblin zeigte sich.

Als sie sich dem Ort näherten, war die Anspannung fast greifbar. Einige Hütten und Katen, die einige hundert Schritt vom eigentlichen Ort entfernt waren, waren geplündert und nunmehr von ihren Bewohnern verlassen worden. Der erste Hof, an dem sie vorbeizogen, als sie aus dem Wutzenwald kamen, war gar bis auf seine Grundmauern niedergebrannt. Die wenigen Menschen die man sah, waren sichtlich angespannt und blickten sich immer wieder unsicher um. Sie versuchten sich auf ihre Art zu verteidigen, wie Traviahold bemerkte. Keiner ging seinem Tagwerk alleine nach und um den Ort herum hatten sich einige der Bewohner mit improvisierten Waffen postiert. Er selbst ritt an einer Frau vorbei, die die 50 schon überschritten hatte, und mit einem Bogen bewaffnet Richtung Wald starrte. Sie und die anderen, die der Ritter ausmachen konnte, blickten ihn misstrauisch, vor allem aber ängstlich an.

Traviahold hatte seinen Bannerträger nicht vorausgeschickt, wollte er dem Goblinkriegsfürst doch nicht unterwegs einen einzelnen Reiter auf dem Silbertablett servieren. So konnten die Siebeneicher auch nicht mir Sicherheit sagen, wer da in ihren Ort ritt. Die Zeit hatte sie misstrauisch werden lassen, doch noch immer ließen sie Fremde in ihren Ort und achteten die Gebote Travias.

Die Schwarze Lanze blieb im Zentrum des Ortes stehen, um gesehen zu werden und hielt Ausschau nach der Ritterin. Die Knappin ritt auf gleiche Höhe neben ihren Schwarzen Ritter, der in seine schwarze Gestechspanzerung samt seinem schwarzen Helm gehüllt war. Am Himmel standen dichte Wolken, es war nicht wirklich hell. Traviahold drehte langsam den Kopf zu ihr. Sie sah müde aus, aber das kümmerte ihn nicht. Wenigstens versuchte sie es sich nicht anmerken zu lassen.

Die Ritterin kam nicht, wie man hätte erwarten können, aus dem mit einer ein Schritt hohen Mauer umgebenden Gutshof, der sich in der Mitte des Ortes befand. Mit seinem Haupthaus, dem Stall und einer Scheune, war dies eindeutig der Sitz der Herrin von Siebeneichen. Die Ritterin kam vielmehr vom Rand des Ortes, wo Traviahold einen kleinen Tempel ausmachen konnte. Die hölzernen Boronkreuze auf dem Feld dahinter zeigten eindeutig, welchem Gott er geweiht war. Praiosmin von Siebeneichen trug über einem Gambeson ein Kettenhemd, darüber ihren Waffenrock, der die sieben blauen Eichenblätter ihres Hauses auf Silber zeigte. An ihrer Seite führte sie ein Langschwert. Neben der schlanken Ritterin und der Waffenmagd, die sie begleitete, fiel der Dritte im Bunde sichtlich auf. Ein großer Mann, dessen Oberarme von immenser Kraft zeugten und der ein Fleischerbeil in der linken und rechten hielt, der "Metzger" des Ortes.

"Die Zwölfe, Rondra allen voran, zum Gruße", grüßte die Ritterin den Herren Schattenholzes, als sie sich ihm auf etwa 5 Schritt genährt hatte. Auch sie schien angespannt, vor allem aber übernächtigt zu sein. Aus der Nähe war es umso offensichtlicher, dass die Schwertleite der Ritterin nicht mehr als zwei oder drei Jahre hinter ihre liegen konnte. "Seit Ihr der Junker von Schattenholz?" Fragend blickte sie den Ankömmling an.

Traviahold betrachtete die junge Ritterin zunächst einige Augenblicke. Seine Überraschung darüber, dass Praiosmin von Siebeneichen noch sehr jung war konnte er unter seinem Topfhelm gut verbergen. Die Tatsache, dass sie hier trotz der Goblinplage bisher durchgehalten hatte, wischten seine Vorurteile direkt hinfort. Höflich nahm der Ritter Alten Schlages seinen schwarzen Helm ab, und bestätigte die Frage der Ritterin. „Ja, ich bin der Junker von Gut Schattenholz, Traviahold aus dem Wutzenwald. Ich bin erfreut euch hier lebendig anzutreffen und euch kennen zu lernen, euere Wohlgeboren.“

In dem Moment fing es an zu leicht zu regnen. Die Wolken zogen sich immer mehr zusammen. Waffenknecht Eisenhagel blickte gen Himmel, als hätte er es vorausgeahnt. Seine Eisenwalder Armbrust hatte er schon zuvor in ölgetränkte Leinen gehüllt um diese vor dem Regen zu bewahren. Traviaholds Knappin nickte der Ritterin zur Begrüßung zu. Praiosmin hatte bereits erreicht, was noch vor der jungen Knappin lag.

Die Herrin von Siebeneichen geleitete die Schar zum Haupthaus und wies eine Bedienstete an sich um die sechs Pferde zu kümmern. Der Mann mit den gewaltigen Oberarmen verabschiedete sich hier bereits von ihnen. Er sei für diese Wache verantwortlich und müsse die Posten abgehen. Man konnte der jungen Ritterin die Erleichterung ansehen, diese Verstärkung hier willkommen zu heißen. Aber auch die Tatsache, dass es sich bei den Fremden nicht um Feinde handelte.

Traviahold betrat das große Haus, nachdem die Ritterin ihn hinein bat. Er war gespannt darauf mehr über die Lage des Ortes zu erfahren. Sie gingen direkt durch eine kleine Halle von der eine Treppe nach oben führte. Doch ihr Weg führte sie durch eine der Türen direkt in einen kleinen Saal. Mit dem durchaus prachtvoll zu nennenden Kamin war dies eindeutig als die gute Stube des Gutes zu erkennen. „Setzt Euch doch und noch einmal willkommen im Namen der gütigen Herrin“, sie deutete auf eine große Tafel, um die herum mit Schnitzereien verzierte Stühle standen. Auf der Tafel standen neben einem tönernen Krug mit Wasser eine Flasche mit Brand, sowie einige einfache Becher aus Zinn. Sie selbst nahm auf einem mit dem Wappen des Familie Siebeneichen verzierten Stuhl Platz. „Bitte bedient Euch, so Euch der Sinn danach steht. Auch für Essen dürfte bald gesorgt sein.“

Traviahold zögerte. Dann schnappte er sich einen Stuhl und begann sich langsam zu setzen, in der Hoffnung, dass sein Holz stark genug war, ihn selbst und den Gestechsharnisch zu tragen. Aber die solide Handarbeit hielt. Seinen Helm stellte er neben sich auf die Tafel. Als er gerade etwas sagen wollte, sprach die junge Ritterin auch schon weiter.

„Mir scheint Ihr seit gut durchgekommen, gut. Das lässt mich hoffen. An starke Trupps wagen sie sich noch nicht heran. Aber sie haben uns hier in die Enge getrieben. Ihr seht es ja selbst.“ Praiosmin lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und fuhr sich mit der rechten durch das übermüdete Gesicht. Die Anspannung war noch immer nicht recht von ihr gewichen. „Meine Leute haben sie alle hierher vertrieben oder erschlagen. Ihr habt es sicher gesehen. Die Höfe, die nicht direkt in Siebeneichen liegen sind verlassen und geplündert. Einen haben sie schon angezündet, nachdem sie seine Bewohner erschlagen haben. Wir können uns halten und mit den Wachen klappt es auch ganz gut. Aber immer wieder schleichen sie sich heran und stehlen etwas oder versuchen uns hervorzulocken, um dann erst aus der Entfernung zu zuschlagen und einem dann im Nahkampf den Rest zu geben.“ Sie nahm sich einen der Becher und goss sich etwas Wasser ein, während sie fort fuhr.

„Als ich Eure Nachricht erhielt, konnte ich mein Glück kaum fassen. Vom Baron habe ich schon lange nichts gehört und jetzt das. Mit einem Schutzbund könnten wir es schaffen. Alleine sehe ich keine Möglichkeit das hier zu beenden. Wer weiß, wenn es so weiter geht, dann kann ich auch nicht garantieren, dass wir auf Dauer bestehen werden. Einige hier scheinen schon mit dem Gedanken zu spielen, sich den Rotpelzen zu ergeben. Nicht das es einer wagen würde, mir das ins Gesicht zu sagen, aber ich bin nicht dumm.“ Praiosmin blickte kurz zur Tür, durch die auch sie den Raum betreten hatten. Kurz darauf betrat ein alter Knecht den Raum und brachte etwas Brot, Wurst und Käse. „Wo war ich? Ach ja. Ihr seht es selbst, Siebeneichen hat dieser Tage nicht viel zu bieten. Aber ich versichere Euch. So wie Ihr mir beisteht, so werde ich Euch beistehen. Mit allem was ich aufbieten kann, sobald die Gefahr dieser verlausten Rotpelze gebannt ist. Dem Schutzbund will ich gern beitreten, was muss ich tun?“ Sie war noch nie irgendeinem Bund beigetreten und wusste daher auch nicht, was der Traviahold von ihr erwarten würde.

Der Ritter, nahm sich nun endlich etwas von dem wenigen was sie anzubieten hatte und nickte auch seiner Knappin zu, die er kurz darauf Praiosmin auch vorstellte. „Ich mag es wenn jemand so frei heraus spricht wie ihr. Eure Untergebenen haben Angst. Ihr seid der einzige Lichtblick für sie, in einem dunklen Sturm, der aufzieht. Ich, und die anderen Mitglieder des Bundes werden euch in eurer Not beistehen, so ihr uns beisteht, wenn wir euch rufen, das ist die Essenz dieses „Bund des Alten Schlages“. Wir können nicht länger warten bis Baron Tsafried von Schnayttach-Binsböckel endlich etwas tut. Er hat zwar einen einzigen Ritter samt Lanze geschickt, um die transylischen Söldner aufzuhalten, aber dieser Ritter und alle seine Mannen sind nun in Borons Reich. Ein unüberlegter Vorstoß, der in einer Katastrophe endete, und die Baronie noch weiter geschwächt hat.“ Unmittelbar nach diesen Worten schlägt Traviahold mit seiner gepanzerten Hand auf den Tisch, dass fast der Krug umgekippt wäre.

„Ich werde genauso offen zu euch sein, wie ihr zu mir, Praiosmin. Die Macht des Barons reicht nicht weiter, als er vom Schlotzer Berg blicken kann. Mein Gut Schattenholz wäre kurz zuvor fast selbst in Flammen aufgegangen, hätte der Tod des Anführers, die Söldner nicht zurückwanken lassen! Aber mein kurzer Sieg währte nur kurz, denn nun haben sie einen neuen Hauptmann. Er nennt sich selbst Sarogor "Stachelwanst", ein Drachengardist aus der Warunkei. Nun sammeln sie sich wieder im Westen der Baronie und haben bereits Firunsfelde besetzt, und Karhirswalden geplündert und Teile der Bevölkerung versklavt. Ich hoffe ihr versteht nun das gesamte Ausmaß der Gefahr, die unsere Baronie bedroht. Eure Rotpelzplage hier kommt noch erschwerend hinzu, und die Raubritter der Bregelsaumer fangen an die Grenzen zu übertreten.“

„Die Knappenschaft lehrte mich ein ehrliches Wort und auch die alten Werte. Ich will zusammen mit Euch und den anderen für ein Schlotz streiten, wie es in meiner Kindheit war. Das will ich gerne vor den Zwölfen schwören. Was Ihr erzählt hat uns hier bisher noch nicht erreicht und es macht es nicht leichter.“ Die junge Frau kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Mhm, entweder Siebeneichen oder Firunsfelde. Darauf läuft es doch hinaus. Ich selbst bin dabei nur allzu parteiisch“, wie sie schließlich mit einem Lächeln feststellte. „Doch ich stehe zu meinem Wort. Sobald ich es kann, will ich selbst mit der Klinge streiten, wo es nötig ist.“

Traviahold bemerkte, dass so gut wie keine Informationen Siebeneichen erreicht hatten, weshalb er die junge Ritterin versuchte so gut es ihm gelang über alle Einzelheiten aufzuklären. Des Weiteren erzählte er ihr mehr über den Bund und besiegelte diesen mit Blut, so wie auch bei Storko von Gernatsborn zuvor. Dann ließ er sich die genaue Situation Siebeneichens bestmöglich schildern um sich ein besseres Bild machen zu können. Er lauschte ihren Erzählungen über einen so genannten „Goblin-Helden“, der die Rotpelze anführte. Und je mehr er der Ritterin zuhörte, desto mehr wurde ihm bewusst, dass ein weiterer nicht zu unterschätzender Feind die Baronie betreten hatte.

Bevor er ging, schaute er der Ritterin noch einmal tief in die Augen. Er hoffte dass das nicht das letzte Mal sein würde, dass er die junge Streiterin lebendig sah. Die Schwarze Lanze rastete noch einen Tag in Siebeneichen, bevor sich die Reiterschar wieder auf den Weg machte.


In den Hügeln nahe Siebeneichen – Boron 1032 BF

Von einem höher gelegenen Hügel nahe Siebeneichen, hatte Chraaz die 6 Mann große Reiterschar aus der Ferne beobachtet. Nachts hatte er auch zuvor die vielen Feuer im Schweinewald gesehen. Bösartig fletschte der Rotpelz die Zähne. Ein anderer Kriegsfürst schien ihm zuvor gekommen zu sein nachdem er über so viele Wochen hinweg so große Vorarbeit geleistet hatte, und Waffenknecht um Waffenknecht der Ritterin zusammen mit seinen Goblin-Banditen erschlagen hatte! Auch die anderen Goblin-Mörder um ihn herum waren verunsichert und warteten ab wie ihr Goblin-Held nun reagieren würde. Chraaz erkannte aber schnell, dass weder die zwei letzten Waffenknechte, noch die Panzerfrau, die hervor gekommen waren, die Reiter angriffen hatten. Selbst der schlimme Mann mit den zwei Fleischerbeilen, der auch noch hinzugekommen war, blieb ruhig hinter der Panzerfrau. Aber sie hatten nur geredet. Waren sie vielleicht sogar Verbündete und kamen diese Reiter der Panzerfrau nun gar zu Hilfe? Das wäre sogar noch schlimmer! Den Rest des Tages hatte er Siebeneichen nicht aus den Augen gelassen. Er brauchte mehr Kämpfer. Er brauchte große Kämpfer. Aber das würde ihn seinen Goldschatz kosten. Die Rotkrallen-Orks hatten schon einmal bei einem Hinterhalt versagt, den er so gut vorbereitet hatte. Außerdem hatten diese mittlerweile viel von ihrer Kampfeskraft eingebüßt und ihr Anführer war gefallen. Nein diesmal würde er andere anheuern - Menschen. Er wusste auch schon welche mit ihm und seinen Goblins gemeinsame Sache machen würden. In der Wildermark gab es genug Mordbuben die für Gold alles machen würden. Er musste nur darauf achten, dass es gerade nur so viele Menschen waren, die er notfalls mit den Seinen niedermachen konnte. Und er musste darauf achten, dass diese ihn und die Seinen wie immer unterschätzen würden. Ja – der finstere Gedanke reifte zu einem Plan. Seine Krallenhände kratzten über das Holz seines Kriegsbeiles, mit dem er schon so manchen Menschen getötet hatte. Auch wenn er damit sehr gut umgehen konnte, achtete er jedoch stets darauf, dass vor einem Kampf die Bedingungen immer auf seiner Seite waren. In den letzten Tagen wurde es immer kälter, und es wurde immer schwieriger für die mittlerweile über drei Dutzend Goblins genug zu fressen zu finden. Sie erwarteten von ihm einen Sieg, sie alle gierten nach diesem Menschenort, das wusste der große Goblin in dem Lederpanzer mit dem verstärkten Holzschild auf dem Rücken. Er würde noch in diesem Winter angreifen, mitten im Schnee, wenn die Glatthäute in ihren Hütten zittern würden. Aber zunächst musste er mehr über diese Schwarzen Reiter erfahren, er wollte seine Feinde kennen, bevor er ihnen entgegen treten würde. Seine Augen starrten weiter angestrengt, während sein Kopf weiter verräterische Pläne schmiedete…

 

Schlotzer Kriegsrat

Gut Gernatsborn – Mitte Phex 1032 BF

„Kiikkkerikkiii“
Geweckt und gestört von dem Hahnenschrei aus dem Hof öffnete Storko die Augen. Zu zweit lagen sie im weichen, mit frischem Leinen überzogenen Bett. Er erblickte ihren nackten blassen Rücken und die tiefschwarzen Haare die diesen fast bedeckten. Sanft strich er über die Schulter seiner frisch Vermählten. Kühl war es im Zimmer, das Feuer im Kamin schon seit Stunden ausgegangen, wie er mit einem Blick auf die Feuerstelle ausmachen konnte. Er bedeckte die Schulter Glyranas mit der Bettdecke, sie schien noch fest zu schlafen. Der Junker drehte sich auf den Rücken und dachte nach ... tatsächlich hatte sich in diesem Winter für ihn alles zum Guten gewendet. Er schritt mit der Jungfer Glyrana zum Travia-Altar und konnte in das mächtige Haus Mersingen einheiraten. Zwar war der Anstoß dafür politisches Kalkül, doch liebte er seine hübsche Braut nun über alle Maßen, und sie hatte sich schon weit früher in ihm verschaut. Noch war ihm nicht ganz klar wie sich alles zugetragen hatte, doch eines schien außer Frage zu stehen: der Listenreiche hatte sein Flehen erhört. Anders ließe sich sein Glück nicht erklären. Doch ER verlangte eine Gegenleistung, Storko war mit IHM einen Vertrag eingegangen und bald sollte er seinen Teil erfüllen ... Er wandte seinen Blick dem Fenster zu, durch das die Strahlen der aufgehenden Praiosscheibe das Schlafgemach erhellten. Der Hahn war schon längst verstummt, doch waren nun Vogelstimmen von draußen zu hören. Storko stand auf, zog sich Unterwäsche und den feinwollenen Morgenmantel an, und schlenderte zum Fenster um es zu öffnen und die frische Luft des Morgens hineinzulassen. Er musste seine Augen fast zusammenkneifen als er in die Morgensonne sah. Vor ihm lagen am Fuße des Gernatsborner Hügels der schneebedeckte Kohlacker und dahinter der Gernat mit seinem Bootshaus. Das sanfte Rauschen des Flusses war nun bis an sein Ohr wahrzunehmen.
Plötzlich war ein zuerst knackendes und dann zischend knarrendes Geräusch zu hören, dann sauste eine Schnee- und Eisschicht vom Dach nur einen Schritt vom Fenster entfernt herab und stürze den Hügel hinunter.
Das konnte nur eines bedeuten: die Schneeschmelze war da und der Frühling wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Er streckte seine Arme aus dem Fenster und gähnte herzhaft.

Der Frühling ist da! Schoss es ihm durch den Kopf. Nun ist es an der Zeit den Schlotzer Schutzbundeinzuberufen, auf dass das Schlotzer Land von den Feinden befreit werden würde. Zwar waren die finsteren Söldknechte, die sich in Firunsfelde verschanzt hatten über den Winter nicht aktiv gewesen, doch wenn der Schnee erst einmal davon geschmolzen wäre, dann würden sie bestimmt aus ihrem Versteck hinauskommen und das Land erneut bedrohen. Ja und die Rotpelze, die waren selbst in den letzten Monden eine Gefahr gewesen, hatte er doch selbst eine Meute in seinem eigenen Wald stellen können. Gar Räuberbanden hatten sich an den Ausläufern des Wutzenwaldes niedergelassen. Unter diesen Voraussetzungen könne kein Handel und Reichtum entstehen. All den Feinden muss ein Schlag versetzt werden, auf dass sich auch neues Gesindel nicht wieder in die Lande hineinwagen würde. Storko gab seiner noch träumenden Frau einen Kuss und marschierte, noch in seinen Morgenmantel gekleidet, schnurstracks in sein Schreibzimmer.Schnell waren Papier und Tinte bereit und er begann Nachrichten zu verfassen, doch zuvor rollte er noch die Karte der Schlotzer Lande aus - die er in weiser Voraussicht über den Winter anfertigen hat lassen - um sich einen Überblick über Verbündete und Feinde machen zu können. Als er Schritte eines Bediensteten auf der Holztreppe vernahm rief er sofort nach seinem Grenzjäger Wolfram und Weibel Wehrheimer.

Er schrieb allen einen Brief. Seiner geschätzten Nachbarin der Edlen Valyria von Baernfarn-Binsböckel, seinem anderen neuen Nachbarn Ritter Anshag von Sturmfels, dem Ritter Traviahold aus dem Wutzenwald, dem Ritter Sieghelm von Firnsjön, der Ritterin Praiosmin von Siebenstein, dem Junker Gerbold von Zwölfengrund, als wie auch dem Baron zu Schlotz, Tsafried von Schnayttach-Binsböckel, um ihm über die Tätigkeiten des Schlotzer Schutzbundes zu informieren.

Er schrieb all jenen Schutzbündlern, dass sie ihren Eid ehren sollen und Mitte Rahja 1032 BF sich mit ihrem Waffengefolge auf Gut Gernatsborn einfinden sollen, auf dass Kriegsrat gehalten werde um die feindlichen Bedränger dieser Lande zu besiegen. Anshag von Sturmfels, dem Nachbarn in den Gernatsauen jenseits des Flusses in Kaiserlich Hallingen, bat er ebenfalls wie im Winter besprochen um Unterstützung und lud ihn zum Kriegsrat ein. Dem Baron schrieb Storko im Namen des Schutzbundes ebenfalls über die geplanten Vorgänge und bedankte sich schon im Vorhinein für jegliche Unterstützung. Ihrer Hochgeboren Valyria sandte er höflich noch zusätzlich das Angebot - da er wusste, dass sie nicht über Waffenknechte verfügte - er könne seine guten Kontakte bei den Söldnern in Wehrheim nützen um für sie diese zu vermitteln, sie könne den Schutzbund aber gewiss auch mit Rössern aus ihrer Zucht oder Meth aus ihrer Metherei unterstützen. Den Ritter zu Firnsjön bat er im Schreiben noch beim Baron, seinem Neffen, ein gutes Wort einzulegen, sodass dieser ebenfalls Bewaffnete für die gemeinsame Sache schicken würde. Zu guter Letzt schrieb er noch all jenen, die nichts davon über den Winter mitbekommen hatten, dass er die Jungfer Glyrana von Mersingen ä.H. – Tochter von Gisborn von Mersingen ä.H. – vor kurzer Zeit erst geehelicht hatte. Er unterschrieb alle Schriftstücke mit: Storko von Gernatsborn-Mersingen ä.H., Junker zu Gernatsborn, und versiegelte sie.

Noch am gleichen Tage wies er seinen Boten Wolfram an alle Schriftstücke schleunigst ihren Adressaten zu bringen und gab ihm aus Sicherheitsgründen zusätzlich vier seiner Soldaten mit auf den Weg.

Viel war in der Zeit bis zum Rahja zu erledigen auf Gernatsborn, denn so viele Herrschaften und Kriegsgefolge waren wohl noch nie zu Gast gewesen: Die Stuben mussten nach dem Winter gut gereinigt werden, die schweren roten Vorhänge gewaschen, die kupfernen Beschlagungen und Verzierungen die das Haupthaus schmückten poliert werden und Meister Rodiak sollte unermüdlich in der Werkstätte Waffen und Rüstzeug reparieren und am Gut alle Handwerksarbeiten erledigen ...

Nach wenigen Tagen erreichte ein Bote Gernatsborn. Er trug ein Wams in weiß, grün und rot. Begleitet wurde er von zwei Bewaffneten die die Umgebung im Auge behielten, als der Bote sein Schriftstück überreichte. Der Brief war in einer sauberen akkuraten Handschrift verfasst und lautete:

„Geehrter Storko von Gernatsborn,

leider ist mein Herr, der Junker Anshag von Sturmfels zu Gernatsau, zuweilen nicht daheim, da er seinen Vetter in Rappensberg besucht, doch kann ich Euch in seinem Auftrag zusichern, dass er an der von Euch einberufenen Sitzung mit Freuden teilnehmen wird. Er wird binnen Wochenfrist zurück erwartet. Wann soll sich der Herr Sturmfels mit seinem Gefolge bei Euch einfinden?

Hochachtungsvoll im Auftrag des Junkers Rauert Fuxfell“

Der Bote wartete noch, ob ihm ein Antwortschreiben mitgegeben würde und verabschiedete sich danach schnell, um noch an diesem Tag wieder Gernatsau zu erreichen.

Junker Storko, der gerade die Karte der Schlotzer Baronie studierte, als man ihm die Botschaft überreichte ließ dem Kurier des Ritters zu Gernatsau ausrichten, dass sein Herr Mitte Rahja sich auf Gernatsborn einfinden möge. Sollte er erst viel später im Götterlauf wieder eintreffen, dann solle er alsbald zum Kriegsrat des Schlotzer Schutzbundes zustoßen.


Siebeneichen, 26. Phex 1032 BF

Ein weiteres Mal hatte sie den Brief in die Hand genommen. Was sollte, was konnte sie tun? Der Winter war hart gewesen und hatte sie manch treue Seele gekostet. Doch vielleicht waren sie auch erlöst. Erlöst von einem qualvollen Leben voll Ungewissheit und Unsicherheit. Vereint mit ihren Ahnen im Paradiese Travias. Praiosmin legte den Brief zur Seite und fasste sich an die schmerzenden Schläfen. Schlussendlich blieb ihr nichts anderes übrig, als die Feder zu ergreifen und zu antworten. Die Götter wussten, sie tat es nicht gern. Sie war dazu erzogen worden, Stärke zu zeigen. Was war eine Adlige, eine Ritterin, was war jemand wert, der versagt hatte und ohne Hilfe anderer kein Ausweg wusste?

Lange hielt sie den Brief in Händen, ehe sie ihn schließlich mit dem Wappen ihres Hauses siegelte. Mochten die Zwölfe geben, dass er sein Ziel erreichte.


Gut Schattenholz, Mitte Rahja 1032 BF

Traviahold betrachtete die Unterschrift des Schriftstückes, das der Bote schon vor geraumer Zeit zu Gut Schattenholz gebracht hatte und das Yantur Zertel, sein Einäugiger Schreiber, ihm vorgelesen hatte. Er nickte anerkennend. Dann packte er Yantur fest am Arm und zog ihn zu sich hinunter, so dass dieser etwas erschrak: „Rufe meine Schwarze Lanze zusammen, es ist so weit!“

Die Vorbereitungen an seinem Gut waren schon seit Wochen hierfür beendet worden. Endlich sollte sich der Bund des Alten Schlages zusammenfinden – die Alte Faust würde sich ballen.

Seine "Schwarze Knappin" half ihm in den brünierten Gestechspanzer. Sie war sehr geübt darin, diesen im Halbdunkel des großen Saales anzulegen. Sie achtete darauf, dass der überschwere Panzer fest und sicher saß. Traviahold bemerkte ihre Anspannung. Sie hatte bei der Verteidigung von Gut Schattenholz gegen die Söldnerschergen von Firunsfelde ihre Feuertaufe bereits bestanden. Er sah ihr in die Augen, als sie seinen Plattenkragen schloss, er sah, dass sie für ihn sterben würde, sollte das erforderlich sein – er war zufrieden und erhob sich.

Er wählte die etwas leichtere, nur zweiköpfige Ogerschelle und ließ die Ochsenherde in der Waffenkammer zurück. Sein Altes Langschwert mit der abgebrochenen Spitze hing auf der anderen Seite und „Hunger“ zurrte er sich auf den Rücken für den Fall, dass es richtig hässlich werden sollte.

Die Schwarze Lanze war auf dem ummauerten Hof angetreten. Argwuf Eisenhagel hatte noch einige Ersatzbolzenköcher an seinem Kampfsattel befestigt, seine Eisenwalder war in öliges Tuch gewickelt. In seinem abgewetzten Kurbul und seinem schwarzen Kapuzenumhang sah er eher aus wie ein Wegelagerer.

Grordan Graustein hielt das Banner des Ritters und war in seine brünnierte Platte gehüllt, die erst vor noch gar nicht all zu langer Zeit an Gut Gernatsborn ausgebessert wurde. Traviahold nickte seinem Bannerträger zu.

Yantur Zertel trug immerhin sein kurzärmeliges Kettenhemd, das der Schreiber eher widerwillig trug. Neben seinem Langschwert hatte er sich noch einen Reiterschild gekrallt. Eine gute Wahl. Traviahold blickte auf sein zerschmettertes Knie. Solange der Schreiber zu Pferde kämpfen konnte, war alles bestens.

Seine edle Knappin trug ihr ausgebessertes brüniertes Kettenhemd, deren ausgebesserte andersfarbige Ringe, unter den Achseln, gut zu erkennen waren. Zu den Kerben ihres verstärkten Wappenschildes würden bald viele Kerben dazukommen. Die edle Knappin machte ein gutes Bild.

Auch die restlichen sechs ehemaligen versprengten Soldaten des Mythraels-feldes und Söldnerschergen machten einen kampfeslustigen Eindruck. Traviahold bedachte sie eher kurzen Blicken.

Sie hatten genug Proviant und ein großes Zelt auf einem zusätzlichen Pferd dabei, an das auch noch links und rechts je ein Ersatzschild geschnallt waren. Letzte Anweisungen wurden an das wehrfähige Gesindel gegeben, das jedoch in Schattenholz zurück bleiben musste; wollte er sein Gut nicht überrannt vorfinden, wenn er zurückkehrte.

Die schwarz gerüsteten Reiter machten sich auf den Weg und hinter ihnen wurde das zumindest provisorisch reparierte Tor geschlossen. Erst als es dunkler wurde und sie schon einige Stunden unterwegs waren, zog der Ritter alten Schlages seinen schwarzen Topfhelm aus, der ihn vor den Strahlen der Sonne schützte.


Gut Gernatsborn, 15. Rahja 1032 BF

Pünktlich Mitte Rahja fand sich Anshag von Sturmfels mit seiner Lanze am 15. Rahja in Gernatsborn ein.

Anshag sah noch immer so aus, wie Storko ihn in Erinnerung hatte: groß, muskulös und die blonden Haare wehten frei im Wind und doch war etwas anders an Anshags Äußerem. Erst auf den zweiten Blick nahm man bewusst die schwarze Schärpe mit dem silbernen Herzen war, welche sich um Anshags Brust legte und seine Zugehörigkeit zu den Stahlherzen verdeutlichte.

Anshag ließ seine Mannen absitzen, übergab die Pferde den Knechten und ließ nach dem Hausherrn schicken, da die ersten "Gäste" eingetroffen wären. Lächelnd erwartete Anshag Storkos Ankunft und reichte ihm die Hand im Kriegergruß, indem er Storkos Unterarm umfasste. "Mein guter Freund, ich hatte schon früher mit einem Schreiben von Euch gerechnet. Aber sei’s drum. Ich möchte Euch nun persönlich zu Eurem traviagefälligen Glück gratulieren und wünsche Euch und natürlich auch Eurer Braut den Segen aller Zwölfe auf Euren künftigen Wegen" Erst jetzt löste Anshag seinen Griff um Storkos Arm und lächelte ihn weiterhin freundlich an. "Also, sagt mir wo können meine Männer unterkommen und wann erwartet Ihr die anderen Streiter des Schlotzer Schutzbundes? Ich bin erpicht darauf diese mutigen Recken kennen zu lernen."

Der Junker zu Gernatsborn lächelte sein Gegenüber an, schien aber die schwarze Schärpe um des Ritters Brust nicht wahrzunehmen. „Habt Dank für die lieben Hochzeitswünsche. Ich werde Euch meine liebreizende Braut alsbald vorstellen.“ Storko hatte schon vorher zum Gruß sein dunkelgrünes Barett vom Haupt genommen. Alles in Allem war er gar nicht besonders „kriegerisch“ gekleidet. Keine Rüstung, allein sein Schwert steckte in der Scheide an seiner Seite; doch war er in eine edle Jacke und ebensolche Beinkleider gewandet. „Ich hoffe, die anderen Mitglieder des Schutzbundes werden in den nächsten Tagen mit ihrem Waffengesinde eintreffen, bis dahin sollt Ihr natürlich mein edler Gast sein. Nur ... wie Ihr seht, ist mein Gut zwar wehrhaft, aber nur klein, weshalb nur die edlen Gäste innerhalb der Mauern untergebracht werden können. Eure Knechte würde ich bitten, am Fuße des Hügels zu zelten ... den Göttern sei es gedankt, dass der Schnee fast ganz geschmolzen ist und es nur in der Nacht zuweilen fröstelt.“ Anshag blickte sich nochmals im Hof um. Tatsächlich war nicht viel Platz, alles was der Hügel an Raum hergab wurde verbaut: Scheune und Stall, ein festes Haupthaus, Gesindegebäude mit Küche und Backstube und da war noch eine Schmiede, ja wohl eine Schmiede, denn aus dem großen Schornstein drang unentwegt tiefschwarzer Rauch weit in den Himmel hinauf. Als er vor der Ankunft von Nordwesten den Gernat entlang ritt, sah er den Hügel Gernatsborn mit dem Wehrgut schon von weiten. Die Sonne des Frühsommers hatte im kupfernen Dach des Haupthauses, sowie des Türmchens daran, geglitzert und der schwarze Rauch war auch früh wahrzunehmen gewesen.

Plötzlich rief von den Mauern ein Soldat des Junkers: „Eine Reiterschar kommt am Südufer entlang ... es ist der Ritter aus Schattenholz ... zehn, nein elf Reiter ... die Schwarze Lanze!“

„Ahh, da kommt ja schon Ritter Traviabold, ah ich meine Traviahold, mit seiner Schwarzen Lanze ... dunkle Gesellen“ scherzte der Gastgeber. „Nein, Spaß beiseite, ich bin mir sicher, dass Ihr euch mit Ritter Traviahold bestens verstehen werdet. Er und seine Mannen sind die Basis des Schlotzer Schutzbundes, mit ihm gemeinsam habe ich dieses Bündnis vor fast einem halben Jahre genau hier auf Gernatsborn geboren.“

Während ein Knecht den ersten Gästen Becher mit Wein auf einem Kupfertablett darreichte, schien Storko auf eine Liste mit Kohlestift zu schreiben und murmelte dabei: „ ... von Sturmfels und vier Reiter ...“

Wieder erhob der Soldat auf den Mauern lauthals seine Stimme: „Noch ein Reiter kommt am Gernatsborner Wald entlang ... ein Rondrianer!“

Storko machte ein verwundertes Gesicht und wollte sich selbst vergewissern, weshalb er den Zettel und Stift einsteckte und die Mauern über die Leiter erklomm. Storkos scharfes Auge erblickte einen weiteren Reiter, welcher der Schwarzen Lanze mit einigem Abstand voran ritt, auch weil er recht nahe dem Wald ritt war er soweit gut verborgen geblieben. Nein, offenbar gehörte der Reiter nicht zu der ihm hernach reitenden Truppe. Storko erkannte den roten Löwen auf weißem Grund, der unzweifelhaft auf einen Diener Rondras hinwies. Nun gut, über den Beistand der Herrin Rondra sollte er dankbar sein. Da wollte er mal sehen, wer noch kam.

Der Gastgeber kraxelte wieder die Leiter hinab. Die Waffenknechte des ersten Gastes hatten ihre Weinbecher geleert und begaben sich schon vor die Mauern um am Hang zu zelten, während Anshag auf die weiteren Gäste harrte.

Endlich war der Reiter mit dem Ornat der Rondra herangekommen, er erhob grüßend die Hand „Der Leuin zum Gruße“.

Storko nickte dem Rondrianer freundlich zu. „Über den Beistand der Herrin freuen wir uns natürlich, Hochwürden. Doch lasst uns wissen, woher die Rondrakirche von unserem Kriegsrat weiß.“

„Nicht die Rondrakirche schickt mich. Deggen von Baernfarn werde ich genannt.“ Stellte sich der wohl etwas über vierzig Götterläufe zählende Mann vor. „Ihr wisst, dass meine geschätzte Tochter Valyria keine Bewaffneten unterhält. Daher bat sie mich, zu dem Gelingen hier beizutragen.“ Storko nickte. Jetzt wusste er, wen er hier vor sich hatte. Den Vater des vormaligen Gallyser Barons Raul, der im Jahr des Feuers verschieden war, Schwiegervater der Edlen von Gernatsquell.

„Dann heiße ich Euch willkommen hier auf meinem Wehrhof. Ich freue mich, dass meine Nachbarin Valyria einen Weg gefunden hat, dieses Vorhaben hier zu unterstützen, und das gleich auf so göttergefällige Weise.“

Tatsachlich wäre Storko mit einer Handvoll Söldner weitaus mehr erfreut gewesen ... wer weiß, welcher Rondrianischen Strömung Hochwürden Deggen anhing und in der Schlacht und Taktik wollte der Offizier sich jede List offen halten können und nicht von ‚falscher Ehrvorstellung’ eingeschränkt werden. Dennoch war er zu dem Geweihten äußerst höflich und zeigte sich erfreut ... ja und zweifelsohne trug ein Priester der Kriegsgöttin zur Moral aller Mannen positiv bei.

Der Knecht brachte die Pferde der Edlen in den Stall und schon ritt die Schwarze Lanze in den dicht gedrängten Hof ein.

Ritter Traviahold war froh, wieder in Storkos Gutshof einkehren zu können. Nicht nur weil ihn mit dem Answinisten eine ganz besondere Bande verknüpfte, sondern auch weil es bedeutete, dass der Bund des Alten Schlages endlich losschlagen würde. Die Reiter der Schwarzen Lanze kamen außerhalb der steinernen Mauern unter, nur seine schwarzhaarige und geheimnisvolle Knappin, deren Namen hier auf dem Gut niemand kannte, begleitete ihn. Seinen Topfhelm mit Drachenschwingen klemmte er sich in gewohnter Weise unter den Arm und ließ sich von einem Bediensteten zum Gutsherrn geleiten.
Er begrüßte Storko herzlich, indem er ihn scheppernd umarmte, wie einen alten Kampfgefährten. Deggen von Baernfarn und dem Junker von Sturmfels reichte er lediglich den Panzerhandschuh und nickte ihnen zu. Eventuelle Fragen in Bezug auf seine Knappin erstickte Traviahold direkt im Keim. Ihre Herkunft und ihren Namen gingen niemanden etwas an, das machte der Ritter Alten Schlages nur allzu deutlich. Traviahold war aber erfreut, darüber, dass der Sturmfelser sie offensichtlich bei ihrem Vorhaben, Schlotz zu befrieden, unterstützen wollte und sogar noch vier Reiter mitgebracht hatte. Er hatte befürchtet, dass die Schwarze Lanze die einzige Reiterei darstellen würde. Der Rondrageweihte war zwar nur ein einzelner Mann, dafür hatte seine Gegenwart sicherlich eine große Wirkung auf ihre Mannen, konnten sie doch mit dem Göttlichen Beistand der Kriegsgöttin rechnen. Er war gespannt, wann die anderen Mitglieder des Bundes eintreffen würden und vor allem, was diese an Männern aufbieten würden. Denn davon würde vieles abhängen. Und er war sehr gespannt darauf, in welcher Form, wenn überhaupt, der Baron sie unterstützen würde. Traviahold machte sich in Bezug auf letzteres keine große Hoffnung. War er es doch, der stets dessen Drecksarbeit erledigte. Wenn er Einen seiner Ritter schicken würde, von denen er kaum noch welche hatte, wäre das schon erachtenswert.  Traviahold hatte noch eine Gute und eine Schlechte Nachricht für den Bund des Alten Schlages, bzw. Schlotzer Schutzbund, wie Storko diesen nannte. Aber er würde damit warten, bis alle versammelt waren...

Anshags Blick traf zuerst den Geweihten der Rondra "Ich grüße Euch im Namen Rondras, Euer Gnaden." Dabei schlug Anshag seine Schwertfaust auf die gerüstete Brust. "Es ist mir eine Ehre und eine Freude mit Euch ins Feld ziehen zu dürfen." Auch der zweite Ankömmling mit seiner Schar wurde von Anshag aufmerksam gemustert. Dabei blieb sein Blick vor allem an der geschwärzten Rüstung hängen. "Ihr müsst Traviahold aus dem Wutzenwald sein. Ich habe bereits Einiges von Euch gehört, Wohlgeboren. Ihr sollt mit Eurer schwarzen Lanze recht erfolgreich sein." sagte Anshag mit grimmigen Lächeln. Auch blieb sein Blick einige Augenblicke an der Knappin des Ritters hängen, welche kurz darauf von seinen Blicken abgeschirmt wurde. Da scheint wohl jemand einen sehr wunden Punkt zu haben dachte Anshag bei sich, ging aber nicht näher darauf ein. "Nun Storko, wie habt Ihr es Euch gedacht? Wollt Ihr direkt beginnen wenn alle da sind oder gibt es eine nette kleine Kennenlernrunde? Vor allem, wie habt Ihr den heutigen Abend geplant? Ich hoffe doch, dass Ihr bei diesem wirklich guten Wetter nicht vorhabt in der guten Stube zu verweilen oder?" fragte Anshag, wobei das so, oder ein wenig, so klang, als wäre Anshag nicht sonderlich erpicht darauf die Option drinnen zu sitzen in Anspruch zu nehmen.

Während mittlerweile alle Gäste mit dem Willkommenstrunk bewirtet wurden, hatte Storko seine ‚Rapportliste’ erweitert: er trug den Ritter Traviahold mit zehn Reitern und den Geweihten der Sturmherrin ein. Das machte, mit seinen Soldaten und Grenzjäger, insgesamt drei berittene Edle und eine Knappin, ein Priester der Rondra sowie vierzehn berittene Waffenknechte und acht zu Fuß.

Der Gastgeber wandte sich wieder freundlich den vier im Hof stehenden Edelleuten zu. „Schön, dass schon die Hälfte aller Kämpfer des Schutzbundes versammelt sind, jetzt fehlen nur noch Ritter Sieghelm von Firnsjön und Junker Gerbold von Zwölfengrund; Praiosmin von Siebenstein wird uns nicht beehren, aber ich werde von ihrem Brief berichten wenn alle anwesend sind.“ Er rieb sich die Hände. „Gut, Ihr wollt also derweil im Freien bleiben.“ Sein Blick richtete sich gegen die Praiosscheibe und er musste die Augen zusammen kneifen. „Es ist ja auch ein wirklich schönes Wetter, bald ist Mittag, so lasst uns doch im Sonnenschein eine gute Brettjause abhalten.“ Er winkte zwei Mägden zu, die alles gehört hatten und sobald begannen einen Holztisch zum Baum neben den Eingang des Haupthauses zu tragen und alles für das Mahl vorzubereiten. Der Junker zu Gernatsborn führte die Gäste näher heran. Da kam auch endlich die Gastgeberin und frisch Vermählte aus der Tür des Hauses heraus und lächelte alle breit und freundlich an. „Im Namen aller Zwölfe, Rondra voran, begrüße ich Euch alle auf Gernatsborn“ sie blickte zuerst Hochwürden Deggen an und machte dabei einen höflichen Knicks. Sie war in ein, ähnlich wie Storko, dunkelgrün gefärbtes Kleid gewandet und trug einen Stirnreif in demselben Farbton. Jedem reichte die junge Frau noch ihre Hand mit den langen, dunkelrot gefärbten Fingernägeln zum Gruß hin, während sie mit ihren tiefschwarzen Augen dem Gegenüber jeweils in die Augen blickte. Jeder der Gäste grüßte die Mersinger Tochter, und dies konnte jeder an ihrem Aussehen gleich erkennen, auf seine Art, wobei insbesondere Ritter Anshag sich bei der Etikette schwer tat.

„Der Tisch ist reich gedeckt, kommt.“ Storko reichte seiner Frau den Stuhl und die anderen vier Gäste nahmen Platz.

 Für jeden war ein Kupferservice gedeckt und auf den Platten in der Tischmitte fanden sich frisches Brot, Räucherspeck und Rinderwurst, etwas Käse und Butter und zwei Krüge mit Meth aus Gernatsquell dargereicht.

Der Gastgeber eröffnete die Jause mit „Lasst es euch schmecken“ gab ein Zeichen und die zwei Mägde schenkten allen ein. „So die Götter wollen, können wir heute Abend den Kriegsrat abhalten.“ Da sahen die Edlen, wie gerade drei Ferkel am Span in Richtung Küchenstube über den Hof getragen wurden.

Es war Mittagsstunde und nur wenige Zeit vergangen, als ein weiterer Trupp am Wald entlang kam und sich Gernatsborn nährte. Dem Zug ritt ein junger Reiter voraus, der ein Banner mit dem Wappen derer zu Firnsjöntrug. Ihm folgten zwei schwer gerüstete Reiter. Niemand geringes als der alte Firnsjön selbst und mit ihm wohl eines seiner Kinder. Dahinter schlossen zwei weitere Reiter an, allerdings wesentlich leichter gerüstet. Den Schluss des Zuges bildete eine bunte Schar von Männern und Frauen, mit Sturmsensen und Bögen, sowie einigen Packtieren. Beinahe ein Dutzend Köpfe stark. So näher der Zug kam, erkannte man unter ihnen sogar drei Waffenknechte im Rock des Barons.

Kaum dass sie nahe genug an das Gut heran gekommen war, gab der Ritter auch schon die Anweisungen ein Lager zu errichten, während er mit dem jungen Bannerträger und der Ritterin an seiner Seite auf den Gutshof ritt. Wie sich schon kurz darauf herausstellen sollte, handelte es sich bei ihr um niemand anderen als Silvana, seine Zweitgeborene.

Alle begrüßten die Neuankömmlinge herzlich und erfreut. Schnell wurden drei Stühle heran geschafft und Ritter Sieghelm samt Tochter und Knappe bekamen einen Platz an der sonnigen Mittagstafel.  Storko erkundigte sich nach dem Aufgebot des Ritters zu Firnsjön und trug alles in seine Liste ein. Doch als Sieghelm berichtete, dass der Baron drei seiner Mannen geschickt hatte wunderte sich nicht nur Storko. Nur drei Mannen hat der Baron gesandt ... auch wunderte sich Traviahold als er das hörte. Eigentlich hatten sie erwartet, dass der Baron als Herr des Schlotzer Landes bei der Befriedung seines eigenen Herrschaftsbereiches mindestens eine Lanze mit Ritter senden würde. Entweder war er an Frieden nicht interessiert - was alle Anwesenden aufgrund dessen was sie über seine Hochgeboren Tsafried wussten eher abstreiten würden – oder er war tatsächlich so schwach geworden, dass er sich nicht aus der Schlotzer Burghinauswagte und gar kein Ritter mehr unter seinem Dienst stand – spätestens wenn der Schlotzer Schutzbund siegreich aus diesem Jahre hinausgehen würde und die Lande befriedet wären, dann, ja dann müsste der Baron dafür zahlen.

Die Schar der Edelleute, die nunmehr versammelt war, tauschte das Erlebte untereinander aus und berichtete über Sorgen und Nöten der Lande. Ein paar Stunden ging es so weiter, der Meth wurde nachgeschenkt und alle waren bei guter Laune. Neben dem Küchengebäude war ein Grillplatz zu finden auf dem die Spanferkel über dem Feuer immer krosser wurden und der Geruch des Fleisches bis zu ihnen hinüber schwebte.  Gerade als sie, zum Missfallen von Anshag, beschlossen ins Haus zu gehen – denn die Praiosscheibe war schon jenseits der Mauern hinuntergegangen – traf spät am Nachmittag der letzte Trupp ein. Doch hatten die Frauen und Männer aus Sokramshain auch den weitesten Weg. Dass sie einen Wagen mit sich führten, der neben Proviant auch das Nötige für ein Lager trug, hatte aber sicher auch eine Rolle gespielt. Einzig der Junker und seine Knappin waren beritten, während ihnen die Übrigen zu Fuß folgten. Aber noch ehe sie das Gut erreicht hatten, hielt der Junker an und überblickte die Schar, die da Lager bezogen hatte. Das war es also, was Schlotz in diesen Tagen aufbieten konnte. Nun, man würde sehen, ob es reichen würde. Gespannt auf das, was kommen mochte, gab er seinem Pferd die Sporen. Gerbold von Zwölfengrund, samt Sohn Leubold und Knappin wurden kurz empfangen, da gerade alle in die Mauern des steinernen Haupthauses einzogen.

Am Fuße des Gernatsborner Hügel hatte sich mittlerweile eine kleine Zeltstadt, oder besser ein Heerlager, gebildet und Waffenknechte und Landwehr entzündeten zwei Lagerfeuer.

Im Eingangsraum des Hauses eröffnete sich zentral eine recht breite, hölzerne Treppe, die ins Obergeschoß führte. Das Geländer der Stiege war mit Kupferarbeiten verschönert und überall standen kupferne Kerzenständer, alles in allem war viel Kupfer in die Innenarchitektur des Hauses eingearbeitet worden. Glyrana führte die Adligen in den ersten Stock, in dem sich ein kleiner Saal mit Fenstern zu beiden Seiten des Hauses befand. Ein kleines Feuer prasselte im Kamin der Stirnseite. Dicht aneinander gedrängt waren zehn Stühle an einem Tisch zu finden, die üblicherweise wohl nicht alle in diesem Raum standen – man merkte, dass dieses Adelsaufgebot wohl das Maximum, das Gernatsborn aufnehmen konnte, erreicht hatte. Auf dem Tisch waren Kupferpokale vorbereitet und wieder standen Krüge mit Meth bereit ... manch Einer der Anwesenden hatte sich schon über den sonnigen Frühlingstag im Hof bei der Jause einen leichten ‚Spitz’ angetrunken. Die acht edlen Gäste und Glyrana nahmen Platz, die drei Knappen blieben stehen, da offenbar nicht genügend Sitzplätze vorhanden waren.

 Das Gemurmel verstummte, als Storko in der Mitte des Tisches eine Karte der Schlotzer Lande ausbreitete und vortrug:

„Ich freue mich, dass Ihr alle Eurem Eid Folge geleistet habt und zu mir auf Gernatsborn gekommen seid um über die Befreiung und Befriedung der Lande zu kämpfen.“ Der vortragende Storko nahm einen Zettel heraus und begann penibel alle Anwesenden mit ihrem Kriegsaufgebot aufzuzählen und zu beschreiben, fast so, als würde er öffentlich verlautbaren wollen, wie viele Streiter ein jeder in Feld führen könnte:

Ritter Anshag von Sturmfels & vier Waffenknechte beritten

Ritter Traviahold aus dem Wutzenwald & Knappin  & neun Waffenknechte beritten

Hochwürden Deggen von Baernfarn

Ritter Sieghelm von Firnsjön & Ritterin Silvana von Firnsjön & Knappe & zwei Waffenknechte beritten & zehn Mann Landwehr zu Fuß (darunter drei des Barons)

Junker Gerbold von Zwölfengrund & Leubold von Zwölfengrund & Knappin Praiane & vier Waffenknechte zu Fuß & fünfzehn Mann Landwehr zu Fuß

Junker Storko von Gernatsborn-Mersingen ä.H. & Grenzjäger beritten & acht Soldaten zu Fuß

Insgesamt waren es acht Edle und drei Knappen, sechzehn berittene Waffenknechte, zwölf Soldaten und Waffenknechte zu Fuß und fünfundzwanzig Mann Landwehr zu Fuß, das machten insgesamt 64 Männer und Frauen unter Waffen.

Die Anzahl der Kämpfer, die sich unter ihren Adligen, um Gut Gernatsborn versammelten, war stattlich. Es waren mehr, als Traviahold erwartet hatte. Zu sehen, dass sich alle Mitglieder des Schutzbundes an ihr Wort hielten, war sehr ehrenwert. Der Baron hatte sogar drei Waffenknechte geschickt, was Traviahold mit einer hochgezogenen Augenbraue quittierte. In Anbetracht der Tatsache, dass dieser jedoch über die meisten waffenfähigen Männer verfügte, waren diese drei Männer eher als eine nette Geste zu verstehen. Nur die junge Ritterin aus Siebeneichen, konnte aufgrund der Goblins, die die Schlinge um ihr Dorf immer enger zogen, nicht anwesend sein. Niemand konnte es ihr verübeln. Ihre Briefbotschaft wurde vor den Adligen verlesen. Einigen wurde wohl erst jetzt klar, dass die Goblins nicht zu unterschätzen seien.

Der Vortragende fuhr fort: „Praiosmin von Siebenstein wird nicht her kommen, weshalb wir nun vollzählig sind und Rat halten können. Da sie von den Rotpelzen bedroht wird, kann sie ihr Dorf nicht schutzlos lassen. Ich werde Euch ihre Botschaft vorlesen.“

Siebeneichen, 26. Phex 1032 nach dem Falle Bosparans

Der Gruß der unteilbaren Zwölf voran!

Ich erhielt wohl die Nachricht und den Ruf des Bundes. Doch kann ich nicht mehr schicken, als diese Nachricht und den Boten, der sie trägt.

Es steht schlimm um Siebeneichen und keine Klinge, keine Sense können wir entbehren. Über den Winter verloren wir so manchen, der eine Lücke in unsere Reihen riss. Mit den zunehmend stärker werdenden Strahlen der Praiosscheibe rühren sich die verfluchten Goblins umso mehr. Haltet Rat Ihr Brüder und Schwestern der Schlotzer Lande. Mögen Rondra und Hesinde mit Euch sein, wenn Ihr es tut. Mir allein bleibt nicht mehr, als Euch um Eure Hilfe zu bitten!

Praiosmin von Siebenstein, Ritterin zu Siebeneichen

Traviahold wartete die Reaktionen der Junker und Ritter ab. Der große Ritter stand auf um eine weitere Nachricht zu verkünden:

„Nun denn, Wohlgeborene, wie ich schon am Anfang erwähnte gibt es vorab noch eine Gute und eine schlechte Nachricht, die im Südosten unserer Baronie die Runde macht. Die Schlechte ist, dass der Goblin-Kriegsfürst Chraaz, der Verräter, nicht nur in Schlotz sein Unwesen treibt, wie bisher angenommen. Nein, er hat es sogar gewagt seine finsteren Pläne, sofern man bei einem Goblin von Plänen sprechen kann, auf Zweimühlen auszuweiten. Dort hat er mit über fünfzig Goblin-Räubern das Dorf Avesheim in der Nacht angegriffen, ohne dass er die Schlinge um Siebeneichen lockern musste. Die Anzahl Rotpelze, die der verfluchte Goblin also allein dort direkt nach der Schneeschmelze einsetzte, war schon fast doppelt so hoch, wie die angenommene Stärke hier in Schlotz.“

Der Ritter hielt kurz inne und schaute in einige überraschte Gesichter, gleichzeitig ballte sich seine gepanzerte Faust, als er zum zweiten Teil der Gerüchte kam.

„Die Gute Nachricht jedoch ist, dass es dem Söldnerführer und Herrscher über das Junkergut Ost-Berler, Hartwig von Rabenmund gelang, mit Hilfe seiner Söldner, etwa einem Dutzend Leichte Reiterei der Schwarzen Parder, der mehr als vierfachen Übermacht zu trotzen, ja sogar fast alle Goblins bis auf 5 zu erschlagen! Chraaz, der während der Schlacht auch gesichtet wurde, führte eine Hälfte der Rotpelze, mit dem Ziel das Dorf von zwei Seiten anzugreifen, was aber den Zwölfen sei dank, an der Unfähigkeit des zweiten Haufens scheiterte, der wohl zu voreilig und unkoordiniert angriff. Ich schätze den Wahrheitsgehalt dieser Gerüchte sehr hoch, so dass ich der Meinung bin, dass wenn wir den Rotpelzen bei Siebeneichen innerhalb von kürzester Zeit ihre zweite Niederlage beibringen können, würde das die Moral dieser Niederen Kreaturen sicherlich zerschmettern, so dass sie das Vertrauen in ihren so genannten Goblin-Helden verlieren, falls er auch dort erneut entkommen sollte. Es gilt also viel mehr seinen Mythos zu zerschlagen, und der Rest der Brut, dem wir nicht habhaft werden, wird sich daraufhin sicherlich schnell selbst zerstreuen. Deshalb bin ich unbedingt dafür, dass sich unser Schwert zuerst dorthin richtet, um Ritterin Praiosmin zu Hilfe zu eilen, bevor Chraaz doch noch einen Sieg davontragen kann und ein Unglück geschieht, indem Siebeneichen fällt.“

Die geballte Faust Traviaholds schmetterte dabei, einem Rammbock gleich, auf den hölzernen Tisch, so dass fast einige Becher umfielen.

„Erst danach sollten wir uns dem Kriegsfürst Stachelwanst und seinen finsteren Söldnerschergen im Westen unserer Baronie widmen, wobei uns dann die Ritterin mit dem, was ihr an Gefolge geblieben ist, unterstützen kann.“

Nur langsam entspannte sich der Ritter aus dem mysteriösen Wutzenwald und wartete die Antworten, oder eventuelle Gegenargumente der anderen Streiter ab.

Storko übernahm wieder das Wort: „Ritter Traviahold, das sind beunruhigende als auch hoffnungsvolle Neuigkeiten. Und, ich stimme überein. Die Gefahr die von den Rotpelzen ausgeht, darf nicht unterschätzt werden. Im Winter drangen sie bis an die westlichen Ränder des Wutzenwaldes vor, ich, nein wir“ - und er blickte kurz zu seiner Angetrauten an der Seite - „haben gar drei Biester in meinem eigenen Wald, wenige Meilen südlich des Hügels gestellt. Sie waren davor sogar so dreist gewesen, gut gewappnete Gäste von Valyria von Baernfarn-Binsböckel bei Gernatsquell auf ihrer Reise hierher anzugreifen. Wir müssen den Rotpelzen zeigen, wer die Herren dieser Lande sind! Wenn wir ihnen einen Schlag verpassen, den sie nicht so schnell vergessen, dann sollten sie sich auch nicht mehr hierher wagen! Wenn wir Praiosmin von Siebenstein befreien, dann ist der Schutzbund vollständig und wir können im Anschluss mit vereinten Kräften Firunsfelde entsetzen.“ Er deutete dabei auf der Karte zuerst auf die Positionen, wo Siebeneichen und Firunsfeldeeingezeichnet waren.

Traviahold nickte bei den Worten, die sein Gesagtes untermauerten.

„Doch...“ und Storko reckte seinen rechten Zeigefinger mahnend in die Höhe „sind Söldnerhauptmann Stachelwanst und seine Mordbuben sehr gefährlich. Über den Winter haben sie sich im Ort verschanzt und wurden wohl durch das Firunsfelder Bier aus der Brauerei friedlich gemacht, doch ich bin mir sicher, nein, man hat es mir berichtet, dass sich die Aktivität der Söldner wieder geregt hat. Wenn wir unvorsichtig sind und unsere Augen nur in den Osten auf den Rotpelz richten, wird er unsere Güter und Höfe im Westen brandschatzen, während wir in den Wäldern auf Goblinhatz sind.“

Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Deshalb schlage ich vor, vorerst die Goblins zu verjagen, doch würde ich auch in unserem Interesse und Namen eine Firunsfelder Wacht einrichten.“ Er blickte zu Traviahold hinüber während er auf einen eingezeichneten Hügel neben dem Dorf auf der Karte zeigte. „Auf diesem Hügel, könnt Ihr Euch erinnern Traviahold, man hatte eine wunderbare Sicht auf das Dorf und die Firunsfelder rings herum. Dort sollten wir eine Wacht einrichten um über die Regungen des Feindes informiert zu sein. Ich würde vier meiner Soldaten dort positionieren um einen Aussichtsplatz zu errichten und die Söldner dann beobachten zu können. Mein Grenzjäger könnte dann zu uns reiten um uns rechtzeitig zu warnen, falls Gefahr droht. Die Bewohner von Wutzenbach und Beorwang würden uns bestimmt dabei unterstützen, da sie ja von den Feinden bedroht werden.“ Er wartete die Reaktionen der Anwesenden ab.

Anshag lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er merkte mittlerweile den Met in seinem Kopf und wusste, dass er gut schlafen würde, allerdings auch, dass er nichts mehr trinken sollte, wollte er sich nicht gänzlich lächerlich machen. Konzentriert lauschte er den Worten seiner Vorredner.

"Ihr habt Recht. Natürlich müssen wir den Goblins zeigen, wer der Herr in diesen Landen ist, doch dürfen wir dabei die Söldner nicht vergessen. Allerdings, wenn wir schnell genug sind, können wir die Goblins zerschlagen und Ritterin Praiosmin aus ihrer misslichen Lage helfen, ohne dass die Söldner etwas mitbekommen. Eine schnelle Zangenbewegung mit der Reiterei und nachrückende Infanterie dürften ausreichen um den Goblins den Rest zu geben. Allerdings dürfen wir dann nicht lange warten, sondern müssen direkt im Anschluss weiterziehen um dem Söldnerpack den Gar auszumachen."

Anshag schaute in die Runde.

"Diese ganze Aktion darf von der Ankunft in Siebeneichen bis zum Kampf mit den Söldnern nicht länger als zwei oder drei Tage brauchen. Schwierig, aber meiner Meinung nach zu schaffen."

Traviahold, der sich gesetzt hatte, wägte das Gesagte ab, während seine stille Knappin, die direkt hinter ihm stand, ihm leise etwas ins Ohr flüsterte...

Er warf ihr kurz einen finsteren Blick über die Schulter zu und sie verstummte sofort, blicke kurz auf den Boden, schaute den anwesenden Adligen aber schon kurze Zeit später wieder geheimnisvoll in die Augen und schien aus deren Gesichtern zu lesen.

"Ich stimme dem Vorschlag von Storko zu. Ein Vorposten auf dem Hügel bei Firunsfelde, mit einem berittenen Grenzjäger und weiteren drei Mann ist eine gute Idee. Bei so vielen Männern können wir es uns leisten, vier davon zu entbehren. Wir brauchen Augen in unserem Rücken, Augen die uns schnell genug berichten, wenn sich bei Firunsfelde etwas regt. Außerdem hat Storkos Grenzjäger dadurch genug Zeit, das Gelände vor Ort auszukundschaften, um uns dann bei Ankunft zu berichten, wo ein eventueller Schwachpunkt in ihrer Verteidigung liegt. Vielleicht kann er sogar die genaue Anzahl der Feinde in Firunsfelde bestimmen. Trotz alledem werden wir, wie Anshag vorgeschlagen hat, so schnell wie möglich in Siebeneichen zuschlagen und die Rotpelze mit unserer Reiterei in die Zange nehmen und unsere Fußtruppen den Rest erledigen lassen. Und natürlich sollten die Firunsfelder-Schergen nichts von unseren Bewegungen mitbekommen, weshalb ich dafür bin, so bald wie möglich auszurücken, bevor sich herum spricht, dass sich auf Gut Gernatsborn eine schlagkräftige Truppe versammelt hat."

Traviaholds Stimme drückte während seiner Rede Sicherheit und Stärke aus und er wich keinem Blick aus. Bei der Art und Weise seiner Formulierungen gab er sich Mühe, diplomatisch zu wirken. Nun blickte er zu den Adligen, die sich bisher noch zurückgehalten hatten. Ihre Meinungen waren ihm wichtig.

Storko dachte nach. Seiner Meinung nach unterschätzten die bisherigen Redner die Rotpelze. Dachten die ehrenwerten Ritter vielleicht, dass, wenn der Heerzug nach Siebeneichen einzieht, die Goblins sich zur offenen Feldschlacht stellen würden. Nein. Sie würden sich wohl eher in den Wäldern verschanzen und uns auflauern; mit Reitern war da nichts zu machen, an eine schnelle Zangenbewegung mit der Reiterei schon gar nicht zu denken. Da merkt man den Unterschied zwischen Ritter und Offizier. Dass die Aktion nur ein, zwei Tage dauern würde, war nach Storkos Meinung ebenfalls sehr gewagt geplant, und letztendlich wie er die Worte eines Marshalls aus dem Horasreich in seinen Gedanken zitierte: „Wie gut Euer Plan auch sein mag, den Kontakt mit der Wirklichkeit wird er selten überstehen.“

Der Offizier zu Gernatsborn blickte fragend Sieghelm von Firnsjön und Gerbold von Zwölfengrund, als wie auch den Rondrianer Deggen an, damit sie sich auch zu Wort melden würden.

Gerbold nickte dem alten Ritter kurz zu. "Ihr zuerst, Firnsjön. Ihr seid von uns allen mit Sicherheit der Erfahrenste." Außerdem würde er sicher etwas von seinem Neffen berichten können.

"Nun gut", der alte Ritter lehnte sich nun nach vorne, hatte er sich doch bisher bequem zurück gelehnt und schweigend zugehört. "Wir haben ohne Frage zwei Möglichkeiten. Wie wir uns auch entscheiden, ich denke nicht, dass wir uns dann noch groß der Anderen werden widmen können. Gefährlicher ist allemal dieses verderbte Söldnerpack. Hier würde uns die ansehnliche Reiterschar auch deutlich mehr einbringen, als im Kampf gegen die Rotpelze. Siebeneichen ist bedrängt. Doch denke ich, dass wir es ausreichend stärken können. Schicken wir einige der Waffenknechte mit einem der Ritter dorthin. Silvana oder Leubold könnten das unternehmen. Vergesst nicht. Goblinbanden hatten wir immer im Wutzenwald, wenn auch nicht so gefährlich. Diese Söldner hingegen, das ist schon etwas anderes." Als er fertig war, raunte er seiner Tochter etwas zu, die sich darauf erhob und sogleich das Wort ergriff.

"Ich teile, was mein Vater sagt. Doch will auch ich etwas berichten", ihr Blick ruhte dabei kurz auf Traviahold. Ein Blick der nicht sonderlich freundschaftlich zu nennen war. "Ich komme direkt vom Hof unseres Barons, meines Vetters. Gerne hätte er mehr als drei erfahrene Waffenknechte entsendet. Allein, es war ihm nicht möglich. In dieser Stunde reitet er an der Spitze der meisten seiner Ritter und Bewaffneten. Die Kaiserlichen ersuchten ihn um Hilfe. Lieber wollte er selbst reiten, denn seine treuen Vasallen fern der Heimat zu wissen. Doch sagte er dies: 'Mögen die Zwölfe, Rondra und Praios voran, mit uns sein, wenn wir Schlotz von seinen Feinden befreien.' Er selbst will bei den Kaiserlichen um Unterstützung und Hilfe werben." Darauf setzte sich die kräftige Ritterin und löschte erst einmal ihren Durst.

"Ermunternde Worte, hoffen wir auf die sichere Rückkehr seiner Hochgeboren." Erhob der Junker zu Sokramshain und trank auf seinen Lehnsherrn. "Was unser Vorgehen betrifft." Er strich sich nachdenklich durch den Bart. "Nun ja, in einem stimme ich Firnsjön zu. Wir werden kaum beides schaffen. Weder können wir unsere Lehen allzu lange ohne den Großteil ihres Schutzes zurücklassen. Insbesondere wir in Sokramshain kennen die Gefahr von Feinden aus dem Süden. Noch kann und will ich meine Bauern zu lang von ihren Feldern fernhalten." Er faltete die Hände vor seinem Gesicht und hielt kurz inne. "Allein, Siebenstein ist eine von uns und das in vielerlei Hinsicht. Ein Zeichen für die gesamte Baronie. Fallen sie und Siebeneichen, dann wäre das ein schwerer Schlag und das Ende ihres Hauses. Ich sage daher, lasst uns den Rotpelzen widmen. Herausforderung genug, wie ich Euch versichern kann. Ich kenne sie und sage Euch, im Wald sind sie ein gerissener Gegner."

"Firunsfelde. Nun Firunsfelde sollten wir im Auge behalten. Ziehen sie aus und wollen auf Raubzug gehen, so müssen wir sie stellen können. Mit allen werden sie den Ort kaum verlassen. Eine Lanze unter einem von uns, sollte diese Aufgabe übernehmen können. Wenn wir dann in Siebeneichen erfolgreich waren. Nun dann, dann sollten wir uns dieser Gefahr widmen. Auch die Nachbarn von uns haben doch ein Interesse, dass wir sie besiegen."

Deggen hatte alles aufmerksam mitangehört. Ein Zweifrontenkrieg war keine angenehme Sache. Widmete man sich den Goblins, so hatte dieser Stachelwanst freie Hand und man würde seinen Überfällen auf einzelne Gehöfte nichts entgegensetzen können. Stellte man sich diesem Söldnerführer jedoch zum Kampf, dann gäbe es niemanden, der dem Rotpelz entgegentreten würde.

„Eine Frage, werte Herren und Damen. Wie sieht es denn mit der Reserve aus. Nachdem nun zahlreiches Waffenvolk versammelt ist – und es ist anzunehmen, dass auch die Feinde ihre Späher haben und über unsere Zusammenkunft Bescheid wissen – sind Eure Dörfer, Höfe und Güter denn ausreichend geschützt, falls seinerseits der Rotpelz oder der Söldner aktiv wird?“

Deggen sah in die Runde. Aber eigentlich war es nicht notwendig, diese Frage zu beantworten. Natürlich waren alle Güter und Dörfer in ihrem Schutz geschwächt. Auch wenn im Ernstfall jeder Bauer sich mit Sense und Dreschflegel wehren würde, so würde das die Abwesenheit der Bewaffneten natürlich nicht ausgleichen können.

„Nun, wie ich das einschätze, haben wir es mit zwei völlig unterschiedlich agierenden Gegnern zu tun. Zwei Gegner, gegen die es auch verschiedene Strategien geben kann. Stachelwansts Räuber- und Söldnerbande besteht aus Halunken und Halsabschneidern, die selbst kein Pardon gewähren und auch keines erwarten. Es sind Fremde, versprengte Bewaffnete des Krieges. Banditen, die dort zuschlagen, wo sie sich Beute erhoffen. Aber auch eine Bande ohne Nachschub, ohne Verwurzelung im Land. Ich schätze, dass sie an Kampfkraft stärker sind als die Goblins, aber sie werden weniger beweglich sein, weniger wildniserfahren. Die Rotpelze hingegen dürften die schwächeren Einzelkämpfer sein, ihre Stärke liegt eher in der Ortskenntnis und in der Beweglichkeit. Die Rotpelze sind weit weniger von einem Stützpunkt abhängig wie die Banditen Stachelwansts. Es wird weit schwerer sein, sie zu einer Feldschlacht zu stellen. Wenn dieser Chraaz so gerissen ist, wie man sagt, dann wird er alles daran setzen, genau das zu vermeiden. Er weiß genau, dass die Zeit für ihn spielt, wenn er sich im Wald verschanzt. Der Rotpelz kann sich im Wald ernähren, während unsere Truppe versorgt werden muss, und wir unsere Höfe mit geringem Schutz zurück gelassen haben. Allerdings haben wir einen Trumpf. Wenn es gelingt, diesen Chraaz selbst zu fangen, dann könnte der ganze Goblinaufstand in sich zusammen brechen.“ Deggen blickte die Recken an. „Wir müssen es aber vor allem im Auge behalten, unsere Dörfer nicht zu lange schutzlos zu lassen, sonst wird dieser Stachelwanst das ausnutzen.“ fuhr Deggen fort. „Nebenher habe ich noch eine zweite Frage. Wer führt hier in der Schlacht das Kommando?“

„Ihr etwa?“ äußerte sich Gerbold von Zwölfengrund mit einem unüberhörbaren spöttischen Unterton. „Soll das heißen Ihr fordert das Kommando, Hochwürden?“ Deggen hatte von den Gerüchten gehört, dass Gerbold den alten Kulten anhing und auf Priester der Zwölfe vielleicht mit einer gewissen Zurückhaltung reagierte. Nun, es ging hier nicht um Glaubensfragen. Aber er musste andere Worte finden, sein Anliegen deutlich zu machen.
„Nein. Aber um das Problem zu verdeutlichen. Wenn die fünfzehn besten Immanspieler der führenden Mannschaften Aventuriens antreten gegen die Hinterhofspieler der Wilden Eber von Gallys, was meint Ihr, wer gewinnt? Ich sag es Euch. Die Wilden Eber. Und ich sage Euch auch warum. Weil nicht die besten Einzelkämpfer entscheidend sind, sondern die Mannschaft. Alle müssen an einem Strang ziehen, müssen einen gemeinsamen Willen haben und eine gemeinsame Taktik verfolgen. Eine Mannschaft, die nicht aufeinander eingestellt ist, wird verlieren. Beim Imman ebenso wie im Krieg.“ Deggen sah die versammelten Edlen an. „Wir bestehen aus verschiedenen Truppenteilen, jede mit einer eigenen Kommandostruktur. Jede für sich erfahren und aufeinander eingespielt. Jede gut dazu in der Lage, das eigene Dorf, das eigene Gut zu verteidigen. Aber jetzt stehen wir gemeinsam und verteidigen die Baronie. Und wenn der eine Truppenteil auf dem linken Flügel den taktischen Rückzug unternimmt, während die Truppen auf der rechten Seite einen Ausfall durchführen, dann verlieren wir nicht nur das Gefecht. Dann verlieren wir vielleicht unser Leben, und dazu vielleicht die Möglichkeit, auf Jahre die Baronie zu befrieden. Wir brauchen also eine Kommandostruktur. Ich kenne Euch nicht so gut, um einschätzen zu können, wer der geeignetste Heerführer mit der größten Erfahrung ist. Aber ich rate dazu, jemanden von Euch das Kommando über die gesamte Truppe zu übertragen.“ „Nun, da hat der Geweihte nicht unrecht“ warf Anshag von Sturmfels ein.

„Gut. Ich schlage Gerbold von Zwölfengrund zum Heerführer vor. Er hat die größte Anzahl Bewaffneter mitgebracht.“

Man sah es Storko, Traviahold und den anderen versammelten Edlen an, dass sie darüber grübelten, wie dem Vorschlag zu begegnen war.

Wenn Gerbold überrascht über diese Aussage war, so konnte er es zumindest recht gut überspielen. "Mit vielem was Ihr sagt, habt Ihr ohne Frage recht. Allein ich lege keinen Wert auf so ein Kommando." Überrascht drehte sich dessen Sohn Leubold um und schien seinem Vater widersprechen zu wollen. Doch dieser hob nur seinen rechte Hand und bedeutete seinem Sohn so, sich zu beherrschen. "Ein jeder von uns führt seine Frauen und Männer. Hat uns der Baron gerufen? Nein, als Adlige der Baronie sind wir zusammen gekommen. So wie wir es immer gehalten haben, sollten wir es auch hier halten. Jeder führt die Seinen nach einem gemeinsamen Plan."

"Der Junker hat recht", meldete sich Silvana von Firnsjön zu Wort. "Ich unterstelle mich einer gemeinsamen Sache und meinem Vater, natürlich", wie sie mit einem Lächeln anfügte. "Wir und die unseren sind aber keine Kaiserlichen, die sich einem 'Marschall' unterstellen würden." Dabei wanderte ihr Blick über die Anwesenden und erneut war darin bei dem ein oder anderen nicht allzu viel Freundschaft zu erkennen.

"Die Jugend, stürmisch wie eh und je." Mit diesen Worten und einem lauten Lachen über die eigenen Worte, mischte sich nun Sieghelm in das Gespräch ein. "Keiner hier will über den Anderen verfügen, wie ein Marschall oder Kriegesherr. Oder? Aber einer, der bei dem Kommenden im Sinne des Ziels die Fäden in den Händen hält, kann nicht schaden. Lasst uns aber doch erst einmal einen Plan finden und dann darüber reden."

Anshag blickte Silvana von Firnsjön fest in die Augen. "Dürfte ich erfahren was Ihr genau damit meint? Letztlich kämpfen wir alle für die Befriedung und Wiedervereinigung Darpatiens oder? Damit kämpfen wir für das Kaiserreich! Mich würde allerdings interessieren auf welcher Seite Ihr glaubt zu stehen, wenn Ihr scheinbar nicht für das Reich streiten wollt?"

Man sah Anshag an, dass er wütend war. Sein Blick ließ den von Silvana nicht los und er erwartete dass man ihm antwortete. Seine Rechte ruhte dabei immer in der Nähe seines Langschwertes dass er immer noch gegürtet trug.
"Entweder man streitet für das Reich oder man ist nicht besser als einer dieser selbsternannten Kriegsfürsten, die ohne jeden Zweifel untergehen werden. Also auf welcher Seite steht Ihr? Bin ich hier unter Verbündeten oder nicht?"

"Wollt Ihr mich missverstehen?" Die Ritterin erwiderte den Blick Anshags kühl. "Ich streite für meine Familie und das Land meines Hauses. Ich streite für Darpatien, unsere Heimat. Doch werde ich mich dabei keinem in diesem Kreis als Befehlsempfängerin unterstellen. Soldaten, Kaiserliche mag man so in die Schlacht führen, doch ich bin Ritterin. Ruft die Kaiserin uns zu den Waffen, ich wäre die letzte die nicht Waffendienst leisten würde. Dem Marschall steht dieses Recht aber nicht zu. Weder ist er Graf noch unser Lehnsherr. Wir sind doch keine..."

Noch ehe sie fortfahren konnte, fasste sie ihr Vater am Arm. Ein kurzer Blick genügte, dass sie die weiteren Worte herunter schluckte. "Ich denke doch, dass das geklärt wäre, oder? Wir sollten uns auf unser Ziel konzentrieren und unsere Kraft nicht auf so etwas verschwenden."

Storko erhob sich und machte mit seinen Händen eine beschwichtigende Geste. „Aber meine Damen und Herren, bitte keine Aufregung. Wir sind nicht hierher gekommen um Grundsatzdebatten zu führen oder zu politisieren, sondern um zu besprechen, wie wir unsere Lande befrieden. Wie auch immer, wir sind nun hier versammelt, Kaiserreich hin oder her.“ Der Gastgeber überlegte kurz ob er der Magd deuten solle um die Kelche der Edlen nochmals aufzufüllen um sie mit dem guten Meth zu besänftigen, doch würde dies sie auch vielleicht sturer und bornierter machen. Er wandte sich wohlwollend dem Priester der Kriegsgöttin zu: „Euer Hochwürden, vielen Dank für den Einwurf bezüglich einen Anführers unserer Kriegsunternehmung. Nicht, dass ihr Edlen nicht ohne weitere Frage die Herren eurer eigenen Soldaten und Kriegsknechte seid und behalten solltet, doch im Gefecht sollten wir alle an einem Strang ziehen.“ Er hob belehrend den Finger. „Wisst Ihr warum im Kohmkrieg die Novadischen Stammeskrieger selbst, als sie in der Überzahl waren, so große Verluste gemacht hatten? Ein jeder Stammesführer hatte seine Reiter in die Schlacht gebracht, aber es gab keinen der diese koordinierte. Mal stürmten die einen Reiter dem Feind entgegen, mal die anderen; die einen von der linken, die anderen von der rechten Flanke. Ihr könnt Euch bestimmt vorstellen, was das für ein Chaos gewesen sein muss. Die Al’Anfaner, die eine straff organisierte Befehlskette und Ordnung haben, hatten leichtes Spiel mit den wild gewordenen Wüstenkriegern und es waren viele Gemetzel.“ Leomar vom Berg hatte Storko dies erzählt und gelehrt. „Ich als Offizier sage Euch also, und schließe mich hierbei dem ehrenwerten Hochwürden Deggen und dem erfahrenen Ritter Sieghelm an, dass wir, wenn wir auch davor gemeinsam, so wie wir es jetzt tun, unsere Schlachtpläne besprechen, für die Schlacht selbst einen Anführer bestimmen, wenn wir nicht ein ähnliches Schicksal wie die Krieger der Wüste erleiden wollen. Hier geht es nicht darum, sich jemanden unter zu ordnen, sondern allein um den Erfolg unserer Mission!“

Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. „Ich würde dafür Ritter Traviahold aus dem Wutzenwald vorschlagen. Er hat zwar nicht die zahlenmäßig meisten Kämpfer unter seinem Banner, doch wie ich denke, die kampferfahrensten und schlagkräftigsten, nämlich seine Schwarze Lanze. Selbst hat er auch schon viele Schlachten gefochten und allein seine Statur weckt Kampfeswillen in Verbündeten und Angst bei den Feinden. Aber, was wirklich für seine Wahl spricht, ist allein die Tatsache, dass er einerseits schon gegen die Söldner gekämpft und sie zurückgeschlagen hat, und andererseits unweit von Siebeneichen sein Gut hat, die Gegend kennt und auch Praiosmin vor einiger Zeit einen Besuch abgestattet hat. Er kennt also beide Gefahren und Feinde wie kein anderer in dieser Runde, wie ich wohl annehme. Würdet ihr einstimmen und ihn zum Kommandanten in der Schlacht ernennen?“

Anshag wendete seinen Blick von der Ritterin ab und wendete sich Storko zu. Er lauschte den Worten seines Nachbarn aufmerksam und nickte zustimmend mit dem Kopf. "Unter diesen Umständen stimme ich Euch zu, Wohlgeboren. Es wäre wohl am sinnvollsten, wenn Ritter Traviahold das Kommando führen würde." Anshag blickte noch mal zu der Ritterin und sein Blick ließ erahnen, dass für ihn das letzte Wort noch nicht gesprochen war.

Dabei konnte der Junker gut erkennen, dass die Ritterin auf den Vorschlag des Gutsherrn mit deutlichem Missmut reagierte. Irgendetwas lehnte die Frau an Traviahold ab. Doch ehe sie erneut reagieren konnte, war es ihr Vater, der ruhig auf den jüngsten Vorschlag einging. "Ein schönes Bild, Wohlgeboren. Allein, ich kenne viele, die sagen, die Wickelköpfe waren unterlegen, weil sie zu einem Götzen gebetet haben. Allein", er erhob beschwichtigend die Hände. "Das ist keine Frage für eine solche Runde und soll von Geweihten und Gelehrten beurteilt werden, die berufener sind." Dabei nickte er dem Rondrianer freundlich zu, um dann mit einem ernsten Blick auf Traviahold fortzufahren. "Ich kenne Euch kaum und weiß nur wenig über Euch. Daher sage ich es offen und frei heraus, wie es sich unter Kriegern und Rittern geziemt. Bei alldem was ich über Euer Waffengeschick weiß, es ist mir zu wenig, als dass ich meine Jungs und Mädels so einfach Eurem Befehl unterstelle."

"Ich für meinen Teil habe gesagt, was ich von einem Kommandanten halte." Lenkte Gerbold nun wieder die Aufmerksamkeit auf sich. Kühl musterte er dabei den Gastgeber und die Übrigen der Anwesenden. Sokramshain war nicht stark und hatte lange überlebt, weil es bereit war seine Kräfte ohne weiteres aus den Händen zu geben.

Storko nahm ein besticktes Tuch aus der Tasche und tupfte seine leicht verschwitzte Stirn ab. Mit solchen Sturköpfen hatte er nicht gerechnet, wollten sie nun gemeinsam kämpfen und streiten oder nicht? In diesem Augenblick wunderte er sich keineswegs, warum die Wildermark nicht schon längst befriedet worden war, wenn so viel Unstimmigkeit und Separatismus bei diesen Rittern der Wehrheimer Lande vorherrschte.

Er wandte sich den beiden Parteien zu, die seinem Vorschlag widersprachen. „Meine ehrenwerten Herren, Eure Mannen sollen sich in keiner Weise dem Befehl eines anderen von uns unterwerfen. Alle Schlachtpläne werden wir gemeinsam davor besprechen, nur wäre es förderlich, dass Ihr in der Schlacht selbst mit Euren Mannen den Empfehlungen eines militärischen Anführers nachkommen würdet, wenn nicht ein ungeordneter Haufen von Waffenfähigen aus uns werden soll, denn ich bin mir sicher, dass sowohl der Söldnerhaufen als auch der Rotpelz recht koordiniert zusammenarbeiten werden – und, wir sind doch hierher gekommen um z u s a m m e n “ er betonte dieses Wort ganz besonders „zu kämpfen! Eine Kette reißt nur nicht, wenn die einzelnen Ringe gut zusammen liegen. Im Namen Rondras und des Friedens von Schlotz würde ich Euch bitten, der Empfehlung des Hochwürdens nachzukommen.“ Er holte etwas Luft. „Und für Ritter Traviahold wiegt doch schon die Tatsache schwer, dass er vom Baron selbst vor einiger Zeit mit Schattenholz belehnt worden ist, eben um die Baronie im Südwesten des Wutzenwaldes zu schützen.“

Traviahold hatte sich zurückgehalten und geduldig die Worte der Adligen bedacht. Die Niederlage des Reichsheeres in der Schlacht auf dem Mythraelsfeld und die Veränderungen im zentralen Mittelreich hatten vieles geändert. Sie führten zu einer Rückbesinnung auf die alten Traditionen.  Niedergeschrieben in der Ochsenbluter Urkunde war es nun wieder das Vorrecht der Adligen, die Führung über ihre eigenen Heerhaufen zu übernehmen, ohne in eine feste Stellung der militärischen Befehlskette eingebunden zu sein. Eine Tatsache, durch die die Ritterschaft in der jüngsten Zeit neben ihrer militärischen auch eine enorme gesellschaftliche Aufwertung erfuhr.

Der Ritter Alten Schlages ergriff das Wort: „Storko und Anshag, ich danke Euch für das Vertrauen, das Ihr in mich setzt, das ehrt mich sehr. Ich hoffe, dass auch Ihr anderen Euch besinnt und mir in die Schlacht folgen werdet. Storko und ich waren es, die als erste dem Elend unserer Baronie nicht mehr tatenlos zuschauen wollten. So kam es, dass wir beide diesen Bund gründeten, ein Bund der unsere Kräfte vereinen soll um das Übel, das sich in Schlotz ausbreitet, bei der Wurzel zu packen. Ihr alle seid dem Ruf unseres Bundes gefolgt. Ein jeder mag noch so heftig an diesen finsteren Wurzeln ziehen – herausreißen können wir sie jedoch nur, wenn wir alle zugleich ziehen.

Vielleicht kennt mich der ein oder andere nicht gut genug, oder ist der Meinung, dass er bisher Schaden immer abwehren konnte, weil er alle vorherigen Gefahren allein meisterte. Aber es ist an der Zeit zu vertrauen, denn wenn wir uns nicht gegenseitig vertrauen, wem denn dann? Es ist an der Zeit, die Schwerter gemeinsam zu ziehen.“

Traviahold stützte sich auf dem Tisch auf und wuchtete seinen gepanzerten Körper hoch. „Folgt mir in der Schlacht und ich führe Euch zum Sieg und folgt Storko wenn es darum geht diesen Feldzug zu organisieren und er wird die Voraussetzungen für unseren Sieg schaffen.“ Die Stimme des Ritters wurde lauter. „Entscheidet Euch JETZT, denn es gilt, Schlachten zu schlagen!“

Deggen hörte still zu, was die hier versammelten Recken von sich gaben. Traviahold als Kommandoführer war gewiss keine schlechte Wahl. Der Schattenholzer schien auf alle Fälle ein erfahrener Kriegsveteran zu sein. Wenn denn alle diesen Vorschlag akzeptierten. Immerhin waren hier wirklich sehr unterschiedliche Charaktere beisammen. Charaktere, die sich im Idealfall in ihren Fähigkeiten und Stärken gut ergänzen konnten – wenn man sie zu einer harmonierenden Einheit formte. Aber auch Individualisten, die sich gegenseitig das Leben schwer machen konnten. Da täte sich sogar Colga na Naomh, der legendäre Trainer der Havena-Bullen, schwer, aus den Einzelspielern eine gute Mannschaft zu machen. Hinzu kamen die Differenzen, die offenbar einige untereinander hatten. Die frostige Stimmung zwischen der Ritterin Silvana und Traviahold war jedenfalls deutlich spürbar gewesen, und Gerbold von Zwölfengrund schien wiederum mit ihm nicht klar zu kommen, aber das lag vermutlich nicht an ihm selbst, sondern eher an seinem Kirchenamt.

Auch für ihn würde das hier keine einfache Aufgabe werden, da er sich hier mit Erwartungen konfrontiert sah, die er nur schwer erfüllen konnte. Einerseits erwarteten einige von ihm den aufrechten und im Glauben unerschütterlichen Rondrianer, der alle Recken mit Mut und Tapferkeit beseelte und sie zum Sieg geleitete – ohne die Führung zu übernehmen, natürlich, das hatte Gerbold nebenher deutlich gemacht. Andererseits hegten gewiss einige die Befürchtung, er könne durch Beharren auf rondrianische Tugenden den Feldzug erschweren oder den Handlungsspielraum einengen. Deggen kannte solche Meinungen.

Überhaupt, dieser Gerbold schien durchaus eine Schlüsselfigur zu sein. Immerhin wusste Deggen, was den anderen Edlen hier vermutlich sonst nicht bekannt war, dass Gerbold den alten Kulten anhing. Und das wusste er auch nur von seinem Bruder, der ja alle Nachrichten gerade zu aufsog und immer ein offenes Ohr hatte... und der selbst vor kurzer Zeit erst zu den Alten Kulten konvertiert war.

Deggen hatte es ziemlich kalt gelassen, dass sein Bruder Veneficus nun nicht mehr zu Hesinde betete, sondern, wie schon ihr Vater insgeheim, nunmehr Sumu ehrte, auch wenn es wahrlich nicht alltäglich war, dass ein Magier der Grauen Gilde des Geistes sein Glück bei Haindruiden suchte. Dabei hatte Veneficus irgendwie erfahren, dass der Junker von Zwölfengrund ebenfalls den Alten Kulten anhing.

Aber so geradlinig, wie sich das Leben in der Theorie eines Praioten anhörte, war es eben nur selten. Aus einer Laune des Schicksals heraus hatte sein Bruder eben zu den Alten Kulten gefunden, und ebenso war es ein halber Zufall, dass er sich irgendwann in der Rondrakirche wieder gefunden hatte. Natürlich, er war der Kriegsgöttin immer schon verbunden gewesen in seinen Gefühlen, und den ritterlichen Idealen war er mehr als zugetan. Aber dass er den Schritt vom Krieger und Gläubigen zum Priester der Rondra getan hatte, das hatte er einem alten Erzfeind zu verdanken. Der Fürstin Hildelind von Rabenmund nämlich, die während der Regierungszeit Brins, als das Kaiserhaus geschwächt und die Fürstin Rabenmund wiedererstarkt war, sich alle diejenigen Adeligen Darpatiens vorknöpfte, die in der Answinkrise von 18 Hal offen zu Gareth gehalten hatten, so wie Deggen damals. Um sich dem Zugriff des Fürstenhauses zu entziehen hatte er sich in die Arme der Rondrakirche geflüchtet. Es war eine gute Entscheidung gewesen, zweifellos, und er bereute niemals, diesen Schritt getan zu haben, nicht nur weil er dadurch erfolgreich den Gängelungen und Ungerechtigkeiten der Fürstin entkommen war, nur war nicht weg zureden, dass der Anstoß dazu die ganz profane Rache des Hauses Rabenmund war. Aber die Zwölfe mochten wissen, warum sie ihm dieses Schicksal zugedacht hatten.

Doch Deggen war nicht hier, um zu grübeln. Es ging um die Menschen in diesem Land, und dabei hatte es egal zu sein, ob jemand nun Gareth oder Rabenmund, Rondra oder Alten Kulten folgte.

Noch während Traviahold sprach, beugte sich Sieghelm zu seiner Tochter, die ihm mit einem leichten Kopfschütteln etwas zuraunte. Wer die beiden beobachtete konnte gut erkennen, dass der alte Ritter kurz überlegte, wobei sein Blick über die Anwesenden glitt und kurz beim Redner hängen blieb. Doch dann nickte er seiner Tochter kurz zu.

"Ich sagte es bereits, ich habe mich entschieden." Antwortete der Sokramshainer Traviahold ruhig . "Lasst uns beraten, was zu tun ist und schauen, wie wir dieses Ziel dann am Besten erreichen können." Auf den Einwand Traviaholds, dass sie ihm in die Schlacht und Storko in Sachen der Taktik folgen sollten, ging er nicht ein. Er fand sich jedoch in seinen Annahmen bestätigt.

"Wir können uns noch Stunden über diese Sache streiten. Doch der Junker von Sokramshain hat seine Position klar gemacht und steht dazu." Firnsjön hatte sich nun erstmals beim Sprechen erhoben und schaute alle noch einmal ruhig an. "Lasst uns die Zeit nicht mehr damit verschwenden. Wir brauchen ein Ziel und einen Plan, das sollte uns beschäftigen. Und," er nickte Traviahold zu. "Ihr habt offen geantwortet, recht so. Vertrauen? Das habe ich in alle hier, denn ansonsten wäre ich nicht gekommen. In der Schlacht an meiner Seite weiß ich Euch gerne, doch noch weiß ich zu wenig über Euch, um mich Eurem Befehl zu unterstellen. Ich und die meinen kämpfen mit Euch, aber nicht unter Euch." Ein letztes Mal nickte er nicht ohne Respekt in Richtung des Junkers und setzte sich dann wieder.

Storko stand wieder auf und ergriff das Wort – Stur waren diese ewig-gestrigen Ritter hier, dachte er sich. „Gut, es scheint als würden wir in diesem Punkt nicht auf Konsens kommen. Dann lasst uns doch lieber besprechen wie wir unseren Kriegszug nun endlich angehen wollen. Also, wenn ich mich recht entsinne, ja dann waren wir uns fast einig, dass wir unsere Kräfte nach Siebeneichen lenken um die Rotpelze zu stellen. Einen Ritter mit Lanze würden wir zur Beobachtung und als Nachhut um Firunsfelde positionieren.“ Dabei sah er insbesondere Silvana von Firnsjön und Leubold von Zwölfengrund an. „Nach meinen Kenntnissen hat sich von jenen Söldnern noch nicht viel geregt, wenn sie aber aktiv werden sollten, dann würden wir das bemerken.“

Nach einer kurzen Gedankenpause fuhr er fort. „Wenn wir nach Siebeneichen ziehen, ja dann, ich bin mir sicher, dass die Goblins das mitbekommen werden, das lässt sich nicht verhindern – ich denke wir sollten dann so rasch wie möglich durch die Ausläufer des Wutzenwaldes jagen um die Biester zu hetzen ... aber, ohne die Details zu behandeln, was haltet ihr nun davon zuerst den Rotpelz zu verjagen, wärt ihr damit einverstanden?“ Er blickte in die Runde, und insbesondere die Ritter aus Sokramsheim und Firnsjön an, die bisher eher in Opposition zu seinen Vorschlägen gegangen waren.

Anshag nickte mit immer noch grimmiger Miene. Und so was nennt sich Bund, dachte er bei sich. "Ich halte das für das Sinnvollste. Mag ein Goblin noch so schnell rennen können, er wird gegen ein gutes Pferd keinen Boden gut machen. Im Idealfall erwischen wir sie auf freiem Feld und können sie dann wie Köter zu Tode hetzen. Danach sollten wir meiner Meinung nach höchstens einen Tag ruhen, bis wir in den Kampf gegen die Söldner ziehen, damit diese unsere vermeintliche Schwäche nicht ausnutzen können!"

Anshag ließ seinen Becher nachfüllen. "Allerdings werde ich meine Männer nicht in den Wald auf Goblinhatz schicken. Sie sind Reiter und als solche im Wald nicht zu gebrauchen. Aber wie ich das sehe, steht dem Bund ja ein wenig Fußvolk zur Verfügung, welches man zu diesem Zwecke sinnvoll einsetzen kann."

„Euer Vorschlag, Gernatsborn, findet meine Zustimmung.“ Endlich widmeten sie sich dem, was zu besprechen war. Zustimmend nickte der Zwölfengrunder. „Allein, mein Sohn kam zwar wohl gerüstet, doch ohne Ross. Er wird bei der Landwehr streiten und sie führen. Doch ich komme nicht umhin, erneut etwas Wasser in den Wein zu gießen.“

„Seht Wohlgeboren“, Gerbold hatte sich nun Anshag zugewandt. „Ich kenne die Wälder hier sehr gut und auch mit dem Rotpelz hatte ich schon häufig zu tun. Wir müssen uns eine List, einen Plan überlegen, wie wir sie stellen können. Ziehen sie sich erst einmal in den Wald zurück, dann werden wir sie dort kaum stellen. Im Fall der Fälle würden sie sich zerstreuen und in die benachbarten Baronien zurückziehen.“

„Leider wahr, Gerbold. Seitdem ich Ritter von Firnsjön bin, habe ich immer wieder mit kleineren Banden von ihnen zu tun gehabt. Wenn sie sich nicht in Erdlöchern verkriechen, dann setzen sie sich ab, diese kleinen Biester. Wohlgeboren“, er nickte Storko kurz zu. „Ich war zwar für einen anderen Plan, doch wenn der Bund zunächst Siebeneichen befrieden will, wäre ich der Letzte, der sich dem entgegenstellt.“

„Ja eine List, Gerbold von Zwölfengrund...“ murmelte Storko und strich über seinen gewachsten Bart. „...wir müssen sie mit irgendwas aus ihren Verstecken hinaus locken und dann stellen.“ Kurz fiel sein Blick auf Glyrana, seine Frau neben ihm. Sie hatte schon über den Winter hinweg einige Erfahrung mit den Rotpelzen gemacht ... sofort verwischte er seine Gedanken und schämte sich dafür, sein geliebtes Weib – und so Tsa will, die Mutter seiner Kinder und der Zukunft seines Hauses – auch nur für eine Sekunde einer Gefahr aussetzen zu wollen.
„Mit was kann sie locken, geht es ihnen um Gold – ich denke eher nicht. Was wäre mit der Idee, dass sich einige von uns als arme Flüchtlinge verkleiden, mit Planwagen und Vieh auf dem Weg einen friedlichen Hof zu finden. Kurz vor Siebeneichen an den Waldrändern würden sie uns sicher auflauern. Unsere verkleideten Flüchtlinge könnten sich zuerst unterlegen geben, und dann, wenn sich die Goblins überlegen wähnen und nahe herangekommen sind, dann hüpfen unsere schwer Bewaffneten aus dem Wagen.“ Storko hielt dies für eine Möglichkeit, doch er würde sich wundern, wenn die anwesenden Ritter und der Rondrianer dem zustimmen würden.

Lautstark begann Anshag zu lachen. "Wahrlich ein trefflicher Scherz, Gernatsborn. Ihr überrascht mich immer wieder! Ich meine, es kann ja nicht Euer Ernst sein, dass wir uns wie Feiglinge verstecken und uns als Wehrlose ausgeben."
Mit der linken Hand wischte sich Anshag eine Lachträne aus dem Gesicht. "Jetzt aber ernsthaft, womit könnten wir die Rotpelze locken? Eine Alternative wäre es natürlich, wenn wir uns kurz vor Siebeneichen in den Wald schlagen und unseren Angriff von dort aus führen. Wir müssten ein paar Kundschafter vorschicken, die uns sagen, wann die Goblins auf freiem Feld sind und schlagen dann aus dem Wald heraus zu. Damit würden die Rotpelze doch niemals rechnen."

"Bei allem Respekt, Ihr unterschätzt den Goblin." Gerbold schüttelte den Kopf und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. "Ich gehe jede Wette ein, dass dieses Gut jetzt von ihnen beobachtet wird. Kundschafter, die ihrem Anführer melden, was wir wohl treiben. Sie wissen, dass wir unsere Truppen gesammelt haben. Wenn wir also losziehen, werden sie es wissen. Es wird nicht helfen, uns vorher in den Wald zu schlagen. Ich denke nicht, dass wir sie so überraschen können, Wohlgeboren."

"Ganz recht, ich denke wir sollten etwas Ähnliches versuchen wie die Stahlherzen in Brücksgau." Sieghelm schaute in die Runde und da offenbar nicht alle mit den damaligen Ereignissen vertraut waren, gab er sie kurz wieder. "Sie fanden die Pfalz besetzt und eine Belagerung hätte sie zu lange von der Heimat ferngehalten. Sie griffen zu einer List. Alles sah nach einem Streit aus, an dessen Ende ein Teil der Truppen abzog. Der dreckige Nekromant in der Pfalz hielt die übrigen für leichte Beute und machte einen Ausfall. Die anderen kamen zurück und am Ende konnten sie siegen."

"Warum versuchen wir nicht etwas Ähnliches? Wir ziehen nach Siebeneichen, ganz so wie, verzeiht", er hob beschwichtigend die Hände, da er niemanden beleidigen wollte. "Aber ganz so, wie Männer und Frauen, die den Rotpelz nicht kennen. Die ihn in offener Feldschlacht stellen wollen. Während des Marsches erreicht uns ein Bote, etwa von Eurem Gut, Wohlgeboren." Der alte Ritter deutete auf Anshag. "Nach kurzer und lauter Diskussion zieht der Großteil der Reiterei ab, wir übrigen ziehen weiter. Nach diesem Winter könnten wir dann eine gute Beute sein, wenn wir zwei Wagen mit Proviant dabei haben. Ihr habt es gesagt, dieser Goblinführer braucht Erfolge. Eine bessere Gelegenheit wird er so schnell nicht bekommen. Wir müssten an einer Stelle ein Lager errichten, an dem es dumm wäre und nicht zu überfallen. Eine Stelle, wo uns die Reiter, wenn sie zurück kehren auch unterstützen können."

"Keine schlechte Idee, alter Freund." Zwölfengrund nickte zustimmend. "Wenn wir den Goblin aber erst einmal als Gefahr bannen wollen, dann müssen wir nachsetzen. Ihm keine Ruhe gönnen, dann würden sie sich zerstreuen und dieser Chraaz stünde ohne Gefolge da."

Traviahold ergriff erneut das Wort: "Ich unterschätze diese rotpelzigen Monster nicht, aber ich bezweifele, dass sie in diesem Moment Ahnung davon haben, dass wir uns hier versammelt haben. Ich finde den Vorschlag von Anshag sehr gut. Wir sollten den Wutzenwald nehmen. Ich und mein Kundschafter kennen Wege durch diesen mysteriösen Wald - Alte Wege, die niemand beschreitet. Wege, auf denen uns kein Goblin folgt, weil kein Goblin den Mut dazu hat. Weil wir alle wissen, welche Dinge in diesem Wald lauern, der älter ist, als alles. Meines Wissens trauen sich die Goblins gerade nur in die Ausläufer des Waldes. Sie werden uns nicht folgen können und werden auch nicht wissen, dass wir kommen. Wir werden wie die Geister des Waldes daraus hervorbrechen und sie in Angst und Schrecken versetzen und sie schließlich niedermachen und Siebeneichen befreien! Natürlich haben auch viele unserer Männer Angst vor dem Wald, den man nicht betritt. Aber ich werde mit Mut und Stärke vorausgehen. Ich bin Traviahold aus dem Wutzenwald! Mein Name allein wird ihnen Mut machen und sie werden folgen, weil ich keine Angst zeigen werde."

Traviaholds Stimme wurde kraftvoller und immer mitreißender. Das was er sagte, strahlte er auch aus. So wie die Diener des Gutes ihn bei seinen Worten anstarrten, schien es fast so, als würden auch sie zum Schwert greifen wollen.

"Ich sage wir nehmen den Wald - DEN WUTZENWALD!"

Der schwarz gepanzerte Ritter sah allen Anwesenden tief in die Augen und sie sahen, dass seine Augen schon ebenso tief das Innere des Waldes gesehen hatten.

"Und wer sich von uns nicht traut, wird mit seinen Männern oder Teilen von diesen, die Firunsfelder-Söldnerschergen beobachten!"

Der düstere Ritter nickte Anshag anerkennend für dessen Vorschlag, den Wald zu nehmen, zu.

Von der flammenden Rede ihres Ritters mitgenommen, musterte die junge Knappin die restlichen Ritter der Runde eingehend aus ihren dunklen Augen. Ihr Blick verweilte mehrere Augenblicke auf jedem Einzelnen, als versuchte sie, die Adligen dadurch zu überreden, ihrem Ritter zuzustimmen. Als sie dabei den Blick der Ritterin Silvana von Firnsjön traf, zog sie kaum merklich eine Augenbraue hoch, bevor sie ihren Blick wieder abschwenken lies. Sie trat noch einen Schritt näher an den Ritter, um zu zeigen, dass sie vollkommen seiner Meinung war.

Obwohl sie bei dem Gedanken an den Wutzenwald ein gewisses Kribbeln der Angst in der Magengegend spürte - insbesondere, wenn sie an die Gerüchte dachte, die besagten, dass Holzfäller oder wagemutige junge Burschen, die sich zu weit in den Wald gewagt hatten, niemals wiedergekehrt seien; wie als hätte er sie geholt - Doch verdrängte sie diese Vorstellung schnell wieder, denn es gäbe keinen Ort, an den sie sich nicht wagen würde, solange sie bei ihrem Ritter wäre, der ihr ein Gefühl der Sicherheit vermittelte.

Anshag erwiderte das Nicken Traviaholds mit grimmer Miene. "Ich vertraue Euch in dieser Angelegenheit das Leben meiner Männer und auch mein eigenes an und ich danke Euch, dass Ihr meinem Plan vertraut. Ich bin mir sicher, dass wir Erfolg haben werden und die Goblins vertreiben können ob nun durch Tod oder endgültige Flucht ist mir dabei egal."

Anshag nahm noch einen tiefen Schlick aus seinem Krug.

"Doch ich muss zugeben, dass die Uneinigkeit des Bundes mich ein wenig zögern lässt." Anshag blickte jeden Einzelnen in der Runde an bevor er weiter sprach.

"Wie kann ich sicher sein, dass meine Männer nicht aufgerieben werden, weil man sich nicht einigen konnte, wer der Heerführer sein soll? Wie kann ich sicher sein, dass meine Flanke gedeckt ist, wenn ein Jeder seine eigene Strategie verfolgt? Jeder, der hier Sitzenden ist, da bin ich mir sicher, ein ehrenvoller Kämpfer und Streiter für Darpatien, doch wer von uns ist auch wirklich ein guter Heerführer? Dieses Thema dürfen wir nicht einfach so außer Acht lassen. Egal, wen wir bestimmen, und ich sage, wir sollten einen bestimmen, ihm wird kaum daran gelegen sein, seine Bundsbrüder und -schwestern zu schwächen, indem er ihre Truppen verheizt. Letztlich würde man sich selber schwächen, von dem Ehrverlust gar nicht zu reden!"

Anshag schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass einige Becher gefährlich wackelten.

"Wir müssen unsere Sturheit und Selbstgefälligkeit abstreifen, damit wir sicher sein können, dass wir nicht einen einzigen Mann oder eine einzige Frau unnötig da draußen verlieren! Also was sagt Ihr?"

Anshag blickte mit immer noch ernster Miene jeden einzelnen wieder an und wartete auf die erste Antwort.

Oje, oje, dachte sich Storko, wenn das nur ein gutes Ende nimmt – die Diskussion schien sich im Kreise zu bewegen – mehrere Parteien, die nicht aufeinander zugehen wollten. Der Gernatsauer obendrauf schütte noch Öl ins Feuer, indem er die Sache des Heerführers, nachdem man in diesem Punkt offensichtlich nicht auf Konsens gekommen war, wieder ansprach. Und Traviahold – wie sehr er den Ritter auch schätzte – schien in manchen seiner überschwänglichen Reden in Intensität, Selbstverherrlichung und Überschätzung zu übertreiben. Anscheinend hatten die Anwesenden nicht viel Gespür für Konsens, tja eben Landritter und nicht für die Politik gemacht.

"Vater, meint er das ernst?" Leubolds Worte waren einzig an seinen Vater gerichtet und für die Umstehenden kaum mehr als ein Wispern. "Diese Wege werden zu Recht gemieden. Für die Uneingeweihten können sie tödlich sein. Was wird der Zirkel sagen?" Mit einem zustimmenden Nicken drehte sich Gerbold nur leicht zu seinem Sohn. Er konnte stolz sein auf seinen Sohn. Er achtete die alten Mysterien und Riten. "Er wagt viel. Sein Mut ist seine größte Stärke und zugleich seine größte Schwäche. Lass uns abwarten und sehen, was geschieht." Anshag hatte gerade geendet und Gerbold war gespannt, wie die Firnsjöner reagieren würden.

"Was lässt Euch zweifeln, dass den Rotpelzen unsere Zusammenkunft bislang verborgen blieb, Wohlgeboren?" Das einfache Volk mochte er mit seinen Worten beeindrucken, doch Silvana war nicht gewillt dem "Bastard aus dem Wutzenwald" zu folgen. Zusammen kämpfen, das war eine Sache. Aber unter seinem Befehl kämpfen, das würde sie mit Sicherheit nie. "Auch ich kenne Wege in und durch den Wutzenwald. Unsere Familie, mein Vetter wären Schlotz schlechte Herren, wenn wir das Land nicht kennen würden." Es schien ihr der rechte Moment einmal zu betonen, wer in dieser Baronie das Sagen hatte. Sie hatte einen Verdacht, was den Baron dazu getrieben hatte Traviahold zu belehnen. Sie war nicht bereit, ihm auch nur einen Schrittbreit der Baronie zu überlassen. "Diese Wege werden uns aber kaum den Sieg schenken. Wären es normale Goblinbanden, wäre es etwas anderes. Aber dieser Chraaz?! Für ihn und seine Bande scheint vieles nicht zu gelten, was uns bisher Gewissheit im Umgang mit dem Rotpelz war." Die Ritterin schüttelte den Kopf, um ihre Worte zu bekräftigen.

"Ich bin dafür, die Idee einer Finte weiter zu verfolgen. Gut geplant, Wohlgeboren Gernatsau, weiß dabei ein jeder was zu tun ist. Es mag unter einem Befehliger besser sein, doch fürchte ich ohne ihn nicht um den Erfolg. Würden wir, " - sie nickte kurz in Richtung ihres Vaters - "um den Erfolg fürchten, wir würden unsere Jungs und Mädels nicht beisteuern."

Gerade als Silvana ausgesprochen hatte, trat ein Knecht ein und flüsterte dem Gastgeber ins Ohr. Sichtlich erfreut – wohl, dass er eine Pause für die verzwickte Situation gefunden hatte – rieb er sich die Hände und verkündete unterbrechend: „Die Spanferkel sind fertig! Lasst uns erst einmal eine Gedanken- und Schaffenspause einlegen und das köstliche Mahl genießen.“ Er deutete dem Knecht, und auf Kupfertabletten trugen drei Mägde das saftig dampfende Fleisch herein. Den Anwesenden lief der Saft im Mund zusammen und auch die Methkrüge wurden wieder nachgefüllt. Danach kamen Schüsseln in denen einerseits Kartoffelknödel und andererseits Krautgemüse zu erblicken und zu riechen war.

Der Gastgeber nahm sich seinen vollen Kelch zur Hand und sprach: „Lasst uns auf dieses gute Mahl anstoßen, liebe Freunde und Nachbarn. Bei allen Differenzen der Durchführung unserer Unternehmung betreffend zählt doch eines, dass wir alle hierher gekommen sind. Denn das beweist schon, dass wir zusammen halten in der Stunde, in der der Feind nach unseren Ländereien greift. Lasst es Euch schmecken!“

Traviahold verspürte langsam aber sicher das Verlangen, diese Silvana von Firnsjön in zwei Hälften zu spalten und rammte seinen Dolch demonstrativ in das fettige Spanferkel, so dass der Diener, der daneben stand und eigentlich gerade ein Stück herausschneiden wollte, zusammen zuckte. Jeder Versuch, eine Einigung zu erzielen, wurde von den Firnsjönern direkt im Keim erstickt. Waren sie überhaupt daran interessiert, dass sie sich einig waren? Er begann, daran zu zweifeln.

Beim Herrn von Zwölfengrund war eine Einigung vielleicht noch möglich, er schien der Wutzenwald-Strategie nicht ganz abgeneigt zu sein. Aber was auch immer Traviahold sagen würde, der Ritter und die Ritterin von Firnsjön schienen dagegen zu sein und an eine Zusammenarbeit war schon gar nicht zu denken. Wie diese Uneinigkeit auf Anshag wirken mochte, wollte er sich gar nicht erst ausmalen. Also stand eine Frage im Raum. Konnte der Bund auf diese Verbündeten verzichten? Sie schwächten schon jetzt die Moral und säten Uneinigkeit, bevor die Schlacht überhaupt begonnen hatte. Silvana und ihr Vater würden diesem Unternehmen eher schaden, als dass sie von Nutzen waren. Und Anshag war ein wichtiger, neuer Verbündeter, der mit seinen Mannen die eventuell entstehende Lücke schließen könnte. Die Antwort lautete also ja! Seine Gedanken wurden zu Messern.

Eure Familie und ihr SEID Schlotz schlechte Herren! Sonst hättet ihr es niemals so weit kommen lassen und schon viel früher etwas unternommen! Ihr behauptet, ihr kennt euer Land? Pah! Ihr kennt es vielleicht gerade soweit, wie ihr von eurem Gut oder der Trollburg aus blicken könnt. Nur seiner Selbstbeherrschung hatte er es zu verdanken, dass er das, was er dachte nicht aussprach.

"Ich sehe hier nur eine Möglichkeit: Lasst uns abstimmen über die Strategie, sonst werden wir zu keiner Einigung kommen. Wer sich dem Ergebnis dann nicht beugen will, soll gehen, denn er schadet diesem Bund. Jedes Bundmitglied und Gut hat eine Stimme. Anshag, der uns unterstützt hat ebenfalls eine Stimme. Deggen stimmt stellvertretend für Valyria."

"Ich stimme für die Wutzenwald-Strategie."

„Langsam, langsam“, Gerbold hob beschwichtigend die Hände. „Unser Gastgeber hat uns etwas geraten und ich denke, so sollten wir es halten. Lasst uns in Travias Namen erst einmal speisen und uns sättigen. Dann sollten wir weiter sehen. Der ein oder andere mag dabei das Gespräch suchen und wir so einer Lösung näher kommen.“ Ehe er sich ganz dem Essen widmete, wandte er sich noch einmal leise seinem Sohn zu. „Rede einem mit Gerbold. Er war Dein Schwertvater und so wie ich ihn kenne, will er das hier nicht hintertreiben. Was immer ihn umtreibt, wenn wir es kennen, mögen wir auch eine Lösung finden.“ Schon wollte er sich dem schmackhaften Essen widmen, da fiel ihm noch etwas ein.

„Praiane“, er winkte seine Knappin zu sich. „Sei so gut, nach dem Mahl möchte ich mich mit dem Schattenholzer besprechen. Es wäre gut, wenn wir uns abseits der anderen etwas unterhalten könnten.“ Noch während er sich nun endlich dem Essen widmen konnte, erledigte die Knappin den Botengang, indem sie der Knappin Traviaholds den Wunsch ihres Schwertvaters mitteilte. Nicht, dass sie den Ritter fürchtete, aber seltsam fand sie ihn schon.

Alle Anwesenden widmeten sich dem Mahle zu. Die neun Edlen saßen dicht gedrängt am hölzernen Tisch, während die Knappen stehend essen mussten. Die beiden Knappinnen standen an der Stirnseite des Raumes beim Kamin und prosteten einander zu. Ein stetiges Schmatzen, Gurgeln und dumpfes Plaudern erzeugte in dem für die Anzahl der Personen verhältnismäßig kleinen Saal eine durchaus laute Geräuschkulisse. Da es auch mittlerweile heiß und stickig geworden war, ordnete die Gastgeberin Glyrana einer Magd an, das Fenster leicht zu öffnen. Aus dem mit Fackeln erleuchteten Hof drangen laute Stimmen wie die eines Festes. Die Gutsbewohner und Waffenknechte aller Gäste schienen dort ebenso gut bewirtet zu werden wie ihre Herren.

Der Rondrianer hatte lange genug seinen Gedanken nachgehangen, und wurde aus selbigen gerissen, als er hörte, dass er stellvertretend für Valyria stimmen sollte. Nun gut. Aber Gerbold hatte Recht, jetzt sollte man sich vielleicht wirklich erst einmal eine Verhandlungspause gönnen. Also griff er zu, als man vom lecker duftenden Spanferkel anbot. Wie es der Zufall wollte, saß er eben unweit zu dem Zwölfengrunder. Deggen musste lächeln. Gerbold würde wohl seine allerzwölfgöttlichste Anwesenheit erdulden müssen. „Wohlsein“ prostete Deggen dem Junker ebenso wie den anderen zu, die er in der Nähe sah. Er stieß mit Anshag an, dann mit Ritterin Silvana. Dann drehte er sich zu dem Gastgeber und Junker Traviahold auf die Seite um. ‚Nur ein Schwein trinkt allein’ sagte man nicht umsonst. Deggen freute sich wahrlich auf einen erfrischenden und belebenden Schluck Meth. „Und was denken Hochwürden zu des Schattenholzers Plan?“ fragte Leubold von Zwölfengrund mit leicht forschem Tonfall. „Ist ein Marsch durch den Wutzenwald nun der Herrin Rondra wohlgefällig, weil man sich tapfer und tollkühn den Wutzen aussetzt? Oder ist das ein Akt der Feigheit, weil man damit den Rotpelzen in den Rücken fällt und sie von hinten angreift?“

Aha, dachte Deggen, während er sich zu Leubold umdrehte, eine rhetorische Falle des Zwölfengrunders. Egal, wie er sie beantworten würde, er würde ein Prinzip des rondragefälligen Zweikampfes verraten müssen. Scheinbar, zumindest schien es Leubold darauf anzulegen.

„Wohlgeboren“ seufzte Deggen „mir stellt sich eher die Frage, ob man es zugunsten eines taktischen Vorteils oder eines schnelleren Vormarsches riskieren sollte, sich neben den Söldnern Saragors und den Rotpelzen des Chraaz mit den Wutzen vielleicht noch einen dritten Gegner machen sollte. Man hört vieles über die Wesen, die im Wutzenwald hausen. Ich bin nicht ortskundig, wohlgemerkt, und kann das Risiko schwer einschätzen. Wenn bei einer anschließenden Abstimmung die Entscheidung für den Marsch durch den Wutzenwald fällt, dann soll es so sein. Aber ich werde meinesteils gegen diese Marschroute stimmen, wenn das Eure Frage war. Ich meine es ist besser, die Wutzen ruhen zu lassen und nicht herauszufordern.“

„Angst?“ fragte Leubold, und der provokante Unterton war nicht zu überhören, so dass sogar Gerbold seinem Sohn einen Blick zuwarf, sich ein wenig zurück zu nehmen, was dieser aber nicht bemerkte. „Um Euch, geschätzter Leubold, und um die anderen Waffengefährten hier, bin ich besorgt, ein unnötiges Risiko einzugehen.“ „Mit anderen Worten: Angst?“ Deggen seufzte, und Gerbolds Augen schienen den Sohn schier zu durchbohren. „Es ist nicht der Wunsch der Herrin, allein durch schnellen Heldentod nach einem Platz an ihrer Tafel zu streben, wenn man dabei seine Schutzbefohlenen im Stich lässt, Wohlgeboren. Mir scheint, Ihr wisst so wenig über den Glauben an die Herrin Rondra, wie ich über das, was unsere Urahnen vor tausend Jahren glaubten.“ Eine sachte Berührung Gerbolds ermahnte Leubold, inne zu halten. Der Sohn des Zwölfengrunders hatte es aber auch erkannt, dass es ihm nicht gelingen würde, auf diese Weise den Rondrianer aus der Reserve zu locken. Allein Gerbold entnahm aus der letzten, wie zufällig von Deggen hingeworfenen Bemerkung, dass der Rondrianer vermutlich um den Glauben des Zwölfengrunder Junkerngeschlechts wusste. Das Streitgespräch hatte auch die Aufmerksamkeit der anderen Gäste auf sich gezogen. Deggen nutzte den Augenblick um Gedanken einzuwerfen, die vorzutragen er vorhin nicht mehr die Gelegenheit gehabt hatte. „Was wissen wir eigentlich über Chraaz? Ich meine, von welchem Stamm der Rotpelze kommt er? Agieren er und seine Krieger als Sippe, oder sind es Zusammengewürfelte Räuber mit rotem Pelz?“
„Eine gute Frage... ich weiß es nicht“ antwortete Glyrana. „Spielt das eine Rolle?“ „Eine sehr Große sogar. Wenn es ein Stammesverband ist, dann haben sie ihre Frauen und Kinder dabei, vielleicht eine Schamanin. Dann werden sie weniger bereit sein, Risiken einzugehen, aber andererseits sich bei einem Feldzug gegen sie umso verbissener wehren. Aber so wie dieser Chraaz beschrieben wurde, dürfte er eher einige versprengte Krieger und Jäger um sich geschart haben.“ „Ja, das ist richtig“ bestätigte Storko. Soweit uns Berichte vorliegen, hat dieser Chraaz tatsächlich keine Sippe um sich, sondern ist wohl eher eine Art Goblin-Kriegsfürst. Wir haben es also nicht mit einem klassischen Sippenverbund zu tun.“ „Das könnte vorteilhaft sein. Wie stehen eigentlich die Stämme der Rotpelze zu ihm. Sehen sie in ihm einen Verbündeten? Hat Chraaz Unterstützung von den ansässigen Goblins? Oder ist er für sie eher ein Konkurrent um Jagdgründe?“ „Die Goblins stecken doch alle unter einer Decke. Wenn wir ihrer habhaft werden, erledigen wir sie. Dann hat Chraaz keine Rückzugsmöglichkeiten mehr“ meinte Storko lakonisch. Deggen wiegelte ab. „Das halte ich für riskant. Wenn wir gegen alle Goblins kämpfen, dann werden wir es auch mit allen Goblins zu tun bekommen. Damit würden wir Chraaz vielleicht noch Verbündete schaffen. Nein, wir müssen da unterscheiden, welcher Goblin mit Chraaz kämpft und welcher nicht. Vergessen wir nicht, das hier ist auch Goblinland, und der Rotpelz ist zu zahlreich, als dass man gegen alle gleichzeitig kämpfen könnte. Wie viele Goblins gibt es, außer den Räubern von Chraaz, denn noch? Leben Goblinsippen im Wutzenwald? Oder anderswo in der Baronie?“

Deggen nahm sich ein weiteres Stück Spanferkel. Vielleicht würde sich die weitere Planung einfacher gestalten, wenn man zunächst noch ein paar Fakten sammelte.

Storko machte einen etwas verwunderten Eindruck: „Verzeiht mir Hochwürden, aber hier ist nicht das Land der Rotpelze – dies ist unser Land, und das ist es seit meine Vorfahren vor über vier hundert Jahren hier siedelten und das Land urbar machten. Die Ahnherrin der Gernatsborner, Irmelgunde wurde ja gerade zur Junkerin gemacht, da sie Rot- und Schwarzpelz vertrieb. Und ich werde alles daran setzten wieder jeden dieser Eindringlinge auf die höchsten Berge der Sichel zu jagen. Wir sind hier die Herren!“ Der Gernatsborner schien unmissverständlich klar machen zu wollen, dass er für die Goblins nur Verachtung übrig hatte.  „Mag schon sein, dass sich eine Sippe im Wutzenwald befinden soll, wenn der Wald sie duldet und sie nicht aus ihm heraus kommen, so soll es mich auch nicht kümmern, aber“ - und er blickte zu seiner Frau Glyrana neben ihm – „wenn man nicht einmal durch sein eigenes Unterholz auf der Jagd streifen kann und gar Reisende angegriffen und entführt werden, dann gibt es nur eine Antwort: keine Gnade.“ Er sah wieder mit ernster Miene in Richtung des Rondrianers.  „Während des Winters haben sich Goblin-Banditen sogar mit üblen menschlichen Räubern verbündet, die zusammen Gut Gernatsquell und Valyria von Baernfarn-Binsböckel bedroht hatten, und meine Glyrana “ – er nahm fast etwas inszeniert die Hand seiner Gattin – „samt ihrer Schwester in die Wälder entführten. Ich denke, Ihr versteht mich nun, dass ich der Meinung bin, bei den Rotpelzen ein Exempel statuieren zu wollen.“

„Da gibt es nichts zu verstehen“, Sieghelm blickte von seinem Essen auf. „Kein Rotpelz oder Schwarzpelz hat Anspruch auf dieses Land! Es ist unser und es wir unser bleiben. Wenn die es wagen, aus ihren Löchern zu kriechen, dann treiben wir sie dorthin zurück!“ Dem Ritter war herzlich egal, wer hier vor Urzeiten einmal gesiedelt hat. Ihre Ahnen waren aus dem Güldenland gekommen und hatten, erfüllt vom Glauben an die Zwölfe, dieses Land in Besitz genommen. Es urbar gemacht. Es war ihr Land.

„Ganz Recht.“ Auch Gerbold verspürte wenig, dem Rotpelz das Land zu überlassen. Er würde nur nicht den Fehler machen, diese kleinen Plagegeister zu unterschätzen. Es gab sogar alte Geschichten innerhalb der Familie von einer Zeit, da seine Ahnen mit ihnen zusammen gearbeitet hatten. „Aber Ihr tut sicher gut daran, wenn Ihr nach den Goblins fragt.“ Er hob kurz den Becher in Richtung Deggens, ehe er nach einem Schluck fort fuhr.

„Ich weiß das Goblins im Wutzenwald leben. Ob es eine oder mehr Sippen sind? Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, dass sie sich kaum aus dem Wald wagen oder versuchen sich mit uns zu messen. Ich kann mich eigentlich nur an einen Winter vor vielen Jahren erinnern. Ich war selbst noch Knappe in Rosenbusch. Da kamen sie aus dem Wald, wohl vom Hunger getrieben. Aber es bekam ihnen nicht gut.“ Er erinnerte sich noch gut an das ‚Gefecht’, als sie die halb verhungerten Rotpelze fanden und nieder machten.

„Nach alldem, was ich weiß, halten sie wohl Abstand vom Räuber Chraaz. Ich denke sogar, dass sie ihn fürchten. Wenn wir sie aber treffen, dann wird das mit Sicherheit hinten anstehen.“ Der Junker streckte sich etwas und klopfte sich zufrieden auf den Bauch. „Das Mahl ist vorzüglich und Ihr seid wahrlich ein guter Gastgeber. Ich will nicht unhöflich sein, doch ich werde mir etwas die Füße vertreten. Jetzt gleich weiter mit der Beratung zu machen, ich fürchte das Mahl würde mich träge machen.“ Er nickte dem Gastgeber und seinem Weib freundlich zu und machte sich dann auf, den kleinen Saal zu verlassen. Praiane hatte ihre Aufgabe erfüllt und wenn er sich nicht täuschte, dann würde Traviahold ihm bald nachfolgen.

Als Gerbolds Knappin zu ihr kam, um ihr den Wunsch ihres Schwertvaters mitzuteilen, lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf jene. Nachdem sie gesprochen hatte, nickte Traviaholds Knappin ihr zu und musterte ihren Ritter, um auf den geeigneten Augenblick zu warten, ihm Gerbolds Bitte vorzutragen. Sie wollte warten, bis Traviahold mit seinem Mahl fertig ist, um ihn nicht unnötig zu stören, doch dann hörte sie die Worte des Junkers und trat derweil nah an ihren Ritter, um ihm die Botschaft zu übermitteln.

Anshag schwieg während des Essens. Es schmeckte gut, doch wollte durch die voran gegangenen Diskussion keine wirkliche Freude beim Essen aufkommen und er hatte die ganze Zeit einen schalen Beigeschmack im Mund. Nachdem Anshag auch seine zweite Portion schweigend gegessen hatte, erhob er sich, nickte Storko zu. Auch als Traviahold kurz aufblickte nickte Anshag ihm zu, ein Zeichen dafür, das er den Plan des Wutzenwalders weiter unterstützte.
„Wenn wir sowieso eine kleine Pause machen, werde auch ich die Zeit nutzen mir ein wenig die Beine zu vertreten.“ sagte er mit missmutigem Blick.  Draußen ging er mit kurzem Nicken an Gerbold vorbei und verließ das Haus. Nachdem er sich auf dem Abort erleichtert hatte schlenderte er guter Dinge über den Hof und genoss die Tatsache, keine beengenden Wände um sich zu haben und den klaren Himmel zu sehen. Guter Dinge ging er zu seinen Leuten, um zu sehen, dass sie alles hatten, was sie brauchten.  Danach stand er wieder vor dem Herrenhaus Storkos, unentschlossen ob er jetzt wohl wieder reingehen sollte, oder ob er die kurze Zeit der Pause noch nutzen sollte um die frische Luft zu genießen und den beengenden Räumen noch etwas zu entkommen. Nein, er würde erst wieder reingehen, wenn er sicher war, dass es weitergehen müsste.

Traviahold lauschte den geflüsterten Worten seiner Knappin, die die Botschaft an ihn weitergab. Er nickte nicht, und tat auch sonst nichts, um zu signalisieren, dass er verstanden hatte. Der Ritter Alten Schlages aß den Rest des köstlichen Fleisches auf seinem Teller Und bedankte sich bei Storko für das Mahl, das einem Ritter angemessen war und nickte auch Glyrana anerkennend zu.

"Ich wusste gar nicht, dass Ihr, Wohlgeborene Glyrana und Eure Schwester von den Rotpelzen verschleppt wurdet. Diese Geschichte muss mir Euer Gatte bei nächster Gelegenheit am Lagerfeuer erzählen. Aber umso froher bin ich, dass Ihr mit heiler Haut wieder hier seid. Es sei Euch versichert, dass ich alle Goblins, derer ich habhaft werde, auch für dieses ungeheuerliche Verbrechen zahlen lasse."

Traviahold klemmte sich seinen Helm in gewohnter Haltung unter den Arm. "Jetzt werde ich mich erst mal einiger Teile meiner Rüstung entledigen."

Seiner Knappin bedeutete er, im Saal zu bleiben. Sie wäre hier während seiner Abwesenheit Auge und Ohr und würde ihm später genaustens berichten, was er eventuell verpasst hatte. Dann verließ er den Saal. Jeder seiner gepanzerten Schritte war wohl hörbar. Draußen erblickte er Gerbold und in größerem Abstand auch Anshag. Letzterem gab er Zeichen, dass er gleich noch mit ihm reden wollte, bedeutete ihm aber zu warten, denn zunächst wandte er sich an Gerbold und schlenderte mit diesem wie zufällig in den Schatten der Gutsmauer. Schatten die ihn vor dem Lichte Praios schützten. Dann sprach er mit für ihn ungewohnt viel leisere Stimme.

"Euer Wohlgeboren Gerbold von Zwölfengrund, Ihr batet um ein Gespräch unter vier Augen. Das passt mir sehr. Viel zu selten habe ich die Gelegenheit, mit meinem Nachbarn zu sprechen, der mir sehr am Herzen liegt. Ich freue mich, dass Ihr dem Ruf des Bundes gefolgt seid und Eure Männer mitgebracht habt um uns beizustehen. Ich finde es jedoch bedauerlich, dass Ihr diese nicht unter meine Führung stellen wollt. Ich hoffe, Ihr zweifelt nicht an meinen Fähigkeiten der Kriegskunst. Aber ich hadere Euch nicht. Sprecht, was wollt Ihr wissen und wie kann ich Euch helfen?"

„Ein Bund von Gleichen sollte keine Führerschaft haben und sei es nur für einen Feldzug. Aber deswegen wollte ich nicht mit Euch sprechen.“ Gerbold lehnte an der Mauer und blickte über die feiernden Waffenmägde und die Freien der Landwehr. „Ich will Euch raten, von Eurem Vorschlag Abstand zu nehmen. Auch ich kenne den Wutzenwald und einige seiner Wege und Pfade. Ich denke ich kann sagen, dass ich das besser tue als die meisten anderen.“

Er blickte Traviahold nun direkt an. „Doch wichtiger als das Wissen um Wege ist das Wissen um den Wald selbst. Diese Wege und Pfade sind nicht für den Krieg. Zumindest nicht diesen. Ich weiß, dass Ihr dem alten Wissen dieser Lande und seinen Lehren offen gegenüber steht. Das habt Ihr nicht nur bei meinem Besuch bei Euch klar gezeigt. Daher bedenkt meine Worte: Bleibt Ihr auf diesem Weg, dann mag es mehr kosten, als Ihr denkt. Man soll schlafende Geister nicht wecken.“

Gerbold nickte in Richtung seiner Männer und Frauen. „Will ich ihr Vertrauen und wichtiger, das Vertrauen alter Verbündeter nicht verlieren, kann ich Euch nicht bei diesem Plan folgen.“ Er blickte zum Himmel und dann wieder zu dem düsteren Ritter. „Es wird eine klare Nacht. Hoffen wir, dass wir mit der gleichen Klarheit zu einem Ergebnis kommen.“ Er wollte schon gehen, überlegte es sich dann aber anders.

„Eines noch, da Ihr es nicht wissen könnt. Silvana mag Euch nicht und es gibt Gründe dafür, die ich nicht kenne und mich auch nichts angehen. Einen Grund nenne ich Euch aber. Euer Titel und Euer Gut waren Dinge, die sie sich erhofft hatte. Macht mit dieser Information, was Ihr wollt. Ich selbst sage Euch nur soviel. Sieghelm ist ein guter Freund, direkt, offen und ein erfahrener Kämpfer, der schon dem Oger gegenüberstand. Ich rate Euch, sucht seine Freundschaft und nicht seine Feindschaft.“ Er nickte Traviahold noch kurz zu und lies ihn dann stehen. Nach einem kurzen Abstecher zu seinen Leuten würde er wieder hineingehen. Es war an Traviahold, was er mit diesen Informationen tun würde. Je nachdem würde er sich selbst auch entscheiden, wie er in Zukunft zu dem Junker stehen würde.

Anshag beobachtete das Gespräch aus einiger Entfernung, nicht hören konnte was gesagt wurde, doch sprach allein die Körpersprache nicht unbedingt für ein sehr freundschaftliches Gespräch, auch wenn Anshag sich eingestehen musste, dass es bei Traviahold schwer war, Mimik und Gestik zu deuten, denn der Ritter schien äußerst unnahbar.

Als Gerbold sich entfernt hatte, ging Anshag auf Traviahold zu und stellte sich ihm gegenüber auf. Anshag registrierte das erste Mal den Größenunterschied zwischen sich und dem dunklen Ritter. Er war fast ein Spann größer als Anshag selbst. Anshag sah Traviahold fest in die Augen. „Ihr wolltet mich sprechen, Wohlgeboren? Was kann ich für Euch tun?“

Traviahold blieb allein im Schatten stehen. Seine Gedanken überschlugen sich. Das war also der Grund für das Gift, das Silvana verspritzte. Und auch das, was Gerbold von Zwölfengrund über sein Vorhaben bezüglich des Waldes sagte, gab ihm sehr zu denken. Gerbold schien noch viel mehr zu wissen, als er zunächst dachte. Und er hatte klar gemacht, dass es ihm unmöglich war seinem Plan zu folgen, auch wenn er das gerne täte. Auf die Männer von Sokramshain konnte und wollte er nicht verzichten. Und auch das Wohlwollen von Gerbold und dessen Gut war ihm sehr wichtig. Er wollte ihn als zukünftigen Verbündeten nicht verlieren. Im Austausch gab er ihm die Information bezüglich Silvana und Traviahold war sich sicher, dass das nicht das Einzige war, das der Junker wusste. Er hatte bezahlt und nun war es an ihm, die Gegenleistung zu erbringen. Ein anderer Plan. Der Ritter hieb mit dem Panzerhandschuh gegen die Steinmauer und scholt sich schon kurze Zeit später dafür, weil Anshag, es bemerkte. Zufällig schritt in diesem Moment Argwulf Eisenhagel, sein Waffenknecht und Fährtensucher in den Hof auf ihn zu, um ihm, wie zuvor aufgetragen seine Abschätzung der Erfahrung der Truppen wiederzugeben, die überall außerhalb des Gutes zugegen waren. Der Ritter lauschte seinem treuen Veteran und bat diesen dann ihm aus dem schweren Brustharnisch und aus den Oberschenkelplatten und Oberarmplatten zu helfen. Traviahold schickte diesen dann mit den Teilen der Panzerung weg und winkte Anshag nun sichtlich beweglicher zu sich in den Schatten, um das Licht zu vermeiden und packte ihn wohlwollend an der Schulter als er zu ihm trat. Anshags Vorschlag den Wutzenwald abzulehnen, einen Vorschlag den er vorher allzu deutlich angenommen hatte, abzulehnen würde diesen sicherlich verstimmen.

"Euer Wohlgeboren Anshag von Sturmfels wir müssen einen anderen Weg finden! Der Weg durch den Wald würde zu lange dauern, wir bräuchten sicherlich die doppelte, wenn nicht gar die dreifache Zeit, wie mir mein Fährtenleser gerade mitteilte, und diese haben wir nicht. Ich kann nicht das Risiko eingehen, dass Ritterin Praiosmin und somit auch Siebeneichen in dieser Zeit fällt, das Risiko ist mir zu groß. Versteht ihr das? So hervorragend ich eure Idee finde, eine andere Lösung muss her. Eine schnellere. Vielleicht gelingt es uns wirklich, die Rotpelze zu täuschen, indem wir das Fußvolk vormarschieren lassen und die Berittenen erst dann hinzustoßen, wenn die Goblins die Marschierenden angreifen."

Anshags Blick zeigte, dass er nicht glücklich war über die Ablehnung seines Plans, auch wenn er verstand, dass der Plan unter diesen Umständen nicht durchführbar war.  „Nun Wohlgeboren, ich habe nur einen Vorschlag gemacht. Letztlich bin ich nur ein Gast des Schlotzer Schutzbundes. Ich fühle mich geehrt, dass ich gehört wurde, aber wie es letztlich gemacht wird, ist die Entscheidung der Mitglieder. Auch wenn ich nicht verstehe, weshalb kein Heerführer bestimmt wird. Die Stahlherzen sind ebenfalls ein Bund von Gleichen und doch bestimmen wir für einen Kriegszug einen Heerführer um die Truppen zu koordinieren. Allerdings scheinen sich besonders die Firnsjöner gegen eine ordnende Struktur auszusprechen. Sind sie in diesem Fall wirklich nutzbringende Verbündete? Sie bringen Uneinigkeit unter die Edelleute, wo sie nur können und verhindern so eine Einigung. Soweit ich es außerdem überblicken konnte, haben sie auch nicht gerade große Truppenkontingente beigesteuert. Wollen sie wirklich helfen oder haben sie vielleicht gar einen Vorteil aus der momentanen Situation? Bitte versteht mich nicht falsch, doch ich will verhindern, dass dem Bund geschadet wird, denn meine Grenzen liegen direkt an Eurem Wirkungsbereich und wie Ihr an meiner Anwesenheit sehen könnt, bin ich auch durchaus gewillt zu helfen, aber wie kann ich helfen, wenn ich nicht weiß, ob meine Männer nicht verraten und getötet werden, von Leuten die Situation gar nicht ändern wollen?“
Anshag sah Traviahold direkt in die Augen und registrierte jede einzelne Bewegung im Gesicht des Ritters. Traviahold konnte geradezu fühlen wie jede Regung von ihm von Anshag analysiert wurde, um mehr über seine Gefühle herauszubekommen. Vielleicht hat er auch deshalb so provokativ gesprochen?

Traviahold schaute dem kleineren Sturmfelser in die Augen, ohne seinem Blick auszuweichen. Er sprach da etwas sehr Gefährliches an. Er schien Angst um seine Männer zu haben. Eine nicht gerade unbegründete Angst, wie er fand, in Anbetracht dessen was sich hier ereignete.

"Wenn es allein nach mir ginge, hätte diese Kommandounternehmen einen Heerführer, das wisst Ihr und dass Ihr eure Männer mir anvertraut hättet, ehrt mich. Was diesem Bund fehlt, ist das Vertrauen ineinander. Die, die sich einer gemeinsamen Führung nicht unterordnen wollen haben ihre Gründe, wohl war und diese Gründe gilt es herauszufinden. Aber diese werden sie mit Sicherheit nicht heute Abend offenbaren. Haltet einfach die Augen offen, Anshag. Aber seid Euch gewiss - ich werde etwas an der Situation der Baronie ändern, allein oder mit gleichen, und wer sich mir dabei in den Weg stellt, wird fallen. Versuchen wir einfach ein Auge aufeinander zu haben und in der Schlacht zusammen zu halten. Da unsere Männer der gleichen Truppengattung angehören und wir sehr beweglich sind, sollte uns das nicht schwer fallen."

Er reichte Anshag die gepanzerte Hand. Es war mehr als eine Geste.

Anshag ergriff Traviaholds Arm im Kriegergruß, Ernst blickte er ihm in die Augen und nickte leicht mit dem Kopf. „Ich werde gerne an Eurer Seite kämpfen und es ehrt mich, dass ich hierhin geladen wurde. Unsere Reiterei wird aufeinander achten, sodass wir keine unnötigen Verluste hinnehmen müssen. Für Darpatien, bis in den Tod!“

Einige Augenblicke noch standen sich die beiden Krieger gegenüber, als Storkos Stimme aus dem Konferenzraum erschall.

 „Vielleicht sollten wir zurückkehren, sonst verpassen wir gar noch die Planung“, sagte Anshag lächelnd und machte sich auf den Weg zurück in den kleinen Raum, wobei dem aufmerksamen Beobachter auffiel, dass ihm der Schritt über die Schwelle schwer zu sein schien.


Im Saal des Haupthauses lehnten sich die Verbliebenen mit vollen Bäuchen auf ihren Stühlen gemütlich und etwas müde zurück. Auf den Platten und Töpfen am Tisch waren nur noch Reste zu erblicken und die Bediensteten begannen gerade abzuräumen. Storko stand auf und kam mit zwei Flaschen und kleinen Kupferbechern zurück. „Für die Verdauung, meine Damen und Herren – ein guter Tropfen Brandt wird uns wieder munter machen.“ Er reichte die beiden Flaschen vor, als würde er sie verkaufen wollen. „Hier haben wir einen Wehrheimer Löwenbiss – der ist aber nur etwas für wirklich trinkfeste Frauen und Männer, und weiters einen Bärentod aus Baliho, wovon ich erst vor kurzen ein paar Flaschen erstanden habe.“ Er schenkte jedem Gast den gewünschten Brandt – und sich und gar Glyrana Löwenbiss – ein. Die Mersinger machte zur Verwunderung der Anwesenden einen für den Becher kräftigen Schluck und auf ihre ansonsten blasse Haut des Gesichtes zeigte sich alsbald ein rötlicher Teint.
„Ahh...“ gab Storko zum Besten nachdem er seinen Schnaps geleert hatte „... erweckt die Lebensgeister wieder.“

„Für uns ohne Frage den Bärentod“, ging Leubold auf die Frage des Getränkes ein. „Mein Schwertvater hat mich viel gelehrt, dazu gehört auch die Liebe zu diesem Schatz Weidens.“ Der junge Ritter war nach dem Essen aufgestanden, um sich kurz etwas zu bewegen. Dabei hatte er die Seite gewechselt und sich gerade neben seinen Schwertvater gesetzt.

„Haha, solange es nicht das Einzige ist, was du behalten hast, kann ich ja zufrieden sein.“ Sieghelm schlug dem jungen Zwölfengrunder auf die Schulter und nahm die Becher mit Freude entgegen. Seine Tochter hatte sich derweil für den Löwenbiss entschieden. Ihr Gesichtsausdruck ließ erkennen, dass sie ihn zuvor noch nie gekostet hatte. Doch sie hatte schon genug Gelage erlebt, um nach dem Biss des Löwen nicht zu Boden zu gehen.

Storko wandte sich Ritter Sieghelm von Firnsjön und seiner Tochter zu.  „Wohlgeboren, um nochmals darauf zurückzukommen, ich halte Eure Idee einer List, wie die der Stahlherzen, für gut durchführbar – an nichts anderes hätte ich auch gedacht.“ Er hatte davor nicht schon sein Wort dafür erhoben, da er Ritter Traviahold und seine Wutzenwald-Strategie nicht vor allen diskreditieren wollte. „Um ehrlich zu sein, dass die Menschen im Schlotzer Land den Wald meiden, hat seinen Grund und ich wäre ehrlich gesagt nicht dafür diesen Pfad einzuschlagen. Firnsjön liegt ja schon recht tief in den Ausläufern und sofern ich dem Gerede Glauben schenken darf, verschwanden schon des Öfteren unvorsichtige Männer und Frauen eures Dorfes im Wald. Im Unterholz hat der Rotpelz, wie wir schon besprachen Vorteile und wenn er uns erblickt wird er sich darin verschanzen. Und die Vorstellung, dass wir die Goblins in irgendeiner Form mit unserer Reiterei in der Feldschlacht stellen können, ist meiner Meinung nach etwas träumerisch. Also für mich ergibt sich nur die Konsequenz, dass wir sie mit einer List aus dem Unterholz heraus locken müssen um sie zu besiegen.“ Er schenkte sich und den Gästen noch eine Runde ein ... manch einer war auch verwundert, dass der Gernatsborner derart trinkfest war.

„Der Wald kennt viele Geheimnisse, das stimmt. Auch wenn ich das Meiste für Aberglauben halte, sollten wir unsere Möglichkeiten doch nicht dadurch schmälern, einen Weg zu wählen, den unsere Jungs und Mädels fürchten. Wenn Gerbold dagegen spricht, dann hat das gute Gründe. Der kennt sich da besser aus als ich.“

„Sehe ich genauso“, bestätigte Silvana ihren Vater nickend. „Ich glaube auch nicht, dass sich der Wald die Leute holt. Dafür sind es doch vor allem Leibeigene die verschwinden. In diesen Tagen ist es ja auch schwieriger sie zurückzuholen.“ Ihr Vater brummte zustimmend, wurde dann jedoch von Leubold in ein leises Gespräch verwickelt. „In Brücksgau könnten sie sich schon als Freie ausgeben und einen Hof übernommen haben. Es ist nicht einfach, aber das Los haben wir alle zu tragen. Wir sollten gleich auf jeden Fall überlegen, was wir tun können. Die List scheint mir Erfolg zu versprechen. Wenn der Köder stimmt, dann werden sie zuschlagen, davon bin ich überzeugt. Der Junker hat es ja berichtet. Dieser Chraaz braucht einen Erfolg. Aber lasst uns davon reden, wenn die anderen wieder hier sind.“ Damit verwickelte die Ritterin die Gastgeberin in ein Gespräch darüber, ob sie sich denn schon auf dem Gut eingelebt hatte. Der Baron sei auch schon gespannt, die Frau seines Vasallen kennen zu lernen. Wenn er wieder in Schlotz weilen würde, würde er sie und Storko mit Sicherheit einladen. Zumal er den Junker, der doch der ordnende Geist hinter dem Bund war gerne näher kennen lernen würde.


Zusammen mit Anshag betrat Traviahold wieder den Saal und schritt nun etwas leichter gepanzert auf seinen Platz zu und setzte sich. Sogleich beugte sich dessen Knappin nieder und flüsterte ihm wieder etwas ins Ohr. Dieses Mal wendete sich der Ritter aber zu ihr hin, und entgegnete ihr etwas Unverständliches. Der Schattenholzer lehnte sich zurück und machte keine Anstalten das Gespräch als Erster wieder aufzunehmen. Stattdessen betrachtete er den alten Wandteppich und schien etwas nachdenklich, ganz so, als überlege er, wer hier schon alles vor Generationen diniert hatte und welche Alten Worte hier schon gesprochen wurden. Seinen mit Drachenflügeln besetzten schwarzen Topfhelm stellte er wieder drohend auf den Tisch. Die Atemlöcher des Helmes waren zweigeteilt und hatten auf jeder Seite eine andere Anordnung. Links waren diese in Form des Praiosmals strahlenförmig angeordnet und auf der rechten Seite waren es vier diagonale Reihen. Ein wuchtiger Helm, der sich auch auf dem Wappen des Schattenholzers wiederfand. Daneben legte er gar seine mittlerweile ausgezogenen Panzerhandschuhe, die auf dem Handrücken mit Dornen versehen waren. Das war die größte Mögliche Endspannung, die man von dem Ritter erwarten konnte. Die Ketten seiner Ogerschelle an seiner Seite, rasselten metallisch, als dieser schließlich die Arme vor der Brust verschränkte. Storko, der Traviahold schon länger kannte, wusste, dass diese Gestik nicht unbedingt als Ablehnung zu verstehen war. Die große Narbe, die Traviahold quer über das Gesicht lief, musste schon einige Jahre alt sein. Durch eine Ironie des Schicksals hatte diese eine verdammte Ähnlichkeit mit einem Bastardbalken, wie sie manchmal auf Wappen verwendet wurden.

Gerbold war bereits kurz zuvor eingetroffen und war nun in ein Gespräch mit seinem Sohn verwickelt. „Interessant, das erklärt natürlich Einiges. Wenn sie solch einen Verdacht hat, dann kann ich ihren Unmut gut verstehen. Wenn sie glauben, Traviahold will mehr als jetzt, dann müssen sie versuchen ihn auszubremsen. Ihm keine Möglichkeit geben, sich über die Maße zu profilieren. Gut zu wissen“, Gerbold prostete dem Firnsjöner kurz zu. Für den Sokramshainer hatte das alles hier schon einige interessante Erkenntnisse gebracht. Nur wer seine Nachbarn kennt, kann ihnen gegenüber auch bestehen.

Gerbolds Zuprosten in Richtung Firnsjön bescherte ihm einen schwer zu deutenden Blick von Anshag. Als dieser wieder auf seinem Platz saß, hängte er sein Schwert über die Rückenlehne. Immer noch in der Lage, im Notfall schnell zu ziehen, hielt er es für höflicher den anderen Rittern gegenüber. „Also, wie wollen wir vorgehen? Nach einem Gespräch, denke ich, dass es tatsächlich sinnvoll wäre, wenn wir die Infanterie als Köder benutzen, um mit der Kavallerie einen schnellen und entscheidenden Schlag zu setzen.“ Anshag nahm einen tiefen Schluck aus seinem Krug. „Oder gibt es dagegen auch wieder Einwände?“ fragte er gezielt in die Richtung der Firnsjöns.

Der Tisch im Saal war mittlerweile abgeräumt und gesäubert worden und alle Edlen saßen wieder dicht gedrängt nebeneinander.

 Storko breitete die Karte der Schlotzer Lande wieder aus und erhob das Wort: „Ich hoffe meinen ehrenwerten Gästen hat das Mahl wohl gemundet und die Gemüter geglättet, manch einer hat auch das Gespräch mit einem anderen geführt um sich auszutauschen. Mit einem leeren Magen lässt sich ja bekanntlich schlecht debattieren.

Gut, um es noch einmal zusammenzufassen, wir waren uns einig, zuerst Praiosmin von Siebenstein in Siebeneichen vom Rotpelz zu befreien. Um eine Reserve, Nachhut und insbesondere ein waches Auge auf Firunsfelde und die Söldlinge zu haben, wollen wir einen Ritter mit Lanze - die zweifelsfrei beritten sein müsste um uns rechtzeitig warnen zu können – zur Firunsfelder Wacht an jenem Hügel positionieren.“ Er zeigt auf jenen Hügel bei Firunsfelde auf der Karte. „Da Leubold von Zwölfengrund zu Fuß unterwegs ist, würde sich Silvana von Firnsjön mit ihren Waffenknechten anbieten.“ Er blickte ihr kurz in die Augen, aber ohne dass ihr die Möglichkeit gegeben wurde, sich zu äußern, deklamierte er weiter. „In Bezug auf die Strategie„ - er warf Traviahold einen Blick zu - „würde ich eher dazu neigen, nicht durch den Wutzenwald zu wandern. Wir wollen weder den Wald gegen uns aufbringen, noch die Moral unserer Truppen erniedrigen, indem wir Aberglaube Tür und Tor damit eröffnen würden. Meiner Meinung als Kaiserlicher Offizier nach zu urteilen halte ich die Strategie der Stahlherzen vor Brücksgau für durchaus vielversprechend. Die Goblins werden unsere List nicht durchschauen können und wenn unsere Reiter dann umdrehen und den Rotpelzen von der Flanke kommen, dann sollten wir sie einkesseln und besiegen können. Also wollen wir uns auf eine derartige List, wie die der Stahlherzen einigen?“

„Ausgezeichnet“ sprach der Gastgeber „wir haben damit einen fast vollständigen Beschluss. Falls wir einer Meinung sind, so sehe ich keinen Grund, weiter Zeit zu vergeuden und wäre dafür am morgigen Tage aufzubrechen.“ Er war sichtlich erleichtert, dass die Parteien sich so weit auf einen gemeinsamen Plan geeinigt hatten. Da von Traviaholds Gestik aus zu schließen auch dieser wohl gewillt war, dem zuzustimmen, schien es nur noch am Rondrianer zu liegen. Nicht nur Storko blickte die beiden Ausgebliebenen an, auf dass sie ihre Stimmen abgeben mögen.

Traviahold blickte Gerbold von Zwölfengrund über den Tisch hinweg an, der ihn jetzt aufmerksam beobachtete. Und ohne den Blick von ihm abzuwenden teilte er dem Rat seine Entscheidung mit, für jeden gut hörbar.

"Der Weg durch den Wutzenwald würde aufgrund des dichten Unterholzes zu lange dauern, etwa dreimal so lang. Und da Ritterin Praiosmin von Siebeneichen vom Feind bedrängt wird, stimme ich dem Plan Storkos, der schneller zum Sieg führt, zu."

Dass die Firnsjöner Ritterin mit ein paar Mannen von dem Hügel aus Firunsfelde im Auge behalten sollte, passte dem Ritter sehr gut. So konnte sie ihm wenigstens bei diesem ersten Angriffsziel nicht in die Quere kommen, und was noch wichtiger war, sie konnte keinen Ruhm ernten, beim Sieg über den Goblin-Kriegsfürsten.

Dann nickte er Gerbold zu. Die Tiefen des Wutzenwaldes würden ungestört bleiben. Dafür dass Traviahold sich nicht weiter stark gemacht hatte für den Wald, stand der Zwölfengrunder nun in der Schuld des Ritters Alten Schlages. Und er würde ihn an diese erinnern, wenn es an der Zeit dafür war. Dann blickte er zum Kriegspriester, dessen Segen für dieses Vorhaben noch fehlte.

„Lasst uns das nur nicht Beschluss nennen“, meldete sich Sieghelm lachend zu Wort. „Hört sich ja fast an, als ob wir ein Stadtrat wären.“ Eine Vorstellung, die ihn offenbar recht amüsierte. Noch immer über diese Aussage schmunzelnd, die in irgendeiner Erfahrung in seiner Vergangenheit begründet liegen mochte, drehte auch er sich dem Geweihten zu. „Was sagt Ihr zu der Idee? Soviel ich weiß, waren seinerzeit auch Diener Rondras bei den Kämpfen um Brücksgau.“

"Das hört sich gut an... Mit dieser Taktik können wir Erfolg haben. Nun, machen wir uns nicht vor, dass es leicht wird. Kein Gefecht ist leicht, und auch der Rotpelz darf nicht unterschätzt werden. Aber es ist aussichtsreich." Der Rondrianer nickte. "Ich denke, mit dieser Strategie können wir es wagen, dem Rotpelz entgegenzutreten. Ich würde ergänzend vorschlagen, dass ich mich zu denjenigen geselle, die den Lockvogel für unsere gepelzten Gegner mimen sollen. Ihr versteht, ich verstecke mich so ungern. Wenn mein Ross dabei hinderlich ist, werde ich es der Reiterei einstweilen zur Verfügung stellen..." Sieghelm lächelte ob der verklausulierten Anspielung auf Rondras Gebote. "Dann ist es beschlossene Sache" bestätigte Storko. "Schön, dass wir uns alle einig geworden sind."

"Möge der Rotpelz ein Totpelz werden." bestätigte auch Traviahold die Entscheidung.

Der Gastgeber gab den zwei bereit stehenden Mägden ein Signal, abermals die Kelche der Anwesenden voll zu schenken und sprach währenddessen: „Lasst uns nun noch einmal die Kelche erheben um im gemeinsamen Sinne auf unseren Kriegszug anzustoßen. Morgen in der Frühe wollen wir ja wohl schon aufbrechen.“
Alle erhoben ihren Trunk und reichten ihn in die gemeinsame Mitte des Tisches, dann leerten sie – die einen mehr die anderen weniger – ihren Trunk.

Glyrana von Mersingen ä.H. – die ruhig neben ihrem Gatten saß und die Gäste durchwegs eindringlich gemustert und beobachtet hatte – erhob ihre Stimme in Richtung Storkos.  „Liebster Gatte, vergesst nicht den Kuchen.“
„Ach tatsächlich, fast hätte ich die Nachspeise unseren Gästen verwehrt“ gab er sich den Anwesenden gegenüber leicht scherzend. Manch einer hatte noch einen bis zum Rande gefüllten Bauch vom Spanferkel, aber als das Kupfertablett mit dem frisch gebackenen Mehlkuchen mit Rübenmus überzogen hereingebracht wurde bekam auch der noch so schmale Platz in den Mägen der Anwesenden eine Füllung.

Durchwegs von Speis und Drank befriedigt, lehnten die Edlen müde und gesättigt in ihren Stühlen.

Anshag strich sich die letzten Krümel vom Wappenrock und verzog leicht das Gesicht als er sich wieder ein wenig nach vorne lehnte, denn sein Gürtel drückte unangenehm gegen seinen gut gefüllten Bauch. Er erhob sich und sprach an Storko gerichtet: „Wenn Ihr mich dann jetzt entschuldigen würdet, aber ich denke es wäre das Beste, sich heute so früh als möglich zu Bett zu begeben, auf dass ich morgen frisch und ausgeruht in den Kampf ziehen kann. Ich wünsche den Anwesenden eine borongefällige Nacht.“ Anshag nickte nochmals in die Runde und begab sich in sein Gästezimmer und fiel in einen tiefen und erholsamen Schlaf.

Man öffnete das Fenster des kleinen Saales, denn es war wieder stickig geworden. Die feierliche Stimmung aus dem Hof war verschwunden, ein kühler Regen hatte vor kurzem begonnen.

Ein Gast nach dem anderen tat es seinen Mannen am Lager vor den Toren gleich, verabschiedete sich und begab sich zu der ihm gewiesenen Schlafstätte. Für den Gastgeber war es gar nicht so einfach gewesen alle Edlen auf seinem Gut unterzubringen. Für Traviahold samt Knappin sowie Hochwürden Deggen standen zwei Zimmer im Obergeschoß bereit (letzteres war und soll wieder das Kinderzimmer des Hauses sein). Sieghelm, Silvana und der Knappe wurden im Erdgeschoß beherbergt, wofür der Gutsverwalter das Zimmer seiner zwei Töchter für eine Nacht zur Verfügung stellen musste. Jedoch Gerbold, Leubold und Knappin Praiane als auch Anshag konnten im Haupthaus nicht mehr untergebracht werden und mussten je in einer Kammer im Gesindehaus übernachten.

Nicht alle Gäste aus der Baronie waren derweil direkt in ihre Quartiere gegangen. Sie hatten sich ein letztes Mal zu einem Gang zu ihren Männern und Frauen entschieden. Auch wenn die meisten schon schliefen, waren die jeweiligen Hauptleute noch auf den Beinen. Leubold und Silvana informierten sie über den Plan. Ihre Väter standen währenddessen etwas abseits. Sieghelm hatte sich eine Pfeife angezündet und blickte nachdenklich über das Lager. „Weis immer noch nicht, was ich von dem ganzen halten soll, alter Freund. Der Plan ist gut, auch wenn wir sehen müssen, wie wir es machen. Aber die beiden, ich weis nicht.“ Gerbold musste schmunzeln. „Ich kann mir denken, was Dir nicht gefällt. Sie sind Dir zu dominant. Insbesondere dieser Traviahold. Vor allem weil Du bei ihm mehr vermutest. Wenn ich Dir etwas raten soll, dann das. Beobachte. Egal was er tatsächlich will, derzeit geht es nur so mit Schlotz voran.“

Der alte Ritter neben ihm blies langsam Ringe in die Nachtluft. Nach einer ganzen Weile drehte er sich dem Junker zu. „Wird das Beste sein, wird das Beste sein. Und nach dem Ganzen hier werde ich mal ein ernstes Wort mit meinem Neffen sprechen.“ Sie standen noch eine ganze Weile dort, ehe jeder in sein Quartier ging.

Als Glyrana zu Bette ging, begab sich jedoch Storko noch in sein Schreibzimmer. Die regnerische Nacht war im gerade recht, denn die Tropfen waren zwar leise aber doch bis ins Gemäuer zu hören und würden nächtliche Gespräche übertönen. So weit er Traviahold kannte und einschätze, würden er und seine schweigsame Knappin noch längst nicht schlafen und nach einiger Zeit schickte er noch einen letzten wachen Knecht zu dessen Kammer um den Ritter zu einem Gespräch in sein Arbeitszimmer zu bitten.

Deggen war auf seine Kammer gegangen, die sich unmittelbar neben dem Zimmer Storkos befand. Es war ein langer Tag gewesen, ein anstrengender Tag. Nicht körperlich anstrengend, aber die ganzen Planungen und Gespräche hatten sich doch in die Länge gezogen. Was den Feldzug anbelangte, hatte Deggen kein gutes Gefühl. Nicht dass der Plan schlecht gewesen wäre, keinesfalls. Auch die Kampfkraft der versammelten Bewaffneten war durchaus beachtlich. Nicht allein Traviahold mit seinen Männern wirkte kampferfahren, auch die anderen Edlen waren gewiss keine leichten Gegner. Aber zwei Dinge waren nicht ideal. Primo war es nicht gelungen, eine gemeinsame Kommandostruktur zu errichten. Das konnte, wenn es gegen einen gut organisierten Gegner ging, ein spürbarer Nachteil sein. Secundo hatten sie keine Reserve. Wenn also irgendetwas schief ging, wenn der Rotpelz die Falle erahnte und der Feldzug einen höheren Blutzoll forderte, gab es dann noch genügend waffenfähige Männer und Frauen, die dann die Dörfer und Höfe verteidigten? Nun, das war das Risiko eines Ausfalles. Misslang er, dann mochten die Zwölfe einem gnädig sein. Hatte der Baron noch Reserven? Vielleicht war das der Grund, dass er nur wenige Bewaffnete geschickt hatte, dass er für den Fall einer Niederlage die Baronie nicht gänzlich schutzlos wissen wollte. Hmm, das war denkbar. Oder der Baron war anderweitig nicht in der Lage mehr Unterstützung zu schicken. Deggen kannte Tsafried als umsichtigen und ruhigen, tendenziell vorsichtigen, aber auch ebenso tapferen Mann, dessen Handeln gewiss nicht von Feigheit geleitet wurde. Wobei Deggen allerdings auch von Valyria erfahren hatte, dass Tsafrieds Gattin am Zustandekommen der Entscheidungen des Barons maßgeblich beteiligt war... Auch im Hinblick auf die verschiedenen Edlen, die in der Baronie ihren Standpunkt und ihren Einfluss geltend machten, war es von Haus aus wohl nicht leicht, es allen Recht zu machen. Valyria hatte einmal den Herrschaftsstil Tsafrieds mit einem Kanzler aus der Frühzeit Darpatiens verglichen, Merkus Angelus, der sich selten für eine Sache offen entschied, sondern stets im Ungefähren blieb und je nach seinem eigenen politischen Interesse denjenigen seiner Vasallen dezent unterstützte, der gerade das vertrat, was er selber wollte. Eine Taktik, die das Regieren fast langweilig erscheinen ließ, und die die notwendigen Entscheidungsprozesse mitunter ziemlich in die Länge zog, aber es Merkus ermöglicht hatte, selbst sehr lange im Amt zu bleiben auch unter wechselnden Bedingungen. Geräusche aus dem Nebenzimmer ließen Deggen aus seinen Gedanken hochfahren. Scheinbar war auch der Gastgeber noch wach.

Traviahold, der wie in jeder Nacht, wirklich noch wach war, hatte die Kunde des Knechtes vernommen. Seine ebenfalls noch wache Knappin hatte ihren Ritter mittlerweile gänzlich entpanzert. Sie war es gewohnt, stets genauso lange wach zu bleiben wie Traviahold, der normalerweise ausschließlich Tagsüber schlief. Eine Sitte, an die sie sich gewohnt hatte. Da es aber am Morgen schon los gehen sollte, war sie sich sicher, dass Traviahold, wie auch in den nächsten Tagen, eine Ausnahme machen würde, unter anderem um nicht noch zusätzlich die Gerüchteküche weiter anzuheizen.

Der Schattenholzer begab sich zusammen mit seiner Knappin, lediglich mit einem Schwert bewaffnet, zum Zimmer von Storko. Er hatte kurz darüber nachgedacht, seine Schutzbefohlene zurück zu lassen, hatte sich dann aber dagegen entschieden. Sie teilten ihre Geheimnisse, warum sie also nicht mitnehmen. Der Regen, der draußen leicht gegen das Gemäuer prasselte, hieß er willkommen. Er mochte es wenn Efferd seine Pforten öffnete. Es wirkte auf ihn beruhigend. Sachte klopfte er an Storkos Schreibzimmer, während die Knappin eine Kerze trug und damit in der Dunkelheit leuchtete und gleichzeitig Schatten warf.

Ihre Ausbildung würde nicht mehr lange dauern - ein Jahr noch. Aber ein Jahr in der Wildermark, vor allem an der Seite des Schattenholzers, war eine Ewigkeit. Bisher hatte sie immer knapp überlebt und hatte vor allem ihren Kampf mit dem Schild immer weiter verbessert. Wenn sie diesen Feldzug ebenso überleben würde, wäre der Schlag zur Ritterin nicht mehr weit. Spätestens dann würde Traviahold und auch sie selbst ihre Identität nicht mehr geheim halten können. Vielleicht wäre es bald an der Zeit, seinen alten Kampfgefährten Storko, einzuweihen.

Er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als sich die Tür vor ihm öffnete.

Nachdem seine Knappin die letzten Teile von Traviaholds Rüstung so weggeräumt hatte, dass es am nächsten Morgen ein Einfaches wäre, sie ihm wieder anzulegen, klopfte es an der Tür und einer von Storkos Knechten überbrachte dessen Bitte. Sie fragte sich, ob Traviahold sie mitnehmen würde, aber im Grunde wusste sie die Antwort schon.

 Wie erwartet nickte er ihr zu, als Zeichen, dass sie mitkommen sollte. Sie nahm eine Kerze, um die nun dunklen Gänge zu beleuchten, als sie schließlich an ihrem Ziel ankamen, mussten sie nur einen kurzen Augenblick warten - in diesem Augenblick sah sie, dass ihr Ritter gedankenversunken in die dunkle Leere starrte und kaum merklich zusammenzuckte - bis die Tür sich öffnete.

Sie wüsste zu gerne, über was er nachgedacht hatte... Ihre eigenen Gedanken kreisten um den bevorstehenden Feldzug und des damit verbundenen Kampfes. Sie verspürte eine gewisse Nervosität gegenüber der Tatsache, dass sie gegen ihr unbekannte Goblins kämpfen würden; und der Frage, ob sie, und vor allem ihr Ritter, alles heil überstehen würden. Sie ermahnte sich im Stillen, Ruhe zu bewahren und erst mal zu hören, was Storko zu sagen hatte.

Im selben Moment, in dem sie diesen Gedanken fasste, spürte sie Storkos Blick auf ihr, der offenbar nicht damit gerechnet hatte, dass Traviahold seine Knappin mitbringen würde, doch er enthielt sich eines Kommentars und ließ beide eintreten. Sobald die beiden Adligen Platz genommen hatten, begann Storko in leiser Stimme zu sprechen und die junge Knappin, die hinter ihrem Ritter stehen blieb, hörte gespannt dem folgenden Gespräch zu.

„Ah, mein geschätzter Freund“ flüsterte Storko „kommt schnell herein.“ Sein Blick fiel auf die Knappin hinter Traviahold und er runzelte kurz die Stirn. Rasch schloss er die Türe zu nachdem die beiden eingetreten waren.
Sie erblickten einen, nur durch eine dicke Kerze erleuchteten Raum, die am Schreibtisch stand. An den Seitenwänden waren Regale angebracht in denen vereinzelt Bücher und Schriftstücke abgestellt waren. Wie in den Regalen war auch der Tisch selbst peinlichst aufgeräumt, Kohlestifte, Tinte, Federn und Papierbögen lagen sorgfältig geordnet nebeneinander. Als Traviahold das Zimmer musterte, erkannte er auch am Tisch liegend die zusammen gerollte Karte der Schlotzer Lande, als auch die Liste der Gäste samt Gefolge.  Storko deutete dem Ritter sich auf den Stuhl vor dem Tisch zu setzten, während er selbst sich in seinem Polstersessel niederließ. Hinter ihm hörte man, wie die Tropfen des nächtlichen Regens hinter den geschlossenen Läden an Scheiben prasselten.

Er beugte sich langsam über den Tisch und die Kerze darauf vor und begann leise zu sprechen. „Ich habe Euch hierher gebeten, weil ich mit Euch etwas unter vier Augen besprechen möchte, etwas, das nicht unmittelbar diesen Raum verlassen sollte. Ich denke ich kann Euch in diesem Punkt vertrauen.“ – sein Blick fiel wieder auf die schweigende Knappin, die hinter dem Ritter stand.  Traviahold nickte ernst und machte zugleich einen interessierten Gesichtsausdruck. Der Gernatsborner fuhr fort: „Ich denke, auch wir stehen abermals auf derselben Seite, auf der Seite, die das Wohl der Schlotzer Lande im Sinn hat.“ Nach wenigen Augenblicken Stille sprach er energisch, aber dennoch mit leiser Stimme weiter. „Wer war es, der die Landadligen der Baronie versammelt hat um gemeinsam die Bedränger, die unsere Lande plagen, zu bezwingen ... war es der Baron, der die praiosgefällige Pflicht als Herrscher hat, seine Untertanen vor Bösem zu beschützen? Nein, wir waren es. Nicht nur, dass der Baron sich nicht willig oder mächtig genug zeigte, sich der Gefahren anzunehmen, schickt er uns nur drei Mannen zur Unterstützung. Und das soll kein Hohn sein? Man erzählte uns, er sei in die Schlacht für das Reich geritten ... was für ein Herrscher ist es, der in der Ferne für den Frieden kämpft, aber zu Hause den Krieg duldet. Doch vielleicht stimmt es auch gar nicht und man sagte es uns nur als Vorwand, uns nicht unterstützen zu müssen. Warum sandte er, seitdem sein Ritter samt Lanze von den Söldnern in Firunsfelde aufgerieben wurde, keine neue, weit größere Streitmacht? Möglicherweise weil er keine hat. Ich sage Euch, entweder ist Tsafried feige und versteckt sich lieber in seiner trutzigen Burg anstatt in seinen Landen für Ordnung zu sorgen, oder er ist schwach und hat weder Waffenknecht noch Ritter unter seinem Kommando – und beides ist nichts, was einem Herrscher ziemen sollte.  Um es mit Worten auszudrücken, die ich – und möglicherweise auch Ihr selbst – im Jahr des Feuers vernommen habe: ‚Widerstand gegen den rechtmäßigen, praiosgefälligen Herrscher, ist Verrat; Widerstand gegen undankbare, ihre Pflichten vergessene Herrscher, ist Pflicht’“

Er lehnte sich langsam aus dem Licht der Kerze heraus zurück und wartete gespannt auf die Reaktion Traviaholds.

Der Ritter Alten Schlages sah seinem alten Freund genau in die Augen, während seine Knappin noch einen Schritt näher an ihren Ritter heranrückte.

"Oh ja, ich habe diesen Satz damals auch vernommen, und wie Ihr wisst, habe ich auch gehandelt, genau wie Ihr. Ich kenne Tsafried besser, als Ihr ahnen könnt, alter Freund. Ob er feige ist? Wäre er mutig, wäre er auf dem Mythraelsfeld gefallen, wie unzählige andere darpatische Adlige. Aber stattdessen musste ich damals seinen Rückzug decken, als fast alle seine Waffentreuen vorne niedergemetzelt wurden. Und glaube ich, ob er tatsächlich in irgendeinen anderen Kampf gezogen ist? Nein und dessen bin ich mir ziemlich sicher. Und ja selbst wenn, wäre es ungeheuerlich, dass er in dieser Zeit seine Baronie, in der zwei gefährliche Kriegsfürsten sitzen, einfach so zurück lassen würde. Und ob es ein Hohn ist, uns nicht mal eine Hand voll Männer zu schicken? Ja das ist es! Er spuckt unserem Bund, der zum Schutz seines Reiches dient, damit regelrecht ins Gesicht! Es ist seine Pflicht dieses Land zu schützen! Sein adliges Blut verpflichtet ihn, seine Untertanen in diesen Zeiten zur Seite zu stehen, und sich allen Gefahren zu stellen, und notfalls sein Blut für sein Land zu vergießen. Das ist es, was die Schlotzer von ihm erwarten. Aber es geschieht nichts. Würden wir nicht handeln, Siebeneichen würde an die Goblins fallen, wenn es das nicht bereits sogar schon ist. Würden wir nicht ausziehen, um die Söldner-Schergen in Firunsfelde aufzuhalten, würden sie noch weitere Untertanen versklaven und verschleppen. Ob er nicht über mehr Männer oder Ritter verfügt? Ich sage Euch, dass er über ein Halbbanner Burggardisten verfügt und dass er jederzeit den Heerbann ausrufen könnte, und dass er sicherlich noch über ein ein paar Ritter verfügt, so wie er über uns verfügt! Aber er tut nichts!

Der Schattenholzer machte eine bedeutungsschwangere Pause und fuhr dann mit deutlichen, wenn auch leisen Worten fort:

"Widerstand, gegen undankbare, ihre Pflichten vergessene Herrscher ist Pflicht!"

Traviahold zog nach diesen Worten sein Altes Langschwert mit abgebrochener Spitze plötzlich aus der Scheide und legte es genau auf die Mitte des Tisches. Storkos Blick viel direkt auf das, was er auch sehen sollte. Und schon einen kurzen Augenblick später weiteten sich seine Augen, als er verstand. Storko erkannte, dass die geheimnisvolle Knappin hinter ihrem Ritter nur angespannt war, aber nicht überrascht.

Storko erkannte auf dem alten Schwert - ja zweifellos - das Wappensymbol von Schnayttach, das Symbols des Barons zu Schlotz. Das konnte nur bedeuten, dass Traviahold ein Bastardsohn des Schlotzer Herren war – er überlegte kurz, nach seinem Wissen war seine Hochgeboren Tsafried von Schnayttach-Binsböckel zwar verheiratet, doch Kinder waren nicht bekannt.  Er hob seinen Blick wieder, zog den linken Mundwinkel hoch und strich seinen Spitzbart während er murmelte: „Das wird das Ganze um Einiges erleichtern.“ Storko sah in Gedanken Traviahold als Baron in der alten Trollburg Schlotz residieren – eine Vorstellung, so wie er sein Gegenüber einzuschätzen vermochte, die Traviahold wohl sehr gut leiden konnte. „Mit Euch, Traviahold könnten wir Tsafried wesentlich leichter stürzen ... äh ich meinte, zum Wohle der Lande absetzten. Es würde Legitimität gewahrt werden, da Ihr ja der Sohn, wenn auch nur ein Bastard, Tsafrieds seid. Wie auch immer, wenn Ihr Euch als Baron einsetzt und dann der Kaiserin einen Boten senden würdet, dass ihr Euch dem Reich treu stellt, ich bin mir sicher, Ihre Kaiserliche Majestät wird einen dezidierten Vasallen auf ihrer Seite akzeptieren, insbesondere wenn er das Kind des vorherigen ist.

Doch wie die anderen Landadligen überzeugen?“ Er machte eine rhetorische Pause.

„Alle sollten eigentlich erkennen, dass, wenn wir gemeinsam ohne die Hilfe des Barons das Land befrieden sollten, seine Hochgeboren fehl am Platze ist und wir, die Landadligen selbst herrschen sollten. Und daran müssen wir ansetzten, wir müssen es so machen, wie die Kaiserin mit der Ochsenbluter Urkunde, nämlich jedem Rechte gewähren. Ihr sollt zwar Baron sein und nach Außen das Land vertreten, doch jeden Landadligen in seinen Anliegen unberührt lassen und nach Innen einem Schlotzer Rat bestehend aus allen Schlotzer Landadligen verpflichtet.

Wenn wir als Schlotzer Schutzbund mit unseren Streitern nach dem gemeinsamen Sieg auf Burg Schlotz kommen, den Preis dafür einfordern und den Baron vor vollendete Tatsachen stellen, dann wird ihm nichts anderes übrig bleiben, als abzudanken.“ Die ganze Zeit, als Storko redete, hatte er etwas Verwegenes in seinem Gesichtsausdruck und es schien ihm zu gefallen. „Ich bin mir nur nicht sicher, ob Ritter Sieghelm von Firnsjön dem Ganzen zustimmen würde, ist der Baron doch sein Neffe – aber andererseits auch Euer Großonkel, Traviahold. Vielleicht wird er auch erkennen, dass Tsafried nicht mehr der rechte Herr für diese Zeiten ist: die Zeiten verlangen einen starken Anführer, Traviahold, einer der das Herz und die Waffe am rechten Fleck hat.“ Storko dämpfte die Stimme wieder etwas, da er doch lauter geworden war - auch wenn er sicher war, dass niemand seine Worte gehört haben konnte.

"Storko, ich danke Euch für das Vertrauen, das Ihr in mich habt, und für Euer Vorhaben, mich zu unterstützen. Und wieder sind wir beide es, die vorbrechen, wie schon zuvor bei der Rückeroberung von Wehrheim unter Answin und bei der Gründung dieses Bundes. Ihr seid ein wahrer Verbündeter für mich, Storko, und so etwas ist dieser Tage selten."

Traviahold reichte seinem Gegenüber die Hand zum Kriegergruß. Gleichzeitig legte die Knappin ihrem Ritter, ihre Hand auf dessen Schulter. Sie schien sich wohl bewusst, was für einem bedeutungsvollen Moment sie gerade beiwohnte.
Traviahold sprach mit wachem Blick weiter.

"Die Kaiserin konnte ich durch meinen Sieg beim Windhagschen Reichskongress schon beeindrucken. Auch durch meine Teilnahme bei der Durchkreuzung bei einem der Pläne von Balphemor von Punin, konnte ich mich hervortun. Und auch sonst glaube ich, dass ich ihre Aufmerksamkeit durch meine Reden wecken konnte. Sie wird nicht an meiner Reichstreue zweifeln."

Diese Worte aus dem Munde eines Answinisten waren schon verblüffend.

"Und was den Landadel betrifft, die Ritterin von Siebeneichen wird uns ihr Leben zu verdanken haben, sollten wir es schaffen. Und bei Gerbold von Zwölfengrund, kenne ich auch schon einen Weg, uns dessen Loyalität zu sichern. Anshag wird uns bestimmt auch unterstützen, auch wenn er kein Schlotzer ist. Die restlichen Adligen, die noch verbleiben, sind kaum handlungsfähig. Einzig Sieghelm, dessen Ritterin und die Tatsache, dass Tsafried, mein Vater, nicht freiwillig seine Macht abgeben wird, könnte zum Problem werden. Aber nun mein Freund, widmen wir zunächst unsere volle Aufmerksamkeit, den Gefahren, die in den nächsten Tagen vor uns liegen - Chraaz und Stachelwanst und dann erst der Baron."

Beide Answinisten nickten einander zu, bevor der düstere Ritter und dessen Knappin sich auf deren Zimmer zurückzogen, während es draußen begann etwas heftiger zu regnen.

Zurück auf ihrem Zimmer und auch schließlich im Bett, lag die Junge Knappin noch wach und betrachtete ihren schlafenden Ritter. Ihre Gedanken wanderten wieder einmal zu dem bevorstehenden Feldzug und was wohl passiert - insbesondere nach diesem Gespräch mit Storko - falls sie Erfolg haben und die Goblins bezwingen. Während sie so ihren Gedanken nach hing, bemerkte sie, dass der Ritter sich im Schlaf umdrehte, so dass sein Gesicht nun in ihre Richtung blickte. Ein Lächeln stahl sich in ihre Züge und sie konnte nichts dagegen tun, als sich Freude und Dankbarkeit in ihr regten, dass sie von genau diesem Ritter aufgenommen wurde. Auch wenn es gefährlich wird, sie würde ihr Leben für ihn geben.

 

Schlotzer Goblinhatz

Gut Gernatsborn – 16.Rahja 1032 BF

„Thruuuuu“ Der tiefe Ton eines Signalhornes schallte über den Innenhof auf Gernatsborn und über die Mauern am Morgen des 16. Rahjas 1032 BF hinaus. Es war ein Signal auf dass sich die Edlen nochmals versammeln mögen bevor sie gemeinsam in Richtung Siebeneichen aufbrechen sollten.

Da jeder Ritter und Edle alle nötigen Vorkehrungen für den Aufbruch treffen musste und seine Mannen und Frauen im Lager am Südhang des Hügels besuchte, so hatten sie nicht gemeinsam gefrühstückt.

Dieser Morgen kleidete sich jedoch ganz und gar nicht in ein sommerliches Gewand. Während der Nacht hatte es, zuweilen recht stark, geregnet – doch Efferd sei Dank hatten sich die Schleusen des Himmels wieder geschlossen und nur ein kalter Wind als wie tief hängende graue Wolken waren geblieben.

Storko sah missmutig hinunter auf seine Stiefel. Gerade hatte er sie polieren lassen und nun waren sie aufgrund des vom Regen aufgeweichten schlammigen Bodens wieder dreckig. Im Gegensatz zum gestrigen Tage war er durchaus kämpferisch gerüstet. Eine leichte Plattenrüstung inklusive Zeug schützte seinen Leib und ein Schaller hing an seiner Seite, denn noch trug er ein kunstvoll gefertigtes blaues Barett am Haupt. Seine Linke ruhte an seinem Schwert in der Scheide. „Herr Leutnant, alle sind vollzählig zum Rapport angetreten“ sprach sein Weibel ihn an und salutierte dabei. Daneben standen die Gernatsborner Soldaten mit ihrer Reiseausrüstung und polierten Stiefeln in einer Reihe und hielten ihre Spieße stramm in die Höhe. Der Offizier nickte. Von der linken Seite kam sein Grenzjäger mit den Pferden heran und berichtete, dass sie den Wagen beladen hatten und auch drei Schweine und ein Rind vorbereitet hätten.

Storko überblickte den kleinen Innenhof, in dem das vorherige Gewirr von Bewaffneten, Wägen und Pferden langsam durch das Signal des Hornes in Ordnung umkehrte und die Edlen zu ihm vor dem Tor des Haupthauses drängten.

Er stützte sich mit beiden Armen an den Plattenteilen an seiner Hüfte ab und begann die Runde anzusprechen. „Ich hoffe die Vorbereitungen aller sind bald zu ende und wir können aufbrechen. Um unseren Plan nochmals zu wiederholen. Ritterin Silvana von Firnsjön wird mit ihren zwei berittenen Waffenknechten ein Auge auf Firunsfelde werfen solange wir im Osten des Wutzenwaldes beschäftigt sind. Da nur drei Berittene keine große Kämpferzahl darstellt haben Traviahold und ich beschlossen jeweils einen Mann mitzugeben. Mein Grenzjäger Wolfram als wie Traviaholds Waffenknecht Argwulf Eisenhagel sind ausgezeichnete Schützen und Fährtenleser, sie werden die Söldlinge in Firunsfelde auskundschaften. Während dieser Trupp unter Silvana von Firnsjön im Umkreis von Firunsfelde verbleibt werden wir Restlichen am südlichen Rand des Wutzenwaldes entlang in Richtung Siebeneichen reisen. Um den Rotpelz aus dem Dickicht locken zu können habe ich mich bereit erklärt – neben dem Wagen den ihr, Gerbold von Zwölfengrund, mitgebracht habt – einen eigenen als wie auch drei Schweine und gar ein Rind zu Verfügung zu stellen. Die Goblins werden, geblendet von der Gier nach fetter Beute, uns auflauern. Da wir aber recht viele Mannen und Frauen sind, die meisten davon zu Fuß und gar Wägen und Vieh mit haben, so werden wir gewiss nicht noch am heutigen Tage in Siebeneichen ankommen, zumal die Pisten und Wege durch den Regen schlammig geworden sind – auch sollten wir nicht abends oder gar nachts dem Rotpelz begegnen. Es böte sich an bei Gut Schattenholz zu lagern um dort zu übernachten, Ritter Traviahold hat sich dazu freundlich bereit erklärt. Der Weg weiter wäre dann nicht mehr weit und der eine berittene Teil unserer Truppe könnte am nächsten Morgen scheinbar Richtung Süden aufbrechen, während der Rest sich mit den Fuhrwerken und dem Vieh nach Siebeneichen, scheinbar den Bedrängten helfen zu wollen, aufmacht.“ Während er sprach nickte er bestimmend und sich selbst zustimmend.

Die Schwarze Lanze hatte sich aufgestellt. Diese zehn düsteren Reiter waren die Machtbasis des Bastards aus dem Wutzenwald, die ihm seit dem Jahr des Feuers loyal dienten. Den schwarzen Warunker Rappen konnte man schon so manche Schlacht ansehen. Hier und da waren Narben in ihren Flanken zu sehen. Alle Reiter trugen zerschlissene schwarz-gelbe Wappenröcke, die Farben von Schattenholz und ihres Ritters. Keine ihrer Rüstungen und keine ihrer Waffen glich der anderen, ganz so, als seien diese auf diversen Schlachtfeldern zusammen geplündert. Immerhin hatte Schmiedemeister Torben Rodiak von Gut Gernatsborn erst kürzlich die brünnierten Kettenhemden und Panzer der Reiter repariert. Die Lanze setzt sich aus versprengten Reichssoldaten des Mythraelsfeldes, Söldnerpack und den Waffenknechten des Ritters zusammen, wobei letztere den Kern der Truppe darstellen. Yantur Zertel, war der Älteste der Schwarzen Lanze. Er bevorzugte ein kurzärmliges Kettenhemd und eine Kettenhaube, aus der er noch mit seinem letzten verbliebenen Auge hervor starrte. An seiner Seite hing ein Langschwert und ein Schild, auf dem das Wappen des Schattenholzers zu sehen war. Grordan Graustein, der kräftige und große Bannerträger des Ritters trug die verrußte Standarte die noch niemals den Boden berührt hatte, worauf er unendlich stolz war. Sein schwarzer Plattenharnisch trug immer noch einige alte Kampfspuren. An seiner Seite hing sein Langschwert. Auf einen Schild musste er aufgrund des schweren Banners verzichten. Argwulf Eisenhagel war zwar jünger als Yantur, aber dennoch der erfahrenste Waffenknecht des Ritters. Sein Platz in der Schlacht war immer direkt an der Seite von Traviahold. Dass er nun zusammen mit dem Gernatsborner Grenzjäger und Silvana den Ort Firunsfelde ausspähen sollte schien ihn nicht sonderlich zu erfreuen. Der Armbrustschütze und Spurenleser hatte seinen Eisenwalder auf dem Rücken und diverse Ersatz-Magazine dabei. Seinen abgewetzten Kurbul verbarg er unter einem schwarzen Kapuzenumhang. Eine Klinge für den Nahkampf schaute darunter seitlich hervor. Auch die restlichen Kämpfer waren bereit und fast schon erfreut über die Aussicht eines baldigen Kampfes. Traviahold war wie schon am Tag zuvor in seine geschwärzte Gestechsrüstung gepanzert und bot eine Gestalt, die nicht nur den Feind einschüchterte. Seinen großen Reiterschild mit diversen Kerben hatte er am Schildarm und an seiner Seite ging sein Ritterlangschwert und seine grässliche Ogerschelle. Als wäre das nicht schon schon genug, hatte der waffenstarrende Ritter Alten Schlages noch seinen Zweihänder „Hunger“ auf den Rücken geschnallt. Seine schwarzhaarige Knappin, die direkt neben ihm auf ihrem Warunker saß, hatte auch Haltung angenommen und schien ihre Aufregung gerade noch so verbergen zu können. Der düstere Ritter signalisierte Storko von Gernatsborn Abmarschbereitschaft.

Jeder der in unmittelbarer Nähe des Schattenholzers stand, bemerkte einen ganz leichten und unangenehmen, süßlichen Verwesungsgeruch. Dieser schien von einem schwarzen Sack auszugehen, der direkt am Gestechsattel, über der Kettenpanzerung von dessen Streitross hing. Irgendetwas Rundliches schien darin verborgen zu sein.

Auch Anshag von Sturmfels stand mit seiner Lanze bereit. Alle beritten und allen war anzusehen, dass sie für die Schlacht bereit waren. Ein jeder saß aufrecht im Sattel, gerüstet mit einem langen Kettenhemd und das Banner Anshags, gehalten von einem einarmigen Hünen, flatterte munter im kühlen Wind. Anshag selbst war ebenfalls in kette gerüstet und ein schwerer Topfhelm, wie er eher in Weiden üblich war, hatte er unter seinen Arm geklemmt. Er nickte grimmig und entschlossen in Richtung Storkos und Traviaholds um zu signalisieren, dass auch er bereit war. Sein Pferd tänzelte unruhig hin und her, als ob auch das staatliche Tier, ein Tralloper Riese, es nicht abwarten konnte endlich in den Kampf zu reiten. Ein wenig ungeduldig blickte sich Anshag um. Man sah ihm an, dass er nicht gerne wartete und am liebsten sofort abreisen würde, um die ohnehin zu lange Strecke endlich hinter sich zu bringen.

Silvana war nun in voller Platte mit Kettenteilen gerüstet, darauf Verzierung mit dem Wappen ihres Hauses und dem der Baronie. Es war ein Geschenk von ihrem Vetter anlässlich ihrer Schwertleite gewesen und Zeichen für ihre Zugehörigkeit zum Herrscherhaus von Schlotz. Mehr als einmal hatte ihr die Rüstung aus Wehrheim gute Dienste geleistet. Neben ihr stand ihr Vater, der sich seit je her auf sein Kettenhemd und die Plattenteile verließ. Seine Jungs und Mädels hatten locker Aufstellung genommen und unterhielten sich leise. Kein Vergleich mit dem militärischen Gehabe der Leute von ihrem Gastgeber. Man sah ihnen an, dass es bis auf die Waffenknechte des Barons einfache Männer und Frauen waren. Freie, die zu den Waffen gerufen worden waren.

Der alte Ritter musste schmunzeln, nicht eine Stunde und die adretten Jungs und Mädels und ihr ‚Leutnant’ würden verdreckt vom Schlamm sein. Sieghelm nickte zu den Worten Storkos. Es fand so seine Zustimmung.

Neben ihn standen die Zwölfengrunder. Beide waren ähnlich gewappnet wie der alte Firnsjöner. Wobei Gerbold deutlich mehr Plattenteile angelegt hatte. Leubold stand etwas abseits, bei den Waffenknechten seines Vaters. Allesamt mit Schild und Schwert gerüstet. Er sollte sie im Kampf führen und zeigen, was er beim alten Sieghelm gelernt hatte. „Euern Vorschlag in Anbetracht der veränderten Wetterlage so vorzugehen, teile ich. Wir sollten entsprechend vorgehen.“ Gerbold blickte den Junker freundlich an. Es konnte nicht schaden ihnen noch einmal klar zu machen, dass es keinen Befehlshabenden bei dieser Sache gab. Etwas was einige zu gerne zu vergessen schienen.

„Ich freue mich über Eure Männer als Begleitung“, Silvana nickte den beiden Junkern zu. „Doch eines will ich betonen.“ Dabei blickte sie den Geweihten der Leuin an. „Dieses Unternehmen wird sicher nur gelingen, wenn wir uns vor der Sturmherrin als würdig erweisen. Gute Kundschafter werden dabei helfen, doch Pfeile oder gar Bolzen aus dem Hinterhalt werde ich in meiner Gegenwart nicht dulden.“

„Gut gesprochen“, scheppernd landete die in einem Kettenhandschuh steckende Rechte ihres Vaters auf der Schulter seiner Tochter. „Der Sieg wird mit uns sein, wenn wir die Herrin Sturmesgleich in unsere Herzen lassen. Euer Gnaden, es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr einen Göttinnendienst für uns halten würdet. Auf das Eure Worte uns anspornen und im Geiste Rondra streiten.“

Nach der Andacht Deggens setze sich der Kriegszug nun endlich in Bewegung. An dessen Spitze Ritter Traviahold mit seiner Lanze dicht gefolgt von Anshags Mannen. Dahinter kamen die weiteren Edlen samt Fußvolk. Am Ende verließen auch die zwei Fuhrwerke samt Vieh das Gernatsborner Wehrgut und bewegten sich über die schlammige Piste den Hügel hinab. Es war kein großes Wissen über Kriegskunst notwendig um zu erkennen, dass es sich bei den verschiedenen Kämpfern um einen doch recht zusammen gewürfelten Haufen handelte. Nichtsdestotrotz winkten die Bewohner von Gut Gernatsborn samt Bauern außerhalb des Gutes den Kämpfern zu. Auf den Zinnen der Wehrmauer schaute auch Glyrana ihrem Gatten und den Streitern lange nach. Die Reise ging zuerst den Gernat flussaufwärts in südöstliche Richtung, linkerhand das Wasser, rechterhand der Gernatsborner Wald. Noch immer war der Himmel bewölkt, sodass es jederzeit zu Regnen beginnen konnte und ein steter Luftzug sauste herum. Dank den Handelstätigkeiten, die seit letzteren Zeiten von den Gütern Gernatsborn und Gernatsquell aufgenommen waren, war der Treidelweg hier gut genutzt und konnte durchaus als Pfad bezeichnet werden. Dennoch mussten die Fuhrknechte immer wieder die Peitsche schellen lassen damit man aus so manchem schlammigen Boden mit den Rädern herauskam. Auch der Gernat führte viel Wasser, weil es die Nacht geregnet hatte. Der Fluss entsprang irgendwo tief in den Bergen des Wutzenwaldes, auf deren höchsten Baumlosen Spitzen auch noch lange in den Frühling hinein Schnee liegen blieb. Nach etwa zwei Stunden erreichten sie Beorwang. Zuvor waren sie südöstlich vom Fluss abgebogen. Hier in der Schneise zwischen dem Gernatsborner Wald (der im Süden Beorwanger Wald geheißen wurde) und den Ausläufern des Wutzenwaldes war der Ort Beorwang gut an einem Hügel geschützt. Wie alle Edlen wussten war jedoch der Herr von Beorwang, Ritter Ugdalf von Birnwang seit geraumer Zeit verschwunden, weshalb die Dorfbewohner allein auf den Schutz von Gernatsborn angewiesen waren. Als die Bewohner des Ortes, von denen viele gerade an den Äckern arbeiteten, den vereinten Kriegszug der Schlotzer Herren erblickten kam Aufregung in Dorf und interessiert versammelt versammelten sie sich um den Kämpen zuzujubeln. Man wollte doch keine unnötige Zeit verlieren und verabschiedete sich nur kurz von Silvana von Firnsjön und den weiteren Waffenknechten die die Söldlinge beäugen sollten, denn Firunsfelde war nicht weit jenseits der Hügelkette entfernt.

Man sah Anshag an, dass er gut gelaunt war. Er genoss das mildere Wetter, welches der Sommer mit sich brachte und ließ sich auch von den vereinzelten Böen nicht stören. Seinen Helm hatte er am Sattelhorn seines Gestechsattels befestigt, sodass sein langes Haar vom Wind zerzaust wurde. Anshag blickte über die Schulter zurück zu seinen Leuten, die genauso wie er das Wetter genossen allerdings ruhiger waren, als es Anshag gewohnt war, was ihn allerdings nicht wunderte, schließlich ritt man in die Schlacht und man wusste nie, ob Rondra einen selbst oder guten Freund abberuft. Aufmunternd nickte er seiner Waffenknechtin zu und wendete sich an Traviahold. "Was meint Ihr Wohlgeboren? Ob das Wetter uns Probleme machen könnte? Ich meine wenn es beginnt zu regnen, wird es schwer für Fußkämpfer und Tiere durch den Schlamm zu kommen."

Der schwarze Drachenflügelhelm, den dieser seit dem Abmarsch an hatte, verbarg alle Gesichtsregungen des Schattenholzers. Er blickte gen Himmel, wo im Süden wieder die Wolken dichter zusammenzogen. Aber bevor der Ritter was sagen konnte, meldete sich der einäugige Yantur Zertel zu Wort, der wie meistens etwas wehleidig drein blickte. „Arrr, ich merk das sofort in meinem zerschmetterten Knie, wenn das Wetter schlechter wird. Und der Alte Yantur sagt, das Wetter wird uns Probleme machen. Aber solange ich nicht zu Fuß durch den Schlamm warten muss, ist mir das gleich.“ Darauf sprang Grordan Graustein, der Bannerträger der Schwarzen Lanze direkt an. „Ja Ja, auf dich hat's sicherlich schon mehr geregnet, als Wasser den Dergel runtergeflossen ist, was. Pass besser auf, dass du dein letztes Auge nicht auch noch verlierst.“ Aufgrund des Gespräches über verlorene Gliedmaßen blickte Anshags einarmiger Bannerträger zu dem Bannerträger der Schwarzen Lanze herüber, woraufhin Grordan diesen fies und schadenfroh angrinste. Yantur boxte Grordan daraufhin halbherzig an dessen brünnierten Plattenharnisch: „Dir kann's doch eh egal sei, bis du durchnässt bist, dauert's eh ne Weile. Außerdem solltest du besser aufpassen, dass die flinken Drecksgoblins dir nicht dein Bein aus dem Panz zerren.“ Die Schwarze Knappin starrte daraufhin den Armstummel des anderen Bannerträgers an, dessen Verstümmelung ihr schon vorher aufgefallen war. Und in ihrem Blick lag eine Spur Mitleid, aber auch Respekt davor, was ein wohl gezielter Hieb mit einem noch so großen Mann anrichten konnte. Ein Wunder dass der Mann überhaupt überlebt hatte. Auch wenn sie schon diverse Fleischwunden versorgen musste, mit derart schlimmen Verletzungen hatte sie nur wenig Erfahrung. Ihr war anzusehen dass sie froh war, noch einen Schild halten zu können, der sie vor so was hoffentlich bewahrte.

Weiter hinten in dem Zug ritten der Sokramshainer und der alte Firnsjöner nebeneinander. Beide waren in ein angenehmes Gespräch vertieft, bei dem es vor allem um Erlebnisse der Vergangenheit ging. Solche die sie teilten, als auch Erinnerungen an vergangene Schlachten. Wobei es hier doch zu meist Sieghelm war, der etwas zu erzählen hatte. Noch weiter hinten bei den Wagen, schritt Leubold mit den Männern und Frauen über den schlammigen Boden. So nah am Wald hielt sich die Feuchtigkeit auch im Rahjamond noch lange. Der junge Ritter hatte sich eine Pfeife angezündet und tauschte sich mit den Männern und Frauen Sokramshain über die Qualität verschiedener Tabaksorten und Mischungen aus. Gilia, eine der ältesten und erfahrensten des Aufgebots, schwor derweil auf Kautabak. „Wenn auch ihre Rinder nicht so gut sin’, wie die unsren. Dat könn die wohl.“ Worauf sie zur Untermalung etwas von ihrem Kautabak ausspuckte.

Die Strecke führte nun weiter am südwestlichen Rand des Wutzenwaldes entlang. Zur rechten erhoben sich Hügeln und zur anderen Seite die Bäume des Waldes. So marschierten oder ritten sie in der nur wenige hundert Schritt breiten Wiesenlandschaft zwischen hindurch. Wenigstens war es hier doch recht windgeschützt, auch wenn das Wetter im Allgemeinen keine Anzeichen gab sich zu verbessern. Storko wunderte sich über den stinkenden Sack, der am Sattel Traviaholds hing. War also doch etwas an den Gerüchten mit der geköpften Hexe dran, wie er es vom Bauerngeschwätz gehört hatte. Nun, bei den sonstigen unorthodoxen Angewohnheiten des Ritters sollte ihn dies auch nicht mehr wundern. Nach einer Weile sahen sie dann die Ansammlungen der Höfe des Ortes Wutzenbach, mit dem gleichnamigen Gewässer nebst, erscheinen. Man entschied nur kurz Rast zu machen, denn auch wenn der Mittag bald herein brach, so würden sie gewiss noch am Nachmittag auf Gut Schattenholz eintreffen. So reisten sie weiter am Waldesrand entlang in südöstlicher Richtung. Hier erstreckte sich jenseits des Baches zur rechten Hand eine Wiesenlandschaft von ein paar Meilen, erst etwas weiter im Süden waren wieder neue Hügeln zu erblicken. In der offenen Landschaft frischte der Wind der über die Wiesen fegte wieder auf. Aber auch die Wolken trieb das Lüftchen an, sodass gar manches Mal Strahlen der Praiosscheibe die Wolkendecke durchbrechen vermochte. Es schien des Nachts hier nicht ganz so arg geregnet zu haben wie an der anderen Seite des Wutzenwaldes, denn der Boden war weitaus fester und besser begehbarer. So war der Weg nicht mehr weit und am Nachmittag sahen sie schon die Äcker von Schattenholz vor sich.

Das Gut des Schattenholzers, das von weitem nur erahnt werden konnte, war von Hügeln umgeben. Der Trupp folgte dem holprigen, niedergetrampelten Pfad, der direkt zum Gut führte. Die meisten Felder um sie herum waren verheert. Ab diesem Punkt wurde jedem bewusst, dass man sich immer mehr dem Zentrum der Wildermark näherte, wo das Recht des Stärkeren galt. Hier und da konnte man alte Kampfplätze erahnen und sonstige Dinge, die im Gras verrotteten. Die umliegenden Höfe schmiegten sich an eine drei Schritt hohe Wehrmauer aus Schüttwerk. Die hölzerne Überdachung über den Zinnen war fast vollständig abgebrannt – Spuren einer zurückliegenden Schlacht. Die aus den Angeln gerissenen und verbrannten Torflügel waren stumme Zeugen des letzten Durchbruchs transylischer Schergen. Nun sah es so aus, als waren die Torflügel, oder besser gesagt, das was davon übrig war, provisorisch angelegt. Auf den Zinnen sah man eine Handvoll Gesinde mit geladenen Armbrüsten. Die gezeichneten Bewohner und auch das Gesinde auf den Zinnen erkannte aber sofort das Banner ihres Ritters. Man öffnete sofort das Tor zum Innenhof und viele Bewohner kamen herbei um die Waffenknechte und Adligen zu begrüßen. In ihren Gesichtern sah man Hoffnung. Sofort scharte sich eine Menge Schattenholzer um Traviahold, der mit zehn Mann los geritten war, und nun mit fast sechzig Kämpfern zurückgekehrt war. Nach kurzen Anweisungen des Ritters, der immer noch seinen schweren Helm an hatte, kümmerte man sich direkt um Wasser für die Männer und die Tiere. Traviahold ritt mit den anderen Adligen in den Innenhof. Der Boden im Inneren des Hofes war schlammig und aufgewühlt vom letzten Regen. In der nordwestlichen Ecke erhob sich der trutzige Turm, der seinen Schatten über die Ankommenden warf. Hier und da waren Schießscharten im Turm zu erkennen. Auf der Spitze wehte ein von Ruß geschwärztes Banner mit dem Wappen des Ritters. Neben dem Turm befand sich eine neu errichtete Scheune, die an der Stelle der Alten errichtet wurde, nachdem diese wohl völlig abgebrannt war. In ihr wurden normalerweise die Warunker der „Schwarzen Lanze“ untergebracht. Auf der anderen Seite stand eine Art zweistöckiges Haupthaus, das aber nicht sonderlich groß war und ebenfalls Belagerungsspuren aufwies. Man hat sich nie die Mühe gemacht, die Pfeile aus dem Dach zu ziehen, die dort noch immer steckten. Die „Schwarze Knappin“ stieg ab, und half dem schwer gepanzerten Traviahold von seinem Streitross das sie direkt in den Stall führte. Der Gutsherr blickte zu seinen Verbündeten. Seine Stimme schallte unter seinem Helm hervor: „Willkommen auf Gut Schattenholz, Bund des Alten Schlages. Man wird sich bestmöglich versuchen um das Begehr aller zu kümmern. Wir sollten hier rasten, damit uns der Rotpelz nicht in der Dunkelheit überrascht. Außerdem werde ich dem Tross einen weiteren Wagen zur Verfügung stellen, damit wir eine noch lohnendere Beute darstellen.“

Anshag sah sich um. Irgendwie trostlos, dachte er bei sich, lächelte allerdings aufmunternd in Richtung Traviaholds. "Wahrlich ein stark geprüftes Stückchen Dere über welches Ihr wacht. Wenn Ihr wünscht kann ich Euch nach dieser Geschichte einen wirklich guten Zimmermann vorbei schicken, der sich um die Schäden kümmert. "

Anshag stieg im Innenhof ab, nachdem er seinen Leuten aufgetragen hatte ein Zeltlager aufzubauen und Wachen zu organisieren. Er klopfte sich die Kleidung ein wenig aus, was aufgrund des Kettenhemdes welches er trug vernehmlich rasselte. Beruhigend klopfte er auch den Hals seines Pferdes, welches dankbar schnaubte.

"Gut, was nun?"

Storko antwortete in die Runde: „Wenn wir unser Lager hier bezogen haben, dann sollten wir zum Abendmahle zusammenkommen um die Details des morgigen Tages zu besprechen. Und damit meine ich wer von uns mit welchen Mannen in welcher der beiden Gruppen sein sollte.“ Seine Soldaten unter der Aufsicht des Weibels hatten schon begonnen die Zelte aufzustellen und Wagen samt Vieh zu versorgen. Der Offizier selbst erwartete aber doch im kleinen Haupthaus untergebracht zu werden, und blieb zögernd auf seinem Pferd während er den Hof überblickte. Um ehrlich zu sein war er noch nie auf Schattenholz gewesen. Sein Grenzjäger hatte ihm zwar berichtet, dass der Zustand des Guts im Argen sei, doch schien hier wohl tatsächlich eine wilde Schlacht stattgefunden zu haben, von der der Ort sich scheinbar noch nicht erholt hatte. Storko wunderte sich wie Traviahold bei den verheerten Feldern und der abgebrannten Scheune den harten Winter überstehen konnte. Der Rotpelz und finstere Mordbrenner mussten aufgehalten werden, wenn er sein eigenes Gut nicht in ähnlichem Zustand sehen wollte.

Kurze Zeit später fanden sich alle Adlige des Kriegszuges in dem nur wenig beleuchteten kleinen Rittersaal im Haupthaus des Gutes. Der Saal machte dem Namen des Gutes alle Ehre, lediglich ein paar Kerzen, die die Schwarze Knappin angezündet hatte, erhellten die Szenerie. Das Mahl war nicht zu vergleichen mit den Köstlichkeiten von Gut Gernatsborn. Aber es gab Mühlenbräu und Wild, ohne irgendwelchen Schnickschnack, und ohne irgendwelchen Vorgänge oder Nachspeisen. Aber das Fleisch schmecke umso besser. Gerade so hatten alle Adlige Platz an der schweren verstärkten Tafel, die mit diversen Kerben übersät war, ganz so als hätte sie schon mal als Barriere vor dem Haupteingang des Haupthauses gedient. Die Schwarze Knappin stellte sich hinter ihren Ritter, der nun seinen Helm abgenommen hatte. Eine Bedienstete schenkte derweil den Anwesenden Mühlenbräu nach, und versuchte derweil so unauffällig wie möglich zu wirken. Storko saß Traviahold gegenüber. Er hatte auch das beste Gästezimmer auf dem Gut erhalten. Und so gut es irgendwie ging waren auch die anderen Adligen innerhalb der Schüttwerkmauern des Gutes einquartiert worden. Traviahold wandte sich an Anshag: "Habt dank für Euer Angebot, einen Zimmermann hier her zu schicken, er wird dringend benötigt, wie ihr seht. Ich werde in Eurer Schuld stehen Anshag. Und ich hoffe Ihr anderen verzeiht, den Zustand meines Gutes. Alle hier sind einfach nur froh noch zu leben. Und ich werde mein bestes tun, sie zu schützen." Der Ritter nahm sich großes Stück Fleisch. "Was unseren Plan angeht, behalten wir den zuvor besprochenen bei, würde ich sagen. Ich und die Schwarze Lanze, und Anshags Reiter werden irgendwann so tun, als würden wir uns von Euch verabschieden und werden uns möglichst weit von Euch entfernen, so dass wir Euch wenn überhaupt gerade noch so sehen, in vielen hundert Schritt Entfernung. Ihr lockt den Rotpelz hervor, und bewegt Euch eher langsam. Nötigenfalls, falls sich diese Biester nicht zeigen, müssen wir eben am Wegesrand rasten, getrennt von einander. Sollten Anshag und ich Kampfeslärm hören, reiten wir los, um die Goblins niederzureiten und um den Spieß umzudrehen. So lange müsst ihr dann aushalten. Im Grunde sollte alles klar sein. Ich selbst habe Chraaz noch nie gesehen, aber er soll hässlich sein wie die Nacht und soll mit Axt und Schild kämpfen. Haltet also Ausschau nach einem solchen Goblin. Er ist unser Hauptziel. Wenn er fällt, sind die restlichen Rotpelze so gut wie besiegt und sie werden sich kurz darauf verstreuen, so dass auch Rotpelze, denen die flucht gelingen wird, keine Gefahr mehr darstellen werden, ohne die Führung von Chraaz. Mögen die Götter uns beistehen, dass wir den Goblin-Kriegsfürst erwischen." Traviahold erhob seinen Becher zum Wohle der Baronie Schlotz.

Anshag hob seinen Becher und trank einige große Schlucke des Biers, mit denen er das Stück Fleisch auf dem er noch kaute herunterspülte. "Es wird sich bestimmt eine Gelegenheit finden, da Ihr mir auch einen Gefallen tun könnt, Wohlgeboren" sagte Anshag in freundlichem Plauderton. "Was das Signal an uns angeht hätte ich noch eine gute Idee. Einer meiner Waffenknechte und Wildniskundiger meiner Lanze ist wie einigen vielleicht schon aufgefallen sein mag ein Elf. Ich habe mich mit ihm unterhalten und er sagt, er könne uns schnell benachrichtigen, wenn es zu Kampfhandlungen kommt, sodass wir nicht einmal mehr darauf angewiesen sind in Sichtweite zu bleiben. Er sagte er würde dies innerhalb weniger Augenblicke schaffen, wodurch die Zeit die die Infanterie ausharren müsse minimal sei. Was haltet ihr davon?"

„Das klingt gut“ Storko hatte zwar die Spitzohren des Waffenknechtes durchaus wahrgenommen, doch nicht an seine vermeintlichen magischen Fähigkeiten gedacht. „Ich sage es noch einmal, wir sollten den Rotpelz nicht unterschätzen, der ist nämlich gar nicht dumm. Ich meine damit, dass nachdem die beiden Gruppen sich verabschiedet haben, sollten die Reiter nicht mehr im Blickfeld sein, besser eine Meile hinter dem nächsten Hügel, sonst greifen die Biester nicht an. Der restliche Trupp samt Wägen und Vieh sollte dann nahe dem Wald eine Rast einlegen. Der Reitertrupp tut es ihnen weiter südlich gleich und wartet auf das Zeichen eures Waffenknechtes, Anshag. Dann können die Reiter los galoppieren. Auch wenn es eine Meile Entfernung ist, so werden sie über das Grasland schnell heranstürmen können und den Goblins in den Rücken, äh“ Storko sah etwas verzagt Hochwürden Deggen an „äh in die Flanke einfallen.“

Er nippte in einer kurzen Pause an seinem Bier um die Kehle zu befeuchten.

„Und diese Dauer ist nur gut so, zwar vergrößert sie die Wahrscheinlichkeit eigener Verluste, aber die Goblins werden sich auch in Sicherheit wägen, allesamt aus dem Unterholz kommen und keine Augen nach Hinten mehr haben. Und noch etwas. Damit wir sie locken können muss der Wagenzug verhältnismäßig schwach geschützt wirken. Nahezu alle die beritten sind sollten sich dem Reiterzug anschließen. Wie ihr schon sagtet, die Ritter Traviahold und Anshag mit Mannen werden den Kern bilden, aber auch Ritter Sieghelm und Junker Gerbold sollten sich dem Reiterzug samt Gefolge anschließen. Und auch euch Hochwürden Deggen würde ich bitten bei den Berittenen zu sein. Ich weiß ihr habt schon gestern den Wunsch geäußert den Schwächeren beizustehen, doch wenn Chraaz uns seine Bastarde einen schwer gewappneten Rondrianer erblicken wird dies sich sicherlich nicht positiv auf seine Entscheidung eines Angriffes auswirken. Der Wagenzug würde dann durch die restlichen Männer und Frauen der Landwehr gebildet, die ihr Leubold von Zwölfengrund anführen könntet. Euer elfischer Knecht wird sie begleiten. Vielleicht sollten auch manche sich in den Wägen verstecken, sodass wir nicht so zahlreich erscheinen.“

Wiederum nahm Storko einen Schluck.

„Und was ist mit euch, Junker – wollt ihr euch den Reitern anschließen? Ihr habt euch als einzigen noch nicht genannt.“ Leubold von Zwölfengrund richtete die Frage in die Runde. „Zu meiner Schande mangelt es mir auf Gernatsborn an Rössern und ich bin der Einzige meines Aufgebots hier der beritten ist“ antwortete er. „Ich will meine treuen Soldaten nicht alleine lassen - die Mannschaft braucht einen Offizier. Deshalb würde ich mich als einziger Berittene gerne dem Wagenzug anschließen.“ Als würden seine Soldaten seine Befehle im Kampf tatsächlich benötigen, in Wahrheit führte sie der Weibel in der Schlacht. Doch hier konnte der Junker Storko endlich Heldenmut vor den ganzen Rittern zeigen. Er saß ja immerhin mit lauter Adligen bei Tisch die den Ritterschlag erhalten hatten oder davor stünden – nicht, dass er dies selbst anstrebte, denn in Wahrheit sah er auf das altmodische Rittertum herab, aber er glaubte so mancher könnte ihn für einen Feigling halten und dies wollte er hiermit von Dere schaffen. Gut, gefährlich war es zwar etwas, doch würde er sich ohnehin hinter den Reihen halten und die Ritter würden in kürzester Zeit heranbrausen und die Biester von hinten niederzumachen.

„Gut, ich werde ebenfalls bei meinen Frauen und Männern bleiben. Die wissen zwar, was sie zu tun haben, aber so sieht es nur glaubwürdiger aus.“ Gerbold lehrte seinen Krug mit einem letzten Schluck. „Ansonsten wird ein jeder von uns seine Leute wohl am Besten kennen. Jedes Aufgebot für sich weiß doch was zu tun ist, da sollte sie auch ihr jeweiliges Weibel, Büttel oder wer auch immer führen. Die Unsrigen sind weder so gut wie die alte Wehrmark oder gar reguläre Soldaten. Wenn der Plan klappt, dann müssen sie eine ordentliche Abwehrreihe bilden und zusammen bleiben. Das wird schon klappen.“

Sein Sohn raunte ihm etwas zu. „Nur zu, ich denke wir kommen auch ohne Dich aus.“ Während Leubold den Raum mit einem kurzen Nicken verließ, lächelte der Junker die übrigen an. „Er will noch einmal nach unsren Leuten schauen. Bei seinem ersten Kommando als Ritter, soll auch alles gut ablaufen.“

Gerbold hatte auch nicht gelogen, doch hatte er zumindest nicht alles gesagt. Leubold machte sich ein Bild und dann Reto, einen erfahrenen Jäger, zur Seite. Der schweigsame Mann kannte Schlotz gut, doch vor allem kannte er auch den Wutzenwald und seine Wege. Seine Familie diente den Zwölfengrundern schon seit langem und war tief mit den Sitten und Bräuchen des Landes vertraut. „Vater möchte, dass Du alles daran setzt, um mit den Suulak Kontakt aufzunehmen. Chraaz achtet ihre Sitten und Bräuche kaum. Vielleicht können sie uns helfen. Sei es mit Informationen oder mit der Waffe in der Hand.“

„Mhm, könnt klappen.“ Reto nickte nur kurz. Nachdem er seinen Blick über das Lager schweifen lies, schien er sich auch zu einem Vorgehen entschlossen zu haben. „Werd’ noch was warten und dann zur elften Stund’ aufbrechen.“

Nachdem die letzten Feinheiten alle nochmals besprochen waren und alle fertig gespeist hatten, zogen sich alle auf ihre Gemächer auf Gut Schattenholz zurück. Traviahold saß noch alleine mit der Schwarzen Knappin an dem schweren Tisch im kleinen zugigen Rittersaal und sah Gedankenverloren in den Schein einer flackernden Kerze. Die Knappin sah ihn währenddessen fasziniert an. Dann sah er zu ihr, in ihre dunklen Augen. Schon bald würde sie eine stolze Ritterin sein und ihre eigene Lanze führen und ihr eigenes Gut verwalten. Jetzt da der große Ritter sie direkt ansah, richtete drückte sie den Rücken noch etwas stärker durch, um eine noch bessere Haltung anzunehmen und sah ihn Erwartungsvoll an. Aber es kam kein Befehl. Er sah sie einfach nur an, während sie seinem Blick standhielt. Sie sah ihm seine Sorgen an. Die Zukunft der Baronie würde sich in den nächsten beiden Monaten entscheiden. Und sie war gespannt welche rolle ihr Ritter dabei spielen würde. Schließlich gingen beide zusammen in die Schlafkammer von Traviahold, da die Knappin ihr Zimmer Storko überlassen musste. Aber es störte sie nicht im Geringsten, ganz im Gegenteil. Dort half sie dem Schattenholzer aus seiner Rüstung. Es war ein Ritual, welches sie perfekt beherrschte.

Am nächsten Morgen waren alle bei Zeiten wach und machten sich wieder aufbruchsbereit. Traviahold war froh eine Nacht auf seinem Gut verbracht zu haben. Die Vertrautheit tat ihm gut. Er gab dem Gesinde und dem Kammerherr noch letzte Anweisungen für die Zeit seiner Abwesenheit. Der Himmel war an diesem Morgen sehr klar und viele Bewohner des Gutes sahen dem großen Trupp hinterher und beteten zu ihren eigenen Göttern, und senkten ihr Haupt, als Traviahold und die anderen Adligen an ihnen vorbei ritten.

Dem Tross hatte sich noch eine erfahrene Heilerin eines nahe gelegenen Dorfes angeschlossen, das unter dem Schutz von Schattenholz stand. Sie war schon in den Jahren des Feuers in zwei anderen Trossen eine große Hilfe. Niemand zweifelte daran, dass sie bald Arbeit bekommen würde. Der holprige Pfad führte nach Südosten, vorbei an einem zerstörten Feldgeschütz, dessen Überreste im hohen Gras gut zu sehen waren. Das einstige Kriegsgerät war nur ein weiterer Zeuge, der Kämpfe, die noch immer in der Wildermark tobten.

Anshag ritt mit seiner Lanze wieder neben Traviahold. Sämtliche seiner Reiter waren gerüstet und trugen einen Wappenrock in den Wappenfarben ihres Herrn, nur Timshal Silberhaar, der elfische Spurenleser, hatte sein Pferd zurückgelassen und mischte sich unter das Fußvolk, wo er als Elf für ein wenig aufsehen sorgte, was ihn allerdings nicht weiter zu stören schien.

Anshags Topfhelm hing an Horn seines Gestechsattels und schwang im Takt seines Pferdes vor und zurück, während Anshag selbst sich an Traviahold wendete. "Ihr seid ja noch schweigsamer als sonst Wohlgeboren. Bedrückt Euch etwas? Ich meine Ihr müsst keine Furcht haben, ich werde schon auf Euch aufpassen!" sagte Anshag mit schelmischen Lächeln im Gesicht und Glänzen in den Augen, die es einem schwer machten das Gesagte ernst zu nehmen geschweige denn zornig zu werden.

"Ich hoffe, dass sich das Wetter so hält. Es ist nicht zu warm, sodass wir unsere Kräfte gut nutzen können werden und der Boden ist auch besser als gestern noch, nicht wahr?"

Traviahold drehte den Kopf zu Anshag und fing unter seinem Schweren Drachenflügelhelm, schallernd an zu lachen und kurz darauf vielen die restlichen Männer der Schwarzen Lanze in das Lachen mit ein. Anshag konnte lediglich die Augen des Großen Ritters zwischen den Sehschlitzen seines Helmes sehen. "Na dann kann mir ja nichts mehr passieren, wenn ihr auf mich Acht gebt, Euer Wohlgeboren." Sogar die Schwarze Knappin lächelte. Je länger sie zusammen ritten, umso mehr freundeten sich der Sturmfelser und der Schattenholzer an. "Wie steht ihr eigentlich zu dem Hause Bregelsaum, Anshag? Ihr kommt doch aus Hallingen richtig?

"Ja, das ist richtig" sagte Anshag noch immer gut gelaunt. "Nun, wie soll ich schon zu den Bregelsaums stehen? Sie sind eine der Familien die Darpatien zu Größe geführt haben, genauso wie die Familie Rabenmund, auch wenn man den beiden das so wohl nicht sagen sollte, denn sie würden bestimmt darauf bestehen, dass die Rolle der anderen Familie ungleich unwichtiger war als die eigene aber das ist ja bekanntlich eine andere Geschichte. Mein Burggraf ist allerdings Bregelsaum und ich bin ihm unterstellt und ihm, Darpatien und der Kaiserin gilt meine ganze Loyalität. Ich würde mich nicht gegen sein Wort auflehnen, allerdings ist es mir egal das er Bregelsaumer ist. Es hätte auch ein Rabenmund sein können oder ein Streitzig, meine Loyalität wäre ihm sicher, denn die Kaiserin vertraut ihm. Wer wäre ich, gegen ihren Ratschluss zu handeln? Wie ihr seht hat mein Schwertvater in Weiden in dieser Hinsicht gut auf mich abgefärbt" sagte Anshag lachend "es ist nicht wichtig welchen Namen man trägt, sondern ob man reinen Herzens und voller Treue zu Kaiserin und Kaiserreich ist." Nach einigen Augenblicken des Schweigens fügte er hinzu "Es ist wirklich ein Jammer, dass sich die Bregelsaums und die Rabenmund so lange bekriegt haben. Wer weiß was sie zusammen nicht alles hätten erreichen können? Aber Geschichte lässt sich bekanntermaßen ja nicht neu schreiben..."

Mittlerweile hatten sie schon den südlichsten Spitz des Wutzenwaldes erreicht den sie im Schatten eines hohen Hügels im Süden umrundeten. Das Wetter war in den letzten Stunden deutlich besser geworden und die vorbei ziehenden Wolken ließen immer wieder die Stahlen der Praiosscheibe hinunter, auch wenn der Wind die Temperatur für diese Jahreszeit noch immer deutlich trübte.

Storko trabte weiter nach vorne zu Anshag und Traviahold und unterbrach sie im Gespräch. „Traviahold, war das nicht einst Schratenholzen, bevor es die verfluchten Söldner brandschatzten?“ Er deutete nach weiter nördlich. Und Tatsächlich waren in einer Meile Entfernung unweit des Waldrandes verkohlte Ruinen und Überreste eines ehemaligen Ortes auszumachen. Ein weiteres Zeugnis des Krieges.

Traviahold nickte Storko zu. "Ja, dort tiefer in den Hügeln verborgen liegt Schratenholzen. Es wurde vollkommen niedergebrannt, von den Söldlingen, die auch Gut Schattenholz angriffen. Dieselben die Firunsfelde eroberten, und dieselben, die viele Einwohner von Karhirswalden verschleppten. Man sagt, dass dort jetzt Nachts Geister und Wiedergänger umgehen. Und man sagt auch, dass längst nicht alles von den Söldnern geplündert werden konnte. Niemand wagt sich dort hin.

Reto, der Waffenknecht und Wildniskundige des Zwölfengrunders bewegte sich durch das Unterholz des Wutzenwaldes. Niemand hatte bemerkt, dass er sich heimlich von Tross, auf Geheiß seines Herrn entfernt hatte. Vielleicht konnte schlimmeres verhindert werden, oder zumindest weitere Informationen erlangt werden. Plötzlich wurde er von einem Wuchtigen Schlag vorne an der Brust getroffen, der ihn von den Füßen riss. Am Boden liegend, sah er, dass ein Wurfspeer aus seiner Brust ragte, der seine leichte Panzerung durchschlagen hatte. Der Schmerz begann ihm die Sinne zu rauben, als er hörte wie sich etwas näherte und dabei mit heller Stimme bösartig lachte. In sein Blickfeld traten drei Goblins, die sich über ihn beugten und begannen an ihm zu zerren. Einer riss an deinen Stiefeln, der zweite wühlte in seine, Lederbeutel, und der dritte begutachtete gerade seine Waffe. Dann wurden sie von einem größeren vierten Goblin, mit rotbraunem Pelz, zur Seite gestoßen, der ihn mit gelben Augen aus einer hässlichen Fratze anstarrte. Er holte mit dem stumpfen Ende seiner Axt aus, und schlug Reto direkt ins Gesicht, der sofort das Bewusstsein verlor und alles um ihn herum Schwarz wurde.

Die Überreste von Schratenholzen hinter sich lassend zogen sie an diesem frischsommerlichen Vormittage weiter Nahe am Südrand des Waldes. Langsam wurde es Zeit die Gruppen aufzuteilen.

"Gut" sprach Storko zu den anderen Anführern "wie ausgemacht wollen wir uns nun aufspalten. Ihr Gerbold und Leubold von Zwölfengrund und meine Wenigkeit werden mit dem Fußvolk samt den drei Fuhrwerken und dem Vieh weiter nach Siebeneichen ziehen, so als ob wir ihnen mit Gütern zu Hilfe kommen wollen. Ich bin mir ja sicher, dass uns die rothaarigen Kerle schon längst aus dem Dickicht beobachten. Wenn ihr Reiter aber weiter südlich im Grasland hinter der sanften Hügelkette da - " er zeigte in eine Richtung " - euch langsam parallel bewegt, dann können sie euch nicht erspähen, denn die trauen sich wohl nicht aufs offene Feld, und werden denken ihr seid auf dem Weg nach Wutzenwald." Anshag nickte und bemerkte "Und mein elfischer Waffenknecht wird uns dann verständigen, wenn euer Zug angegriffen wird." "Ja, und wenn Chraaz nicht ohnehin uns bald auflauert, dann würde ich auf dem Weg gar eine strategisch schlechte Position zur Rast aussuchen, auf dass er sich in unsere Falle wagt. Noch Fragen?" sprach er in soldatischer Manier.

Der Große Ritter nickte den Adligen zu, wobei sich sein mittelschweres Warunker Streitross um die eigene Achse drehte und wild schnaubte. "Bereit!" Ohne irgendwelche weiteren unnötigen Worte zu verlieren ritt er mit der Schwarzen Lanze gen Süden. Kurz darauf folgte ihm Anshag von Sturmfels und die weiteren Reiter, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Der Hauptteil des Trosses fuhr derweil weiter Richtung Siebeneichen, wobei sich schon ein paar Soldaten unauffällig in den Wagen versteckten hatten.

Wo Reto sich genau befand, konnte er nicht bestimmen. Die Goblins hatten ihn in irgendein altes Gebäude gebracht und litt dort Qualen. Ein dreckiger Kriegsgoblin bewegte immer wieder den Wurfspeer, in dessen Brustkorb, wenn Reto nicht schnell genug auf die Fragen des Goblin-Kriegsfürsten antwortete. Er war bei seinem geheimen Auftrag fürchterlich gescheitert. Nicht nur, dass er es nicht geschafft hatte, an die Sippenführerinnen heranzutreten um die Goblins zur Aufgabe zu bewegen, oder um an Informationen zu gelangen, nein. Chraaz hatte den Spieß regelrecht umgedreht, nachdem Reto von einer seiner Kriegsbanden abgefangen wurde. Chraaz blickte auf den Menschling herab. Mit weit aufgerissenen Augen und gebleckten Zähnen keifte er dem Kundschafter seine Fragen entgegen. Er kannte sich aus. Er hatte das Foltern schon oft bei den großen Söldnern gesehen. Er wusste, wie man alles aus einem Gefangenen herausbekommen konnte. "Wiieviiele seiid iihr? Reto bis die Zähne zusammen und sagte nichts. Chraaz fing daraufhin an zu lächeln, deutete auf die Schwerthand von Reto, die sogleich von dem anderen Goblin festgehalten wurde. Blitzschnell fuhr das Kriegsbeil von Chraaz nach unten und trennte mit einem Hieb zwei Finger ab. Reto bekam gleichzeitig einen fauligen Lumpen in den Mund gestopft, der seine Schreie dämpfte. Chraaz hob die beiden Finger vom Boden auf, und begann diese vor den Augen des Waffenknechtes zu fressen, dessen Augen sich vor Entsetzen weiteten! "Wiiiviiiele? Und wo reiiten diie Reiiter hiin? Und was befiindet siich auf den Wagen? Rede Menschliing! Reto wurde kurz der Lappen aus dem Mund genommen, damit er antworten konnte. Reto spuckte Chraaz einen Schwall Blut entgegen. Chraaz verzog seine hässliche Fratze und ließ sein Beil ein zweites mal hinabsausen, nur dass er diesmal die komplette verkrüppelte Hand abhackte und dem Gefolterten kurz darauf eine brennende Fackel an den blutigen Stumpf hielt. Es war unausweichlich, dass der skrupellose Goblin alles erfahren würde, was er wissen wollte. So oder so. Hinter ihm vielen größere und mindestens genauso skrupellose Gestalten in schallendes Gelächter... Eine Stunde später kam Chraaz blutverschmiert aus der Ruine. Diverse kleinere zerstückelte Gliedmaßen von Reto waren auf den verstärkten Holzschild des Goblin-Helden genagelt. Chraaz grinste zufrieden und versammelte alle Goblins, die sich in immer größeren Mengen um ihn sammelten und zu ihrem "Kriiigsfürsten" aufsahen.

Weniger als hundert Schritt vom Waldrand entfernt zogen sie in Richtung des bedrängten Siebeneichens. An der Spitze ritten Gerbold von Zwölfengrund und Storko von Gernatsborn. Dahinter marschierten der Sohn des Zwölfengrunders Leubold, sowie die weiteren Waffenknechte und weitere Landwehr locker um die Wägen herum. An der südlichen Franke waren auch die gut ausgerüsteten Gernatsborner Soldaten positioniert, sodass sie nicht so auffallen würden. Eine gewisse Anspannung lag in der Luft, denn jederzeit erwartete man einen Angriff. Immer wieder sahen verängstigte Blicke ins Waldgestrüpp um eine Bewegung erkennen zu glauben.

Der Tross näherte sich dem bedrohten Siebeneichen immer mehr. Immer noch war kein einziger Rotpelz zu sehen. Das was alle eigentlich vermeiden wollten, nämlich den Goblins bei Dunkelheit gegenüber zu treten, war nun wohl unausweichlich. Storko und Gerbold waren jetzt auch noch gezwungen einen besonders geeigneten Rastplatz für einen goblinischen Hinterhalt zu wählen.

Von der verbündeten Reiterei war wirklich nichts zu sehen. Auch wenn alle wussten, dass das hier alles geplant war, so hatte man doch irgendwie ein mulmiges Gefühl im Magen, sich wie auf einem Präsentierteller darzubieten und nur darauf zu warten angegriffen zu werden. Hinzu kam, dass am Wegesrand ein ausgeplünderter Karren in einem Graben lag. Zwei verweste und stinkende Eselkadaver waren immer noch angeschirrt. Vom ehemaligen Lenker fehlte jede Spur.

„Haalt! Hier wird das Nachtlager aufgestellt!“ brüllte Storkos Weibel Wehrheimer über die Köpfe der Waffenknechte und Landwehrsoldaten hinweg. Gerbold und Storko hatten sich einen geeigneten Platz nahe dem Waldrand auserwählt, denn noch immer war kein Goblin gesichtet worden und die Dämmerung brach schon herein. „Denkt ihr Chraaz hat unseren Plan durchschaut?“ fragte Leubold leise seinen Vater und Storko, während die Männer und Frauen begannen alles für die Nacht bereit zu machen. „Ich denke nicht“ - meinte der Offizier - „auf das offene Feld können seine Späher nicht hinaus, trauen sie sich erst gar nicht. Und erzählt hat es ihm sicherlich niemand, denn einen rotpelzigen Maulwurf in unseren Reihen zu haben wäre schwer denkbar“ begann er zu scherzen. „Möglicherweise wartet er nur auf die Nacht. Denn in der Nacht können sie ihre Vorteile ausnützen und wollen uns im Schlaf überwältigen“ meinte Gerbold. „Aber wir werden nicht schlafen...“ fügte Leubold hinzu.

Das Lager wurde so aufgeschlagen, dass die drei Wägen grob ein Dreieck bildeten inmitten man samt Vieh campierte. Den Bewaffneten die in den Wägen versteckt waren ordnete man an sich ja nicht auffällig zu verhalten. In der Mitte wurden Zelte aufgebaut, Feuerstellen errichtet und das Abendmahl zubereitet. Um das Lager herum rammte man einige Fackeln in den Boden, sodass die nähere Umgebung etwas überblickt werden konnte. Nachtwachen wurden eingeteilt und die ersten Kämpfer gingen in ihre Zelte schlafen – so schien es jedenfalls, denn in Wahrheit harrten sie mit offenen Augen und den Waffen in den Händen nur auf einen Angriff.

Traviahold, Anshag und Sieghelm samt Deggen hatten ihre Männer absitzen lassen und an einem kleinen Tümpel Rast gemacht, der in einer Senke lag. Man musste schon sehr nah heran kommen, um die Reiter von außen sehen zu können. Es begann zu dämmern. Auf ein Feuer musste natürlich verzichtet werden. Die treuen Reiter kamen sich vor wie Wegelagerer. Nun hieß es ausharren bis sie das Zeichen erhalten würden.

Als die Schwarze Knappin von ihrem Ross absaß, begann sich ein Gefühl der Nervosität, ja, wenn nicht sogar ein Stich der Furcht, in ihr auszubreiten. Es hatte ihr zwar gut getan, vorher nochmals auf Gut Schattenholz zu rasten und in einer vertrauten Umgebung zu übernachten. Doch jetzt, da sie kurz vor dem Kampf stand, wurde sie etwas unruhig. Sie versicherte sich immer wieder, dass ihr Kurzschwert richtig in seiner Scheide hing, so dass es sich ohne Probleme ziehen lassen würde, auch prüfte sie die Riemen an ihrem Schild, um sicherzugehen, dass er nicht zu fest oder zu locker geschnallt war. Sie schaute sich um, sah ihren Ritter, blickte ihm in die Augen und schwor sich, alles Nötige zu tun, alle Gefahren zu bestehen, dass er auf sie stolz sein würde, falls sie diese Schlacht lebend überstehen sollten. Gleichzeitig empfand sie eine tiefe Ruhe, die ihr ein Gefühl von Sicherheit übermittelte, solange sie in der Nähe ihres Ritters war. Sie drückte ihren Rücken durch und glättete ihre leicht entgleisten Gesichtszüge wieder. Dann nickte sie Traviahold zu und wandte sich wieder ihrem Pferd zu.

Anshag beobachtete das Gebaren der Knappin aufmerksam. Er erkannte ihre Unruhe. "Heda Knappin, Ihr solltet den Schildriemen nicht zu eng spannen, sonst werdet Ihr Euren Schildarm in wenigen Augenblicken nicht mehr richtig bewegen können. " Anshag trat auf die Knappin zu und lockerte den Riemen ein wenig, sodass das Schild zwar etwas lockerer aber immer noch sicher an ihrem Arm halten würde. Aufmunternd klopfte der breit gebaute Ritter der Knappin auf die Schulter und lächelte ihr aufmunternd zu. Danach drehte er sich wieder um und ging zurück zu Traviahold. "Es ist der erste wirkliche Kampf Eurer Knappin oder? Sie scheint ein wenig nervös zu sein... aber wer war das vor seinem ersten Kampf nicht?" Sinnend sah Anshag in die Dunkelheit. "Ich habe so ein Gefühl, dass es nicht mehr lange dauert. Spürt Ihr es auch?"

"Ja, Anshag, ich spühre es. Ich spühre dass heute Nacht viele Leben enden werden. Wollen wir hoffen, dass es nicht so viele der Unsrigen sein werden. Und nein, es ist nicht ihr erster Kampf - sie kämpfte bei der Verteidigung von Gut Schattenholz direkt an meiner Seite, und hat damals mehr als ein Leben beendet. Seit dem redet sie nicht mehr so viel wie zuvor. Aber sie wird damit klar kommen. Sie ist stark. Und schaut euch einige der jüngeren Waffenknechte an, ihnen geht es genauso." Traviahold ging zu Sieghelm und Deggen hinüber, packte sie wortlos, aber freundschaftlich an der Schulter. Er sagte es zwar nicht, aber der Große Ritter war froh auch diese beiden kampferfahrenen Recken in seinen Reihen zu wissen. Er ging zum Sturmfelser und seiner Knappin zurück und blickte mit diesen beiden zusammen in die Dunkelheit über den Rand ihrer Senke. Seine Augen waren nicht mehr die besten, aber außer der "Schwarzen Knappin" hatte das bisher noch nie jemand bemerkt. Sollte sie verdächtige Bewegungen bemerken, würde sie ihn wie immer darauf Aufmerksam machen.

Über eine Meile weiter, aber ganz in der nähe des Trosses kam Bewegung in die Finsternis des Wutzenwaldes. Plötzlich wurde die Finsternis an diversen Stellen von Feuerschein unterbrochen und wenige Augenblicke später prasselte ein Brandgeschoss nach dem anderen auf die Wagen und die Wächter des Trosses nieder. Der dem Wald am stärksten zugewandte Karren wurde am häufigsten Getroffen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er vollkommen in Flammen aufgehen würde. Gleichzeitig flogen vereinzelte Wurfspeere durch die Nacht und bohrten sich in Wagen, Zugtiere und auch in einen Bewaffneten des Zwölfengrunders! Helles Gekreische schallte aus dem Waldrand, aber auch aus anderen Richtungen zu Storko und Gerbhold herüber. Man hatte sie Eingekesselt! Gut das war zu erwarten, aber nicht dass die Angreifer Feuer einsetzen würden und es ganz offensichtlich in Kauf nahmen, dass die Wagen verbrannten. Nein - sie wollten alles verbrennen. Die Falle wurde nun selbst zur Falle! Storko behielt trotzdem die Nerven und ließ den Weibel Befehle brüllen. Die Lücken zwischen den Wagen wurden sofort von dessen Männern geschlossen, während der Großteil von Gerbolds Männern versuchte, die Flammen zu ersticken. Das Kreischen wurde immer lauter und schriller - die Goblins rannten nun von allen Seiten in unbekannter, aber immenser Stärke auf den Tross zu. Die ersten sichtbaren Rotpelze waren mit stinkenden Lederharnischen oder Überresten von kurzen Kettenhemden gepanzert. Kurzschwerter, Beile und Speere waren die bevorzugten Waffen, und vereinzelt waren auch wappenlose, runde Holzschilder im Schein der Flammen zu sehen. Die größten der Feinde warfen sich in die Lücken - Kriegsgoblins. Andere versuchten auf die Wagen zu springen oder daran hochzuklettern. Aber auch der Weg unter den Wagen hindurch wurde vergebens versucht! Storkos und Gerbholds Bewaffnete befanden sich mitten in einem brennenden Hexenkessel, von einer Überzahl an Feinden umgeben!

In der Senke, wo die Reiter warteten, konnte man fast schon den Kampfeslärm hören. Traviaholds Sinne waren unter seinem schweren Topfhelm zu eingeschränkt um etwas zu bemerken. Anshag versuchte angestrengt zu lauschen, während die Knappin des Schattenholzers versuchte was in der Dunkelheit zu erkennen. Ihre Augen weiteten sich, als sie Bewegungen außerhalb der Senke ausmachen konnte. Für Golbins waren die Schatten viel zu groß, und alle hatten Schilde! Und sie waren schon viel zu nah heran und stürmten direkt auf die Senke zu. Ihr stockte der Atem, aber dann schrie sie mit aller Kraft ihrer hellen Stimme: "WIR WERDEN ANGEGRIFFEN!" Fast wie ein Geräusch, zogen alle Streiter der Schwarzen Lanze, alle Sturmfelser Kämpfer, und Sieghelm samt Knappe ihre Schwerter und sprangen auf. Der Feind kam gefährlich nahe an den Rand der Senke, um die Reiter, von denen nur die wenigsten aufgesessen waren, zurückzudrängen. Es waren fast ein Dutzend Menschliche Söldner in Kettenhemden, mit Säbeln und Verstärkten Schilden, auf denen Geierköpfe prangten! Sie kämpften in Formation und hielten ihre Reihen zusammen, während die Reiter am Rand der Senke in schlechterer Position kämpfen mussten. Säbel und Schwerter prallten auf Schilde. Kampfeslärm und Schmerzensschreie vermischten sich. Irgend etwas war furchtbar schief gegangen! Der Bastard aus dem Wutzenwald, der es ebenfalls nicht mehr auf sein Streitross geschafft hatte, stand mit gezogenem Zweihänder an der oberen Kante neben seiner Knappin und wuchtete in einen Vorläufer, dem er mit einem Hieb das Bein abtrennte, welches in hohem bogen durch die Luft flog. Unter dem Drachenflügelhelm des großen Ritters gellte eine unheilvolle Stimme: "ZERHACKT SIE!" Während Deggen, der schneller war, als man es ihm zutraute, mit seiner Klinge einen Schild der Geier mit einem gekonnten Hieb in zwei Teile spaltete!

Anshag hatte es nicht mehr auf das Pferd geschafft und so stand er nun mit seinen Leuten zusammen und bekämpfte die Söldner. Sein gezogener Morgenstern peitschte um den Schild eines der Söldner und traf diesen an der Schläfe, sodass er mit hochgerollten Augen zu Boden ging. Sein Bannerträger lag schwer getroffen am Boden. "Diese elenden Söldner! Keine Gefangenen! Für Darpatien!" Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Anshags halbelfischer Waffenknecht auf und nahm Anshags Armbrust vom Pferd. Er wusste um die Paranoia seines Herrn und das diese geladen war. Während er einen der Söldner mit einem gezielten Schuss niederstreckte rief er Anshag zu: Die Wagen werden von den Goblins angegriffen und brennen, wir müssen uns beeilen Herr!" Durch diese Nachricht angestachelt fingen nun Anshags Leute an den Gegner Schritt um Schritt zurückzudrängen. Mit tödlicher Effizienz sausten Klingen und Morgenstern durch die Nacht und töteten was sie trafen.

Storko hatte sich in der Mitte der Wagenburg positioniert und überblickte mit geladener Armbrust die Situation. Zwei der drei Wägen hatten schon Feuer gefangen und weiterhin prasselten immer wieder Brandgeschosse auf sie herab. Auch auf einem aufgestellten Zelt wanderten die Flammen hoch. Wild lief die Landwehr umher und versuchte vergebens mit Trampeln auf den Zeltplanen zu löschen. Ein Speer sauste durch die Luft und traf eine arme Frau in den Rücken, sodass sie zusammenknickte. Sein erfahrener Weibel ‚Spieß’ Wehrheimer stand neben ihm und hielt gerade sein großes Schild hoch. „Klonk“ mache es als der Wurfstein am schweren Schild abprallte. „Wir müssen die Stellung unbedingt halten bis die Reiter kommen.“ sprach Storko im Befehlston. „Jawohl“ antwortete der Unteroffizier knapp. „Stellung halten! Lasst den Feind nicht über die Linien!“ brüllte er den Soldaten weiter vorne zu. Storkos erprobte Soldaten hatten sich mit nochmals so vielen mäßig Bewaffneten der Landwehr an der dem Wald zugewandten Seite eng positioniert. Die Karren daneben brannten, doch auch für die Rotpelze waren die Flammen ein Hindernis um das sie herum mussten. Dicht aneinander standen sie in einer Schlachtenreihe. Die ersten hielten die großen Schilder nach vorne und holten manches Mal mit dem Kurzschwert aus, während die zweite Reihe mit ihren Glefen nach vorne stach wenn sich ein Goblin heran wagte. Immer wieder prasselte ein Pfeil an den Schildern ab oder ein Speer schlug daran vorbei. Am Rande der Schlachtenreihe war die Landwehr eingesetzt, die wohl schon längst zurück gewichen wäre hätten die Soldaten die Stellung nicht eisern gehalten. Man merkte, dass es sich nur um einfache Freie handelte, die zum Waffendienst eingezogen worden waren. Storko sah kurz zur anderen Seite hinüber. In nicht einer ganz so engen Reihe kämpften die Zwölfengrunder gegen den anstürmenden Feind. Abgesehen von dem Junker Gerbold, Leubold der Knappin – die in erster Reihe kämpften - und einer Handvoll besser ausgerüsteten Waffenknechte waren es ebenfalls eingezogene Freie denen man die Angst ansehen konnte. Zum Glück konnten sie nicht fliehen, sie waren eingekesselt und das bedeutete Siegen oder Sterben. „Waaagh!“ mit einem brüllen sprang ein todesverachtender Rotpelz mit einem Säbel in den Händen über einen brennenden Karren inmitten der Wagenbug in Richtung Storkos. Schnell drehte er sich wieder um, legte die Waffe an und drückte ab. Der Bolzen flog nur weniger als fünf Schritt durch die Luft und traf den Goblin an der Schulter. Blut spritzte. Durch die Wucht des Einschlags wurde der Feind um 180 Grad herumgeschleudert. Schnell machte Spieß Wehrheimer ein paar Schritte nach vorne und schlitze ihn von hinten mit dem Schwert auf. Noch einmal Glück gehabt. Er begann seine leichte Armbrust neu zu spannen. Noch konnten sie durchhalten, aber die Verwundeten, die in der Mitte zusammengetragen und von der Heilerin notdürftig versorgt wurden mehrten sich und erreichten bald zweistellige Zahlen, gar einer von Storkos Soldaten wurde schon mit aufgeschlitztem Bein ins Feldlazarett gebracht.

Der Kampf an der Senke wogte hin und her. Anshag von Sturmfels konnte mit seinen Männern ein paar Schritte Boden gut machen, so dass er nicht mehr in der schlechteren Position kämpfen musste. Sieghelm und sein Knappe gehörten zu denen, die es auf ihre Pferde geschafft hatten und versuchten nun einen Ausfall. Der Geweihte der Rondra tötete den Söldner, dessen Schild er zerschlagen hatte, mit zwei schnellen Hieben. Die Schwarze Knappin die weiter an der Seite von Traviahold kämpfte, parierte Schlag um Schlag mit ihrem Schild. Der Geier-Söldner vor ihr wurde immer offensiver. Sein nächster Schlag mit dem Säbel, glitt über die Schildkante der Knappin hinweg, und schlitzte ihr durch die vordere Öffnung ihres Schallers, wobei der Schlag nur knapp ihr Auge verfehlte und stattdessen ihre Wange aufschlitzte. Durch das Blut, das ihr ins rechte Auge spritzte, war ihre Sicht jetzt beeinträchtigt. Nur mit Glück gelang es ihr zu kontern und ihm ihr Kurzschwert in den Hals zu rammen, worauf ihr Gegner röchelnd zusammensackte. Der Bannerträger der Schwarzen Lanze hielt sich in der zweiten Reihe und hielt das Banner aufrecht. Yantur Zertel stand vor ihm und deckte ihn mit seinem Schild. Der ältere Schreiber wurde am Oberarm seines Waffenarms getroffen, so dass er halb Kampfunfähig wurde, und nur noch seinen Schildarm heben konnte um sich und den Bannerträger zu schützen. Traviahold wurde scheppernd von einem Schlag des Gegners getroffen, der aber an seinem schweren Panzer einfach abprallte. Der Söldner, der jetzt die Aufmerksamkeit des großen Ritters auf sich gezogen hatte, wurde kurz darauf einfach von dessen Zweihänder durchbohrt, so dass die schwere Klinge wieder hinten aus dem Rücken des Geiers austrat. Mit einem kräftigen Tritt trat der Schattenholzer den noch zuckenden Söldner nach hinten und dadurch seine Waffe frei. Über die Hälfte der plötzlichen Angreifer, die sich eigentlich in der Unterzahl befanden, waren bereits gefallen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die restlichen "Geier-Kinder" niedergekämpft sein würden.

Beim Kampf um die Wagen sah es hingegen immer schlechter aus. Zwar lagen schon viele blutige Goblins tot am Boden, aber ihr Ansturm ebbte nicht ab. Das Geschrei der Rotpelze wurde plötzlich lauter - Chraaz "der Verräter" selbst hatte den Schlachtplatz betreten! In gehärtetem Lederharnisch, mit Kriegsbeil und verstärktem Holzschild, auf dem Stücke von Reto dem Waffenknecht genagelt waren. Mit über einem Dutzend Kriegsgoblins brach er in die Reihe des Zwölfengrunders, und sprang einem Mann der Landwehr direkt ins Gesicht und brach diesem so das Genick. Gerbhold, Leubold und die Knappin standen dabei wie ein Fels in der Brandung und brachten so viele Gelegenheitsangriffe wie Möglich gegen die Goblins an. Chraaz hackte und biss sich den Weg frei, bis ihm der Durchbruch ins Zentrum gelang, wo er jetzt ein heilloses Durcheinander und Chaos anrichtete, während eine Handvoll Kriegsgoblins ihm folgten. Der Wehrheimer stellte sich ihm direkt in den Weg, bevor der Goblinische Kriegsfürst die Trossheilerin niedermetzeln konnte, während Storko verzweifelt erkennen musste, dass er niemals rechtzeitig mit seiner Ladetätigkeit fertig werden würde!

Chraaz brüllte in Richtung der Menschlinge „Rahhgh!“ Gut waren seine für einen Goblin beachtlichen Hauerzähne, die zudem mit Menschenblut überzogen waren, zu erkennen und trieben zwei Verletzte der Landwehr, die direkt unweit der Heilerin standen, ein Schaudern über den Rücken. Er schien zu erkennen, dass es sich bei dem gepanzerten Menschen in der Mitte um einen Anführer handeln müsste – er war wohl klug genug um zu schließen, wenn er diesen zur Strecke gebracht haben würde, dass die Menschen besiegt seien – und machte sich mit schnellen Schritten weiter in die Mitte der Wagenburg auf. Die beiden Verletzten wollten fliehen, doch der wütende Goblin hackte dem einen mit seinem Beil über den Rücken und gab mit befehlendem Grunzen weiteren drei Gefolgsleuten, die gerade die äußeren Reihen durchbrochen hatten, an sich dem Lazarett zu widmen.

Storko warf die halb geladene Armbrust bei Seite, denn nur noch wenige Schritte trennten ihn von dem Feind. Damit hatte er nicht gerechnet. Wo waren sie, seine Mannen – sie mussten die Stellung halten und der Spieß hatte sich den anderen Rotpelzen zugewandt um die Verletzten zu schützen. Er klappte das Visier seines Schallers hinunter und zog mit erstaunlich schnellen Bewegungen seinen Anderthalbhänder aus der Rückenscheide – nun das wurde in der Kadettenanstalt ausgiebig exerziert. Durch die Schlitze des Helmes sah er an der Seite wie sich sein Weibel mit drei Goblins herumschlug und auch einen Hieb einer Keule an seinem Eisenhut einstecken musste. Chraaz brüllte weiter während er einen Sturmangriff in seine Richtung wagte. Storko hielt das Schwert in die Höhe um den kommenden Schlag abwehren zu können. Der Goblin sprang und schwang das rostige Kriegsbeil auf den Kopf des Feindes zu. Die Muskeln des Gernatsborners spannten sich unter den Plattenteilen an als er mit aller Kraft den schweren Schlag parierte. Mit Anstrengung schob er den Goblin samt seiner Waffe nach vorne und holte nun von seiner Linken zum Hieb aus. Schweißperlen bildeten sich an seiner Stirn und die Atmung wurde schwer. Für Chraaz war es nun zu spät sein Schild auf die andere Seite zu bringen und er sprang behäbig nach hinten um auszuweichen. Doch vergebens, das letzte Viertel der Schneide traf ihn an der rechten Schulter des Waffenarmes. Die Klinge durchschnitt die speckigen Lederschichten seiner Rüstung und bohrte sich sanft durch Fell und Fleisch. Etwas Blut drang heraus und überzog die Klinge. Die Wunde war wohl nicht sehr tief, denn anstatt geschwächt zu wirken wurde Chraaz nur wütender. Wo blieb denn die Reiterei, sie hätte doch schon längst hier sein müssen, dachte sich Storko. Doch der wütende Rotpelz gab ihm nicht viel Zeit zum Nachdenken. Mit Gekreische holte er wieder aus. Ihm war geradezu anzusehen, dass er am liebsten in die Kehle des Feindes beißen würde, wäre da nicht die deckende Plattenrüstung. Das Beil sauste auf die Brust zu, Storko versuchte zu parieren, die Wucht des Axtblattes konnte abgefangen werden doch scharrte es noch an den Plattenteilen und hinterließ wohl eine hässliche Kerbe an der schönen Rüstung. Chraaz gab seinem Gegenüber keine Gelegenheit zur Pause, der nächste Schlag folgte von der anderen Seite. Storko wich einen Schritt zurück und parierte. Von rechts holte er nun mit der Klinge aus und zielte auf den Kopf es hässlichen Gegenübers. Der Rotpelz reckte sein Schild in die Höhe, wovon ein Stück Holz bei der Parade herausgeschlagen wurde. Anstatt mit der Waffe anzugreifen holte er nun mit dem Schild aus, doch nein er schleuderte das Schild in Richtung des Kopfes des Gepanzerten vor ihm. Als das schwere Holzschild den Schaller und das Haupt drin traf wurde Storko kurz schwindelig. Genau das wollte der gerissene Goblin. Storko hatte durch die Schlitze des Helmes nicht gesehen, dass während er zurückgewichen war er nun nahe einem kleinen Felsen hinter ihm stand. Chraaz sprang nun affig auf Storko zu und traf ihn mit seinen Füßen am Unterleib um ihn nach hinten zu schleudern. Wenn er den Gepanzerten nicht gut besiegen konnte, dann musste er eben schmutzige Tricks anwenden. Durch die Desorientierung stürze der Offizier nach hinten über ein paar Steine und viel auf den Rücken. Chraaz schrie gellend auf, holte mit beiden Armen das Kriegsbeil umgreifend aus und hackte dem Feind das Axtblatt ins Bein. Plattenteile verzogen sich und Kettenteile zerbarsten bei dem mächtigen Hieb – dunkles Blut gwoll bei Storkos rechtem Knie heraus. Der Schmerz bohrte sich in seinen Kopf hinein, er schrie auf, Tränen rollten seine Wange hinunter während er vergebens versuchte das Schwert in der linken nach dem Rotpelz zu schlagen.

Mit wuchtigen Schlägen verteidigte Anshag seine Position. Aus den Augenwinkel heraus konnte er sehen, wie Traviahold getroffen wurde und seinen Gegner daraufhin niederstreckte. Fast schon ein wenig erleichtert stellte Anshag danach fest, dass die meisten Gegner bereits besiegt waren und so schaffte er es mit drei beherzten Schritten zu seinem Pferd, sodass er aufsteigen konnte und seinen Morgenstern gegen sein treues Schwert tauschen konnte. Mit dem Pferd ritt er mitten in die feindlichen Söldner, die überrascht zur Seite sprangen und so ihre Position aufgeben mussten. Einer der zu mutig war, wurde von Anshag einfach über den Haufen geritten, auch wenn er dabei einen tiefen Schnitt am Bein davontrug, der nun stark blutete. Doch wie im Kampfrausch setzte Anshag seine Schläge nach links und rechts, durchbohrte hier einen Gegner und schlug dort einem anderen den Schädel mit seinem Schild ein. Der Kampf musste beendet werden, wollte man den Verbündeten bei den Wagen noch helfen!

Sieghelm hatte seinem Pferd die Sporen gegeben und man hätte glauben können, er wolle sein Heil in der Flucht suchen. Doch wer ihn kannte, wusste es besser. Dass sein Knappe bei ihm war, hatte er wahrgenommen. Auch einige anderen schienen ihm zu folgen. Ohne sich umzudrehen signalisierte er, was sein Plan war. Einen weiten Bogen zu reiten, um den Feind dann von hinten anzugehen. Er würde es mit Lanze tun, die leichteren Reiter mit ihren Klingen oder was auch immer sie führten. Als er den Bogen ritt, konnte er den Feuerschein in der Ferne sehen und der Lärm von dort verhieß nichts Gutes. Was er auch tun würde, er würde jemanden im Sticht lassen. Dennoch fiel ihm die Entscheidung leicht. Die anderen schienen langsam die Oberhand zu gewinnen und dieser Teil ihrer Streitkraft war sicher der stärkste. Dort kämpften aber auch wahre Freunde um ihr Leben. Schlotzer und nicht hergelaufene Söldlinge und Deserteure…

Er ritt eng an den Söldlingen die unter dem Geier kämpften vorbei. Zumindest sollten sie denken, er hätte es auf sie abgesehen und so ihre Position schwächen. Sieghelm hoffte es, konzentrierte sich aber voll auf sein Ziel. „Das Horn!“ brüllte er zu seinem Knappen. Kurz darauf war es zu vernehmen. Der Junge hatte seinen Schwertvater gehört und entlockte dem Jagdhorn einen lauten Ton. Nicht perfekt, aber darum ging es dem alten Firnsjöner auch nicht. Die Goblins sollten glauben, dass ihnen bei der Senke der Durchbruch gelungen war und ihnen schon bald in den Rücken fallen würden.

So hatte er sich das nun nicht vorgestellt. Leubold tat alles um die Stellung halbwegs zu halten und den Männern und Frauen ein Vorbild zu sein. Er war schon mehrmals getroffen worden, wenn auch das Kettenhemd das meiste abgehalten hatte. „Leubold, zur Mitte!“ Übertönte der Ruf seines Vaters den Lärm der Schlacht. „Bildet einen Kreis um die Verwundeten.“ Leubold tat das Beste tat, um den Plan seines Vaters umzusetzen. Sie rückten näher zusammen und wichen langsam zurück. Gerbold hingegen hatte etwas anderes vor.

Der Großteil der Feinde drang auf sie ein, so viel schien klar. Chraaz selbst hatte eingegriffen und Reserven würde er kaum zurückhalten. Mit einem kurzen Blick auf die nahe Stehenden. Praiane, seine Knappin, der alte Oswin, der mit der Landwehr schon gegen den Ork gezogen war, und eine der Waffenmägde des Barons. Wie hatte es doch der alte Hagen in seiner Knappenschaft immer gepredigt: ‚Angriff ist die beste Verteidigung’. In diesem Sinne würde er handeln. „Für Schlotz!“ Mit diesem Ruf gingen er und die drei anderen zum Gegenangriff über. Es mochte bessere Pläne geben, aber Goblins ging man am Besten mit Mut und einer gewissen Portion Aggressivität an. In diesem Augenblick hörte er auch einen Hornstoß. Von wem er auch kam, er kam nicht von den Goblins.

Nur noch eine Hand voll Söldnern der „Geier-Kinder“ waren an der Senke übrig. Ihre Moral begann bereits zu schwanken, auch wenn es den Anschein hatte, dass Teile der Reiter bereits flüchteten. Aber langsam dämmerte es ihnen. Chraaz hatte sie belogen. Der verdammte Goblin machte seinem Namen alle Ehre – sie waren nur ein Ablenkungsmanöver, die dem Drecksgoblin mehr Zeit verschaffen sollten! Der Goblin-Kriegsfürst hatte niemals vor, ihren Angriff auf die Reiter zu verstärken!

Traviahold und die Schwarze Knappin ließen sich jetzt zurückfallen. „AUFSITZEN“ donnerte es unter dem schwarzen Helm hervor. Der Sturmfelser hatte die letzten Angreifer unter Kontrolle, so dass der Schwarzen Lanze genug Zeit und Raum blieb, um als letzte auf ihre Rösser zu steigen, wobei Traviahold in überschwerer Panzerung am längsten brauchte. Er steckte seinen Zweihänder „Hunger“ blutverschmiert in die große Scheide und zog seine Ogerschelle und seinen großen gelbschwarzen Ritterschild. Die letzten Söldner wurden kurze Zeit später von Anshags Reitern und der Schwarzen Lanze bis auf den letzten Mann geschlagen und auch Deggen leistete sein Beitrag gegen die finsteren Söldlinge. Der Weg zu Storko und Gerbhold war somit frei. Endlich konnten sie den restlichen Streitern des Schutzbundes zu Hilfe kommen. Sieghelm und dessen Knappe waren einfach schon losgeritten, hatten einen entsprechenden Vorsprung, und zogen die Reiter somit weit auseinander. Traviahold ließ sich aber nicht beirren und bildete zusammen mit Anshag an der Spitze eine Keilformation mit allen anderen Reitern und hielt unaufhaltsam auf die Position des Trosses zu.

Chraaz war der Laut des Hornes nicht entgangen, das nur von den Reitern stammen konnte, da keiner seiner angeheuerten Söldner so eines dabei hatte. Er parierte einen Schlag von Storkos Anderthalbhänder, der vor ihm auf dem Boden lag. Sein Kriegsbeil fuhr erneut nieder, das der Offizier mit letzter Kraft aufhalten konnte, so dass beide Waffen fast bewegungslos gegeneinander drückten. Storko war zwar stärker, aber er lag auf dem Rücken und war schwer verletzt. Chraaz hatte zwar weniger Kraft, aber konnte sein ganzes Körpergewicht dagegen stemmen. Der Goblin-Held spürte plötzlich das herannahende Donnern von vielen Hufen. „Verrrdammt!“ Chraaz ließ von Storko ab, sprang zurück, blickte sich kurz um und sprang einfach durch ein Feuer, das ihm sein Fell versengte, aus der Sicht der Verteidiger, und floh in die Dunkelheit und in den Waldrand des Wutzenwaldes, der ihn genauso schnell verschluckte, wie er auftauchte. Die anderen Rotpelze merkten erst viel zu spät, dass ihr Anführer geflüchtet war, und schauten nun panisch in die Richtung, in der nun jeder das Herannahen der Reiter hören konnte. Sieghelm und dessen Knappe brachen zuerst schwertschwingend durch die Goblins, direkt ins Zentrum des Trosses. Wenige Augenblicke später folgten die anderen Reiter und donnerten so hart in den Feind, außerhalb der Wagen, dass einige Goblins regelrecht durch die Luft gewirbelt wurden und mit gebrochenen Gliedmaßen auf dem verbrannten Boden aufschlugen!

Storko versuchte sich aufzurappeln doch knickte er wieder am rechten Bein zusammen. Die Wunde war tief und dunkles Blut floss heraus. Vor Schock und Anspannung fühlte er nun keinen Schmerz. „Sanitäter!“ rief er in die Umgebung. Kurz nach dem Spieß Wehrheimer den letzten Goblin in seiner Umgebung ins Totenreich geschickt hatte kam er gleich zu seinem Offizier um ihn zu stützen. Mühselig schleppte er sich mit der Hilfe in die Mitte zum Feldlazarett. „Schnell Heilerin! Kümmert euch um Storko von Gernatsborn-Mersingen ä.H.!“ sprach er in einem befehlenden Ton zu der Frau die sich um die Verletzten kümmerte. Unter dem Druck ließ die gute Heilerin von einem Patienten ab und begann Storkos rechtes Bein zu versorgen – auch wenn es unter den anderen weitaus ernstere Verletzungen gab. Der Kampf schien derweil gewonnen zu sein, denn die heranstürmenden Reiter gaben dem Rotpelzgesindel den Rest. Wo Chraaz abgeblieben war, das wusste er nicht, jedenfalls war die Streitmacht des Goblin-Kriegsfürsten erst einmal gebrochen. „Lasst durchzählen“ befahl er dem Unteroffizier, worauf der sich zu seiner Mannschaft abwandte. „Ahhh“ die Schmerzen wurden wieder schlimmer. Er wagte einen Blick auf sein Bein, während Verbände vorbereitet wurden. Es sah nicht gut aus.

Nachdem Leubold Travian, einem der Waffenknechte seines Vaters, das Kommando übergeben hatte, tat er es seinem Vater gleich. Mit den verbliebenen Knechten und Mägden seines Vaters und des Barons ging er ebenfalls in die Offensive. Travian machte sich derweil daran die Mitte weiter zu sichern. Wer konnte schon wissen, was dieser Haderlump noch in der Hinterhand hatte? Außerdem, die Männer und Frauen würden heute mit Sicherheit keinen Angriff mehr führen. Marbert, von dem Travian wusste, dass er häufig den Wald und Zirkel aufsuchte, machte sich schon daran, seine Heilkünste einzusetzen.

Leubold kam im Gegensatz zu den anderen schnell voran, wurden doch einige von Chraaz ‚Elite’ oder Schwerverletzten aufgehalten, die dringend Hilfe brauchten. So tauchte Leubold in den Schatten des Waldes ein und traf auch schnell auf einen Goblin, der schwer an seiner Beute trug. Offenbar hatte er irgendeinen Waffenknecht um seine Ausrüstung erleichtert. Der Kampf war schnell entschieden, ehe er richtig begonnen hatte. Ein schneller Hieb des jungen Ritters und der Goblin stand nie wieder auf. Doch mit dem Angriff von der Seite hatte er nicht gerechnet. Einer der gut ausgerüsteten Goblins griff mit großer Aggressivität an. Leubold wurde zurückgedrängt, hielt jedoch stand. Ganz auf den Goblin konzentriert, bemerkte er den weiteren Gegner der von der Seite beinahe zu spät. Er sah seine einzige Chance darin, den ersten Feind schnell niederzustrecken. Zunächst sah auch alles danach aus, dass es gelingen würde. Mit dem Schwert konnte er die Waffe zur Seite schlagen, um dann mit einem Stoß seines Schildes nachzusetzen. Doch dann war auch der andere heran, der sich als Chraaz selbst offenbarte. Ohne Deckung und leicht nach vorne gebeugt, bot Leubolds Gesicht ein gutes Ziel. Seinen Kopf konnte er noch leicht zur Seite drehen, doch dennoch traf ihn der Hieb. Von der Stirn ging er über das rechte Auge an der Nase vorbei. Der Schmerz war gewaltig und ließ ihn zu Boden gehen. Schon war Chraaz über ihn und hieb in unbändiger Wut auf den Leib des Ritters. Die Klinge drang durch die Kettenpanzerung. Doch der Kriegsfürst konnte sein Werk nicht zu ende führen. Weitere Menschen kamen in seine Nähe. Nach einem weiteren Hieb, machte er sich endgültig in den Wald davon.

Anshag saß hoch zu Ross. Die letzten Goblinschergen waren tot oder aber in die Dunkelheit entkommen. Der Kampfeslärm verstummte und das Schreien und Stöhnen übernahm nun die Vorherrschaft. Eine Geräuschkulisse die Anshag immer wieder einen Schauer über den Rücken jagte. Sein halbelfischer Waffenknecht näherte sich ihm und drückte auf die Stelle am Bein, an der Anshag sich einen tiefen Schnitt zugezogen hatte.

"Ah! Was ist in dich gefahren? Lass das, das schmerzt niederhöllisch" rief Anshag überrascht aus und versuchte den Waffenknecht mit einer Handbewegung zur Seite zu wischen, der allerdings behände auswich. "Wenn Ihr die Wunde nicht versorgen lasst, wird sie mit Sicherheit brandig werden Herr, also lasst mich bitte machen." Anshag murrte: "Na gut. Aber wehe dir, du drückst da nochmal drauf!" Kopfschüttelnd begann der Halbelf mit geübten Fingern seine Arbeit und versorge die Wunde, während Anshag noch auf dem Pferd saß. Er überblickte das Schlachtfeld. Zwar wurden so gut wie alle Goblins besiegt und doch hatte er einen schalen Geschmack im Mund, denn der Anführer war ihnen entkommen und es wird mit Sicherheit nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir von ihm gehört haben, dachte Anshag bei sich. Nachdem er versorgt war stieg er ab und belastete vorsichtig sein Bein. Humpelnd ging er zu den Leuten seiner Lanze. "Gut gekämpft Jungs und Mädels aber Adran wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst mit dem Schwert parieren und nicht mit dem Körper" sagte Anshag halb scherzend halb vorwurfsvoll. "Werde es beim nächsten Mal berücksichtigen Herr." war die Antwort des Bannerträgers, der trotz des harten Treffers das Banner aufrecht gehalten hatte. Er nickte Storko anerkennend zu und ging mit humpelnden Schritten zu Traviahold hinüber und ließ seine Hand auf dessen Schulter ruhen. "Gut gekämpft, das muss und will ich Euch lassen. Wahrlich beeindruckend, wie Ihr es versteht mit dem Schwert zu zwei Händen umzugehen." Trotz seiner Verletzung war Anshag glücklich, denn durch diesen Kampf spürte er wieder das Leben durch sich pulsieren und empfand sich nicht als alternder Landverweser.

Die Ogerschelle des Schattenholzers hatte unter den Goblins genau wie sein Zweihänder zuvor unter den Söldnern, blutige Ernte gehalten. Die zwei dornenbewehrten Eisenkugeln hingen nun nach dem Kampf wieder ruhig, als Verlängerung seines Waffenarms herab. Blutige Fleischfetzen und rote Haare klebten noch daran. Traviahold blickte sich um, nachdem die letzten flüchtenden Goblins von seiner Lanze gnadenlos abgeschlachtet wurden. Diese Monster hatten keine Gnade zu erwarten. Überall lagen ihre kleinen zerschmetterten Körper herum und vereinzelt brannten immer noch kleinere Feuer, die aber keine Gefahr mehr für die restlichen Wagen darstellten. Die Schwarze Knappin hatte ihren Schaller ausgezogen. Die Wunde unter ihrem rechten Auge, die ihr wilder aussah, als sie wirklich war, würde als Narbe zurückbleiben. Yantur Zertel, der Schreiber der Schwarzen Lanze, der zuvor schon lahm war, würde wohl durch seine Verwundung am Waffenarm weiter zum Krüppel werden. Der Rest seiner Schwarzen Lanze war lediglich verletzt. Anshag von Sturmfels und dessen Reiter hatten sich trotz des Hinterhalts hervorragend geschlagen. Auf den ersten Blick konnte er keine Verluste unter diesen erkennen. Bitterer war es jedoch für die Verteidiger des Trosses gelaufen. Leubold und Storko waren beide schwer verletzt - beide von Chraaz, der mit einer Handvoll Kriegsgoblins entkommen war. Auch sah er mindestens drei unter den Waffenknechten und Landwehr, die entweder schon tot waren, oder ihren Verletzungen unweigerlich erliegen würden. Zu wem diese gehörten, konnte er auf Anhieb nicht sehen. Traviahold zog seinen blutbesprenkelten schwarzen Helm aus. Seine dunklen Haare klebten schweißnass an seinem Gesicht. Die Goblins waren besiegt, auch wenn ihr Anführer davon gekommen war. Diese empfindliche Niederlage würde dem "Goblin-Helden" auch unter seines gleichen nicht so schnell verziehen werden. Über dreißig Rotpelze waren gefallen. Aber was war nur geschehen. Wie konnten sie mit ihrem Hinterhalt selbst in einen Hinterhalt geraten. Die Feuergeschosse, die auch hemmungslos gegen die Wagen eingesetzt wurden zeugten davon, dass Chraaz gewusst haben musste, dass sich keine Beute in ihnen befinden würde. Und was hatte es mit den Söldnern der "Geierkinder" auf sich, die ihnen bei der Senke auflauerten und ein schnelles Eingreifen beim Tross verhinderten? Nur ein Verräter aus den eigenen Reihen konnte hierfür verantwortlich sein. Der Bastard aus dem Wutzenwald schritt zu seinem Freund Storko hinüber um sich erstens zu vergewissern, dass er wohlauf war und zweitens um sich aus erster Hand berichten zu lassen und um selbst zu berichten, was vorgefallen war.

Nachdem die beiden einander ausgetauscht hatten betrachtete auch Traviahold den verletzten Fuß des Gernatsborners. Mittlerweile war schon notdürftig versorgt worden, doch die blutgetränkten Verbände um das Knie herum kündigten von einer schweren Wunde. Storko sah auch deutlich geschwächt und gar etwas schockiert aus. „Das sind alles keine guten Neuigkeiten.“ lamentierte Storko „nicht nur, dass sich die Rotpelze mit Söldnern zusammentun – ich habe das schon einmal im Winter erlebt, aber das ist eine andere Geschichte – sondern auch, dass Chraaz von unserer List gewusst haben muss ist sehr seltsam. Denkt ihr es gibt einen Verräter unter uns? Das könnte ich kaum glauben, wer würde denn einen Nutzen aus Chraaz ziehen und wäre so verwegen.“ Mühevoll half ihm der Weibel hoch. Mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte er sich nur auf das gute Bein zu stützen. „Wie auch immer, wir haben dem Kriegsgoblin einen schweren Schlag versetzt, sodass er unseren Dörfern und Gütern nicht mehr gefährlich werden kann. Falls wir ihn in weiterer Folge nicht finden, ja dann sollte der Schutzbund vielleicht ein Kopfgeld auf ihn aussetzen.“ Storko legte seinen Arm hoch auf die Schulter Traviaholds, eigentlich auch um sich an ihm abzustützen. „Traviahold, Phex war mir nicht hold und der verfluchte Goblin hat mir einen schweren Schlag versetzt. Ich bin für den weiteren Verlauf des Kriegszugs mehr eine Last als ein Nutzen, deshalb werde ich mich mit meinen Schwerverwundeten nach Gernatsborn zur Genesung zurückziehen. Meine restlichen Männer“ – und er blickte zur Seite wo sein Weibel Hagen Wehrheimer stand – „stelle ich unter euer Kommando, es sind allesamt erprobte Soldaten, die in so manchen Schlachten und Scharmützeln fochten. Wir verfolgen ja gemeinsame Ziele und ich vertraue euch dabei ganz.“ Der vollbärtige Weibel nickte bestätigend.

Traviahold nickte. „Ich danke Euch, für Euer Vertrauen, Storko.“ Der Ritter Alten Schlages blickte zu den Gernatsborner Fußsoldaten. Neben dem Weibel waren noch fünf der Soldaten weiter einsatzbereit, der Rest würde seinem Freund in dessen Gut folgen. „Ich werde auf die Gernatsborner Soldaten genauso achten, wie auf meine eigenen Männer. Und ich hoffe dass ihr so schnell wie möglich wieder genesen werdet, damit Ihr wieder zu uns stoßen könnt.“ Der Ritter drehte sich zu Anshag von Sturmfels um. „Auch Ihr und eure vier Reiter habt sehr tapfer an meiner Seite gekämpft, Hallinger. Wären wir nur ein paar Mann weniger gewesen, wäre es sehr hässlich geworden. Man kann auf euch in einer Schlacht zählen, aber daran habe ich eh nicht gezweifelt, Anshag.“ Traviahold ging auch zu den anderen Schlotzer Adligen um sich zu vergewissern, dass diese Wohlauf waren. Leubolds Gesicht sah fürchterlich aus und dessen rechtes Auge war verloren. Er hörte dass Chraaz dafür verantwortlich war, genau wie für die schwere Verletzung von Storko. Eine zeitlang blickte er Nachdenklich in die Dunkelheit des Wutzenwaldes, bis er sich abwandte und der Schwarzen Knappin befahl zusammen mit zwei weiteren Schattenholzern und zwei Reitern von Anshag, die beschädigten Kettenpanzer, Säbel und die noch brauchbaren Schilde der zehn Geierkinder an der Senke zu bergen. Die Schattenholzer waren sich dafür nicht zu schade – plündern war eine ihrer Spezialitäten. Mit den geborgenen Waffen und Rüstungen konnte man eventuell neue Männer ausstatten. Nichts wurde liegen gelassen. Auch nicht die vielen Kurzschwerter, Beile und Speere der Goblins. Für eine Landwehr waren diese Waffen immer noch gut genug. Die bei den Söldnern gefundenen Münzen, teilten die Reiter unter sich auf.

Der alte Ritter von Firnsjön, der unter seinen Männern und Frauen stand, schüttelte nur den Kopf als er das sah. Söldner, was sollte man da auch erwarten? Ihre Ehre hatte noch nie weiter gereicht, als der Schatten eines Goblins. Er wandte sich ab und machte sich daran, Anweisungen für den Aufbruch zu geben.

Traviahold dankte auch der erfahrenen Trossheilerin aus Wutzenbach, ohne sie wären wahrscheinlich viele Waffenknechte in den nächsten Tagen an Wundfieber erkrankt, was in der Wildermark den Tod bedeutete. Die Heilerin nickte dem Ritter zu und senkte ihr Haupt. Sie wußte, dass die Schwarze Lanze schon oft ihren Ort vor Landstreichern und Schlimmerem bewahrt hatte.

Nachdem alle Verletzten für den Transport vorbereitet waren und die geborgene Ausrüstung verstaut war, machte der Zug sich auf den Weg. Nicht ohne sich zuvor von Storko und seinen schwerer verletzten zu verabschieden, die sich auf den Rückweg gen Gernatsborn machten. Gerbold und Sieghelm hingegen hatten beschlossen, ihre Verwundeten mit den Wagen nach Siebeneichen zu bringen. Dort sollten sie sich soweit erholen, bis sie zurück in ihre Heimatorte konnten. Auch die Gefallenen nahmen sie mit nach Siebeneichen. Auf dem dortigen Boronanger sollten sie eine göttergefällige Bestattung erfahren. Gräber auf geweihtem Grund. Der Rest ritt und marschierte Richtung Siebeneichen, das jetzt im Morgengrauen in gar nicht so weiter Entfernung schon zu sehen war. Das Dorf war gerettet. Traviahold konnte es kaum erwarten Ritterin Praiosmin von Siebenstein wohlauf zu sehen.

Gerbold ritt nachdenklich neben dem Wagen mit seinem Sohn. Er hatte Praiane nach einer kurzen Rast als Botin nach Sokramshain geschickt. Sie sollte Ludalf, den Heiler der sich bei ihnen niedergelassen hatte, nach Siebeneichen holen. Vor allem aber sollte sie mit seinem Ältesten sprechen. Ludalbert würde wissen, wen er aufzusuchen hatte. Einer vom Zirkel würde nach Siebeneichen kommen. Er hatte ihnen stets geholfen, nun war es an ihnen, Leubold zu helfen. Er würde in Siebeneichen bleiben und mit ihm seine Leute, alle. Das war für ihn beschlossene Sache. Sokramshain und seine Familie hatten genug geleistet. Siebeneichen würde er noch zu sichern helfen, nicht das die Goblins nun in einer letzten Aktion zu schlagen. Aber sein Bedarf an Kriegszügen war vorerst gedeckt.


Siebeneichen - 18. Rahja 1032 BF

Sieben blaue Eichenblätter auf silbernem Grund – das Wappen von Siebeneichen. Der Zweihundert Seelen große Ort hatte keine nennenswerte Verteidigung, die diesen Namen verdiente. Zwischen den äußeren Häusern hatten die Bewohner behelfsmäßige Barrikaden errichtet. Zunächst blickten die Einwohner, die am Haupteingang mehr oder weniger Wache standen, angstvoll. Ihre Bewaffnung war nur Improvisiert, nur hier und da war eine echte Waffe zu sehen. Ihre schiere Masse hatte wohl zuvor die Goblins abgehalten. Doch dann schauten sie erleichtert, denn sie erkannten wohl das Banner Traviaholds wieder, der vor nicht all zu langer Zeit hier war. Die nächtlichen Kämpfe vor Siebeneichen und die Feuer schienen ihnen nicht entgangen zu sein. Auch Ritterin Praiosmin erwartete den Kriegszug. Die schlanke Ritterin trug über ihrem Gambeson ein Langes Kettenhemd und darüber ihren Wappenrock, mit dem Langschwert an der Seite. Neben ihr und der Waffenmagd, die sie begleitete, fiel der Dritte im Bunde sichtlich auf. Ein großer Mann, dessen Oberarme von immenser Kraft zeugten und der ein altes Kriegsbeil dabei hatte. Der "Metzger" des Ortes.

Die Begrüßung fiel kurz, aber herzlich aus. Zunächst galt es, sich um die Verwundeten zu kümmern. Geisbart Fleischhauer, der Metzger und Besitzer des „Eichenhains“, der Herberge Siebeneichens, würde sie bei sich aufnehmen. So würde es für die Heilerin und ihre Helfer einfacher, sich um sie zu kümmern. Auch nach Hilbert, dem Hüter des Raben, wurde geschickt. Die übrigen sollten ihr Lager auf dem großen Platz in der Mitte des Ortes errichten. Dort wurden sie auch schnell von den Männern und Frauen des Ortes in Gespräche verwickelt. So manch alter Freund traf sich wieder. Wenn es auch Jahre her war, so hatte man in der Vergangenheit doch manches Mal zusammen in der Landwehr gefochten. Zumindest für die Zwölfengrunder und Firnsjöner gab es kein halten und schon bald kam es zu einem richtigen kleinen Fest. Freudenfest und Siegesfeier für einen, für die anderen das Vergessen des Kampfes im Alkohol.

Währenddessen hatte Praiosmin von Siebenstein ihre Gäste schon zu ihrem Gutshof geführt. Der große Hof zeugte von besseren Tagen und stand am Rande des großen Dorfplatzes. Das Wenige was sie hatte, gab die Ritterin mit Freude und das waren zunächst ihre letzten Vorräte an bestem Brannt aus den Trollzacken. „Auf treue Freunde und Waffengefährten! Siebeneichen ist Euch dankbar und steht in Euer aller Schuld!“ Sie hatte schon seit langem nicht mehr gut geschlafen, doch jetzt schien alle Last von ihr abzufallen. „Auf die Zwölfe und Darpatien!“ Mit einem kräftigen Schluck leerte sie den Becher.

Während Sieghelm ihr es gleich tat, nippte Gerbold nur leicht an seinem Becher und war weiterhin in Gedanken. Er würde sich sobald als möglich verabschieden, um sich der Bestattung seiner Leute anzunehmen. Vor allem aber wollte er nach Leubold sehen. „Ich muss sagen, alle Achtung Siebenstein. Eure Eltern wären stolz auf das, was Ihr hier geleistet habt.“ Firnsjön schlug ihr auf die Schulter und reichte ihr die Schwerthand zum Gruß.

Auch Traviahold reichte Ritterin Praiosmin die Schwerthand zum Gruß. Derweil sich der Rest der Schwarzen Lanze sich unters Volk mischte. Wobei sich Yantur Zertel eher zurück hielt, und er lieber seinen Arm kurierte, während Bannerträger Grordan Graustein für diesen mitfeierte. Die Schwarze Knappin bewahrte so fern es möglich war die Haltung. Man sah ihr an, dass sie an der Söldner dachte, dessen Hals sie durchbohrt hatte.

Ritter Traviahold war in Gedanken schon beim nächsten Kriegsfürst, der die Baronie bedrohte, und es schmeckte ihm gar nicht, dass die weniger kampferprobten erst ihre Wunden in Siebeneichen auskurieren mussten, ehe sie weiter gegen Sarogor "Stachelwanst" bei Firunsfelde in die Schlacht ziehen konnten. Auch der Ausfall von Storko war sehr bitter, auch wenn sein Freund ihm den Befehl über seine Männer überlassen hatte. Und wie es aussieht musste er sich Gedanken um Gerbold von Zwölfengrund machen, der schon mehr oder weniger die Andeutung gemacht hatte, mit dem schwer verletzten Leubold und seinen verbliebenen Männern nach Sokramshain zurückzukehren. Traviahold hielt sich viel in der Gegenwart von Praiosmin von Siebenstein auf und versuchte diese für die zweite Hälfte des Kriegszuges zu gewinnen, jetzt da ihr Dorf erst mal sicher war. Des Weiteren achtete er darauf, dass Weibel Hagen Wehrheimer in seiner Nähe war um diesen besser kennen zu lernen und um dadurch einen besseren Draht zu den Soldaten von Storko zu bekommen. Der Wehrheimer war zwar etwas steif, aber er konnte Traviahold einen guten Überblick über die Erfahrung der Soldaten verschaffen. Alles Fußkämpfer, mit denen was anzufangen war, und die hoch motiviert waren nun unter dem Schattenholzer, den sie von allen anwesenden Schlotzer Adligen noch am besten kannten und von dem man schon viele Geschichten in der Baronie gehört hatte, zu kämpfen. Die Freundschaft ihrer Herren schien sich auf deren Untergebene auszuweiten. Man kämpfte zusammen und feierte zusammen. Anshag und dessen Reiter schlossen sich an. Deggen hielt sich eher am Rande, war aber ebenso erleichtert wie alle anderen, dass Siebeneichen gerettet war.


Auf dem Gut kamen die Adligen am Abend wieder zusammen. Nach der Begrüßung und dem Anstoßen auf den Sieg, war man auseinander gegangen. Es galt sich um Wunden und die eigene Leute zu kümmern, aber auch einfach nur zu ruhen. So war man darin übereingekommen, dass man sich am Besten wieder zum Abendessen treffen würde. Das was die hohen Damen und Herren geboten bekamen, war äußerst bescheiden zu nennen. Ein einfacher Eintopf, der nur wenig Fleisch bot. Dazu einfaches Brot und ein kräftiges Dunkelbier. Eine Kargheit für die sich die Gastgeberin mehrmals entschuldigte. Doch die Vorräte gingen zu Ende und erst jetzt würde sie dazu kommen, sie wieder aufzufrischen.

Der Abend begann zunächst, wie man am Nachmittag auseinander gegangen war. Praiosmin berichtete noch einmal von den letzten Monden und ließ sich ebenso neugierig von dem Kampf berichten, den die übrigen zuvor ausgefochten hatten. Auch freudige Kunde machte so die Runde. So schwer der junge Zwölfengrund auch verletzt war, es sah alles danach aus, dass er durchkommen würde. Einer von vielen Gründen den Zwölfen noch einmal zu danken.

Man saß schon nur noch beim Bier zusammen, als die Gastgeberin ansprach, was viele bewegte. „Ich hab heute vieles erfahren und gehört. So unerfahren ich in solch Dingen auch bin, aber eines ist mir klar. Wie soll es jetzt weitergehen?“ Praiosmin nickte in Richtung Traviaholds. „Ihr habt es mir damals schon bei Eurem Besuch gesagt, Siebeneichen und Firunsfelde sollten Ziele sein. Eines wurde erreicht, was passiert mit dem Zweiten?“

„Die Frage ist doch, sind wir stark genug, um es mit den Feind dort aufzunehmen?“ fragte Gerbold direkt, während er mit müden Augen in die Runde blickte. „Die Landwehren sind noch immer ziemlich mitgenommen. Zumindest für meine kann ich das sagen. Wie wäre es, wenn wir erst einmal Karhirswalden sichern und diese Mordbrenner so einkreisen?“ Gerbold hatte darüber lange nachgedacht. Einen offenen Kampf würde er vorerst nicht mehr unterstützen. Aber sein Ältester könnte einen Teil der Zwölfengrunder Wehr übernehmen und damit Kahirswalden sichern.

Da die befreite Ritterin, Traviahold direkt ansah, antwortete auch dieser, während er langsam in seiner schweren Panzerung durch den Raum schritt: "Ihr habt es schon richtig angesprochen Praiosmin von Siebenstein. Nachdem Siebeneichen gerettet wurde, ist unser nächstes Ziel Firunsfelde, das schon die ganze Zeit von einer kleinen Vorhut ausgespäht wird. Wenn unsere Männer und Frauen ausgeruht sind und wieder kampfbereit sind, gilt es weiter zu ziehen. Der Feind hat sich in Firunsfelde regelrecht eingegraben und ist ungleich Kampf erfahrener als die Kriegsgoblins von Chraaz. Ich habe diesen Söldnern, die nun von einem Unteroffizier der Drachengarde, namens "Stachelwanst" angeführt werden bei der Schlacht um Schattenholz schon gegenüber gestanden und ihren Weibel erschlagen. Diese Söldner sind unseren Waffenknechten und Soldaten im Kampf Mann gegen Mann ebenbürtig, wenn nicht sogar eher überlegen. Aber sie sind uns Zahlenmäßig definitiv unterlegen, und das werden sie sicherlich wissen."

Als der Ritter sich beim durchschreiten des Raumes umdrehte, war das reiben von Metal auf Metal nicht zu überhören. "Vorher Kahirswalden einzunehmen, bei dem sie sich zuvor unter den Einwohnern bedient haben und diese wahrscheinlich zum Teil versklavt haben, halte ich für eine gute Idee und stimme dieser zu. So können wir die Schlinge immer enger ziehen. Nur bedenkt, dass wir beim Angriff auf Firunsfelde unseren Vorteil, nämlich die Zahlenmäßige Überlegenheit auch nutzen müssen. Wenn wir den Ort nicht mit allen uns zu Verfügung stehenden Kräften angreifen, wird es nicht nur auf unserer Seite mehr Tote geben, als auf ihrer; nein, im schlimmsten Falle werden wir scheitern und sie nicht bezwingen können. Wenn wir von mehreren Richtungen gleichzeitig angreifen, werden wir sie auch an mehreren Stellen zugleich beschäftigen und auseinander ziehen. Aber hierzu müssen wir erst einmal vor Ort sein und uns selbst ein Bild machen.

Ich und meine Schwarze Lanze werde so lange kämpfen, bis jeder Kriegsfürst aus Schlotz vertrieben und geschlagen ist. Und ich werde diesem Treiben sicherlich nicht noch länger als ein Monat zusehen." Er hatte kurz mit dem Gedanken gespielt den Satz mit einer direkteren Anspielung in Richtung des Barons zu vervollständigen, aber er beließ es diesmal dabei, jeder wusste, wen er damit meinte, auch wenn er es nicht aussprach.

"Ich hoffe Ritterin Praiosmin von Siebenstein, dass ihr den Platz von Leubold von Zwölfengrund einnehmen werdet und zu eurem Wort steht, jetzt, da die Gefahr von eurem Ort abgewendet ist."

„Ich stehe zu meinem Wort. Doch mehr als mich und eine weitere Berittene, sowie drei meiner Siebeneicher als ‚Waffenknechte und Mägde’ kann ich nicht aufbieten.“ Die junge Frau, blickte zu einem der Fenster, von denen man den Dorfplatz sehen konnte. Von dort hörte man noch immer die Feiernden. „Nach alldem hier, kann ich von meinen Siebeneichern kaum mehr verlangen.“ Sie atmete hörbar aus. „Sie würden nur widerwillig folgen und fragen, warum sie sich nicht um ihr Land und ihre Familien kümmern können.“ Die Ritterin wirkte recht zerknirscht. Offenbar gefiel ihr nicht, was sie sagen musste. „Versteht mich nicht falsch, ich, wir sind Euch allen dankbar.“ Damit ließ sie es bewenden und leerte ihren Becher, um ihn so gleich aus einer der Kannen auf dem Tisch nachzufüllen.

„Da gibt es nichts zu entschuldigen. Wir alle müssen immer auch an unsere Leute denken. Ohne oder gar gegen sie kann keiner von uns in diesen Tagen bestehen.“ Gerbold hatte seine beiden Hände vor dem Gesicht und spielte mit dem Siegelring an seinem rechten Ringfinger. „Aus diesem Grund wird sich Sokramshain auch nicht an einem Sturm auf Firunsfelde beteiligen. Auch mit großer Übermacht wird das sehr blutig werden, machen wir uns doch nichts vor. Der Feind hat sich in dem Ort verschanzt, genug Zeit dafür hatte er. Almadanische Reiter, Gruben und anderes werden den Zugang blockieren und im Zweifel wird er auch nicht davor zurückschrecken die Menschen als Schild zu nutzen. Unsere Reiter werden uns wenig nutzen und im direkten Kampf ist unsere Landwehr diesem Feind nicht gewachsen.“

Er nickte in Richtung Sieghelms. „Erinnert Euch an den Arvepass. Da waren es die Besten Männer und Frauen der Wehrmarken, die gegen die Drachengarde standen. Landwehr die besser ausgerüstet und bildet war, alles was wir sonst aufbieten konnten. Der Blutzoll war gewaltig. Und dort waren es Schlachtlinien die aufeinander trafen. Hier wird es ein verschanzter Feind sein. Ihr habt sicher Recht. Mit einem großen Aufgebot werden wir den Feind im Zweifel überrennen können. Doch es werden unsere Leute, unsere Bauern und Handwerker sein, die den Zoll dafür entrichten werden.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich bin bereit Kahirswalden zu sichern. Aber bei einem Sturm auf Firunsfelde in diesem Jahr werde ich nicht mitmachen.“

„Ein Entscheidung die uns schwächt, ich aber gut verstehe, alter Freund.“ Sieghelms Blick ruhte eine ganze Weile auf dem Junker, um sich dann der Runde zu zuwenden. „Firnsjön wird mit gen Firunsfelde ziehen. Unsere Opfer waren nicht so hoch, wie die von Sokramshain. Nur über das Vorgehen sollten wir uns schnell einigen. Ein Sturm scheint mir mit zu großen Opfern verbunden.“

Der Schattenholzer schüttelte in Gedanken den Kopf. Nur weil sie ein paar Verluste erlitten hatten, streckte der Zwölfengrunder schon die Waffen. Nun da er mit ihm zusammen gekämpft hatte, konnte er den Junker besser einschätzen. Und seine Einschätzung war enttäuschend, soviel mehr hatte er auf diesen Junker gegeben.

"Sicherlich müssen wir an unsere eigenen Leute denken, aber gerade in einer Baronie sollte man auch über die Lehens- und Gütergrenzen hinweg, an die anderen denken. Jene die uns brauchen. Jene, deren Herren zuvor schon gefallen sind und Jene deren Herr sich nicht um sie schert." Mit dem letzten Herrn sprach er erneut Baron Tsafried an, jener, der es nicht für nötig hielt sich an der Befreiung seiner Baronie zu beteiligen, wenn man mal von seinen drei Waffenknechten Landwehr absah, von denen noch zwei lebten. Aber der große Ritter ließ sich nicht entmutigen. Nötigenfalls würde er allein in Firunsfelde einmarschieren und wie immer die Drecksarbeit erledigen. "Wie Firunsfelde genau zu befreien ist, können wir hier in Siebeneichen nicht festlegen. Dazu benötigen wir die Informationen unseres Vorpostens. Hier können wir nur darüber debattieren. Mehr nicht."

So wenig er seinen Neffen oft verstand, dieses wiederholte sticheln gegen ihn stand dem Junker nicht an. Sieghelm musste sich zusammenreißen. Traviahold war nur aus einem Grund Junker, weil es der Baron so gewollt hatte. Das sollte er nicht vergessen. Ehe er etwas sagte, was er bereuen würde, nahm er einen kräftigen Schluck aus seinem Becher. So kam ihm Gerbold zuvor, der den Ritter zu gut kannte, um nicht zu wissen, was in ihm vorging. „Umso größer die ‚Herde’ desto schwieriger das Geschäft, so heißt es doch. Eine andere Stellung bedingt einen anderen Blickwinkel und es ist nicht an uns, das in Frage zu stellen.“ Der Blick des Zwölfengrunder ruhte auf dem Schattenholzer. „Bei allem Respekt, meine Familie ist in Schlotz weit länger ansässig, als die vieler anderer. Wir kannten immer unsere Rolle und Stellung und handelten zum Wohle unseres Lehens und zum Wohle der Baronie. Das ich die Meinen hierher führte, zeugt von der Bereitschaft meinen Brüdern und Schwestern von Adel und den Ihren zu helfen. Was ich von Firunsfelde halte, sagte ich bereits.“

Praiosmin war die Situation sichtlich unangenehm. „Nun, ihr alle habt Verwundete und der Rahjamond neigt sich dem Ende zu. Lasst uns diese Tage hinter uns bringen und dann mit neuer Kraft beschließen und beraten, was zu tun ist.“ Sie blickte kurz in die Runde, um dann schnell fort zu fahren, ehe jemand widersprechen konnte. „Wir alle haben ereignisreiche Tage hinter uns. Lasst uns gemeinsam hinausgehen, um mit unseren Frauen und Männer zu feiern.“

Nach und nach verließen die versammelten Adligen den Gutshof. Die Ziele waren ganz verschieden, während Praiosmin sich mit Sieghelm unter ihre Leute mischte und auch vielen der Landwehr für ihren Entsatz Siebeneichens dankte, hatte sich Gerbold erneut zu seinem Sohn begeben. Die Frauen und Männer die auf dem Dorfplatz feierten, waren ausgelassen und es zeigte sich, dass man langer feiern würde.

Die Sonne war schon untergegangen und ein großes Feuer erhellte den zentralen Dorfplatz, wobei es interessante Schatten auf den Gutshof warf. Da ertönte vom östlichen Rand des Dorfes ein Jagdhorn. Trotz allem war man wachsam geblieben. Man hatte Chraaz in den letzten Monden fürchten gelernt. Wer wusste, ob er jetzt nicht mit ganzer Kraft zu schlagen würde. Die einen feierten weiter, hatte den Hornstoß nicht recht wahrgenommen, derweil sich andere besorgt umsahen. Praiosmin war dabei zu erklären, dass keine Gefahr drohte und das Signal nur Besucher ankündigte. Da hörte man auch schon wie sich Reiter im Trapp näherten. Jetzt wo man den Weg in den Ort freigemacht hatte, konnten sie direkt auf den Dorfplatz reiten.

Ein ganzer Trupp Reiter war nach Siebeneichen gekommen. Schwergepanzerte Ritter mit ihrem Gefolge. Auch wenn sie kein Banner trugen, so zeigten die Wappenröcke schnell, wer die Reiter waren oder zu welchem Haus sie gehörten. Allzu deutlich war die goldene Scheibe, die auch im Licht des Feuers klar zu erkennen war. Ihr Anführer, ein vollbärtiger Mann, mit edlen Zügen und blondem Haar trug das grüne Schild mit der goldenen Sonnenscheibe, das Hauswappen der Bregelsaums. Seine polierte Garether Platte glänzte im Schein des Feuers. Neben ihm ritten eine Ritterin und ein Ritter, sie ebenfalls in Platte, er mit Kettenhemd und Plattenteil gerüstet. Beide trugen neben dem großen Wappen der Bregelsaums kleinere, die nur schwer zu erkennen waren, was sie als Hausritter der Bregelsaums auswies. Hinter ihnen folgten sieben Bewaffnete in Kettenhemden, allesamt mit Schwertern und Lanzen gerüstet. Dazu drei beladene Packpferde.

„Die Zwölfe, Praios und Travia voran, zum Gruße!“ Der Anführer des Trupps, indem Anshag den Baronet und Erben Hallingens erkannte, hatte halten lassen und blickte nun interessiert in die Runde und vor allem auf seine Brüder und Schwestern von Geblüt. Auf dem Sturmfelser ruhte sein Blick dabei etwas länger „Gilborn von Bregelsaum und sein Gefolge bitten um Quartier und Gastung für diese Nacht.“

„In Travias Namen, es sei Euch gewährt. Willkommen in Siebeneichen.“ Praiosmin drehte sich leicht zur Seite und deutete auf das Feuer und ihre Gäste. „Das Wenige das wir haben teilen wir gerne. Es gilt einen Sieg zu feiern.“ Der Alkohol machte der Ritterin die Zunge leicht. „So freudig es ist, so kann ich Euch kaum mehr als eine Scheune als Quartier anbieten.“ Jetzt, wo sie davon sprach, fielen Ihr die übrigen Gäste ein. Mit einer Entschuldigung für ihre Vergesslichkeit, stellte sie diese umgehend vor. Und auch Gilborn tat es ihr gleich. Als Wunnehilde und Gerdan von Bregelsaum stellte er die beiden Ritter vor. „Ich komme so eben aus Rosenbusch. Um mir selbst ein Bild zu machen, wählten wir jetzt den Weg durch Schlotz. Umso mehr freut es mich zu sehen, dass Ihr Euch gemeinsam gegen Eure Feinde wendet.“

Es gilt einen Sieg zu feiern." Der Alkohol machte der Ritterin die Zunge leicht. "So freudig es ist, so kann ich Euch kaum mehr als eine Scheune als Quartier anbieten." Jetzt, wo sie davon sprach, fielen Ihr die übrigen Gäste ein. Mit einer Entschuldigung für ihre Vergesslichkeit, stellte sie diese umgehend vor. Und auch Gilborn tat es ihr gleich. Als Wunnehilde und Gerdan von Bregelsaum stellte er die beiden Ritter vor. "Ich komme so eben aus Rosenbusch. Um mir selbst ein Bild zu machen, wählten wir jetzt den Weg durch Schlotz. Umso mehr freut es mich zu sehen, dass Ihr Euch gemeinsam gegen Eure Feinde wendet."


Der große Schattenholzer schritt mit dem Helm unterm Arm auf den hohen Adligen zu um sich den neuen Gast und dessen beiden Ritter genau anzusehen. Die restlichen sieben Lanzenreiter sahen ebenfalls äußerst wehrfähig aus. Ob das gut oder schlecht war, würde sich noch herausstellen. Das Adelsgeschlecht dem Gilborn angehörte, ließ eher auf letzteres deuten. Aber Traviahold war sich sicher, dass der Hohe Adlige nichts von seiner Vergangenheit auf Seiten des Hauses Rabenmund wußte. Die darpatischen Bregelsaums hatten in den Jahren des Feuers viel Federn lassen müssen, denn große Teile der Bregelsaumer Machtbasis waren vor Wehrheim gefallen. Traviahold musste mit Grauen an die Schlacht auf dem Mythraelsfeld zurückdenken, eine Schlacht in der auch er gekämpft hatte. "Praios zum Gruße. Ich hoffe das Bild gefällt Euch. Vor ein paar Tagen war die Situation noch eine andere." Der Ritter Alten Schlages erzählte Gilborn von den letzten Tagen und versuchte herauszuhören, ob dieser nur zufällig Siebeneichen und Schlotz als Reiseweg gewählt hatte, oder ob dieser aus einem bestimmten Grund hier war. Eine solch starke Reisebedeckung war in der Wildermark nicht unüblich. Von Firunsfelde jedenfalls erwähnte er nichts. Sicher konnte ihr Kriegszug eine derartige Verstärkung gut gebrauchen und Traviahold war auch nie zimperlich was Verbündete anging, aber sicher würde er keinen Bregelsaumer um Hilfe bitten. Außerdem waren sie auch ohne die Zwölfengrunder, den Firunsfelder-Söldnern fast drei zu eins Überlegen. Der große Ritter war gespannt, ob einer der anderen Junker vom Bund des Alten Schlages diesen Vorschlag machen würde, was er nicht gerade hoffte.


Der Baronet war den Ausführungen interessiert gefolgt und hatte nur vereinzelt kurze Fragen gestellt. Während der Unterhaltung hatte sich der Ritter aus seinem Gefolge, er mochte 30 Götterläufe zählen, auf ein Nicken hin des Gefolges angenommen. Mit Hilfe der Waffenmagd der Siebensteinerin, bezogen sie ihr Quartier. "In Tagen wie diesen kann ein Ritter, ein jeder von Geblüt zeigen, dass er seinen Eid ernst nimmt. Es freut mich, Schlotz um einiges sicherer zu wissen."

"Nun, dann wird es Euch freuen, dass der nächste Schritt bald folgen wird." Sieghelm war dem Gespräch bislang schweigend gefolgt. Es war lange her, seitdem er den Bregelsaum zuletzt gesehen hatte. Für ihn bestand kein Zweifel, er hatte viel von seinem Vater und würde das Haus zu neuen Höhen führen. "Firunsfelde wird das nächste Ziel sein."

"Firunsfelde?" Es war die gestandene Ritterin neben Gilborn die sich nun zu Wort meldete. "Dieses Söldnerpack hat einmal versucht, in Hallingen auf die Jagd zu gehen. Wir konnten es ihn verleiten." Wunnehilde nickte anerkennend und auch Gilborn schien das gehörte zu gefallen. "Dann können wir uns den Weg dorthin wohl sparen. Wir nahmen diesen Weg auch, um zu sehen, welch Bedrohung von dem Pack dort ausgeht. Wir drängen uns nicht auf, aber wenn es einen Beitrag leisten kann, werden wir gerne helfen." Fragend blickte er in die Runde.

Anshag fluchte über sein verletztes Bein. Nicht nur humpelte er seitdem, sondern verlor er bei jedem zweiten Schritt ein paar Tropfen Blut, welche die Hose die er nun trug schon wieder rot gefärbt hatten.

Im Vorbeigehen klopfte er Traviaholds Knappin anerkennend auf die Schulter und sagte leise "Egal was andere sagen, es wird nie leichter, glaubt mir" nickte ihr nochmal aufmunternd zu und ging Traviahold grüßend weiter zum Baronet Bregelsaum, vor dem er sich pflichtbewusst, wenn auch langsam, nur verbeugte.

"Ich hoffe, mein Herr, Ihr könnt mir verzeihen, dass ich nicht vor Euch knie, doch würde ich mit meinem Bein wohl nicht mehr hinaufkommen."

Anshag hob den Oberkörper wieder und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. "Wenn Ihr einen Bericht von mir wünscht mein Herr, Ihr werdet mich bei meinen Männern finden." Nochmals verbeugte sich Anshag und humpelte nach einem entlassenden Wink des Baronet davon. Bei seinen Männern angekommen setzte sich der breitschultrige Mann auf einen Holzklotz und ließ sich die Flasche gebranntes Reichen, welche unter seinen Männern kursierte.

Er sah, wie Ritterin Praiosmin durch die Reihen der Männer und Frauen ging und hier und da einige Worte sprach. Als sie in seine Richtung sah, gab er ihr ein Zeichen, doch näher zu kommen und verscheuchte Malina von ihrem Holzblock, damit sich die Ritterin setzen konnte.

"Seid gegrüßt im Namen der Sturmherrin, Wohlgeboren. Bitte verzeiht mir, dass ich nicht aufstand um Euch zu begrüßen, doch fürchte ich mir einen leichten Schnitt zugezogen zu haben" lachte Anshag auf sein Bein deutend, während vor allem Rauert Fuxfell ob der korrekten Etikette verwundert drein blickte.

"Ich hoffe Euch und Euren Leuten geht es gut und Ihr habt alles gut überstanden?"

„Rondra auch mit Euch, wobei Ihr mir Peraines Segen eher zu brauchen scheint“, erwiderte diese lächelnd, während sie neben dem Sturmfelser platz nahm. „Ich und die Meinen haben alles andere als Grund zum Klagen. Was immer die Zukunft für uns bereithält, zurzeit haben wir das ärgste überstanden. Wir haben guten Boden und fette Weiden, jetzt können wir uns dem auch wieder widmen.“ Praiosmin lies den Blick über die Feiernden schweifen und blieb dann bei den Neuankömmlingen hängen.

„Mir scheint, dass man Hallingen gerne reist.“ Sie grinste ihren Gast an. „Solange Ihr uns so viel Gutes bringt, werde ich Euch stets gerne bewirten. Doch eines müsst Ihr mir versprechen. Nennt mich doch Praiosmin. Unter Rittern wie uns, sollte keine unnötigen Förmlichkeiten herrschen.“ Um ihre Wort zu untermalen, hielt sie Anshag auch gleich die Schwerthand hin.

Die Anshag lächelnd ergriff. "Nun gut, Praiosmin. Dann nennt mich Anshag. Allerdings muss ich gestehen, dass ich nicht mit dem Baronet gerechnet habe. Der Grund weshalb ich hier bin ist der, dass ich es Storko von und zu Gernatsborn versprochen habe, dass ich helfen werde, wenn er gegen Goblins und Söldnerpack zieht. Hätte ich geahnt welch positiven Bekanntschaften ich finden werde, wahrlich ich hätte bereits früher gehandelt." sagte Anshag mit einem schwer zu deutenden Lächeln.

Anshag hielt Praiosmin die Flasche mit dem Honigschnaps hin. "Bitte trinkt doch einen Schluck mit mir. Es gibt wohl genügend Grund zu feiern nicht wahr? Und wenn wir erst die Söldner vertrieben haben, so müsst ihr mir den Gefallen tun, mich auf meinem Gut in Gernatsau im schönen Hallingen zu besuchen. "

Anshag sah ein wenig ratlos zum Baronet herüber. Auf der einen Seite wollte er gerne wissen, aus welchem Grund er gekommen war aber auf der anderen Seite wusste er, dass er es erfahren würde, sollte es ihn etwas angehen, also entschloss er sich weiter sitzen zu bleiben und noch ein wenig Zeit mit Ritterin Praiosmin zu verbringen und versuchte dabei charmant und verbindlich zu wirken.

„Wunderbar“, drückte die Ritterin zunächst die Hand, um dann den gereichten Schnaps einer Prüfung zu unterziehen. „Genau das richtige an einem Abend wie diesem.“ Offenbar hatte sie an dem Getränk gefallen gefunden und nahm sogleich einen weiteren Schluck. „Gerne werde ich Euch besuchen. Gerade heute sollte man seine Nachbarn besuchen und Freundschaften pflegen. Was hat sonst Bestand dieser Tage?“ Die Ritterin schien auch gleich den Anfang zu machen und fing ein unverfängliches Gespräch über ihre Familien und andere Dinge, wie die Jagd und die Knappenschaft an.

Während sich Anshag angeregt mit der Ritterin von Siebeneichen unterhielt und auch seinerseits einige Anekdoten von eher lustiger Qualität erzählte, begann sein Schreiber Rauert Fuxfell sein Schreibzeug auszupacken und fing an schnell und doch ordentlich, wie es immer schon seine Art war, zu schreiben. Nach kurzer Zeit blickte er auf und tippte seinem Herrn auf die Schulter, was dieser zunächst gar nicht wahr zu nehmen schien, da er s tief in das Gespräch mit der Ritterin vertieft war. Erst als Rauert vernehmbar auf die Schulterplatte klopfte wendete sich Anshag ungehalten um.

"Verzeiht Herr, edle Dame, wenn ich Euch bei Eurer Konversation behelligen muss, doch habe ich ein Schreiben an den Baronet verfasst und bräuchte die Erlaubnis des Herrn, um dieses auch zu überbringen."

Anshag schaute etwas skeptisch. Er hasste es wenn Rauert so sprach und er nur die Hälfte verstand von diesem höfischen Geplapper.

"Na gut, dann trag mal vor Rauert!"

"Wie Ihr wünscht. Geehrter Baronet, es wäre mir eine ausserordentliche Ehre, wenn Ihr mir die Gunst einer Konversation unter vier Augen einräumen würdet. Ich stehe Euch jederzeit für Selbige zur Verfügung. Mit höchstem Respekt und unerschütterlicher Treue Anshag von Sturmfels zu Gernatsau. Junker zu Gernatsau,kaiserlich Hallingen."

"Klingt gut. Ja, du hast meine Erlaubnis das Schreiben zu überbringen."

Rauert neigte den Kopf und beeilte sich in Richtung des Baronet zu kommen. Mein Herr scheint von der Ritterin zu Siebeneichen sehr angetan, dachte er noch bei sich, bevor er sich mit vollendeter Verbeugung Aufmerksamkeit beim Baronet einholte.

"Verzeiht mir meine Dreistigkeit, Euch zu stören Hochgeboren, doch überbringe ich eine Bitte meines Herrn Anshag von Sturmfels. Wenn Ihr die Güte haben würdet darüber nachzudenken?" sagte Rauert und übergab hierbei den Brief. Wenigstens bin ich nicht ganz umsonst mitgekommen, dachte er während auf eine Antwort wartete.

Praiosmin hatte das Ganze etwas irritiert verfolgt und blickte nun zu diesem Rauert, wie er bei dem Hallinger Baronet stand und wohl auf eine Reaktion wartete. ‚Wo findet man solche Leute?’, ging ihr durch den Kopf. ‚Hätte es nicht auch eine einfache Botschaft getan?’.

Gilborn musterte den Schreiber des Junkers kurz, ehe er die Botschaft rasch überflog. Wenn er amüsiert oder irritiert war, dann zeigte er es nicht. „Euer Herr ist verletzt?“ Mehr eine Feststellung, denn eine Frage. „Ich werde Ihm die Antwort selbst überbringen.“ Der Bregelsaum blickte kurz in die Runde. Sie waren ohnehin zum Austausch von Höflichkeiten übergegangen. „Entschuldigt mich bitte, morgen wird noch Zeit genug sein, sich über die Lage und alles weitere auszutauschen.“ Mit einem Nicken machte er sich sogleich auf den Weg zum Vasall seines Vaters.

„Ihr scheint mir nicht nur die Klinge wohl zu führen, sondern auch die Feder, Wohlgeboren.“ Begrüßte er Anshag mit einem freundlichen Lächeln. „Ich stehe Euch gerne zur Verfügung.“

Anshag griff zu der Flasche, säuberte den Hals dieser und bot auch dem Baronet etwas davon an. "Die Becher sind uns leider ausgegangen Herr" fügte er mit einem verschmitzten Lächeln hinzu.

Ohne weiter zu schauen, was ihm angeboten wurde, nahm der Bregelsaum einen Schluck. „Honigschnaps, wie er sein soll“, gab er die Flasche mit einem anerkennenden Nicken an den Junker zurück, ehe er auf dem Klotz Platz nahm. Er hatte laut genug gesprochen, dass ihn die um sitzenden und stehenden Gernatsauer ebenfalls gehört hatten. „Ihr seit gerade heraus. In Zeiten wie diesen nicht verkehrt. Daher offen heraus, mir steht nicht der Sinn danach Euch in die Schlacht zu führen.“ Gilborn deutete in Richtung Sieghelms, der noch immer mit der als Wunnehilde vorgestellten Ritterin in ein Gespräch vertieft war. „Ihr seit hier um Freunde zu unterstützen und das sollt Ihr so tun, wie Ihr es für richtig haltet.“

„Es ist der Zufall, der uns hier zusammentreffen lässt. Ich weilte bei Vetter Rosenbusch. Vieles gab und gibt es zu besprechen. Auf dem Rückweg wollte ich selbst sehen, wie es um unseren Nachbarn steht. Das was ich sehe und höre freut mich, zumindest in Teilen. Doch da ich Euch hier treffe, kann ich Euch auch direkt sagen, was kommen wird.“

„Unser Haus hat nun lange genug gewartet und auf den Ausgleich gesetzt. Doch wie die Kaiserin mit ihrer Tante werden nun auch wir uns um die faulen Früchte mit aller Macht kümmern. Wir werden zum Kriegszug rufen. Zu lange schon dulden wir die Beleidigung unseres Namens. Wir werden Euch rufen, wenn die Zeit gekommen ist.“


Alle Befreier Siebeneichens als wie auch Gilborn samt seinem Gefolge entschieden vorerst die folgenden Tage im Ort zu verbleiben um Wunden zu lecken, sich zu stärken und um die kommenden Namenlosen Tage zusammen und sicher verbringen zu können.

 

Die Verfluchte Zeit bricht heran

Siebeneichen – 30.Rahja 1032 BF

Der Kriegshaufen des Schlotzer Schutzbundes hatte vor, die letzten Tage des Jahres auf Gut Siebeneichen in der Baronie Schlotz zu verbringen. Es galt immer noch einige Wunden nach der Schlacht gegen Chraaz, den Goblin-Kriegsfürsten, zu kurieren. Ritterin Praiosmin von Siebenstein stellte den Schlotzer Adligen und ihren Knappen so gut es ging die Herberge des Ortes zur Verfügung. Der etwa 200 Einwohner zählende Ort im Osten der Baronie hatte nun mehr als ein Banner mehr unterzubringen. Aber die Bewohner waren froh, denn die verfluchten letzten Tage des Jahres, die Tage des Namenlosen standen kurz bevor. Die Einwohner suchten die Nähe zu ihrem Tempel des Boron, der kurz nach der Schlacht alle Hände voll zu tun gehabt hatte. Andere begannen sich in ihren Häusern einzuschließen. Man blickte dieser Zeit mit Sorge entgegen. Gerüchte besagten, dass während dieser Zeit schon ganze Dörfer verschwunden waren, und dass der sogenannte „Finstermann“ und seine Schattenwandler umgingen. Erst im Jahre 1029/1030 BF wurde ein komplettes Dorf in der Baronie Dergelsmund von Namenlosen Schrecken ausgelöscht. Man hatte die armen Bewohner allesamt blutleer in einem nahen Schloss gefunden! Ritter Traviahold aus dem Wutzenwald koordinierte zusammen mit Ritterin Praiosmin die Wachen, die überall im Ort patrouillierten. Es kam sogar noch eine Hand voll zusätzliche Bauern, der Umgebung, die während dieser Tage nicht den Mut hatten allein auf ihrem Hof zu bleiben, und weil sich herumgesprochen hatte, dass der neu gegründete Schutzbund in Siebeneichen rastete. Überall im Ort erzählte man sich Gruselgeschichten, mit mehr oder weniger wahrem Inhalt. Im ehemaligen Darpatien war es Brauch, dass die Kinder aus den Wachsresten des Jahres kleine Kerzen formten, die Heiligen ähnlich sahen und den Schutz der Diener der Zwölfe auf die Häuser herabrufen sollten, wenn sie in den Nächten während der Namenlosen Tage brannten. Aber Wachs war teuer, und so konnten nur die wenigsten Einwohner von Siebeneichen diesem Brauch nachgehen. Letztes Jahr hatte die Edle Praiosmin genügend Kerzenreste von einem weit entfernt gelegenen Kerzenzieherhof besorgt. Aber der Belagerungsähnliche Zustand durch die Goblins hatte das dieses Jahr nicht zugelassen. Auch war es Brauch sich mit Freunden und der Familie zu umgeben, alles andere brachte Unglück.

 


Siebeneichen – Isyahadin 1. Tag des Namenlosen 1032 BF

Es war soweit. In der Nacht vom 30. Rahja auf den ersten verfluchten Tag schlossen sich fast alle ein und kauerten eng zusammen und sandten Gebete an die Zwölfe. Der große Ritter Alten Schlages stand in der Nacht mitten auf dem Dorfplatz und hatte seinen Topfhelm mit Drachenflügeln unter seinen linken Arm geklemmt. Anshag von Sturmfels hielt zusammen mit ihm Wacht. Traviahold hatte damals als Knappe die dritte Dämonenschlacht überstanden, so schnell würde er sich nicht einschüchtern lassen. Aber er wusste, dass mehr als nur Aberglaube hinter diesen Tagen steckte. Yantur Zertel, der verkrüppelte Schreiber der Schwarzen Lanze, trat zusammen mit einem weiteren Adligen an die beiden heran, gab sich jedoch vorher im Schein der Fackel gut zu erkennen, da er seinem Herr sehr wohl zutraute, ihn einfach zu erschlagen, wenn er sich unangemeldet durch die Dunkelheit heranschleichen würde. „Jeder Tag zwischen den Jahren trägt die Bezeichnung eines dämonischen Tagherrschers.“ Traviahold blickte seinem Schreiber mit halb zugekniffenen Augen entgegen, da dessen Fackel etwas blendete. „Der erste Verfluchte Tag steht im Zeichen des niederhöllischen Schenkers des Irrsinns.“

Anshag sah Yantur an. "Du solltest vorsichtig sein mit dem was du sagst, denn das Böse zu benennen öffnet ihm Tür und Tor, vor allem an diesen Tagen." Anshag war schon die ganze Nacht etwas schweigsamer als sonst, auch wenn er nicht ängstlich wirkte, konnte man merken, dass er nicht gewillt war unnötiges Risiko einzugehen. "Und wen hast du da mitgebracht? Gebt Euch zu erkennen!" Anshags Hand wanderte wie von allein in die Nähe seines Schwertgriffes und ruhte auf dem Gürtel. Sein Körper war merklich gespannt, und er schien bereit schnell reagieren zu müssen.

Die zunächst nicht erkennbare Gestalt in schwarzem Umhang trat besser ins Licht der Fackel um sich zu erkennen zu geben. Erst jetzt war das Gesicht der Schwarzen Knappin gut zu erkennen, die den großen Schild des Schattenholzers trug. „Ich bin es nur. Wie befohlen habe ich den bei den Geier-Kindern gefundenen Panzerarm gesäubert.“ Sie reichte Traviahold die neue Paradewaffe für den linken Arm, und half ihm, diesen anzuprobieren. Traviahold begutachtete das nun von Blut gesäuberte Beutestück und bewegte damit seinen Arm. Er passte. Aus der Seite des Panzerarms ragten zwei dolchartige Klingen hervor, und auf Höhe des Ellenbogens ragte ein gefährlicher Sporn ach hinten. Der große Ritter beherrschte schon etwas mehr als die Grundzüge des Kampfes mit einer solchen Waffe. Zwar konnte man damit nicht den Schlag eines Ogers parieren und sich auch nicht vor Beschuss schützen, aber dafür waren ihm mit einem Panzerarm weniger Grenzen in den Möglichkeiten seiner Verteidigung gesetzt. Er musste nur noch an seiner Gewandtheit arbeiten und sich den Kampf mit einer solchen Paradewaffe verinnerlichen. „Gut gemacht. Und ja, Anshag hat Recht.“ Traviahold wandte sich seinem Schreiber zu. „Man sollte das Böse nicht benennen, aber das tut Yantur ja nicht, er umschreibt es nur, Anshag.“

Zu Viert wachten die Anwesenden nun auf dem Dorfplatz. Auch der Rest der Schwarzen Lanze war in zwei weiteren Gruppen in Siebeneichen unterwegs, als der Morgen heran brach. Ein grau verhangener Himmel und stärker werdender Wind verhießen nichts Gutes. Immer wieder vernahm man Unheimliche Geräusche von Außerhalb des Ortes, vor allem aus Richtung des Waldes – Geräusche die nicht vom Wind stammten. Irgendetwas war dort draußen. Die Wachenden verspürten förmlich wie etwas sie beobachtete und lauerte. Mit jeder Stunde wurde der Wind stärker, bis er die Stärke eines peitschenden und heulenden Sturmes erreicht hatte und ein Aufenthalt auf dem Dorfplatz nicht mehr möglich war und man sich in die Herberge zurückziehen musste. Plötzlich vernahm man krachende Geräusche aus Richtung des Stalles, neben der Herberge.

Die Schwarze Knappin, die noch unten im Gastraum der Herberge „Zur Steineiche“ verweilte, während sich die übrigen Drei zu ihren Schlafräumen begeben hatten, schreckte hoch, als sie das Krachen hörte. Sie nahm ihr Schwert und ihr Schild auf und sah sich um. Sie wusste, dass sich von der Außentür abgesehen, noch zwei weitere Türen im Raum befanden, von der eine wohl zu der Küche und den Privatgemächern führte und die andere zu den Ställen. Sie wendete sich der dieser zu, stoß sie auf und wollte gerade durchgehen, als hinter ihr die andere Tür aufgeschlagen wurde und die Herbergsmutter, noch im Nachthemd, aber mit einem langen Küchenmesser bewaffnet, herausstürmte. Sie ist wohl durch die krachenden Geräusche, die den tobenden Sturm noch übertönten, aus dem Schlaf gerissen worden. Als sie die Schwarze Knappin an der, zu den Ställen führenden Tür entdeckte, fragte sie: „Was ist hier los? Ist der Stall eingestürzt? Oder die Lager? Leben die Pferde noch?“ Die Knappin drehte sich um: „ Ich weiß es nicht. Bleibt ihr hier in der Herberge und ich schaue nach, was passiert ist. Ich muss los.“ Damit drehte sich die Schwarze Knappin um und stürmte den Gang entlang, um schnellstens zu den Ställen zu gelangen. In dem dunklen Flur, der gelegentlich durch die Blitze des Sturms für den Bruchteil einer Sekunde hell erleuchtet wurde, nahm sie auf der einen Seite eine Tür wahr, die wahrscheinlich zu den Lagern und Kellern der Herberge führte. Endlich kam sie zu den Ställen; Die Sekunden, die sie für dieses kurze Stück gebraucht hatte, erschienen ihr endlos lange. Sie stoß die Tür auf und sah, dass eines der Streitrösser der Schwarzen Lanze, anscheinend grundlos, völlig in Panik geraten und außer sich, die Gattertür seiner Box durchbrochen hatte und nun im Stall tobte und die anderen Rösser mit seiner Panik ansteckte. Ihr fiel auf, dass das große Stalltor noch verschlossen ist, genauso wie sie am Abend zuvor verlassen hatte. Es konnte also niemand hier sein, trotzdem fühlte sie sich seltsam, wie als würde sie von Jemandem oder Etwas beobachtet. Sie zog fröstelnd ihre Schultern hoch, legte ihr Schild ab und steckte ihr Kurzschwert weg, froh darüber, dass sie nur das Pferd beruhigen musste. Obwohl die dunklen Warunker Streitrösser der Schwarzen Lanze für das ungeübte Auge alle gleich aussahen, wusste die Knappin sofort, dass das ausgebrochene Ross das des Bannerträgers Grordan Graustein war. Sie kümmerte sich immer um diese Pferde und selbst, wenn diese mal in Panik ausbrechen sollten, wusste sie genau, was zu tun war. Wichtig war es nur, nicht genau vor oder hinter dem entsprechenden Pferd zu stehen, man musste sich immer von der Seite nähern, damit man von den kräftigen Huftritten nicht getroffen wurde. Das jetzt sich vor ihr abwechselnd aufbäumende und nach hinten austretende Ross schien sogar schon ihre Anwesenheit bemerkt zu haben, denn seine Bewegungen waren nicht mehr ganz so kraftvoll als zuvor. Die Schwarze Knappin näherte sich dem Pferd von der rechten Seite und sprach beruhigend auf es ein. Als es wieder auf den Vorderbeinen stand, um nach hinten auszutreten, nahm sie schnell das Halfter in die linke Hand, darauf gefasst, dass es jeden Moment versuchen würde, sich aufzubäumen, und streichelte beruhigend mit der anderen Hand über seinen Hals. Sie sprach weiter mit ihm, in einer ruhigen, sanften Stimme „Ruhig Großer, ich bin da, alles ist gut, es war nur ein Sturm da draußen.“ Es war ganz egal, was sie sagte, sie musste es nur beruhigend sagen. Dann war sie gezwungen, sich mit aller Kraft dagegen zu stemmen, als das Ross sich noch einmal aufbäumen wollte. Nach kurzer Zeit hatte sie das Pferd wieder unter Kontrolle, das jetzt schwer schnaubend neben ihr stand und den Kopf an ihrer Schulter rieb. Als Grordans Pferd sich beruhigte, merkte die Schwarze Knappin, dass auch die anderen Tiere, die mittlerweile auch schon kurz vorm Ausbrechen standen, wieder ruhig wurden und es wieder vergleichsweiße still im Stall wurde. Es war nur noch das Heulen des Sturms zu hören, der noch immer draußen tobte. Sie ist der Situation Herr geworden, doch fühlte sie sich immer noch unbehaglich, als sie das Pferd in eine andere Box führte. Fast war es, als spürte sie Blicke in ihrem Rücken. War ihr vielleicht jemand gefolgt? Jemand, der ihr nicht freundlich gesonnen war? Nachdem sie das Streitross versorgt hatte und auch nach den anderen gesehen hatte, dass sich keines in der Panik verletzt hatte, zog sie wieder ihr Schwert und nahm ihr Schild. Sie kontrollierte noch einmal das Stalltor und ging wieder zurück zur Herberge, wo die Herbergsmutter vor dem Kamin kniete. Ihr schien kalt zu sein, denn sie trug einen dicken Umhang über ihrem Nachthemd und war gerade dabei, ein loderndes Feuer anzufachen. Die Frau vor dem Kamin schaute sich zu ihr um, sah sie mit entrücktem Blick an „Ich muss Feuer machen... Damit meine Gäste nicht frieren...“ Auch Anshag betrat nun den Gastraum, und sah die Herbergsmutter verständnislos an. Anshag ging auf die Herbergsmutter zu. Auch er steckte sein Schwert welches er in der Hand gehabt hatte nun weg, als er mit bloßem Oberkörper nur noch mit Hose und Stiefeln bekleidet auf sie zuging. Scheinbar war er damit beschäftigt gewesen sich zu entkleiden. "Was ist mit die, Mütterchen?" fragte Anshag sichtlich irritiert, doch sie murmelte nur weiter vor sich hin, dass sie ein Feuer entzünden müsse. Mit fragenden Blick in die Richtung der Knappin fing Anshag an, die Frau mit sanfter Gewalt von der Feuerstelle wegzuführen und schob sie wieder in ihr Zimmer. Erst als er die Tür wieder verschlossen hatte drehte er sich wieder zu der Knappin um. "Was ist passiert?" Anshag schien kurz zu stutzen und blickte sich um. "Es scheint als wären wir das erste mal alleine. Ich möchte die Möglichkeit nutzen mich vorzustellen: Anshag." sagte er und streckte der Knappin den Arm zum Kriegergruß entgegen.

Sie griff seinen Unterarm "Man nennt mich die Schwarze Knappin. Das Krachen, das Ihr wohl zweifelsfrei gehört habt, wurde durch eines unserer Streitrösser verursacht, das in Panik geriet, die Gatterür seiner Box durchbrach und dann im Stall tobte. Ich habe es beruhigen können und habe es in eine unbeschädigte Box geführt. Die Pferde sind glücklicherweise alle unverletzt." Sie ließ Anshags Arm wieder los, unterdrückte ein Gähnen und und blickte Anshag mit einem entschuldigten Blick an "Ich will nicht unhöflich sein, aber ich bitte Euch, mich nun zu entschuldigen, diese Nacht verlangt nun nach Schlaf." Sie nickte ihn noch einmal zu und ging an ihm vorbei, um sich auf ihr Zimmer zu begeben. Als sie den Fuß der Treppe erreichte, drehte sie sich noch einmal um, sah Anshag ernst mit ihren dunklen Augen an und sprach: "Ich habe gute Gründe, Niemandem meinen Namen zu nennen, nicht nur Euch. Sollte ich Euch irgendwann genug vertrauen, werdet Ihr auch meinen Namen erfahren." Damit verschwand sie in das obere Stockwerk, um nun, über Tag zu schlafen, genau wie Traviahold. Des Nachts würde sie wieder wachen.


Siebeneichen – Aphestadil 2. Tag des Namenlosen 1032 BF

Der Sturm vom Vortag war abgeflaut, bis sich kein Lüftchen mehr regte. Es herrschte eine trübe Stille. Die Anspannung und der Sturm des vorherigen Tages hatten die Adligen Wächter so wie die Einwohner erschöpft. Antriebslos patrouillierten die Wachen im Ort, und auch in der unmittelbaren Umgebung. Niemand hatte richtig ein Auge zugetan. Traviahold hatte wieder seine nächtliche Wache zusammen mit seiner Knappin und Yantur Zertel aufgenommen, und hoffte, dass auch Anshag sich wieder dazugesellen würde. Die Schwarze Knappin war an diesem Tag noch schweigsamer als sonst und Yantur hatte Schmerzen in seinem lahmen Knie, und zog eine entsprechende Miene. Der Schreiber starte in die Dunkelheit. Er wusste, dass Aphestadil, die Patronin der Trägheit über diesen zweiten Tag wachte, aber er behielt es für sich. Er hatte einfach keine Lust dies seinem Herrn mitzuteilen, warum auch, der Edle Anshag würde ihn eh nur wieder rügen. Traviahold hatte in dieser Nacht eher leichte Panzerung an, und beschränkte sich auf sein brüniertes Kettenhemd, die restlichen Panzerungsteile waren ihm heute zu schwer. Er fragte sich was er hier eigentlich tat und warum er nicht einfach auf Gut Schattenholz geblieben war. Wiedereinmal machte er die Drecksarbeit, wie auch schon die Jahre zuvor. Musste sich erst vor weniger als zwei Wochen mit irgendwelchen stinkenden Rotpelzen-Pack rumschlagen und in einigen Tagen würde er das vom Kriegsfürst „Stachelwanst“, eingenommene Firunsfelde stürmen. Und für was? Der Baron gab einen Dreck auf ihn, das wusste er. Er war ihm ein Dorn im Auge. Und dieser ach so adlige Haufen hier, schellte sich einen Bund, die einen Schwur geleistet hatten? Pah! Der Kriegshaufen löste sich immer mehr auf. Die einen gingen einfach zurück auf ihre Güter, weil sie verletzt wurden und die anderen, weil sie größere Verluste hinnehmen mussten, als geplant. Zu Zeiten von Answin von Rabenmund, hätte es das nicht gegeben. Niemand hätte es auch nur gewagt frühzeitig einen Kriegszug abzubrechen und damit sein Gesicht und seine Ehre zu verlieren. Und diese verdammte Uneinigkeit über ihr gemeinsames Vorgehen. Pah! Sein eigener Plan war ihnen nicht gut genug gewesen, der Wutzenwald hätte ein zu großes Risiko dargestellt. Und was hatten sie gehabt von ihrem ach so tollen Plan? Chraaz „der Verräter“ hatte den Spieß umgedreht, und sie selbst in eine Falle gelockt. Von einem Goblin in die Falle gelockt! Und wer hatte die adligen Hintern mal wieder retten müssen? Er, verdammt! Und warum das alles? Für einen Baron und für Adlige, für die er nur ein „Bastard“ war. Lohnte es sich überhaupt das ändern zu wollen? Vielleicht sollte er einfach mal jemandem den Kopf abhacken, wie früher – das half. Der Ritter Alten Schlages schüttelte den Kopf und verlor sich weiter in Selbstzweifeln, während es langsam heller wurde und der trübe Morgen dieses verfluchten 2. Tages heran brach.

Auch Anshag war nur leicht gerüstet. Er saß während der Wache am Rande des Lichtscheins seiner Fackel auf einem Fass und hatte die Beine hochgelegt. Stumm beobachtete er die Umgebung und antwortete nur dann, wenn er direkt angesprochen wurde. Ansonsten verhielt er sich ungewöhnlich still und schien die anderen drei nur zu beobachten, wobei sein Blick des öfteren an der schwarzen Knappin hängen blieb. Irgendwann wird sich ihr Name offenbaren müssen. Was sie wohl für einen Grund hat ihn zu verheimlichen? Allerdings erklärt das, warum Traviahold so darauf bedacht ist sie zu schützen. Ein dunkles Geheimnis vielleicht? Eine in Ungnade gefallene Familie? Was auch immer es ist, ich werde sie nicht danach beurteilen, sondern nach ihren Taten!, rasten die Gedanken durch Anshags Kopfwährend nichts geschah und er ein herzhaftes Gähnen unterdrückte.

Als Traviahold am Vormittag diesen Tages schlafen ging, als es hell wurde, hatte er schwere Alpträume, die seine Knappin neben ihm immer wieder weckten. Auch Anshag schlief nicht sonderlich gut. Was die nächtlich Wachenden, Traviahold, Anshag und die Schwarze Knappin aber zunächst nicht mitbekamen war, dass tagsüber ein alter Greis von Siebeneichen verstorben war. Er hatte einfach auf seiner Bank aufgehört zu atmen. Der örtliche Boron-Geweihte nahm sich seiner an.


Siebeneichen – Rahastes 3. Tag des Namenlosen 1032 BF

Das immer besser eingespielte Vierergespann wachte auch erneut in der Nacht vom 2. in den 3. verfluchten Tag. Es war eine schwül warme Nacht. Eigentlich sollte man meinen, dass es wenigstens Nachts etwas kälter werden würde. Aber nichts störte in der Nacht ihre Wacht. Aber gerade als es bereits zu Dämmern anfing, schreckten die Wächter auf, als sich ein Schwarm von mehr als 40 Feuerfliegen auf das Dorf zubewegte! Die aggressiven und schillernden Insekten, die von manchen auch Drachenlibellen genannt wurden, waren über zwei Spann groß. Anshag und die Knappin zogen zuerst ihre Schwerter. Dann zog der alte Yantur Zertel blank und der Schattenholzer ließ seine mörderische Ogerschelle über ihren Köpfen rotieren. Die kleinere Knappin duckte sich noch zusätzlich etwas und trat noch näher an ihren Ritter heran um vom Schutz der rotierenden Kettenwaffe zu profitieren. Mit jedem Treffer einer Feuerfliege durch die gestachelten Eisenkugeln, hörte man ein klatschendes Geräusch, das von herabregnenden Flügeln begleitet wurde. Immer wieder hackte und stach die Knappin währenddessen aus ihrer Deckung heraus. Anshag und Yantur die zunächst jeder für sich kämpften, zogen sich zusammen und entgegneten den fressgierigen Rieseninsekten, Rücken an Rücken. Rahastes, der niederhöllische Bringer der Plagen machte seine Herrschaft über diesen Tag deutlich!

Erst als der Rondrianer Deggen mit einer Handvoll weitere Adligen des Kriegshaufens aus dem Gasthaus zu Hilfe kam, konnten sie der der Plage Herr werden. Viele Bewohner schlugen Schutzzeichen, sahen sie doch den Schwarm als vom 13. selbst gesandt. Feuerfliegen waren in der Wildermark aber auch recht häufig anzutreffen, nur ihre gesteigerte Aggressivität war wie nicht von dieser Welt. Anshag säuberte noch in der Nacht seine Klinge und reichte auch die Waffenpflegeutensilien an die anderen weiter, die es ihm dankten. Tagsüber, als Traviahold und seine Knappin wie immer versuchten zu schlafen, erfüllte ein bleierner Dunst die Luft. Es war schwer Ruhe zu finden um ihre Stiche und Bisse der Drachenlibellen zu kurieren.


Siebeneichen – Madaraestra 4. Tag des Namenlosen 1032 BF

Auch die Nacht vom 3. auf den 4. verfluchten Tag war Schwül und Warm. Die Wachenden schwitzten unter ihren Panzern. Aber man war dennoch froh Nachts zu wachen, denn am folgenden Tag würde es sicher noch heißer werden. Nach dem schon fast der Morgen graute brach ein Sturzregen über Siebeneichen aus den düsteren Wolken am Himmel. Innerhalb von wenigen Augenblicken waren sie durchnässt bis auf die Knochen. Traviahold schickte seinen alten Schreiber in das Gasthaus bevor dieser sich draußen noch den Tod holen würde. Yantur Zertel schien sichtlich erleichtert in die trockene Stube einkehren zu dürfen und verschwand im Gebäude. Der starke Regen ließ alle Fackeln am Rand des Dorfes erlöschen. Aber der Tag war eh so gut wie da. Der Regen prasselte auf die Patrouillierende Schwarze Lanze, so dass man sich schon bald unter Unterstände zurückzog. Die schwarzen Haare der Knappin klebten an ihrem Kopf. Traviahold viel auf, dass sie in den letzten Sommern immer deutliche zu Frau geworden war, auch wenn ihr Kettenhemd ihre Vorzüge nicht gerade hervorhoben, sondern diese eher verbargen. Traviahold betrachtete seine Knappin und dachte an den Anfang zurück, als ihr älterer Bruder zu ihm kam und ihm erklärte welch ein fürchterlicher Frevel geschehen war. Traviahold aus dem Wutzenwald kannte den „Schlächter“, von dem die Wildermärker schon ein Jahr später die gar grausamsten Dinge berichteten, Gerüchte aber auch die ein oder andere Wahrheit. Der „Schlächter“ zog aus um sich das zu nehmen, was sein Volk benötigte – notfalls auch mit Gewalt. Traviahold konnte ihn damals fast verstehen, war er doch selbst fast in der gleichen Situation mit Gut Schattenholz und seinen verheerten Feldern. Seitdem waren schon einige Jahre ins Land gegangen und die Schwarze Knappin hatte seit dem viel dazu gelernt. Ihre Zeit würde schon bald gekommen. Die nächsten Monde würden zu ihrer Bewährungsprobe, oder zu ihrem Tod. Ein plötzliches Geräusch am Rande des Ortes riss den großen Ritter aus den Gedanken. Auch Anshag und die Schwarze Knappin sahen auf. Auch wenn seine Augen eher schlecht waren, hörte er um so besser.

„Ich bleibe hier und halte den Dorfplatz im Auge, du und Anshag schaut nach was da los ist“

Rief Traviahold seiner Knappin und dem Hallinger zu und blickte sich im Regen Aufmerksam um. Das Geräusch war von einem Hof am Rande von Siebeneichen gekommen. Die Bauernfamilie hatte während den letzten Tagen des Jahres Unterkunft in einem größeren befreundeten Hof gesucht, der näher am Gasthaus lag. Außer den Tieren sollte dort niemand sein zu dieser frühen Stund.

Sobald die Schwarze Knappin Traviaholds Stimme vernahm, horchte sie auf und stürmte direkt los zu dem Hof, nur darauf bedacht, seinen Befehl zu befolgen. Als sie ankam, musste sie warten, bis Anshag nachgekommen war, doch sah sie, dass die Vordertür des Hofes aufstand. Ohne weitere Zeit zu vertrödeln, betrat sie alleine das Gebäude und konnte frische Regenspuren entdecken. Kurz darauf fiel ihr Blick auf einige zerbrochene Teller und Schüsseln, der Schrank darüber stand offen, die Scharniere fast rausgerissen, wie als hätte jemand mit übertriebener Kraft oder Eile daran gezogen, um dann auf einfaches Geschirr zu stoßen. 'Aha, das war wohl das Geräusch' dachte sie und ging in den nächsten Raum. Zwei verwegene Gestalten schienen gerade diesen Raum zu durchsuchen. Die Männer schreckten auf, als sie das Klingen des gezogenen Schwertes hörten. Sie starrten die junge Frau zunächst völlig bestürzt an, dann weiteten sich ihre Augen und ein lüsterner Blick trat an Stelle der ursprünglichen Entgeisterung über ihre Entdeckung. Diesen Augenblick der Verwirrung und des Nichtstuns der Diebe nutzte die Knappin gnadenlos aus, indem sie auf sie zustürmte und einem ihr Schwert mit voller Wucht in den Bauch rammte. Als sie ihre Klinge wieder aus dem leblosen Körper zog, starrte der zweite Dieb sie mit entsetztem Blick an, und zog es nun vor, sein Heil in der Flucht zu suchen. Er hatte sich gerade umgedreht als ihn ein tödlicher Hieb traf. Mit der Schnelligkeit eines Blitzes hatte die Schwarze Knappin noch zu einem Passierschlag angesetzt und auch ihn für immer niedergestreckt. Das Blut der beiden Plünderer breitete sich langsam auf dem Holzboden zu ihren Füßen aus. In genau diesem Moment trat Anshag in den Türrahmen, blickte sich zunächst einmal verwirrt um. Die Knappin, das Schwert noch in der Hand, ging stumm an ihm vorbei und verließ den Hof Richtung Dorfplatz. Der strömende Regen hatte in wenigen Augenblicken das noch an ihr klebende Blut abgewaschen. Anshag schien zunächst noch etwas sagen zu wollen, entschied sich dann jedoch dagegen. Bei Traviahold angekommen, blickte dieser sie fragend an. "Das Problem ist keines mehr" war die knappe Antwort der Schwarzen Knappin auf seine stumme Frage. Damit ging sie auch an ihm vorbei und begab sich schweigend wieder auf ihren Posten. Den Rest des Tages wurde es noch schwüler, Schweiß rann an Mensch und Tier herab. Das Praiosmal verbreitete nur noch trübes Dämmerlicht. Fast schien es so als würden man von seinen innersten Bedürfnissen getrieben. Die Schwarze Knappin, die an diesem Tag nicht richtig schlafen konnte, spürte die eindeutigen Blicke in ihrem Rücken, die einige der Fußsoldaten ihr zuwarfen. Grordan Graustein, der stämmige Bannerträger von Schattenholz, der ebenfalls nicht schlafen konnte, hatte gar jedes Maß vergessen. Er hatte die Abwesenheit seines Ritters genutzt und über den Tag hinweg über den Durst getrunken. Die Schwarze Knappin wurde aufmerksam auf ihren Lanzen-Kammeraden, als dieser immer lauter wurde und anfing über seine weniger ehrenvolle Vergangenheit zu plaudern. Gerade als er sich in seinem betrunkenen Zustand unbedacht den Mund am Banner des Schattenholzers abwischen wollte, trat ihm die Knappin mit voller Kraft und mit maßloser Gewalt direkt ins Gesicht, so dass dieser schmetternd zu Boden ging. Aber die Knappin hielt nicht inne. Sie trat weiter auf den am Boden Liegenden ein, um ihn für seine Unachtsamkeit gebührend zu bestrafen. Zwei weitere Mitglieder der Schwarzen Lanze, die Tagsüber Wache hielten, wagten es nicht einzugreifen. Sie wussten es zu schätzen dass es nur die Knappin war, die ihren Kampfgefährten bestrafte, wenn auch mit übertriebener Härte – der Ritter Alten Schlages hätte den Bannerträger für seine Verfehlung wahrscheinlich getötet. Erst als Deggen, der Geweihte der Rondra, hinzueilte, hielt sie inne. Niemand hatte die bisher immer so ruhige und eher zurückhaltende Knappin so gesehen. Der Streiter der Rondra wusste, dass nur der Einfluss der Namenlosen Tagherrscherin daran schuld war. Er konnte froh sein, wenn nicht noch schlimmere Dinge an diesem Tag passieren würden.


Siebeneichen – Madaraestra 5. Tag des Namenlosen 1032 BF

Der Alte einäugige Schreiber der Schwarzen Lanze rieb sich seine Augenhöhle, die er niemals verdeckte, und hielt sich sein zerschmettertes Knie. Beide Verstümmelungen Schmerzten dieser Tage, aber zugleich hatte er das vertraute Gefühl, mehr Kraft in seinen alten Gliedern zu verspüren. Der Alte Zertel kannte auch den Namen des letzten Tagherrschers. Dieser verfluchte Tag stand im Zeichen des Sphärenspalters! Aber auch dieses Mal behielt er sein verbotenes Wissen für sich – genau wie seine Macht die er jetzt wieder deutlich spürte, nachdem er etwa eine Woche heimlich sein kurzes Kettenhemd unter seinem schwarzgelben Wappenrock nicht mehr getragen hatte, so wie sein Herr es ihm aufgetragen hatte. Mit seinem letzten Auge blickte der verkrüppelte Alte, der bisher jedes noch so arge Gemetzel überlebt hatte, und den sie alle unterschätzten, in Richtung Südosten tiefer ins Zentrum der Wildermark. Mit seinem letzten Auge sah er schärfer als jeder Adler. Dort in der weiten Ferne, wahrscheinlich in der Baronie Zweimühlen, stiegen dicke Rauchwolken in den dunklen Himmel. Die Nacht vom 4. auf den 5. Verfluchten Tag war hier jedoch verschwörerisch ruhig gewesen. Alle Wachen hatten die Order nicht zu ruhen, bis es wieder hell würde. Aber es wurde nicht mehr hell! Es waren schon viel zu viele Stunden vergangen. Schon längst hätte das Licht des Praios strahlen müssen. Aber das Praiosmal war wie verschluckt. Wolken türmten sich zu grotesken und bedrohlichen Formen auf. Jeder konnte es spüren – Todesangst lag in der Luft!

Anshag war unruhig. Immer wieder ging er auf und ab und blickte finster vor sich her. Seit Stunden war er nun schon wach, sich an die Order haltend nicht zu schlafen bevor das Praiosschild wieder aufgegangen war. Die Leute seiner Lanze hielten Abstand zu ihm, denn sie wussten, dass der Ritter äusserst aufbrausend wurde, wenn er nicht genügend Schlaf bekam. "Was für eine verdammte Scheiße!!!" brach es plötzlich und laut aus ihm hervor, sodass alle Anwesenden sich ihm erschrocken zuwendeten. "Seit Stunden hätte das Praiosmal am Himmel erscheinen müssen! Wie soll man sich denn so orientieren wie spät es ist? Wir haben schliesslich noch einen Angriff vor uns! Kein Schlaf bis das Mal aufgegangen ist. Die Truppen werden uns im marschieren einschlafen wenn das so weitergeht und an einen Kampf ist gar nicht erst zu denken!" Wütend zerschlug er einen Beistelltisch mit einem einzigen Hieb seiner Faust. "Und überhaupt! Wie soll man bei dieser Drecksluft mal vernünftig durchatmen, kann mir das mal einer verraten?" "Nun ja,..." meldete sich einer der Soldaten zu Wort, wurde allerdings von Anshag direkt wieder abgewürgt. "Wer hat dich denn gefragt du Wicht? Wenn du noch einmal ungefragt dein Schandmaul öffnest werde ich dich Mores lehren, also pass bloß auf" Eingeschüchtert schwieg der Soldat und wirkte so als wollte er am liebsten im Erdboden verschwinden. Anshag setzte unterdessen seinen Weg durch das Zimmer fort und trat hier und dort einzelne Stücke des Beistelltisches aus seinem Weg.

Von der Patrouille, bei der gerade die Wachablösung durchgeführt wurde, drang auf einmal lautes Geschrei zum Haupthaus. Angespannte Adlige und auch Soldaten des Kriegshaufens sprangen auf. Einige zogen sogar ihre Klingen. Die Nerven lagen blank, und der Schlafentzug trug zu einer allgemeinen Gereiztheit bei. Die Wachhabenden von zwei unterschiedlichen Lehen plärrten sich an, und waren kurz davor sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen! Gleichzeitig hatte eines der kleineren Kinder aufgrund des Streites Angst bekommen und versucht einige aus Wachsresten geformte Kerzen anzuzünden, wobei ihm gleich zwei brennende Kerzenstummel zu Boden vielen und sogleich den Vorhang des Fensters, aus dem es heraus gestarrt hatte, in Flammen aufging. Während draußen der Streit weiter ausartete, fing das Kind, mit der Situation total überfordert, an zu weinen und zu schreien. Das Feuer fraß sich durch den Stoff und züngelte bereits an der Decke! Die Köpfe der Adligen und Wachen ruckten herum.

„FEUER, FEUER!“

Hilferufe gellten aus dem Haus! Aber keiner der anderen Siebeneichener wagte sich nach draußen um das Feuer zu löschen – kein Aventurier der noch bei klaren Verstandes war, würde während des letzten verfluchten Tages sein Haus und Hof verlassen! Für die meisten sah es so aus, als würde Dämonenfeuer das Haus verschlingen. Ihre Ängste schienen war zu werden. Schutzzeichen wurden hinter verriegelten Türen und Fenstern geschlagen. Mehr als die Hälfte der Soldaten und Adligen wichen zurück. Die die blieben und versuchten die Flammen zu löschen, waren ausgerechnet die Deserteure und Söldner, das Pack, auf das man eigentlich nur herabsah – und Deggen, der Geweihte der Rondra zusammen mit Anshag! Der Priester riss zusammen mit dem Hallinger die Führung an sich und begann blitzschnell die Löscharbeiten zu koordinieren. Die Verbliebenen gehorchten ohne Furcht und Wiederworte und machten sich auf die Suche nach Eimern, Decken und Wasser um den Feuer entgegenzutreten.

Anshag lief auf das brennende Haus zu. "Euer Gnaden, wir brauchen eine Eimerkette!" rief er Deggen, dem Geweihten der Rondra zu, der damit anfing die wenigen Leute die helfen konnten und wollten zu organisieren. Anshag selbst lief auf das brennende Haus zu aus dessen Inneren die Schreie von Kindern gellten. Einer der Söldner wollte ihn aufhalten doch wurde er von Anshag einfach zur Seite geschleudert. "Nicht die Kinder!!!" schrie Anshag als er die Tür durchbrach. Drinnen erwartete Anshag eine wahre Feuersbrunst. Flammen loderten mittlerweile im ganzen Haus und der beissende Rauch nahm Anshag den Atem. Hustend bahnte er sich einen Weg durch das Haus. Seine Streitaxt zertrümmerte eine bereits brennende Tür hinter der man das Schluchzen von Kindern hören konnte. Nachdem sich seine Sicht ein wenig geklärt hatte konnte Anshag tatsächlich drei Kinder sehen, die in der Ecke hockten. Ihre Mutter hielt sie fest in den Armen und betete . Anshag ging hustend auf sie zu, Tränen liefen sein Gesicht herab und er musste husten. Mühsam zog er die Frau auf die Beine und nahm zwei der Kinder in festem Griff an sich. "Folge mir, ich bringe euch hier raus!" schrie Anshag gegen das Tosen der Flammen an. Ich muss mich beeilen, sonst fällt uns noch das Dach auf den Kopf, dachte er bei sich und tatsächlich, als hätte er es geahnt knackte über ihm ein Deckenbalken bedrohlich und senkte sich ein Stück ab. Er musste zur Tür gelangen, sonst wäre es um die Kinder, die Frau und auch um ihn geschehen. unaufhaltsam bahnte er sich seinen Weg, zertrümmerte brennende Möbel und Hindernisse mit seiner Axt und schaffte es so die Frau zur Tür zu bringen, als letztlich doch der Deckenbalken nachgab und brennendes Holz und schwere Balken drohten sie zu zerschmettern. Beherzt stiess Anshag die Frau nach vorne und schleuderte ihr die Kinder nach, welche hart auf dem Boden vor dem brennenden Haus aufschlugen. Anshag selbst konnte sich im letzten Moment mit einem Sprung nach hinten in Sicherheit bringen. So lag er einige Momente dort im brennenden Haus, abgeschnitten von allen Anderen und versuchte wieder Herr seiner Sinne zu werden. Wie aus weiter Entfernung hörte er Deggen schreien "Von Sturmfels" Langsam kämpfte sich Anshag wieder auf die Beine. Seine Lunge schmerzte vom Rauch und von der Hitze die er mit jedem Atemzug inhalierte. Immer weiter wich er vor den Flammen zurück die schon bald seinen Tod bedeuten würde, falls ihm nicht einfiele. Er stand nun mit dem Rücken an der Wand. Diese war zwar nur aus Holz, doch hatte Anshag sein Kriegsbeil scheinbar beim Sturz verloren. Der Hitze trotzend ging er einige Schritt zurück in den Raum. Er drehte sich Richtung Wand und versuchte sich trotz Hitze, Feuer und Schmerzen zu konzentrieren. Er fokusierte seine letzten Kraftresserven. Die Muskeln Anshags schwollen an, sie drohten sein Hemd, welches an manchen Stellen bereits qualmte und kokelte zu zerreisen und mit einem Schrei der Verzweiflung und der letzten Auflehnung lief er los, immer weiter Richtung Wand. Mit aller Kraft warf Anshag sein ganzes Gewicht gegen die Holzbohlen der Wand, welche tatsächlich nachgaben und Anshag in die Nacht entliessen. Hart schlug Anshag auf dem Boden auf. er nahm seine Umwelt kaum war, nur das Brechen und Bersten verriet ihm, dass as Haus in welchem er sich bis gerade noch befunden hatte nun scheinbar eingestürzt war. Ein Söldner schüttete ihm einen Eimer Wasser über, um die kokelnden Stoffe und auch seine Haare zu löschen. Anshag versuchte ihn anzuschreien, wollte eine Erkläung was das sollte, doch nur ein heiseres Krächzen entrang sich seiner Kehle und der Schmerz liess ihn beinahe wahnsinnig werden. Erschöpft sank er auf dem Boden zusammen als er Deggen über sich erkannte. "Wie geht es den Kindern und ihrer Mutter?" waren die letzten Worte bevor Anshag in eine gnädige Ohnmacht viel. Er spürte nicht, wie er von Deggen und den Leuten seiner eigenen Lanze in eins der Häuser getragen wurde und auch nicht wie Timshal einen Heilzauber auf ihn wirkte, ohne den er die Nacht wohl kaum überstanden hätte. Er schlief einen tiefen und traumlosen Schlaf und erwachte erst am nächsten morgen wieder.


Siebeneichen – 1.Praios 1033 BF

Der Hallinger, Gilborn von Bregelsaum, und sein Gefolge hatten die verfluchten Tage in der Scheune verbracht, die ihnen zugewiesen worden war. Sie hatten sie nur verlassen, wenn sie gemeinsam mit Angehörigen der Aufgebote des Sokramshainers und des Firnsjöner zur Wache eingeteilt waren. Dabei hatten auch sie unter den Auswirkungen dieser unsäglichen Tage gelitten, doch war ihnen bei weitem nicht so schlimmes widerfahren, wie den anderen in den Nächten. Waren sie nicht auf Wache, so verbrachte jede Gruppe die Tage auf seine eigene Weise.

Die Sokramshainer blieben unter sich und schienen noch am wenigsten unter den Tagen zu leiden. Der alte Firnsjön hielt sich mit den Seinen auf dem Gutshof auf und versuchte den anderen mit seiner Erfahrung halt zu geben. Er weilte schon viele Götterläufe auf Dere und hatte schon viel in diesen Tagen gesehen. Die Bregelsaumer hatten sich hingegen ihrem Hausgott zugewandt. Zu jeder Stunde las einer der Ihren laut aus einem Gebetsbuch zu Ehren des Götterfürsten vor, so das ihnen die Worte eine Stütze in diesen Stunden waren. Gilborn hatte das Buch im Wissen um die kommenden Tag mit sich genommen. Allesamt begrüßten sie den ersten Tag im neuen Götterlauf mit einem gemeinsamen Gebet zu Ehren des Herrn der Gefilde Alverans.

Ein jeder hatte die fünf verfluchten Tage auf seinen eigene Art und Weise hinter sich gebracht. Mancher hatte sich dabei seinen größten Ängsten stellen müssen. Doch allen war ihnen eines zu eigen. Mit den Strahlen des neuen Tages und Jahres verdrängte emsige Geschäftigkeit das Grübeln und die Furcht der vergangenen Tage. Zumindest machte ein jeder diesen Eindruck. Nach einem gemeinsamen Götterdienst durch die beiden Diener der Zwölfe in Siebeneichen, galt es nun sich für den Aufbruch zu rüsten und vorzubereiten. Gerbold von Zwölfengrund hatte sich nicht vom Gegenteil überzeugen lassen, auch wenn es so mancher versucht hatte. Er würde mit seinem Männer und Frauen nach Sokramshain ziehen. Ludalbert, sein ältester, würde derweil mit einem Aufgebot nach Kahirswalden ziehen. Mehr als das würde sein Haus in diesem Feldzug nicht leisten. An seiner Stelle würde sich ihnen Praiosmin von Siebenstein anschließen. Wie sie versprochen hatte, würde sie mit einem kleinen Aufgebot Siebeneichens nun ihren Teil leisten. Und auch Gilborn von Bregelsaum hatte sich ihnen mit seinem Gefolge angeschlossen. Firunsfelde war eine stete Bedrohung Hallingens, eine Bedrohung der man sich nun gemeinsam annehmen würde.

 

Firunsfelder Wacht

An einem Hügel unweit dem Ort Firunsfelde - 1. Praios 1033 BF

Silvana von Firnsjön musste blinzeln. Die ersten Strahlen der Praiosscheibe in diesem Götterlauf, die über den östlichen Hügeln der Schlotzer Lande zu erblicken waren, verhießen durch ihr Gleißen Gutes. Doch war sie zutiefst misstrauisch und verschränkte ihre Arme. „Nun, den Göttern sei Dank haben wir die Namenlosen Tage heil überstanden“ murmelte sie vor sich hin. „Wie Herrin?“ fragte einer der beiden Waffenknechte die sich gerade hinter ihr über ein karges Frühstück hermachten. „Ach nichts...“ antwortete die Ritterin aus Firnsjön und ließ sich ein Stück Hartwurst reichen. Dann wandte sie ihren Blick wieder auf den Ort in der Senke vor ihr hin. Sie hatten hier nun schon seit bald drei Wochen ihr Lager aufgeschlagen. Es war tatsächlich eine gute Stelle die der Gernatsborner Grenzjäger gewiesen hatte. Von der Hügelkuppe hatte man einen wunderbar freien Blick auf Firunsfelde und die Büsche darauf verbargen ihr Wachtlager nahezu ganz. Silvana machte sich aber keine Illusionen, bestimmt wussten die finsteren Söldlinge, dass sie beobachtet würden. Firunsfelde war ein Schatten seiner selbst – der einst stolze Ort, der gar eigenes Bier braut, war nun umgeben von einem aufgeschütteten Erdwall, gespickt mit Pfählen. Die Firunsfelder selbst als wie die dutzenden Verschleppten aus Kahirswalden mussten bis aufs Blut schuften um seit letztem Herbst die notdürftige Verteidigungsanlage zu errichten. Bis zu den letzten Tagen hatte sich nicht viel von Seiten der Söldner geregt. Niemand ging ein oder aus – die wenigen Reisenden und Händler die die Gegend kreuzten wurden von Silvana und den Waffenknechten angewiesen einen Bogen um Firunsfelde zu machen – und auch die Brauerei schien ihre Arbeit niedergelegt zu haben, denn kein Rauch stieg mehr von ihr auf. Sie hatten sich regelrecht im Ort verschanzt, doch mussten ihre Vorräte bald aufgebraucht sein, denn auch die Felder waren nicht bestellt. „Diese Feiglinge...“ raunte Silvana dem Morgen zu. Obwohl die Praiosscheibe erst aufgegangen war, war es beachtlich heiß und es schien wieder ein Hitzetag zu werden – die Nacht hatte ebenfalls nicht viel Abkühlung gebracht. Es raschelte in den Büschen neben ihnen. Der eine Waffenknecht ließ sein Stück Käse das er in der Hand hielt fallen und griff nach dem Streitkolben. Doch sogleich beruhigten sich seine Muskeln, denn aus dem Gestrüpp erschienen der Grenzjäger Wolfram und Argwulf Eisenhagel. „Endlich wieder zurück – gibt es Näheres zu berichten?“ fragte Silvana die beiden sogleich. Argwulf kniff seine Augen argwöhnisch zu und sprach „habt ihr es nicht selbst gesehen, das verspricht Unheilvolles.“ Silvana nickte. Seit dem Anbeginn der Namenlosen Tagen begann es sich nämlich auch im besetzten Ort zu regen. Am Hauptplatz des Ortes – an dem sich der geschändete Firunschrein und auch die Herberge, in der die Söldner Quartier bezogen hatten, befanden – wurde eine Art seltsamer Altar errichtet. „Das fremdartige Licht in der letzten Nacht müsst ihr auch von hier gesehen haben“ sprach Wolfram und die Ritterin nickte „aber wir waren so nah am Ort auf der Pirsch, dass wir gar Schreie davor vernehmen konnten. Es waren Schreie, zuerst menschlich wie von einem Opfer, dann aber dissonant und unnatürlich.“ „Bei den Göttern“ lenkte Argwulf ein „hoffentlich kommt bald Ritter Traviahold mit der Schwarzen Lanze und den anderen Streitern, dass wir dem Pack endlich ganz den Garaus machen können.“

 

Firunsfelder Befreiung


Firunsfelde – 2. Praios 1033 BF

Die Praiosscheibe blendete Storko von Gernatsborn als er an jenem heißen Sommermorgen sein Pferd bestieg. Sein rechtes Bein schmerzte, zumal er wieder in schwere Platte gewappnet war. So wie die Rüstung ausgebessert wurde hatte sich auch seine schwerwiegende Verletzung regeneriert. Der Göttin sei Dank kam Travian Algerein, der Traviadiener aus Gernatsau nach den geschickt wurde, bald nach Storkos Ankunft in Gernatsborn an. Dieser sprach einen Segen über die schwere Wunde und so konnte sie gar über die Namenlosen Tage fast vollständig geheilt werden. Storko würde sein Versprechen einlösen und nach dem Kriegszug einen guten Betrag an den Gernatsauer Traviatempel spenden. Der Junker warf seiner sich sorgend blickenden Gemahlin noch einen letzten Kuss aus der Ferne zu und ritt sodann durch das geöffnete Tor seines Wehrgutes. Gefolgt wurde er von nur noch einem Soldaten samt Packpferd; ein anderer Soldat war noch zu schwer verletzt und konnte nicht wieder in die Schlacht geführt werden. Den Großteil seiner Truppen hatte er ja Ritter Traviahold aus dem Wutzenwald unterstellt, in wenigen Stunden an den Hügeln vor Firunsfelde würde er sie wieder unter sein Kommando zurücknehmen.

Der Schlotzer Kriegszug hatte endlich und in neuer Stärke Stellung hinter den Firunsfelder-Hügeln bezogen um die besetzte Siedlung anzugreifen und um den letzten Kriegsfürsten, aus der Baronie vernichtend zu schlagen. Traviahold der Bastard aus dem Wutzenwald, dessen "Schwarze Knappin" und seine „Schwarze Lanze“ bildeten zusammen mit den Gernatsborner-Fußsoldaten unter Weibel Hagen Wehrheimer, der nun wieder Storko unterstand, welcher endlich wieder unter ihnen weilte, das Zentrum und den Antrieb dieses Zuges. Anshag von Sturmfels und seine Hallinger-Reiter zusammen mit Timshal Silberhaar, dessen elfischer Spurenleser und Waffenknecht, waren aber auch noch dabei, genau wie der Alte Firnsjöner Ritter Sieghelm von Firnsjön und seine Tochter Silvana von Firnsjön, die die ganze Zeit in der Nähe die Stellung gehalten hatte, mit einigen weiteren Tapferen. Der Gernatsborner Grenzjäger und Traviaholds Waffenknecht, waren froh, sich endlich wieder in die Truppen ihrer Herren einreihen zu können. Auch der Rondrianer Deggen von Baernfarn begleitete den Kriegszug weiterhin zusammen mit der Tross-Heilerin aus Wutzenbach. Neu dabei waren nun Ritterin Praiosmin von Siebenstein mit ihren letzten beiden Waffenmägden, ihrem „Metzger“ Geisbart Fleischhauer und einer Hand voll schnell ausgehobener Landwehr. Des weiteren begleite Gilborn Hal von Bregelsaum zusammen mit zwei Bregelsaumer Hausrittern und sieben weiteren Lanzenreitern den Kriegszug, die sich unerwarteter weise in Siebeneichen angeschlossen hatten. Die Sokramshainer hatten zu viele Verluste gegen die Goblins erlitten, und hatten sich zurückgezogen. Auch Ritter Leubold von Zwölfengrund hatte eine schwere Kopfverletzung davon getragen, und würde wohl für den Rest seines Lebens gezeichnet sein. Es wurde Zeit, dass ein weiter Kopf in den stinkenden Sack des Schattenholzers kam und dass die verschleppten Einwohner von Karhirswalden befreit wurden, sofern diese noch lebten. Sarogor "Stachelwanst", der die transylischen Söldner und Drachengardisten anführte würde eine schwerere Hürde als Chraaz "der Verräter" werden. Nun galt es alte und neue Freunde zu begrüßen und einen Schlachtplan zu schmieden, der möglichst wenige Verluste beinhaltete. Der den sie alle nur noch Stachelwanst nannten legte seinen schweren Harnisch an und blickte gen Osten in die Hügel. Er hatte sich genommen was ihm zustand und niemand würde ihm sein Firunsfelde wieder wegnehmen. Tsafrieds Bastard hatte seinen Weibel beim Angriff auf Gut Schattenholz erschlagen, was so nicht geplant gewesen war. Jetzt führte er, Sarogor, nun die Reste der versprengten Söldner und Gardisten der Drachengarde, die in der Baronie Schlotz nach dem Jahr des Feuers noch übrig waren. Ihre Zahl war geschrumpft, aber keiner der Schlotzer, oder der umliegenden Baronien konnte auch nur einen Mann aufstellen, der den unerfahrensten seiner Kämpfer besiegen konnte. Er und seine Gardisten und Söldner hatten in den letzten zwei Jahrzehnten mehr Krieg gesehen, als irgendeine Truppe je zuvor. Sollten sie doch ihre Lämmer zur Schlachtbank führen...genau wie der letzte Ritter und dessen Lanze, den Baron Tsafried von Schnayttach-Binsböckel ausgesandt hatte. Er wusste schon gar nicht mehr wohin mit den ganzen erbeuteten Waffen und Rüstungen. Schon bald würde er seinen eigenen Ritter den Angreifern entgegen schicken. Seinen Ritter des Yaq-Hai...

Anshag beobachtete das Dorf von ihrer Stellung aus. Nichts konnte man erkennen, außer diesem verdammten Erdwall und ab und an einen Kopf der sich neugierig über selbigen streckte um sie zu beobachten. Er hatte Timshal verboten auf die Neugierigen zu schießen, er mochte zwar ein guter Schütze sein, doch würden seine Pfeile sicherlich noch gebraucht. Anshag rieb sich missmutig über die noch immer schmerzende Schulter, mit der er die Hauswand in Siebeneichen durchrannte. Trotz der Heilkunst seines halbelfischen Waffenknechtes tat es noch immer weh. Mit einem leichten Kopfschütteln drehte er sich vom Dorf ab. So die Götter wollen werden wir schon bald den nächsten Sieg feiern können, dachte Anshag bei sich, auch wenn er nicht glaubte, dass dies ein leichter Sieg werden würde. Dies waren immerhin keine Goblins, sondern zum Teil ehemalige Elitetruppen der schwarzen Lande und niemand hier wusste wie stark sie im Bunde mit ihren unheiligen Herren standen. Anshag ging hinüber zu Traviahold, grüßte dessen Lanze mit einem Kopfnicken und ließ sich auf einem Baumstamm nieder, wobei sein Kettenhemd auf den Plattenteilen vernehmlich anschlug. "Und? Gibt es schon Ideen oder Angriffspläne wie wir gegen das Dorf vorgehen?"

Storko erhob das Wort an die Runde der Anführer, die bei diesem Kriegsrat am hinteren Teil des Hügels vor Firunsfelde versammelt war. „Nun, sie scheinen sich ja gut verschanzt zu haben. Auch wenn ich mir sicher bin, dass sie unserer Anwesenheit bemerkt haben, werden sie sicherlich keinen Ausfall planen – dafür sind wir ihnen zahlenmäßig weit überlegen. Was ihnen mangelt ist aber, so wie es unsere Späher berichteten und die unbestellten Felder nahe legen, Vorräte. Früher oder später wird ihnen alles ausgehen, zumal ja keiner hinaus aus und hinein nach Firunsfelde kommt. Gewiss aber leiden die Söldlinge als letztere an Hunger, und die armen Firunsfelder müssen schmachten. Also meiner Meinung nach wäre eine Belagerung eine wohl für unsere Truppen sicherste aber dafür besonders lange Strategie. Eine andere Möglichkeit ist zu versuchen den Ort im Sturm zu nehmen, am besten listig im Morgengrauen, wenn die Söldlinge von den letzten Firunsfelder Bierreserven in ihrem Dunst liegen. Es scheint als haben sie sich in der Herberge in der Dorfmitte einquartiert, doch in Straßenkämpfen haben sie ja ebenfalls den Ritter des Barons besiegt, das sollte man nicht unterschätzen. Wie auch immer, es ist wichtig dass die Bewohner selbst auch zweifelsohne auf unserer Seite kämpfen werden, auch wenn sie eingeschüchtert und waffenlos sind.“ Er räusperte sich kurz und sah wieder in die Runde. „So sehe ich unsere Optionen.“

Traviahold, der seinen Großschild gegen einen Panzerarm ausgetauscht hatte und momentan nur noch seine Ogerschelle am Waffengürtel trug legte seine Rechte freundschaftlich auf die Schulter Storkos, während seine Schwarze Knappin sehr konzentriert wirkte. "Ich bin mir noch nicht sicher was unsere Taktik angeht. Wenn wir sie belagern, müssen wir unsere Truppen um die Siedlung herum verteilen und uns somit selbst schwächen. Einem ernstgemeinten Ausfall hätte der betroffene Truppenteil nichts entgegen zu setzen, außer dem Rest Zeit zu verschaffen. Viele von uns sind zwar beritten, aber ich habe ein ungutes Gefühl bei dieser Strategie. Abgesehen davon dass wie ihr schon festgestellt habt, die Firunsfelder zuerst Hunger leiden werden, glaube ich, dass "Stachelwanst" sich genau darauf vorbereitet hat. Zeit genug hatte er dafür alle mal. Weiß Praios auf was er sich noch alles vorbereitet hat. Und was tun wir, wenn sie im Ort selbst die Bewohner angehen, wollt ihr dann zuschauen? Das können wir nicht. Die Schlotzer dort im Ort erwarten, dass wir sie jetzt befreien, gerade weil wir in der Überzahl sind. Wie seht ihr das Euer Wohlgeboren Anshag von Sturmfels und der Rest von uns?" Praiosmin von Siebenstein nickte dem Schattenholzer zu: "Wir können die Bewohner und die Gefangenen von Kahirswalde nicht noch länger diesen Schurken aussetzen, sie haben sicherlich genug gelitten. Ich sage wir sollten angreifen." Traviahold schaute die restlichen Anführer fragend an.

Anshag lächelte. Firunsfelde im Sturm nehmen war zwar eine rondrianische Tat, allerdings auch sehr wahrscheinlich mit hohen Verlusten verbunden. Auf der anderen Seite würden die Bürger ansonsten leiden also was blieb ihnen schon für eine Wahl. "Praios will es!" sagte Anshag in normalen Gesprächston in die Runde. "PRAIOS WILL ES!!!" rief er in Richtung der Soldaten und Waffenknechte, was aus mehreren Kehlen erwidert wurde. "Wie mir scheint, sind auch die Männer und Frauen dazu bereit. Also morgen eine Stunde bevor die Sonne aufgeht sollten wir zuschlagen. Dies ist die Zeit, in der die Nachtwachen immer am unaufmerksamsten sind. So können wir die Verluste auf unserer Seite klein halten, auch wenn uns allen klar sein dürfte, dass wir trotz allem mit Verlusten zu rechnen haben. Reiterei wird uns bei dieser Sache leider auch nicht helfen, was heißt, dass wir die Pferde zurücklassen. Wir sollten die Truppe in zwei Teile spalten. Die eine, die Hauptangriffswelle bekämpft die Dämonenknechte von vorne. Ich würde sagen, dass Ihr Euer Gnaden aus nahe liegenden Gründen bei dieser Truppe verbleibt, während sich die zweite Truppe um das Dorf herumbewegt und versucht einen Hintereingang zu finden oder zu schaffen. Zwei bis drei Mann der zweiten Gruppe versuchen die gefangenen Dörfler erst mal zu evakuieren, während der Rest der Truppe die Dämonenknechte nun umschließt und dann vernichtet! Pardon wird nicht gewährt, Gefangene werden nicht gemacht!" Anshag lehnte sich ein wenig auf seinem Baumstumpf zurück, woraufhin er beinahe das Gleichgewicht verloren hätte, da er sich scheinbar an einer nicht vorhandenen Rückenstütze anlehnen wollte. Nachdem er sich wieder gefangen hat, schaut er den Anwesenden wieder in die Augen. "Fragen, Einwände, bessere Ideen?"

Der älteste und erfahrenste Kämpfer in der Runde, Ritter Sieghelm von Firnsjön, meldete sich zu Wort. „Vergesst nicht, dass dies ein weit schwierigeres Unterfangen sein wird als bei den Goblins. Wir wissen nur bedingt wo sich die Söldner aufhalten und wie ihre Gewohnheiten sind, und was sie sonst noch für finstere Umtriebe für uns vorbereitet haben.“ Silvana, seine Tochter die mit den wenigen Waffenknechten den Ort nun seit mittlerweile fast drei Wochen ausspähte, nickte und schob sich an ihrem Vater vorbei um selbst zu sprechen. „Nun, der ganze Ort ist mit einem festen Erdwall und Pfählen umgeben, die gleichmäßig gelegt worden sind. Es scheint also ganz gleich von welcher Position wir anrücken. Sie scheinen in der Ortsmitte ihr Quartier aufgeschlagen zu haben und sich insbesondere zwischen Firuntempel, Herberge und Brauerei zu bewegen. Die Bewohner meiden die Öffentlichkeit, nur selten gehen sie vor die Häuser, außer wenn sie zu Arbeiten gezwungen werden. Aber ...“ – schluckte kurz und ihre Stimme wurde leiser – „.. wie die Späher Argwulf und Wolfram berichteten, und selbst in mancher Nacht der Namenlosen Tage von hier zu sehen war, haben die Söldlinge wohl ein Art Unheiligtum in der Ortsmitte aufgestellt.“ Auf den Gesichtern der meisten Anwesenden war Besorgnis zu lesen, die einfachen Soldaten, Waffenknechte und Landwehr weiter hinten murmelten zauderhaft. Deggen, der bisher etwas abseits gestanden war, trat nun mehr in die Mitte, da er die Sorgen der Anwesenden spüren konnte – er wusste ein einziger dieser niederhöllischen Kreaturen konnte die Moral eines ganzen Banners brechen. Mit bestimmter Stimme sprach er zu allen und auch an sich selbst um Mut zu verbreiten: „Was uns auch immer in Firunsfelde erwartet, mit dem Mut der Leuin im Herzen und Ihrer Kraft im Schwertarm werden wir die Schergen der Finsternis brechen und die armen Geknechteten des Ortes wieder Frieden schenken. Sprecht mir nach, lasst uns gemeinsam zur Göttin beten.“ Alle knieten sich gestützt auf ihre Waffen nieder und wiederholten die Worte des Priesters.

„Herrin, schenke uns Kraft. Deine Kraft ist es, die das Geschick des Kämpfers lenkt. Deine Kraft ist die wahre Kraft, der Arm der Zwölf. Herrin, lass uns Deine Kraft spüren, Lass uns Bote Deines Willens sein!“

Nach einer kurzen Zeit des kollektiven Schweigens erhoben sich alle wieder und Storko begann die Diskussion wieder aufzunehmen. „Vielen Dank Hochwürden für eure Worte der Ermutigung. Doch abgesehen von dem Unbekannten das uns möglicherweise erwartet, muss ich aber dennoch einwerfen: bei einem Sturm ist mir nicht wirklich wohl, was nicht auf einem Mangel an Mut als eher auf strategischen Überlegungen gründet.“ Sprach er und rieb sich ohne es zu merken an seiner leicht noch schmerzenden doch schon gut verheilten Verletzung. „Doch unter Anbetracht der Tatsachen bleibt uns wohl nichts Vernünftigeres übrig. Ich würde sagen, dass wir etwa wie Anshag gemeint hat uns in zwei Gruppen aufteilen und vor dem Morgengrauen versuchen vorsichtig ans Dorf heranzukommen. Wenn sie eine der beiden Gruppen bemerken bevor wir am Ort heran sind, dann bleibt uns nichts anderes übrig als zu stürmen und zu kämpfen. Es wäre aber wohl besser zuerst ungesehen hineinzugelangen um den Feind direkt in der Mitte und unvorbereitet zu treffen. Aber Traviahold, ihr seid der einzige, der bisher gegen sie gekämpft hat. Gibt es bezüglich den Söldnern noch etwas wichtiges das wir wissen oder beachten sollten – auf welche Art Feind sollten wir uns einstellen?“

Traviahold trat vor. "Ein Teil unserer Feinde dort gehörte einst zu der berühmtesten kaiserlichen Garde unseres Reiches. Sie waren eine Stütze der Eroberung Maraskans und Retter in der Schlacht auf den Silkwiesen, bis sie nach ihrem Verrat auf Maraskan, wo sie die Adlergarde niedermachten, unter Reichsacht und Kirchenbann gestellt wurden. Und nach dem Fall des Bethaniers, war es einst Rhazzazor, nicht Haffax, unter dessen Befehl sie standen. Sie waren die Basis dessen Militärdiktatur und genossen wohl einzigartige Privilegien. Sie haben Unmengen an Jahren Erfahrung als Garde und als Söldlinge. Sie alle tragen einen schwarzen Plattenharnisch, Drachenhelm, Schild und Langschwert. Und Stachelwanst selbst ist zwei Schritt groß und fett. Sein schwarzer Panzer ist gestachelt und er schwingt einen großen Warunker Hammer. Er ist also nicht zu übersehen. Und ich schätze dass wir es noch mit mindestens 15 von ihnen zu tun haben. Den Sieg bei Gut Schattenholz konnte ich nur davon tragen, weil es mir gelang, ihren damaligen Befehlshaber, ihren Weibel zu erschlagen. Sarogor diente wohl zu dieser Zeit als Unteroffizier unter diesem. Nun führt er als Kriegsfürst den Rest." Der Bregelsaumer war den Ausführungen der anderen bislang schweigen gefolgt. Er hatte beim alten Geldor vieles gelernt und sich schon früh angewöhnt, erst die anderen in einer solchen Runde sprechen zu lassen. „Ihr schätzt die Lage gut ein“, nickte er den Anwesenden anerkennend zu. „Die Firunsfelder haben keine Zeit für eine Belagerung und wir haben sie auch nicht. Keiner von uns kann seinen Landen solange fern sein.“

„Zeit und Taktik sind gut gewählt, Sturmfels. Allein, der Ort ist zu stark befestigt. Wall und almadanische Reiter bremsen uns gut aus. Das Pack dort unten“, Gilborn deutete beiläufig auf den Ort zu ihren Füßen, „hat sich vorbereitet. Und was immer es ist, der Feind hat mit Sicherheit noch eine Trumpfkarte auf der Hand. Auch wenn von ihnen wohl kaum einer zur alten Garde gehört, die uns damals gegen den Ork gerettet hat. Sie haben von ihr gelernt und dazu noch so manche Gemeinheit.“ Er hatte sie erlebt. Als Retter in der Not und als Feind auf dem Schlachtfeld, noch jedes Mal hatten sie ihn beeindruckt, im Guten, wie im Schlechten. „Wir sollten von zwei Seiten angreifen, doch werden uns unsere Pferde dabei keine Hilfe sein. Lasst uns daher mobile Wände errichten, hinter denen wir geschützt gegen ihre Pfeile und Bolzen vorrücken können. Einige schwere Reiter halten wir zurück, sollte der Feind einen Ausfall wagen, können wir reagieren. Ansonsten können sie vorstoßen, wenn unsere Leute den Wall und die almadanischen Reiter zur Seite geräumt haben. Da der Feind hören wird, wie wir die Wände fertigen, sollten wir sie ablenken. Lasst alles danach aussehen, dass wir den Ort belagern wollen. Dabei können wir uns auch gleich so positionieren, dass es später einfacher wird. In der dritten Nacht lasst uns dann zu schlagen. Die Nächte zuvor sollten wir sie bereits prüfen.“ Der Baronet blickte fragend in die Runde. „Das ist, was ich tun würde. Doch ist dies weder mein Land, noch sind es meine Männer und Frauen. So nehmt es als Rat eines Ritters und Nachbarn, der schon einiges gesehen hat.“

„Wir sind euch wahrlich zu Dank verpflichtet, Gilborn von Bregelsaum“- sprach ihn hierauf Storko an und nickte ihm anerkennend zu – „Ohne eure Unterstützung und eure Ritter und Mannen würden wir gegen diesen Feind, nachdem die Sokramshainer uns nicht weiter unterstützen können, wesentlich schlechtere Karten haben. Und, ich stimme euren strategischen Überlegungen, als Offizier, zu. Folgen wir eurem Vorschlag.“ Er nickte und blickte auf die anderen. Traviahold nickte. „Gut dann machen wir das so. Wenn ich so an die ganzen brennenden Geschosse denke, die sie damals bei Schattenholz auf uns abfeuerten, denke ich auch, dass große Setzschilde eine gute Idee sind. Und auch beim Angriff von zwei Seiten stimme ich zu.“ Gut dass sich die Anführer des Kriegszuges diesmal einiger waren. Das würden auch die Männer bemerken und es würde ihre Moral stärken. „Das einzige, was wir dennoch ausmachen sollten ist, wie wir uns aufteilen wollen?“ Ohne auf eine Antwort zu warten fuhr Storko fort. „Ich würde vorschlagen, dass der Herr von Bregelsaum, ihr Firnsjöner und Hochwürden eine Gruppe bildet. Der Rest, also die Schwarze Lanze, die Sturmfelser Lanze samt eurer Unterstützung, Praiosmin, und meine Soldaten werden die zweite Partie bilden. Das sollten im Ganzen, sofern ich mich nicht verrechnet habe, in etwa zwei gleich starke Gruppen sein. Das wäre alles aus meiner Sicht.“

Der Schattenholzer stimmte mit einem zweiten Nicken auch der Aufteilung der Gruppen zu. Gut dass er an der Seite seines Freundes Storko streiten konnte. Und auch Anshag war ein harter Haudegen. Praiosmin's Kampfstärke konnte er noch nicht einschätzen. Aber die Massen an Goblins bei Siebeneichen hatten diese sicherlich nicht einschlafen lassen. Man nickte einstimmig und alle folgten den klaren Worten des erfahrenen Ritters von Firnsjön: „Lasst uns diese Verräter an Götter und Reich vom Schlotzer Boden vertreiben! So sei es!“ Sogleich wurden die fähigsten Handwerker unter den Soldaten, Söldnern und Waffenknechten eingeteilt, um sich an die Arbeit der großen Deckungen zu machen. Sie waren nicht mehr weit von einer freien Baronie Schlotz entfernt. Die Schwarze Knappin hörte den Plänen der Ritter aufmerksam zu. Sie lernte immer mehr und sie war begierig darauf auch in dieser Schlacht an der Seite ihres Ritters zu siegen, auch wenn sie gehörigen Respekt vor den Feinden hatte. Die Goblins hatten sie schon überraschen können. Was mag wohl dieser viel intelligentere Gegner für sie auf Lager haben. Bei einem Kampf zu Fuß fühlte sie sich immer wohler, denn so konnte sie leichter und ohne Probleme immer in der Nähe von Traviahold bleiben. Sie musste nur aufpassen, dass dieser sie mit seinen zwei dornenbespickten Kugeln der Ogerschelle nicht versehentlich tötete, wenn er diese um sich rotieren ließ. Sie verstärkte den Griff um ihr Kurzschwert in ihrer Scheide. Ihr Mut und ihre Selbstsicherheit wuchsen und sie konnte es kaum erwarten diese Menschen dort hinter dem Erdwall zu befreien.

Derweil hatten sich der Bregelsaumer und seine beiden Verwandten mit den Firnsjönern etwas abseits versammelt. Nicht lange und Silvana und Gerdan machten sich daran, ihre Leute auf der abgesprochenen Seite ein Lager errichten zu lassen. Damit auch alles nach einer Belagerung aussah, fingen ihre Leute sogar an, einen kleinen Graben auszuheben. Auch die Soldaten und Waffenknechte des ersten Lagers begannen sich wie Belagerer zu geben. Einerseits war der Platz ohnehin schon in den letzten Wochen als Lager vom Spähtrupp genutzt worden, doch alle bauten alle ihre Zelte auf, errichteten mehr Feuerstellen und holten aus einem etwas abseits gelegenen Wäldchen Holz um Belagerungsbefestigungen zu errichten. Während man bei der Firunsfelder Wacht eher bedacht gewesen war nicht zu sehr aufzufallen und den Platz am Hügel hinter Büschen gewählt hatte – der einen guten Überblick über Firunsfelde bot – wurde nun genau auf das Gegenteil abgezielt. Die Firunsfelder Besatzer sollten das Gefühl bekommen belagert zu werden. Storko ordnete gar an einen provisorischen Holzturm zu errichten, auf dass man noch besser in den Ort Ausschau halten könne, außerdem wurden angespitzte Pfähle in den Boden den Hang hinunter gerammt. Alle schwitzten bei dieser Arbeit in den heißen Praiostagen. Langsam wurde es aber Abend und die Praiosscheibe neigte sich an einem klaren Himmel gen Westen, was jedoch in fast keiner Weise der sommerlichen Hitze Abhilfe verlieh. Praiosmin hingegen stand etwas abseits und beobachtete den Ort vor ihnen. Sie schien tief in Gedanken versunken zu sein.

Anshag instruierte seine Leute wie der Angriff von statten gehen sollte. "Das wichtigste bei der ganzen Sache ist, dass wir so lange wie möglich unbemerkt bleiben und möglichst früh herausfinden wo sich der Feind versteckt hält. Das wird hauptsächlich deine Aufgabe sein Timshal. Ich möchte dich und deinen Bogen als Kundschafter ganz vorne mit dabei haben." Der Angesprochene nickte wortlos. "Rauert, du wirst hier hinten bleiben. Ich glaube nicht, dass wir einen Schreiber oder Herold benötigen werden bei dieser Schlacht." Auch Rauert nickte, schien dabei allerdings eher erleichtert als alles andere. "Adran, Malina, ihr beide bleibt an meiner Seite. Ich will das wir uns gegenseitig decken, so wie wir es immer getan haben, dann kommen wir auch alle lebend daraus. Adran an meiner rechten und du Malina an meiner linken Seite und diesmal keine Alleingänge wir werden uns schließlich nicht mit ein paar räudigen Goblins herumärgern, sondern Teile der Elitestreitkräfte der schwarzen Lande, haben alle das Verstanden?" "Ja Herr" ertönte es unisono aus vier Mündern. "Hat noch jemand was zu sagen oder Fragen?" Anshag blickte aufmerksam in die Runde. Malina meldete sich zu Wort "Verzeiht Herr aber wenn wir die Feinde umgehen um ihnen in den Rücken zu fallen, was sagt der Rondrageweihte dazu? Wird Rondra trotzdem auf unserer Seite sein?" Es folgten einige Augenblick der Stille. "Ja, das wird sie, wie auch der Herr Praios auf unserer Seite sein wird, denn wir kämpfen gegen Dämonenbündler und für das Raulsche Reich." antwortete Anshag mit fester Stimme. Anshag hasste solche Fragen. Er wusste selbst nicht ob die Götter auf ihrer Seite sein würden, doch konnte man das den Leuten so auch nicht sagen, wollte man nicht die Moral aufs Spiel setzen. Innerlich seufzte Anshag. "Gut, wenn alles geklärt ist, weggetreten. Ruht Euch noch was aus. Rauert du hältst Wache." Anshag ging ein wenig verloren durch das Lager. Hier und da winkte er einigen Soldaten aufmunternd zu und sah schließlich Praiosmin alleine da stehen. Er ging auf sie zu. Sie hatte ihm den Rücken zugedreht und schien abwesend. Vorsichtig legte Anshag seine Hand auf ihre Schulter. "Alles in Ordnung mit Euch Praiosmin? Wollt Ihr reden?"

So plötzlich aus ihren Gedanken gerissen, drehte sich die Ritterin schnell um. Die Schwerthand war schon auf halbem Weg zum Griff ihrer treuen Klinge, als sie die Situation erkannte. „Verzeiht“, hob sie beschwichtigend die Hände. „Ich war in Gedanken und die letzten Monde haben diese Reaktion zumeist erfordert.“ Sie drehte sich nun wieder zu dem Ort, den sie in den nächsten Tagen nehmen wollten. „Ich habe nur über das gegrübelt, was kommen wird. Es ist lange her, dass ich in Firunsfelde war und habe versucht, mich daran zu erinnern.“ Ihr Blick ruhte wieder auf dem Ort und fast schien es, als wolle sie es damit bewenden lassen. Doch schien sie es sich anders überlegt zu haben. „Sei’s drum, wie heißt es doch: Es kommt, was kommen muss. Wir können nur versuchen das Beste daraus zu machen.“ Praiosmin deutete auf den Teil des Lagers, wo ihre Leute sich eingerichtet hatten. „Habt Ihr schon etwas gegessen? Auch wenn er nicht so aussieht, Geisbart macht einen vorzüglichen Eintopf.“

Anshag wirkte etwas verlegen. „Ich wollte Euch nicht erschrecken Praiosmin, also bitte verzeiht mir das. Leider kann ich nicht viel anbieten, um Euch Eure Gastfreundschaft zu vergelten, außer vielleicht einer Flasche Bärenfang, die ich dabei habe und mit Freuden zur Verfügung stellen würde, als Dank für die Einladung. So Ihr nichts dagegen einzuwenden habt, werde ich gerne Euer Gast sein, bei diesem vorzüglichen Eintopf“ sagte Anshag mit freundlichem und warmen Lächeln. „Bald schon werden die Bürger von Firunsfelde wieder frei sein und einen jeden Feind, welchen ich besiege, besiege ich für Euch, Praiosmin. Die Dämonenknechte sollen meine eiserne Faust kennen lernen und so ich nicht zurückkehren werde, sterbe ich mit Eurem Namen auf den Lippen.“ Anshag schwieg nach diesen Worten. Er war in der Minne nie besonders geübt gewesen, hatte sein Schwertvater in Weiden doch nie sonderlich viel Wert darauf gelegt.

Die Ritterin war zunächst sprachlos, damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. „Ihr ehrt mich.“ Auch Praiosmin war den praktischen Seiten des Rittertums deutlich zugetaner als der Minne und den höfischen Gepflogenheiten. So tat sie, was ihr angemessen erschien und führte ihre Schwerthand zum Herzen und verbeugte sich leicht. „Ich werde in Eurer nähe fechten, auf das ich Eure Siege zähle. Doch wenn ihr fallen solltet, dann werde ich Euch das nie verzeihen.“ Langsam hatte sie sich wieder gefangen. Lächelnd fügte sie daher. „Und glaubt mir, ihr wollt mich nicht wütend sehen.“

Anshag lächelte erleichtert und glücklich. „Seid Euch gewiss, meine Siege werden zahlreich sein, um sie Euch zu widmen. Und wahrlich, wütend wünsche ich Euch nie zu sehen, außer im gerechten Zorne wider den finsteren Bedrohungen.“ Anshag wendete sich dem Lager der Siebeneichener zu. „Nun aber wird es mir eine Ehre sein, Euch zum Essen zu geleiten und den gepriesenen Eintopf zu essen.“ sagte Anshag. Er hoffte den Kampf zu überleben und auch, dass Praiosmin ihn überleben würde.

Als die Dämmerung sich schon in vollen Zügen über die Landschaft ergoss und die Feuerstellen mit Kesseln voll Eintopf darauf im Lager brannten, ging Storko mit Traviahold etwas abseits des Lagers, sodass Neugierige die beiden nicht hören konnten. „Traviahold, ich habe nicht gehört, dass ihr dem Baron schon offiziell von unserem erfolgreichen Sieg gegen die Rotpelze, der Befreiung Siebeneichens und unserer weiteren bevorstehenden Eroberung von Firunsfelde berichtet habt.“ Storko holte einen Briefumschlag aus einer Ledertasche, öffnete ihn und zeigte diesen dem Ritter. „Tsafried sollte wissen, dass die Niederadligen Schlotzer Boden mit eigenen Waffen befreien, obwohl es seine Aufgabe als unser Lehnsherr wäre und er selbst dafür keinen Finger rührt; ja, außer uns eine Handvoll schwacher Bauern als Unterstützung zu geben. Er macht es sich leicht, aber er soll in Schmach verfallen, wenn er die Zeilen von unserem Mute liest.“ Traviahold nahm das Schriftstück und las es in dem schwachen flackernden Lichtschein, der vom Lagerfeuer bis hierher reichte.

An seine Hochgeboren Tsafried von Schnayttach-Binsböckel!

Im Sinne Praios’ und Rondras wollen wir Euch mitteilen, dass die wackeren Streiter des Schlotzer Schutzbundes am siebzehnten Tage der Schönen Göttin den Kriegsfürsten Chraaz samt seinen Rotpelzkriegern am südlichen Rand des Wutzenwaldes vom Schlotzer Grund und Boden unter eigenem Blut vertrieben und diesen vernichtet haben. Darauf konnte der Ort Siebeneichen erfolgreich befreit und von weiteren Gefahren bewahrt werden. Nach den Finsteren Tagen machten sich die Krieger ohne zu Zögern auf auch die weitere Gefahr im Westen des Landes auszumerzen. Im Sinne des Herrn der Gefilde Alverans schreiben wir Euch in Zuversicht, dass das Schlotzer Land wieder bald unter der praiosgefälligen Ordnung steht; Im Sinne Alverans Schwert und Schild, dass es mit unserem Mute und der Waffe in der Hand gelingen wird. Gez. am zweiten Tage des Himmlischen Richters bei der Belagerung von Firunsfelde,

Junker Storko von Gernatsborn & für den Schlotzer Schutzbund.

Nach einigen Sekunden fuhr Storko fort. „Macht euer Zeichen und ich werde einen Boten zur Burg Schlotz senden.“

Zumindest sah es so aus, als würde er es lesen. Der Wahrheit entsprach wohl eher die Tatsache, dass er niemals gelernt hatte zu lesen. Niemand hatte es ihm je beigebracht. Er bevorzugte das Schwert, nicht die Feder. Diese Situation war für den Bastard aus dem Wutzenwald sehr unangenehm. Er spürte, dass es wohl für Storko selbstverständlich erschien, dass man Lesen und Schreiben konnte. Aber niemand hatte je in seinem Leben vorgesehen, dass Traviahold diese Kunst beherrschen sollte, warum auch? Aber wiedereinmal wurde ihm klar, dass er zwar im Zweikampf nicht zu bezwingen war, aber dass er dafür andere Schwächen hatte, Schwächen an denen er arbeiten musste, um seine Ziele zu erreichen, um von Ihresgleichen anerkannt zu werden. Aber würden die hohen Adligen das jemals? Der Schattenholzer vertraute dem Gernatsborner und setzte zustimmend sein Zeichen auf das Pergament. „Und wie er in Schmach verfallen wird, wenn er das überhaupt noch kann. Der Preis, den er diesmal zu bezahlen hat wird höher sein. Wir tun hier seine Arbeit. Ich würde mein Helm darauf verwetten, dass er wie immer in Burg Schlotz weilt, und nicht außerhalb der Baronie streitet, wie er es uns glauben machen will. Aber wie gesagt, wer seinen Pflichten nicht nachkommt wird den Preis zahlen. Und nun schick deinen Boten noch heute Nacht los, nicht dass du morgen früh das Geschriebene wieder umschreiben musst, weil wir schon gesiegt haben.“ Traviahold machte Storko Mut, aber vor allem machte er auch sich selbst Mut. Der große Ritter klopfte Storko auf die Schulter und ging zu seinem Nachtlager, wo seine Schwarze Lanze bereits auf ihn wartete. Er und die komplette Lanze hielten diese Nacht Wache – wie jede Nacht. Traviahold schliff mit seinem Schleifstein langsam über seinen Zweihänder und den Sporn seines erbeuteten Panzerarmes. Er versuchte erst gar nicht großartig irgend etwas in der weiten Ferne zu erkennen. Es wäre vergebens. Andere taten das für ihn. Aber er merkte, dass seine schiere Anwesenheit seinen Männern viel bedeutete.


Firunsfelde – 3. Praios 1033 BF

Dann war es endlich soweit: Eine Stunde vor der Morgendämmerung. Alle Ritter, Knappen, Kämpfer, Soldaten, Söldner, Landwehr und Waffenknechte waren so weit und in Stellung. Die Klingen waren gezogen, bereit zuzuschlagen. Die zwei großen Setzschilde auf ihrer Seite waren bereit. Abgehockt verharrten sie. Als ein Läufer von der anderen Seite, kaum sichtbar, signalisierte, dass die Firnsjöner und die Bregelsaumer ebenfalls bereit waren. Traviahold richtete sich in seinem schweren brünnierten Panzer auf und wandte sich den Männern auf dieser Seite zu. Er brauchte keine Worte um sie zu motivieren. Es reichte einfach wie er mit entschlossenem Gesichtsausdruck da stand, die Zähne zusammen biss, und ganz langsam den Kopf Richtung Feind wandte und sich dabei seinen düsteren Drachenflügel-Topfhelm anzog. Seine Linke in den Panzerarm gehüllt, seine Rechte die schwere Ogerschelle haltend, den stinkenden Sack mit den abgetrennten Köpfen auf den Rücken geschnallt und die Schwarze Knappin mit Schild und Kurzschwert an seiner Seite. Mehr brauchten sie nicht zu sehen. Geduckt rückten sie vor, die Deckung der Setzschilde so gut wie möglich ausnutzend! Die Dämmerung vermochte sie gut zu verbergen. Immer näher rückten sie an die Siedlung heran. So leise wie das mit teils schwerer Panzerung und Kette möglich war. Traviahold befand sich mit seiner Schwarzen Lanze im Zentrum der Formation. Argwulf Eisenhagel, der Waffenknecht des Schattenholzers hatte seine Eisenwalder-Armbrust hinter der Knappin, die ihn mit dem Schild deckte, bereit gemacht. Er würde nicht lange fackeln, sobald sich der erste Feind zeigen würde. Genau wie auf Gut Schattenholz und Umgebung – erst Schießen, dann fragen! Grordan Graustein trug hinter dem großen Ritter das verrußte Banner in die Schlacht, an dem sich der Feind schon einmal die Zähne ausgebissen hatte. Nötigenfalls würde er damit auch um sich schlagen und eventuelle Feinde umreißen, die ihm zu nahe kommen sollten. Der einäugige Yantur Zertel humpelte auf der anderen Seite des Ritters mit Schild und Langschwert dem Feind entgegen und hatte Not die Formation zu halten. Die restlichen sechs Mann der Schwarzen Lanze waren gut geschützt hinter ihren Reiterschilden und bereit den Gegner mit ihren Schwertern zu zerhacken. Ehrenhafte Zweikämpfe waren von diesen ehemaligen Reichssoldaten und Söldnern des Bastards aus dem Wutzenwald nicht zu erwarten. In zweiter Reihe befand sich Ritterin Praiosmin von Siebenstein mit ihren beiden letzten Waffenmägden, die ihre Kurzbögen ebenfalls bereit hielten, und der „Metzger“ zusammen mit einer Handvoll bewaffneter Siebeneichenern. An der rechten Flanke befand sich Storko von Gernatsborn und Spieß Werheimer mit den ehemaligen Werheimer Waldlöwen. In geschlossener Formation wie es bei schwerer Infanterie üblich war rückten sie vor, während der Unteroffizier sich an der vorne an der Flanke befand, versuchte der Offizier von hinten (besser geschützt vor Schützen) das Vorrücken mit noch hochgeklapptem Visier des Schallers zu überblicken. An der linken Flanke befand sich Anshag von Sturmfels und seine 5 Streiter. Was auf der anderen Seite der Siedlung geschah, konnten sie nur erahnen. Als sie etwa noch zwei Dutzend Schritt vom Erdwall von Firunsfelde entfernt waren, hörten sie von der anderen Seite bereits Schreie und Kampfeslärm. Traviahold verfiel in Laufschritt und seine Männer taten es ihm gleich. Sie hörten nun auch von ihrer Seite von hinter dem Erdwall Rufe. Auch Anshag stürmte mit seinen Leuten auf den Erdwall zu. Geschwindigkeit war jetzt alles was zählte, wollten sie möglichst verlustarm so nah wie möglich an den Feind heran. Der Anstieg den Wall hoch zwischen den spitzen Pfählen hindurch verlangsamte ihr Tempo etwas, nur um oben von einer Bolzensalve begrüßt zu werden. Geschosse schnellten durch die Dämmerung, bohrten sich in Schilde und Panzerung. Ein Geschoss zerschellte an der schweren Panzerung des großen Ritters aus dem Wutzenwald, während Traviaholds Bannerträger hinter ihm nicht so viel Glück hatte, dessen ebenfalls brünnierter Plattenharnisch an der Schulter durchbohrt wurde. „Dreck verdammter!“ rief dieser hinter Traviahold, der den Heckenschützen auf einem der Dächer erspähte und nur kurz zurück viel. „Wenn ich dich erwische, ramm ich dir genau diesen Bolzen in dein verdammtes Gesicht!“ Die Schwarze Knappin, die weniger Angriffsfläche bot war ihrerseits hinter ihrem Schild gut geschützt. Der Bolzen der ihr galt, blieb in ihrem Wappenschild stecken. Auch einige der anderen, aus Anshags und Storkos Reihen wurden getroffen, darunter auch Anshags einarmiger Bannerträger, dessen Panzer von einem Bolzen durchschlagen wurde. Dieser ging hart zu Boden, wo er regungslos liegen blieb. Offensichtlich waren es die Bannerträger, auf die es die Schützen abgesehen hatten, um die Angreifer zusätzlich zu demoralisieren. Die Enge Stellung der almadanischen Reiter auf dem Wall, bereitete vor allem den Schildträgern Probleme, die hier und da an den Verteidigungsmaßnahmen hängen blieben. Dies gab dem Feind genug Zeit sich zwischen den Häusern, die durch Barrikaden weiter verengt wurden, aufzustellen. Dieser zweite Wall, wenn man ihn so nennen konnte bestand größtenteils aus Holz, Gattern, Wagen und weiteren Pfählen. Es gab im Grunde keine Öffnung an dieser Stelle, so dass man versuchen musste sich durch und über die Barrikaden hinweg zu kämpfen, die mit nur wenigen Männern sehr gut verteidigt waren. Anshag feuerte seine Leute an: "Na los, oder wollt ihr etwa ewig leben?" schrie er, während er auf der anderen Seite den Erdwall hinunter stapfte. Die Schlotzer und Hallinger Angreifer krachten in die Holzwände und die großen Schilde des Feindes, der nicht einen Schritt zurück wich. Ganz klar, waren diese Verteidiger als Drachengardisten zu erkennen, die dort in drei Mann Formationen kämpften und nicht zu überwinden waren. Immer wieder schlugen Schwerter in Schilde und auf Platte, die der Feind mit wuchtigen Schlägen beantwortete. Diese Kämpfer waren Meister ihres Fachs. Einer von ihnen beschäftigte locker zwei Schlotzer, ohne ins schwitzen zu geraten. Traviahold war einer der wenigen, der schwarzen Lanze, der Treffer landen konnte mit seiner Kettenwaffe, die die Deckung der Schilde des Gegners hervorragend umging. Immer wieder schlugen die dornenbespickten Eisenkugeln über die Schilde und trafen, während Traviaholds Brüllen unter seinem Topfhelm dem Gegner befremdlich entgegen schallerte: „VOR, VOR, ZERHACKT SIE!“ An den Flanken stellten sich Anshags und Storkos Männern je eine Hand voll Plünderer auf der jeweils anderen Seite des Gebäudes entgegen, die leichter gerüstet und bewaffnet waren, aber trotzdem Druck auf die Flanken aufbauten. Die Unüberwindbarkeit ihres Zentrums aus Drachengardisten machte ihnen Mut, so dass auch sie nicht zurück wichen. Anshag und seine noch verbliebenen vier Getreuen stürzten sich in die Reihen der Plünderer, auf der linken Seite. Argwulf schoss zusammen mit den Waffenmägden von Siebeneichen und dem Elfen von Anshag konzentriert auf die beiden Armbrustschützen auf dem Dach, sobald diese hinter ihrer Deckung hervorkamen. Die Waffenmägde verfehlten ihr Ziel und schossen jeweils in die Deckung des Feindes. Argwulf traf den seinen und der Elfen-Kundschafter traf gleich zweimal, wie von Zauberhand, so dass die Heckenschützen schwer getroffen hinter ihre Deckung vielen, und die Gefahr durch Beschuss von oben verringert wurde. Die Schwarze Knappin konzentrierte sich nur noch auf ihre Schildparaden und darauf, von Traviahold nicht versehentlich getroffen zu werden, dessen Ogerschelle gefährlich über dessen Kopf rotierte um immer wieder in die Schilde des Gegners zu krachen! Ritterin Praiosmin, die ebenfalls schon von einem Bolzen getroffen fast geschafft hatte, ihre Barrikade zu überwinden, ließ sich wieder taumelnd zurückfallen. „Aargh, bei Praios,...die Bolzen...sind...vergiftet!“ Sogleich übernahm der „Metzger“ ihre Lücke und hob ihren Schild auf, den seine Herrin fallen gelassen hatte, um sich und sie zu schützen. Ihre Waffenmägde zogen die Ritterin nach hinten raus, hinter den Wall, wo sie vorerst in Sicherheit war. Eine der beiden kampferfahrenen Frauen blieb bei der Ritterin, während die andere sich brüllend wieder in den Kampf stürzte. Argwulf und der Elfen-Schütze sahen von Schüssen ins Kampfgetümmel ab, da die Wahrscheinlichkeit größer war, ihren Freunden in den Rücken zu schießen, hielten aber die Dächer im Auge.

Storko, der Wehrheimer Spieß und seine Soldaten hielten von allen die am besten geordnete Reihen und drängten die Plünderer schon aufgrund ihrer Überzahl immer mehr zurück in ihrer Gasse. Die Spieße der hinteren Reihen hatten sich in die Feinde gebohrt und die ersten beiden mutigen Soldaten in der schmalen Formation, welche die enge Gasse ermöglichte, durchbrachen die verkeilten Reihen und kämpften mit Schwert und Schild die Gegner zurück. Der Unteroffizier Spieß Wehrheimer brüllte die notwendigen Kommandos. Der Offizier Storko stand dahinter und behielt die Umgebung im Auge, zumindest so gut wie es die Schlitze des Schallers erlaubten. In Platte gerüstet und mit einem Anderthalbhänder bewaffnet erwartete etwaige Feinde die möglicherweise hinter den Reihen zum Vorschein kamen. Diesmal hatte er sich nicht für die Armbrust entschieden, war in dem engen dunklen Gassengeflecht ohnehin nichts gut zu treffen, und noch einmal in die missliche Lage zu kommen mit ungeladener Fernwaffe einen heranstürmenden Feind zu begegnen das wollte er nicht. „Psst“ sauste von irgendwo ein Bolzen daher. Mit einem metallisch schneidenden Ton ritzte er mit einem Streifschuss die Plattenrüstung Storkos. Die Gernatsborner Soldaten waren gegen ihre hier schlechter disziplinierten Gegner erfolgreich, so dass der rechte Flügel sich weiter nach vorne bewegen konnte, nur um an einer weiteren Barrikade von nur zwei Drachengardisten aufgehalten zu werden, während sich die Plänkler, die nicht zur Drachengarde gehörten, zumindest teilweise zurück ziehen konnten.

Auf der linken Seite, bei Anshag sah es hingegen weniger gut aus, deren Flügel drohte zurückzufallen, als dort eines der Schilder der Hallinger Streiter zerschmettert wurde, und man sich gewahr wurde, dass der Feind Gift einsetzte. Erst als der Rondrianer Deggen Einsprung, konnte dieser die Rückwärtsbewegung stoppen, so dass man diese Position zumindest noch etwas halten konnte. Der Kampfeslärm auf der anderen Seite des Ortes war deutlich zu vernehmen. Sie konnten nur hoffen, dass die Firnsjöner und die Bregelsaumer dort mehr Glück hatten.

Der Sturmfelser und seine Leute waren den Plünderern im Kampf zwar ebenbürtig, doch die Ortskenntnis des Gegners, der hier jeden Schritt kannte, ließ sie keinen fußbreit Boden mehr gut machen. Als Anshag aus dem Augenwinkel sah, dass Praiosmin von Siebenstein nicht nur schwer verletzt, sondern auch noch vergiftet war, war er für einen kurzen Augenblick unaufmerksam. Sein Gegner nutzte diesen kurzen Moment und schlug hart mit dem Streitkolben zu, worauf Anshags Helm im hohen Bogen durch die Luft flog und im blutroten Schlamm liegen blieb. Der Sturmfelser torkelte nur einige wenige Augenblicke, die der feindliche Plünderer gerade nutzen wollte, um ihm den Rest zu geben, als Timshal, der seine Waffe gewechselt hatte, den Feind seines Herren mit einem schlanken Reitersäbel durchbohrte. Dieser Feind, der sich ihnen in Firunsfelde gegenüber stellte, konnte nicht einfach überrannt werden. Zu gut waren ihre Verteidigungsstellungen. Traviahold, Storko und Anshag konnten nur hoffen, dass der andere Angriffstrupp erfolgreicher war als sie selbst, und dass dieser den Verteidigern vielleicht in den Rücken fallen konnte. Wie durch Watte nahm Anshag den Ruf Timshal's wahr. "Was nun, Herr?" Anshag schrie seine Antwort, so dass sie an der kompletten Kampflinie zu hören war. "Standhalten! Keinen Fußbreit den elenden Dämonenknechten! PRAIOS WILL ES!!!"

Die Gernatsborner Soldaten in der engen Gasse vermochten keinen Boden gegen die Drachengardisten zu gewinnen. Die hinteren Reihen der Spießträger versuchten immer wieder mit den Schneiden und Haken der Glefen dem Gegner Schaden zuzufügen, doch die gut gerüsteten und geschützten Feinde wollten nicht klein bei geben. „Gassenhauer vor!“ befahl Spieß Wehrheimer, den zwei Veteranen unter den Soldaten, die schon vorher die Plänkler zurückgedrängt hatten, mit Schwert und Schild unter den Spießen vorzustoßen. Doch vergebens auch wenn die beiden wild mit der Klinge um sich schlugen und gar bei einem Feind einen Treffer landen konnten, wurde der eine mit einem kräftigen Hieb eines Kriegshammer niedergeschlagen, der andere durch einen Schwinger mit der Streitaxt aus dem Stand gebracht. Während die restlichen Soldaten mit ihren Stangenwaffen die Söldlinge zurückzuhalten versuchten, zog der Weibel samt einem zweiten die schwer Verletzten hinter die Reihen. „Herr Leutnant, wir stecken fest, Befehle?“ Storko runzelte die Stirn, was unter dem Helm nicht zu erkennen war, und machte sich erstmals ein größeres Bild über die Gefechtslage. Entschlossen befahl er: „Standhalten!“

Traviahold ließ sich kurz zurückfallen um durch zu atmen und um sich einen Überblick über das Kampfgeschehen zu verschaffen. Dabei stellte er sich schützend über den Bannerträger des Sturmfelser Adligen, für den wahrscheinlich jede Rettung zu spät war. Traviahold bückte sich zu Boden und hob das Banner seines Freundes aus dem blutigen Dreck, um es wieder aufzurichten, auch wenn es nicht das seinige war. Hinter ihm, hinter dem Wall, außer Sichtweite des Feindes musste Praiosmin liegen und weiter vorn sah er wie gerade einer seiner Kämpfer der Schwarzen Lanze in die Knie ging. Die einzigen Drachengardisten, die bisher gefallen waren, waren die beiden oben auf dem Dach und etwa doppelt so viele Plünderer an den Holz-Barrikaden. Rechterhand konnte er gerade noch so Storko an der Ecke des Gebäudes erblicken, der als Offizier seine Männer, welche offensichtlich in der Gasse feststeckten, von hinten führte. „STORKO!“ Linkerhand erblickte er Anshag, dessen Männer um jeden Schritt kämpften. „ANSHAG, HIER HER!“ Traviahold hoffte dass die Adligen ihn gehört hatten und zu ihm kamen. Sie hatten sich festgebissen, und auf kurz oder lang würde sich das Blatt ganz gewaltig gegen sie wenden können, sollten noch ein paar Drachengardisten mehr auftauchen.

Anshag sah erschöpft auf und sah Traviahold wie er ihn und Storko winkend zurück zu sich rief. Er blickte sich noch mal um. Die Situation hatte sich festgefahren und wenn die andere Angriffswelle ebenso wenig Erfolg hatte, würden sie hier über kurz oder lang einfach überrannt werden. Während dieser Überlegung gelang es ihm einen weiteren der Plünderer niederzustrecken. Er zog sich hinter die Reihe zurück und wechselte Schild und Schwert gegen seinen Zweihänder. Er holte noch einmal tief Luft, dachte an Gernatsau und seine Bewohner, seine Brüder, welche noch immer nicht zurückgekehrt waren und an seine darpatische Heimat, welche von Hundesöhnen wie diesen gegen die sie gerade kämpften bedroht wurde. Mit einem gewaltigen Satz sprang er vor die eigene Reihe und ließ den Zweihänder schwungvoll von links nach rechts sausen, wobei die Gegner zurückweichen mussten, um nicht getroffen zu werden. Einer von ihnen hatte dabei kein Glück, denn er stand direkt an einer Hauswand und kam nicht aus der Reichweite des Zweihänders, welcher sich tief in seine Flanke fraß, bevor Anshag ihn wieder heraus riss. Noch einmal schwang er den Zweihänder, so dass die Feinde nicht wieder näher herankommen konnten, sodass er Zeit hatte mit seinen Leuten zu reden. "Zieht euch zurück! Wir formieren uns neu, gemeinsam mit den anderen, sonst werden wir überrannt!" Rückwärts gehend zogen sich seine Getreuen zurück und auch Anshag ging Schritt für Schritt nach hinten, den Zweihänder immer wieder schwingend, um den Feind außer Reichweite zu halten. Er hatte die Hälfte der Strecke bereits hinter sich gebracht, als er trotz warnender Zurufe über seinen eigenen Helm stürzte, welcher noch immer im Schlamm lag. Kurz verlor Anshag die Orientierung und als er wieder bei sich war, stand auch schon einer der Plünderer über ihm, das Schwert zum tödlichen Stich erhoben. Als dieser gerade zu stach und sein ganzes Gewicht hinein legte, um Anshags Rüstung auch ja zu durchstoßen, riss Anshag den Zweihänder neben sich in die Höhe, sodass der Plünderer sich mit schreckensgeweiteten Augen selber aufspießte. Mit einen kräftigen Tritt beförderte Anshag den Plünderer vor die Füße der anderen Dämonenknechte, deren Vorstoß daraufhin ins Stocken geriet, wodurch er genügend Zeit hatte sich wieder aufzurichten, was obschon seiner Rüstung erstaunlich schnell ging. Mit eiligen Schritten zog er sich zu den anderen zurück und nahm mit dankbarem Gesichtsausdruck sein Banner von Traviahold entgegen, um es an Malina, die Schwester des gefallenen Bannerträgers weiterzugeben. "Danke Traviahold, lange hätten wir alleine nicht mehr durchgehalten." Auch Storko hörte die Rufe Traviaholds. Es sah wohl nicht gut aus für ihre Gefechtsseite, wenn auch die anderen nicht an feindlichem Boden gewinnen konnten. Holz zersplitterte, als ein mächtiger Schlag mit der Streithacke eine Stangenwaffe zerborsten ließ, doch traf eine andere Schneide die Schulter des kräftigen Axtträgers. Die Gernatsborner Soldaten und die Drachengardisten waren in der Gasse annähernd ebenbürtig, und niemand vermochte den anderen zu verdrängen. Storko sah, dass sie anderen Streiter von Traviahold und Anshag auf eine bessere Position weiter hinten zurückzogen, es war wohl so, dass sie auf weit mehr Widerstand gestoßen sein mögen. Würde er seine Soldaten nicht ebenfalls zum Rückzug auf sichere Stellung befehlen, so würde womöglich gar der Feind von hinten auf sie zustoßen. „Veranlasst einen geordneten Rückzug auf gemeinsame Position, Weibel!“ befahl er. Spieß Wehrheimer setzte die Order um und unter weiterem Stoßen und Stechen der Spieße bewegte sich der kleine Gefechtshaufen langsam aus der Gasse zurück.

Auf der anderen Seite waren sie in vergleichbarer Weise vorgerückt. An der Spitze die erfahrenen Waffenknechte aus Hallingen, dahinter das Rittervolk und dann erst die Männer und Frauen unter der Führung des Firnsjöner. Sie waren auch die einzigen, die auf dieser Seite mit Bögen bewaffnet waren. Silvana und der junge Dienstritter hielten sich mit zwei weiteren Berittenen jedoch außer Schussreichweite. Sie sollten vorstoßen, wenn die Öffnung erzwungen war. Auch wenn sie mit einer harten Gegenwehr rechneten, hatten sie auf eine Öffnung im Wall zugehalten. Dort standen die Almadaner Reiter dicht an dicht und der Feind würde sie unter Beschuss nehmen können. Doch wenn sie diesen Durchgang räumen würden, könnten die Reiter womöglich in den Ort vorstoßen. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis der Feind sie unter Beschuss nahm. Und dieser erfolgte auch nur vereinzelt und wenig gezielt. Sobald er jedoch eingesetzt hatte, hatte der Ritter der Göttin seine Stimmer erhoben. „Wankt nicht in Angesicht des Feindes. Die Leuin wird mit uns sein!“ Deggen stimmte darauf den Choral Sankta Ardares an, in den die umstehenden nach und nach einfielen. Als sie schließlich an der Sperre ankamen, sah der Plan vor, dass einige unter und über die Almadaner Reiter stiegen, um die übrigen sogleich wieder mit Schilden zu schützen, so dass sie die Sperren entfernen konnten. Nun konnten sie auch einige Barrikaden und Sperren ausmachen, hinter denen der Feind auf sie wartete. Doch auch wenn der Beschuss nun deutlich zunahm, machten sie sich daran die Sperre zu beseitigen. Dabei unterstützen sie die Firnsjöner mit ihren Bögen. Wo immer sich der Feind für einen Bolzen oder Pfeil zeigte, reagierten sie so gleich. „Das geht alles viel zu glatt“, kommentierte Gilborn die Situation, nachdem er zum Feind hinüber gelugt hatte. Vor ihnen lag ein recht großes freies Feld, geradezu ideal für Reiter. „Die Gegenwehr und Reaktion könnte viel heftiger und effektiver ausfallen. Scheint fast so, als würden wir genau das tun, was sie wollen.“ Der alte Firnsjöner zuckte nur mit den Schultern. „Was auch immer. Haben wir denn eine andere Wahl?“ So gelang es ihnen schließlich die Sperre so weit zu öffnen, das Reiter durch die Öffnung vorstoßen konnten. Und auch die Fußkämpfer würden nun, im Schutz ihrer Schilde vorrücken können. Schon sollte das Hornsignal für die Reiter ertönen, als man von den Barrikaden des Feindes ein rhythmisches Schlagen hören konnte. „Tijakool! Tijakool! Tijakool!“ Immer wieder rief ihr Feind diesen Namen. Der Klang und die Kehlen aus denen dieser Name kam, ließen das schlimmste befürchten. Zögerlicher als noch zuvor rückten die Frauen und Männer nun vor. Doch die Anwesenheit eines Ritters der Göttin und das gute Beispiel ihrer Ritter ließ weiter voran schreiten. Da mischte sich ein weiteres Geräusch in den Klang der Stimmen. Ein dumpfes Donnern und noch ehe der Gedanke ausgesprochen war, sprang auch schon ein Rappe über eine der Barrikaden. Er stieg auf seine Hinterhufe. Auf ihm ein Mann in geschwärzter Rüstung und mit schwarzen Umhang. Das Visier geöffnet, konnte man auch im spärlichen Licht der Nacht erkennen, dass dieser Mann wie auch sein Pferd, schon lange tot sein musste. „Boron hilf! Das ist…, das ist Gernot von Gernatsbrunn!“ Schrie einer der Waffenknechte des Barons. Gernot von Gernatsbrunn, einer der Dienstritter des Barons von Schlotz. Vor Monden entsandt, um Firunsfelde zu befreien. „Linie bilden und vorwärts!“ Erging der Befehl des Bregelsaums, der zumindest die erfahrenen Kämpfer unter ihnen wieder handeln lies. Für einige der einfachen Frauen und Männer der Landwehr schien es jedoch zu viel. Sieghelm hatte nun alles damit zu tun, sie an einer wilden Flucht zu hindern. Noch ehe sie aber weiter vorrücken konnten, ging der Ritter oder das was nun vor ihnen war, zum Angriff über. Begleitet von einer Vielzahl an Bolzen und Pfeilen, die nun auch weit besser gezielt schienen. Die Vorderhufe des untoten Rappen trafen mit aller Kraft auf die Schildlinie vor ihm. Das Schild des Waffenknechts aus Hallingen hielt dem Treffen zwar halbwegs stand, doch die Wucht schleuderte ihn zu Boden, wo er sich gerade noch zur Seite Rollen konnte. Noch ehe die Lücke geschlossen werden konnte, setzte der Reiter auch schon nach. Der Gernatsbrunner war zeit seines Lebens stolz auf sein Können mit dem Morgenstern gewesen. Was immer ihn nun auf den Beinen hielt, es schien ihm in keiner Weise nach zu stehen. Nur mühsam vermochten sich die Kämpfer gegen die Angriffe von Pferd und Reiter zu erwehren. Der Beschuss durch den Feind machte es nicht einfacher. Es war nicht so, dass sie den Feind nicht trafen. Ganz im Gegenteil, immer wieder trafen ihre Klingen die beiden, doch schienen sie dem Feind kaum schaden zu können. Hiebe, die einen Menschen aus dem Sattel gehoben hätten, ließen diesen Feind kaum wanken. Allein Deggen schien diesem Gegner etwas beibringen zu können. Doch welche Chance konnte er auf Dauer zu Fuß gegen einen berittenen haben? „Wir müssen uns zurückziehen, Herr!“ Wunnehilde von Bregelsaum stand schwer atmend an der Seite des Baronets. „Wir können hier nichts ausrichten.“ Rückzug, etwas was keinem Kämpfer in der Schlacht gefiel. Noch ehe er hierauf etwas erwidern konnte, überraschte sie der erfahrene Rondrianer. „Sie hat Recht! Wir müssen uns neu sammeln.“ Damit war es beschlossen. Deutlich war der Hornstoß zu hören, der das Zeichen gab. Der darauf folgende Rückzug jedoch, war alles andere als einfach. Sie konnten sich nur langsam absetzen. Als sie endlich wieder auf dem freien Feld vor dem Wall waren, erklang jedoch ein lauter Hornstoß aus Firunsfelde, der den unheimlichen Reiter stoppen ließ. Diese Runde war eindeutig an den Feind gegangen. Die meisten von ihnen hatten Verletzungen davon getragen und einige würden nur langsam wieder genesen.

Anshag wurde langsam unruhig, während sich die Leute von Storko zurückzogen. Hatte die andere Gefechtsfront mehr Glück als sie selber? Er wurde jäh von einem Hornstoß aus seinen Gedanken gerissen. Ein wenig unsicher blickte er zu Traviahold und Storko, während ihre Leute weiter die Reihe hielten. „Waren das unsere Leute oder hat der Feind die Oberhand gewonnen? Wenn ja, müssen wir uns zurückziehen, denn dann werden wir hier bald einer noch größeren Übermacht gegenüber stehen!“ Besorgt blickte er zu dem Teil der Verteidigung der von seinen verbliebenen Leuten gehalten wurde. Sie waren erschöpft und hatten alle Mühe ihre Position zu halten. Den anderen Verteidigern schien es nicht besser zu gehen. „Wir müssen uns entscheiden wie es weitergehen soll!“

Traviahold zog den Topfhelm aus um besser hören zu können und auch damit man ihn besser verstand. „Diese Plänkler sind jedenfalls neu, und halten uns besten Falls eine Zeit lang auf, aber die Drachengardisten sind das wie schon erwartete größte Problem. Drei Mann von ihnen halten locker eine ganze Lanze zwischen den Gebäuden mit ihren großen Schilden auf. Sie kämpfen perfekt in Formation und dann sind einige ihrer Waffen offensichtlich vergiftet, wodurch Ritterin Praiosmin ausgefallen ist! So lange ihnen niemand in den Rücken fallen kann, wird dieser Kampf noch ewig dauern. Die Verstärkung von der anderen Seite bleibt aus und was dieses Horn zu bedeuten hat ist auch unklar. So bitter das klingt, aber wir müssen uns zurückziehen! Wenn wir es hinter den Erdwall schaffen, sollten wir es geschafft haben, sie werden uns sicherlich nicht nachstellen, denn dann verlieren sie ihren Vorteil.“ Traviahold wartete auf die Antwort seiner adligen Kampfgefährten.

„Es scheint als bliebe uns im Moment nichts anderes übrig, Traviahold“ sprach Storko und klappte sein Visier hoch. „Sobald wir weiter hinter dem Wall eingedrungen waren, hielten die feindlichen Gardisten in den engen Gassen wacker stand. Ich konnte ja nicht einmal den Hauptplatz erspähen. Kein Wunder, dass der Ritter des Barons mit seiner Lanze aufgerieben wurde, wenn wir mehr als fünfzig Mannen und Frauen zählen und es nicht vermögen den Ort im Sturm zu ....“ Ein Bolzen zischte durch die Luft, und nur mit Glück traf er keinen der drei Anführer, und schlug auf einen Stein am Boden auf. „Kurz gesagt“ sprach Storko weiter „rufen wir zum Rückzug.“

Anshag nickte stumm. Er wirkte blass, was wahrscheinlich am Blutverlust lag, denn das Blut floss noch immer aus der Wunde an seinem Kopf und färbte sowohl den Gambeson, den er unter der Rüstung trug, als auch seinen Wappenrock rot. Nichts desto trotz befahl er seinen Leuten mit fester Stimme den Rückzug und trug auf dem Rückweg Praiosmin, um sie so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Sein gefallener Bannerträger wurde von Malina mitgenommen, welche mit Tränen in den Augen ihren Bruder vom Schlachtfeld trug.

Die Anführer befohlen einen geordneten Rückzug, und sobald ihre Kämpfer einige Schritt hinter den Wall gemacht hatten zogen sich die Besatzer wieder hinter die Absperrungen zurück. Mit jedem Schritt den das Schlotzer und Hallinger Waffenvolk nach hinten mit hoch gezogenen Schilden machte wurde auch der Bolzenbeschuss spärlicher. Jetzt erkannten sie auch, dass die andere Angriffswelle ebenfalls keinen Erfolg hatte, da an der anderen Seite des Ortes die Bregelsaumer und Firnsjöner sich genauso von Firunsfelde weg bewegten wie sie selbst.

Bei den wenigen Heilern angekommen, legte Anshag Malina die Hand mit festem Griff auf die Schulter und nickte ihr tröstend zu. „Adran wird eine anständige Bestattung bekommen, dass schwöre ich, bei meinem Namen.“ Anshag ließ seine Wunde von Timshal versorgen, zumindest soweit, dass er nicht mehr blutete. Dann wollte er noch einmal nach Praiosmin sehen.

Das Praiosmal war bereits wieder aufgegangen, als sich alle wieder gesammelt hatten und angeschlagen beieinander standen. Alle Anführer waren, bis auf Praiosmin vollzählig. Diese kämpfte noch immer um ihr Leben nach dem vergifteten Bolzen, der sie getroffen hatte. Anshag, dessen Blut verkrustete Kopfwunde nun schon etwas besser aussah, kam als letzter hinzu. Die erfahrene Tross-Heilerin aus Wutzenbach, die bei ihren Verwundeten und Vergifteten keinen Unterschied zwischen adlig und nicht-adlig machte, hatte ihn von der Ritterin barsch weg gescheucht. Der alte Firnsjöner berichtete was auf ihrer Seite vorgefallen war und von dem Untoten Ritter Gernot von Gernatsbrunn, der sich ihnen unaufhaltsam und kampferfahren wie zu Lebzeiten, entgegen gestellt hatte. Traviahold hingegen berichtete von der Pattsituation und den Plänklern und Plünderern auf ihrer Seite. Die Ritter und Waffenknechte, die dem mächtigen Untoten im Kampf gegenüber gestanden hatten, waren immer noch sichtlich beunruhigt. Man sah den Schrecken in ihren Augen. In der Wildermark war der wandelnde Tod keine Seltenheit, aber ein Leichnam, den man nicht zerhacken konnte, und der sich genauso schnell und kampferfahren bewegte, wie im Leben zuvor versetzte sie in Angst. Sieghelm von Firnsjön erwähnte auch das Horn, dessen Signal den Untoten in die Schlacht und später auch wieder zurück befohlen hatte. Alle blickten daraufhin zu dem Rondrianer Deggen, wenn dann konnte wohl nur ein Diener der Göttin des Kampfes, mit geweihter Waffe, diesen bezwingen. Gernot von Gernatsbrunn saß noch immer auf seinem madenzerfressenen Schlachtross und blickte ohne Scheu ins Licht der Morgensonne, die ihm nicht schadete! Die Kugel seines Morgensterns, den er immer noch Schlag bereit hatte, hielt er so vor das Praiosmal, dass die eisernen Dornen der Waffe, die düsteren Strahlen bildeten, während die Kugel selbst die Sonne verdeckte. Dann ritt er an den lebenden Drachengardisten vorbei, die ihm ehrfürchtig zunickten, nachdem sie gesehen hatten was der Ritter des Yaq-Hai allein gegen die zwei Lanzen ausgerichtet hatte. Sein schwarzer Panzer war ob der unzähligen Hiebe schwer verbeult. Sein verrotteter lebender Geist war sich seiner Umgebung nur zu bewusst. Er hatte den Geweihten gesehen. Diesen jämmerlichen Kriegspriester würde er beim nächsten aufeinandertreffen, als Erster töten. Kriegsfürst Stachelwanst kam aus seinem Haupthaus, der Herberge „Goldloch“, und schritt auf den Untoten zu. Jeder seiner schweren Schritte war aufgrund der scheppernden Geräusche gut zu hören. Seinen großen Warunker Hammer, der mit Symbolen des Todes verziert war, hatte er auf seine Schulter gewuchtet, wo er ihn mit seiner kräftigen Rechten festhielt. Das seltsam gewundene Horn trug er stets an seinem Waffengürtel. Wortlos standen sie sich gegenüber. Worte waren nicht nötig. Sarogor Stachelwanst wandte sich in Richtung der Belagerer hinter dem Hügel. „Ihr wollt mich also belagern, ihr Ritter der traurigen Gestalt, na dann werde ich euch mal etwas unterhalten. “ Er ging, gefolgt von einigen Drachengardisten, zum verschlossenen Schuppen, in dem er die Gefangenen von Kahirswalde eingepfercht hatte, die ihm einen so schönen Erdwall mit Pfählen errichtet hatten, und für die er nun eine ganz besondere „Verwendung“ hatte. Er teilte sie in zwei Gruppen von je einem Dutzend und wendete sich dann an seine Garde. „Nehmt diese erste Gruppe und bindet sie lebendig an die Stellen der Barrikaden, die durchbrochen wurden und errichtet eine Mauer aus FLEISCH!“ Die Kahirswalder Gefangenen fingen sofort an, zu wimmern, als sie sich ihres fürchterlichen Verwendungszweckes gewahr wurden, während die zweite Gruppe mit stockendem Atem verharrte, als ihnen ihr Schicksal verkündet wurde. „Diese hier führt in ein Gebäude in der Nähe des Walls, das den Belagerern am nächsten ist. Ich habe mich doch jetzt nicht umsonst so schwer gerüstet!“ Stachelwanst begleitete die zweite Gefangenenschar, schnappte sich einen der Alten und zerrte ihn den Erdwall hoch und schrie den Belagerern mit düsterer Stimme entgegen: "DEN TOD WERDE ICH ALS ZIERDE AM GESCHENK MEINES LEBENS ANBRINGEN!“ Dann pfählte er im wahrsten Sinne des Wortes den schreienden Alten auf einem der angespitzten Pfähle auf dem Wall! Die gequälten Schreie schallten in alle Richtungen und ließ die Schlotzer aufschrecken. Dies wiederholte er alle zwei Stunden!

Anshags Augen weiteten sich, sowohl vor Schrecken als er gewahr wurde, was Stachelwanst da tat, als auch vor Zorn. „DU ELENDES SCHWEIN!!! ICH WERDE DICH LANGSAM VERRECKEN LASSEN UND DIR DEN ELENDEN WANST AUFSCHNEIDEN, SO DASS DEINE EINEGWEIDE EIN FRESSEN FÜR DIE KRÄHEN WIRD!“ schrie Anshag und zog seinen schweren Zweihänder vom Rücken. Er wollte tatsächlich losmarschieren und es benötigte neben Traviahold noch zwei weitere Männer um Anshag davon abzuhalten, denn als er festgehalten wurde, schienen seine Muskeln noch weiter anzuschwellen und nicht geahnte Kraft wollte den Hallinger weiter treiben. Erst ein Schlag ins Gesicht brachte Anshag dazu überhaupt zuzuhören und seine Bemühungen vorerst aufzugeben, den Wall erklimmen und Stachelwanst fordern zu wollen.

„Nichts werdet Ihr tun!“, stellte sich Deggen vor die versammelten Adligen. „Der Feind hat schon vor langem den Pfad der Zwölfe verlassen.“ Angewidert zeigte der Diener der Leuin auf den Ort. „Er wird für seine Taten büßen, bei Praios das wird er! Alles was ihm zu Lebzeiten noch widerfahren mag, es ist nichts gegen das, was den Feind erwartet, wenn er vor Rethon tritt. Doch werden wir den Pfad der Tugend nicht verlassen und den Geboten der Zwölfe freveln.“ „Seine Ehrwürden hat recht“, trat Gilborn an seine Seite. „Das vor uns liegende braucht unsere ganze Kraft. Lasst sie uns nicht verschwenden. Wir müssen diesen Reiter besiegen. Seine Ehrwürden war der einzige, der ihm wahrhaft gefährlich werden konnte.“ Der Baronet drehte zum Geweihten. „Wir anderen sollten den Weg freimachen, damit Ihr vorstoßen könnt. Vom Rücken Eures Rosses könnt Ihr ihn besiegen.“

Traviahold, dessen Schlag mit dem Panzerhandschuh offensichtlich Wirkung gezeigt hatte, stellte sich nun direkt vor Anshag. „Da wirst du dich wohl hinten anstellen müssen, denn der fette Kopf von Sarogor, kommt in MEINEN Sack! Danach kannst du mit seinem Wanst machen was du willst, bei Boron! Zeige jetzt Selbstbeherrschung und hilf mir seine Drachengardisten-Schergen abzuhalten, wenn ICH ihm gegenüberstehe. JETZT aber behalten wir einen firunskalten Kopf und gehen überlegt vor, bevor wir erneut angreifen, VERDAMMT! Und das aus meinem Munde!“ Der große Ritter zerrte den Hallinger wieder zu den restlichen Rittern. Anshags Streiter waren verunsichert, und auch die anderen Kämpfer waren entsetzt über das was sich auf dem Wall abspielte. Die Landwehrtruppen waren regelrecht eingeschüchtert und kaum noch dazu zu bewegen noch einmal diesen Ort des Grauens anzugreifen. Traviahold setzte jetzt seinen Drachenflügel-Topfhelm wieder auf, um sich vor der verdammten Sonne zu schützen, die ihm anscheinend mehr ausmachte, als dem verfluchten Untoten Ritter in Firunsfelde! Erzürnt wandte er sich den Anführern des Kriegszuges zu, deren zu vorigen Vorschlag er nicht mitbekommen hatte, und ballte dabei seinen dunklen Panzerhandschuh. „Gerastet wird nicht! Mit dem was Stachelwanst dort hinten tut, zermürbt er unsere Männer. Ich will JETZT Lösungsvorschläge! Je mehr Zeit wir verlieren, desto mehr Gefangene werden sterben!“

„Ihr wollt was?“ Silvana schaute in einer Mischung aus Entsetzen und Irritation auf Traviahold. „Den Kopf für Euren Sack?“ Ehe sie fortfahren konnte, hatte ihr Vater sie am Arm gefasst. „Nicht jetzt“, raunte er ihr leise zu. Das wäre später zu klären. So etwas Boronungefälliges würde er jedoch keinesfalls dulden. „Eine Lösung wollen wir alle, Wohlgeboren. Ich stimme seiner Hochgeboren zu.“

Storko sah die Reaktion Silvanas und tat das Verhalten Traviaholds mit einer beschwichtigenden Geste herab, dann wandte er sich dem ganzen Kreise zu. „Vielleicht sollten wir tatsächlich alsbald wieder versuchen den Ort zu stürmen. Jetzt haben wir ja auch einen zusätzlichen Vorteil, wir wissen welche Gefahr in Firunsfelde auf uns lauert.“ Die Anführer schauten ihn etwas verwundert an. „Der Stachelwanst gibt sich siegessicher, zu siegessicher – und ein Feigling ist er obendrein, nicht dass er sich uns im Scharmützel gestellt hatte, nein er blieb in seinem Hauptquartier und ließ sein Handlanger kämpfen. Wenn wir in wenigen Stunden, dann wenn wie in der Mittagshitze wieder angreifen, dann wenn das Mal des Obersten Richters am höchsten steht. Möglicherweise ist die unheilige Macht des verfluchten Ritters in dieser Zeit geschwächt, und die Augen der Götter auf unserer gerechten Seite. Wenn wir im Sturm von einer Seite heran angreifen könnten wir, so wie ihr es gemeint habt Hochgeboren, die Sperren aus dem Weg räumen und seine Ehrwürden gedeckt von unseren besten Rittern, so Rondra will, den dämonischen Reiter – unter Verlusten unsererseits - bezwingen. So wäre die Macht von Stachelwanst gebrochen. Ja, und umso mehr wir zögern umso mehr arme Bauern müssen leiden. Wie es aussieht sind wir zwar geschwächt, denn zwei meiner Soldaten sind verletzt und ich kann sie heute nicht mehr ins Feld führen “ – Storko, der Offizier, hatte bis auf eine kleine Scharte in seinem Panzer keinerlei Blessuren davongetragen – „ und euren Waffenknechten wird es ähnlich ergehen, aber unser Mut scheint ungebrochen zu sein.“ Nun, nicht dass Storko den Mut mit dem Löffel gegessen hatte, aber sein Plan sah ja auch nicht vor, dass er gegen den Ritter kämpfen musste – und ein besserer Vorschlag kam ihm nicht in den Sinn, der die Leben der Firunsfelder schonen würde.

Anshag wischte sich etwas Blut von der Lippe, wo Traviaholds Handschuh ihn getroffen hatte. Er nickte dem Wutzenwalder dankbar zu. Bei den anderen angekommen steckte er zunächst den Zweihänder weg und atmete tief durch. „Gut, ich schlage vor, dass wir uns nicht mehr aufteilen. Bei Tageslicht als eine Gruppe, am besten in Keilformation werden wir vorrücken . Ehrwürden, Ihr solltet Euch in der Mitte halten, um dem Untoten gegenüber zu treten, wenn es soweit ist. Der Rest von uns sorgt dafür, dass die Drachengardisten und Plünderer sich aus dem Kampf raus halten, indem wir sie in Kämpfe binden. Sobald der Untote ausgeschaltet ist, werden wir uns größer auffächern. Wir müssen unsere zahlenmäßige Überlegenheit nutzen, um die Drachengardisten zu überwinden. Die Plünderer sind alleine keine Herausforderung. Sobald der Untote besiegt und die Drachengardisten überwunden sind, wird ihre Moral in sich zusammenfallen. Ich möchte Euch nur vorher bitten, Ehrwürden, ein Gebet zu sprechen, um den Mut aller Beteiligten zu stärken, denn das was ich vorschlage ist auch mit einem enormen Risiko verbunden. Sollten wir scheitern, werden wir nicht mehr genügend Leute für einen weiteren Angriff haben aber wir brauchen einen Jeden, um den Feind zu bezwingen. Das wäre mein Vorschlag um Firunsfelde zu befreien. Gibt es noch andere?“ Anshag sah missmutig in die Runde der Befehlshaber. Blut tropfte weiterhin in seinen Gambeson und Waffenrock, als er zu einer Feldflasche griff und einige tiefe Züge trank.

Traviahold nickte Anshag zu: „Im Grunde stimme ich all euren Punkten zu, nur einen sollten wir beibehalten. Unseren Vorteil der Zahlenmäßigen Überlegenheit können wir besser nutzen, wenn wir wieder zwei Kampftruppen machen. Wenn wir alle an einer Stelle angreifen, kämpfen im Grunde nur die Vorderen, während die Hinteren nichts tun können, weil zu wenig Platz ist. Die Firnsjöner und Gilborn von Bregelsaum haben genug Leute um unseren Geweihten zu schützen. Lasst sie sich um den Untoten Ritter kümmern, während wir uns Stachelwanst im Zentrum des Dorfes holen. Diesmal wird es gelingen! Was haltet ihr davon, Sieghelm und Gilborn?“ „Wichtig ist, dass wir uns an den Barrikaden nicht in lange Kämpfe verwickeln lassen, und so schnell wie möglich durchbrechen, die Drachengardisten in die Ecke drängen und bis zum Zentrum von Firunsfelde vordringen. Möglich wäre auch, dass unsere Gruppe, also die Schwarze Lanze, Anshags Streiter und die Soldaten von Storko sich nochmals in genau diese drei Gruppen aufteilen und so das Dorf von insgesamt vier Seiten aus angreifen, und uns dann in der Mitte treffen. Auch wenn zwei Gruppen aufgehalten werden sollten, kann eine oder zwei Gruppen sicherlich durchbrechen, und den Verteidigern nach und nach in den Rücken fallen. Der Feind kann den Ort nicht an vier Stellen gleichzeitig halten!“ Der Baronet hatte bei der recht persönlichen Anrede des Schattenholzers, die Augen leicht zu zugekniffen. So etwas gefiel ihm nicht, doch dies waren weder Ort noch Zeitpunkt, es zu thematisieren. „Zwei Gruppen, die eine deckt seine Ehrwürden. Die anderen versuchen den Durchbruch, das ist was ich tun würde.“ Ein kurzer Seitenblick auf Sieghelm zeigte, dass er es ebenso einschätzte. „Ihr habt auf der anderen Seite gefochten. Ihr kennt den Grund. Wenn eine Aufteilung geboten ist, dann handelt so. Meine Erfahrung lehrt mich nur, dass eine zu große Zersplitterung Gefahren mit sich bringt.“

„Genug der Worte.“ Deggen hatte sich die letzten Minuten zurückgehalten und Firunsfelde betrachtet. Wer ihn dabei beobachtet hatte, hatte bemerkt, wie die Lippen ein stummes Gebet zu formen schienen. „Es ist gesagt worden, was zu sagen ist. Jetzt ist die Zeit zu handeln.“ Er trat in die Mitte der Frauen und Männer von Stand und blickte sie ruhig an. „Ich werde mich dem Feind stellen und den Leib von seinem Unleben befreien. Dies wird mein Kampf sein und wo der Feind sich feiger Mittel bedient, werde ich getreu den Geboten der Herrin fechten. Kein anderer hat sich einzumischen. Kein Bolzen verschossen zu werden. Bereitet Ihr den Weg, wie der Schwertbund mit treuen Gefährten Sankt Leomar in Warunk den Weg bereitete.“ Zuversichtlich blickte er in die Runde und sprach dann mit lauter Stimme weiter, so dass ihn ein jeder hören konnte. „Wir sind nach Firunsfelde gekommen, um den Schwachen beizustehen. Für die zwölfgöttliche Ordnung streiten wir wider das Chaos. Wir sind Darpatien! Unsere Gastfreundschaft ist viel besungen. Doch wer unser Heim und Herd bedroht, wird unseren gerechten Zorn zu spüren bekommen! Vergessen ist alter Zwist und Hader in diesen Tagen und Stunden. Allein der Kampf um Eure, um unsere Heimat zählt! Blickt Euch um“, Deggen drehte sich langsam um die eigene Achse. „Die Grenzen Eurer Lehen, Eurer Dörfer, ja sogar die Grenzen von Schlotz zählen in dieser Stunde nicht. Vereint steht Ihr zusammen, für die gerechte Sache. Gemeinsam werden wir fechten! Gemeinsam zogen wir gegen den Oger. Gemeinsam zogen wir wider den Orken und gemeinsam stellten wir uns dem Bethanier an der Trollpforte. Wo der Feind nur sich kennt und seine Gefährten für Taler verrät, stehen wir zusammen.“ Der Rondrianer wurde leiser, doch noch immer war seine Stimme klar zu verstehen. „Ich sehe in Eure Gesichter und ich sehe Furcht. Doch ich sage Euch, fasst Mut meine Gefährten. Die Herrin Sturmesgleich ist mit uns in dieser Stunde. Glaubt Ihr Sankt Hlûthar und die seinen waren ohne Furcht, als sie sich in die Dämonenschlacht stürzten?“ Der Ritter der Göttin schüttelte seinen Kopf. „Die Legende lehrt uns, dass er und die seinen vor der Schlacht die Herrin anriefen, auf das sie ihnen den Mut stärke. So wollen auch wir es halten.“

„Es gibt immer eine Klippe, die noch niemand erstiegen, es gibt immer einen Strom, den noch niemand durchschwommen, es gibt immer einen Feind, den noch niemand bezwungen. Doch ob Klippe, ob Strom ob machtvoller Feind, wir sind die Klingen auf die Rondra herabsieht! Wir sind der Stahl, den sie in heißer Lohe schlug, wir sind die Schneide, die sie funken sprühend schärfte. Wenn Euer Herz bebt in Angesicht des Feindes, lasst es beben, wenn die Furcht Euch wie Fieber befällt, lasst sie brennen, heißt das Beben willkommen, entfacht die Fieberhitze zur Glut, denn es sind dieselben Kräfte, mit denen uns Rondra formte!“

Er zog seine Klinge und reckte sie gen Himmel. „Herrin Sturmesgleich, Schild und Schwert Alverans, blicke auf uns in dieser Stunde! Schenke uns den Mut und die Kraft, für das was kommen wird! Alveransleuin sei mit uns!“ Als ob es antwortete, war aus der Ferne ein tiefes Donnergrollen zu vernehmen. „Wappnet Euch! Schärft den Stahl und macht Euch bereit in den Kampf zu ziehen.“ Gab Gilborn darauf die ersten Befehle, noch immer beseelt von den Worten des Geweihten. „Seine Ehrwürden hat Recht. Genug der Wort, lasst die Klingen sprechen.“ Auch Traviahold reckte seinen Panzerarm kampfbereit gen Himmel. „Ich, die Schwarze Lanze und alle die an meiner Seite kämpfen wollen, bilden die zweite Gruppe, die erneut Firunsfelde von der Rückseite angreifen wird, wo wir uns gegebenenfalls aufteilen. Lasst also eure Männer antreten, auf dass wir diesen Ort endlich befreien können.“ Traviahold blickte Sieghelm und Gilborn noch einmal wortlos tief in die Augen. Dann wendete er sich an Deggen und klopfte diesem noch einmal auf die Schulter, während sich seine Männer und die Schwarze Knappin hinter ihm sammelten. Obwohl der Schattenholzer den Rondrianer sehr schätzte, kämpfte er lieber nicht direkt an dessen Seite. Denn er kämpfte besser auf seine Weise – brutal, hart und gnadenlos. Und auch sein Waffenknecht sollte ungeniert seinen Eisenwalder abfeuern können, ohne dafür ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Und wenn es sein musste, auch in die Rücken der Feinde. Nicht mehr weit von Firunsfelde entfernt, ritt der Bote im gestreckten Galopp. Er musste den Bund des Alten Schlages unbedingt vor ihrem Sturm auf Firunsfelde erreichen, so wurde es ihm aufgetragen. Seine Botschaft war von absoluter Dringlichkeit, mehr wusste er nicht. Als er über den Hügel kam, sah er schon in weiter Ferne das belagerte Firunsfelde, das sich sehr verändert hatte. Es sah so aus, als wäre es noch nicht zu spät. Er schwenkte im sicheren Abstand um den Ort und hielt direkt auf die adligen Belagerer zu, die er aufgrund ihrer Banner gut erkennen konnte.

Gut, so sollten sie nochmals anstürmen. Die Stimmung des Aufbruchs und der Siegesgewissheit, welche die Rede Deggens hervorgerufen hatte wurde wieder durch den nüchternen Geist des Offiziers von Gernatsborn verdrängt. Die Gruppe nochmals aufzuspalten hielt er für keine besonders gute Idee, denn man konnte in den engen Gassen leicht einem kleineren Trupp auflauern und ihm die Rückzugsmöglichkeit abschneiden. Doch welchen Vorteil hatten sie tatsächlich im Vergleich zum vorherigen Ansturm? Nun einerseits war es Tag und die dunkle Macht des Untoten möglicherweise durch Praios Antlitz geschwächt, aber andererseits konnte der Feind schon weitaus früher das Feuer eröffnen. Storko sah sich seine beiden verletzten Soldaten an die gerade verbunden und versorgt wurden. Beide konnte er heute nicht mehr in die Schlacht führen, insbesondere einer würde nur mit der Gnade von Tsa überleben, denn die blutige Wunde war gar grässlich. Die restlichen Männer waren aber gewillt weiter in die Schlacht zu ziehen, oder zumindest von den Worten des Priesters dazu ermuntert. Jeder von ihnen hatte schon mehrere Scharmützel und Schlachten im Jahr des Feuers und davor geschlagen. Dann trank er ein paar Schlucke aus seiner Feldflasche, putzte sich die dreckigen Stellen seiner Plattenrüstung mit einem Fetzen ab und überlegte sich nicht doch seine Armbrust in den Kampf mitzunehmen, am Tage konnte man weitaus besser zielen.

Auch Anshag machte sich wieder bereit. Anstatt seines verlorenen Topfhelmes streifte er gerade eine Kettenhaube über den Kopf. Die wattierte Haube die er darunter trug, hatte sich bereits nach kurzer Zeit mit dem roten Blut des Adligen vollgesogen. Obwohl Anshag leicht schwindlig war, dachte er nicht daran hier zu bleiben und den Angriff zu verpassen. Nachdem er die Kettenhaube übergestreift hatte, trank er noch einige tiefe Schlucke aus seiner Feldflasche. Er überprüfte nochmals den Sitz seiner Waffen. Diesmal würde er auch seine Armbrust mitnehmen, auch wenn es keine rondrianische Waffe war, konnte sie doch zielgerichtet eingesetzt das Schlachtenglück wenden. Timshal, der halbelfische Fährtensucher trat auf seinen Herrn zu. „Verzeiht Wohlgeboren aber seid Ihr Euch sicher, dass Ihr diesen Angriff führen wollt? Ihr seht nicht sonderlich gut aus.“ Anshag blickte dem Halbelfen aus zornigen Augen an. „Hör gut zu Timshal! Ich werde in keinem Fall hierbleiben hast du das verstanden? Ich werde bei diesem Angriff dabei sein und entweder wir siegen oder ich werde dort fallen umgeben von den Leichen meiner Feinde!“ Timshal wirkte bedrückt. Ihm schien viel an seinem Herrn zu liegen und er nickte stumm, bis sich sein Blick gen Horizont richtete und er an Firunsfelde vorbei deutete. „Seht Herr, ein einzelner Reiter...“ Anshag sah ein wenig skeptisch in die Richtung die sein Waffenknecht deutete, sollte dies ein Trick sein, schwor er sich, würde er dem Halbelfen die Ohren abschneiden lassen, doch tatsächlich war dort vorne ein Reiter auszumachen, der im gestreckten Galopp auf die Belagerer zuhielt. „Was zum...“ setzte Anshag an und lief zu Traviahold rüber. „Seht Traviahold, ein einzelner Reiter, der sich schnell nähert. Was haltet Ihr davon?“ Anshag war nicht sicher was das bedeuten sollte. War es vielleicht ein Ablenkungsmanöver der feigen Feinde, die so ihren Ausfall vorbereiten wollten? Er lockerte aus Routine sein Schwert in der Scheide und ging dem Reiter entgegen, jederzeit bereit dem galoppierendem Pferd oder einer geschwungenen Waffe auszuweichen.

Umso näher der Reiter kam, desto deutlicher war das Wappen auf seiner Brust zu erkennen. Ein jeder in der Runde kannte es, fochten doch auch einige auf ihrer Seite mit ihm auf der Brust. Der Mann musste zum Baron gehören. Als er von jedem klar zu sehen war, konnte man deutlich sehen, dass er alles aus dem Pferd herausgeholt hatte. „Der Zwölfe Gruß voran! Ich bringe Botschaft für den Ritter von Firnsjön.“ Während die einen noch etwas irritiert schauten und sich die ersten Landwehrler und Waffenmägde leise darüber berieten, was das nun zu bedeuten hatte, trat der Onkel des Barons auf den Boten zu. „Gib nur her und dann lass Dich beim Tross versorgen.“ „Mein Dank, Hoher Herr.“ Er beugte sich zum Ritter hinab und sprach so leise, dass nur dieser ihn hören konnte. „Allein seine Hochgeboren trug mir anderes auf.“ Sieghelm hatte schon das versiegelte Schreiben geöffnet und zu lesen begonnen. „Wie Ihr wollt, wie Ihr wollt.“ Schnell überflog er die Zeilen und seine Körpersprache zeigte zunehmend, dass ihm der Inhalt nicht recht gefielt.

Traviahold drehte sich zu Anshag: „Was ich davon halte? Ich hoffe die Botschaft des Barons ist verdammt wichtig, denn sie hält uns von unserem zweiten Angriff auf Firunsfelde ab. Vielleicht hat Baron Tsafried von Schnayttach-Binsböckel ja nun endlich die nötige Motivation gefunden, um uns bei der Befreiung der Baronie zu unterstützen und lässt ausrichten, dass er fast so weit sei und in ein paar Tagen oder gar Wochen zu uns stoßen könne – dann wenn alles vorbei ist!“ Ein paar Kämpfer der Schwarzen Lanze begannen leise zu lachen, aber der Schattenholzer brachte sie mit einer Handbewegung direkt zum Schweigen, denn die anhaltende Abwesenheit des Barons war eher zum weinen. Traviahold rief in Richtung des Firnsjöner Ritters: „Euer Wohlgeboren, macht hin mit dem Wisch, wir haben eine Schlacht zu schlagen, und wenn der Bote schon dar ist, gebt ihm ein ordentliches Schwert, damit er sich bei uns einreihen möge.“ Der große Ritter wandte sich ihrer eigentlichen Aufgabe zu und überprüfte, ob alle kampffähigen Mannen vollzählig waren, auf dass sie jeden Moment losschlagen konnten. Stachelwanst könnte jeden Moment einen weiteren Gefangenen pfählen. Und auch der Rest der Männer war immer noch hochmotiviert durch die Ansprache des Rondrianers. Sie brannten darauf, dem Unrecht in Firunsfelde endlich ein Ende zu bereiten!

Ob das schon eine Antwort auf sein Schreiben war, welches er mit seinem Boten am gestrigen Abend sandte? Dachte sich Storko. Wenn, das musste der Baron tatsächlich rasch geantwortet haben. Aber da die Nachricht scheinbar nicht an alle, bzw. den Schlotzer Schutzbund gerichtet war, sondern an Sieghelm von Firnsjön, so war anzunehmen, dass es keine Reaktion auf seine Botschaft war. Aber was war es, das der Bote mit so großer Eile allein dem Onkel des Barons berichten sollte. Sicherlich Ausreden des ‚Freiherrn von Schlotz’ warum er nicht selbst am Schlachtfeld focht, zu peinlich dass er es nur an einen Vertrauten zu richten vermochte, so schloss der Junker von Gernatsborn im Geiste. Oder war es gar die Nachricht, dass Tsafried alsbald selbst mit wehenden Bannern und großem Gefolge zur Unterstützung heran reiten würde? Bei Phex, das würde ihm so passen, die gefährlichen Anstürme zuerst aussetzen um dann am Ende selbst den Ruhm einzufahren. Nein, Tsafried solle lieber in seiner Burg hocken, da würde Storko fast eher in blutiger Schlacht noch weitere Soldaten opfern, bevor der Baron sich nun den Sieg an die Fahne hängt. Neugierig ging er näher um Bote und Sieghelm besser beobachten und hören zu können.

Die lachenden Kämpfer zogen nicht nur den missmutigen Blick der Firnsjöner Ritterin auf sich. Auch den Bregelsaumern schien ein solcher Ton, nicht sonderlich zu gefallen. Sieghelm konzentrierte sich derweil auf die Botschaft in seinen Händen. „Was ich mache ist meine Sache“, war seine einzige Reaktion. Mehr vor sich hingemurmelt, denn laut ausgesprochen. Der Ritter schüttelte schließlich erbost den Kopf, als er die Botschaft überflogen hatte. „Was…?!“ Erst jetzt interessierte er sich wieder für seine Umgebung. Der Blick den er über die Versammelten schweifen lies, zeigte alles andere als Zufriedenheit. Als seine Augen auf dem Schattenholzer und dem Gernatsborner ruhten, verfinsterten sie sich sogar weiter. Nachdem er einen erneuten, kurzen Blick auf die Zeilen in seinen Händen geworfen hatte, wandte er sich erneut dem Boden zu. „Hilbert, nicht?“ erinnerte er sich an den Namen des Waffenknechten. „Ich stehe im Wort und das habe ich noch stets gehalten. Ruht Euch aus. Ihr werdet mich im Anschluss begleiten.“ Er drehte sich nach seiner Tochter um und winkte sie ebenso wie seinen Knappen zu sich. „Du bleibst hier und bereitest alles zum schnellen Aufbruch vor. Keine Wiederworte!“ Erstickte er sogleich das Aufbegehren des jungen Knappen. „Es muss schnell gehen. Silvana, hier lies das.“ Während seine Tochter die Botschaft noch in Empfang nahm, sprach Sieghelm auch schon zu den anderen. „Mein Neffe ist nach Schlotz zurückgekehrt. Er schreibt von Verrat und Beleidigungen gegen ihn und unser Haus. Er ruft uns zum Familienrat und sobald Firunsfelde genommen wurde, werde ich dem Ruf folgen.“ „Beim Götterfürsten, das hätte ich mir denken können!“ Silvana hatte die Botschaft noch nicht zur Gänze gelesen, doch das bisher gelesene reichte, um ihren Unmut zu erregen. Ihr Blick auf Traviahold verriet nur zu deutlich, wem er galt. „Vater, wir…“ Doch weiter kam sie nicht, schnitt Sieghelm ihr doch mit einer Geste, die keinen Widerspruch duldete, das Wort ab. „Genug jetzt! Wir werden Firunsfelde befreien, das sind wir den Menschen dort und auch uns schuldig. Dann werden wir sehen, was das alles zu bedeuten hat.“

Was Verrat? Storko wurde plötzlich heiß unter seiner Rüstung. Bei Phex, hoffentlich war nicht er selbst dabei gemeint. Er nahm durchaus die seltsamen Blicke von Sieghelm und Silvana, die ihm aber insbesondere Traviahold galten, war. Aber unmöglich, niemand konnte in jener stürmischen Nacht in Gernatsborn das vertrauliche Gespräch zwischen ihm und dem Schattenholzer Ritter gehört haben – oder möglicherweise waren andere ihnen schon zuvorgekommen. Besorgt blickte er zu Traviahold wie er auf die Situation reagierte. Doch alsbald trat er weiter vor und wandte sich den Firnsjönern zu: „Euer Wohlgeboren, das sind beunruhigende Neuigkeiten die seine Hochgeboren schickt. Wenn sich der Verrat und die Bedrohung gegen die Schlotzer Lande richtet, so ist es auch für uns alle des Schlotzer Schutzbundes angebracht Näheres zu erfahren, auf dass wir gegebenenfalls dagegen antreten können.“

Traviahold kniff unter seinem geflügelten schwarzen Topfhelm die Augen zusammen. Der große Ritter ging in sich und dachte nach. Beleidigungen? Wohl eher die Wahrheit, auch wenn er dazu neigte, diese schmutzig zu verpacken. Verrat? Traviahold war sich keiner Schuld bewusst – zumindest noch nicht. Er überlegte, wen er in letzter Zeit alles getötet hatte, und ob vielleicht eine Person darunter gewesen sein könnte, die er hätte besser nicht töten sollen. Gut, er hatte schon das ein oder andere Gut in der Wildermark geplündert. Aber wenn dann war das stets außerhalb der Baronie, und er hatte auch nie eine andere Wahl, hätte er seine Leute nicht verhungern lassen wollen. Aber die Güter waren stets unbedeutend und bei solchen Raubzügen hatte er auch stets penibel darauf geachtet, keine Spuren zu hinterlassen – nein, es musste etwas anderes sein. Hatte vielleicht einer seiner Schwarzen Lanze jemanden um die Ecke gebracht, der sein Maul zu weit aufgerissen hatte? Vielleicht Argwulf Eisenhagel? Sein Waffenknecht eröffnete grundsätzlich auf alles und jeden das Feuer, der sich ungebeten Gut Schattenholz näherte. Aber Argwulf war der letzte, der irgendwelche Spuren hinterließ. Es könnte natürlich auch etwas mit der Schwarzen Knappin und deren Geheimnis zu tun haben. Aber auch das konnte er sich nicht vorstellen. Viel eher hatte Traviahold das Gefühl, dass der Baron nun die Initiative ergriff. Immerhin wusste Tsafried, genau wo sie waren, und was sie als nächstes vor hatten. Der Baron wäre ein Narr, würde er glauben, dass er und Storko nach einem Sieg nicht eine Entsprechende Gegenleistung einfordern würden. Hatten sie ihn schon soweit in die Ecke getrieben? War es die Angst des Barons, dass ein Junker mächtiger als sein Dienstherr werden könnte? „Was auch immer, wenn nicht gerade die Trollfeste des Barons belagert wird, eines unserer Güter brennt, oder der Finstermann höchst selbst die Baronie betreten hat, kann es nicht wichtiger sein als das hier.“ Dabei deutete er auf den belagerten Ort. „Aber es ist immer wieder das gleiche – die einen reden und reden, während andere Handeln! Was ist jetzt Reden oder Handeln?“

„Während Ihr noch redet, habe ich schon lange vom Handeln gesprochen, Wohlgeboren. Silvana, lass die Leute antreten.“ Sieghelm wandte sich Deggen zu. „Wir“, ein kurzes Nicken in die Richtung der Bregelsaumer bezog auch diese ein. „werden Euch den Weg bereiten. Ihr jedoch“, der alte Ritter hatte sich Traviahold zugedreht und deutete mit dem Finger auf ihn. „Seit nicht so selbstgefällig. Euch fehlt es allzu deutlich an Respekt vor dem Alter und dem Stand über Euch. Es werden wieder Tage kommen, da es nicht allein auf einen starken Schwertarm ankommt, um wahrhaft ein Ritter zu sein. Bis dahin habt Ihr noch viel zu lernen.“ Nach diesen Worten machte er kehrt und lies sich noch im Gehen von seinem Knappen Helm und Schild reichen.

Traviahold war geneigt, den alten Mann für seine Worte zu töten, aber er beherrschte sich, und außerdem war es der Sache nicht dienlich, sondern würde sie alle nur schwächen. Auch er sehnte die alte Zeit vor dem Jahr des Feuers herbei und wünschte sich das alte Darpatien zurück. „Und WIR“, mit einem nicken seinerseits in Richtung des Gernatsborners, „werden dem letzten Kriegsfürsten von Schlotz ein Ende bereiten!“ Er benannte Sarogor mit Absicht nicht beim Namen. Der Bastard aus dem Wutzenwald ging zusammen mit Storko von Gernatsborn und Anshag von Sturmfels in Stellung, während die Banner flatternd im Wind wehten. Sie wählten die bestmögliche Einfallstelle, die sie auch schon in der Nacht bestürmt hatten. Argwulf Eisenhagel hob seinen Eisenwalder fragend hoch und wartete auf eine Reaktion seines Ritters. Traviahold nickte ihm und Storko, der seine Armbrust ebenfalls schussbereit hatte, zustimmend zu. So weit käme noch, dass man ihnen den Gebrauch mit ihren effektivsten Fernkampfwaffen verbieten würde. Jeder wusste an welcher Stelle er am besten kämpfen konnte.

Die Schwarze Knappin stand wie immer mit dem Schild der das Wappen von Schattenholz zeigte, neben Traviahold. Das Kurzschwert in ihrer Rechten drückte sie so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie hatte sich fest vorgenommen diesmal mindestens einen dieser erfahrenen Drachengardisten zu töten, oder besser noch zwei, für den Fall, dass der Knappe dieses noch so wohlgeborenen Sieghelms, ebenfalls einen erwischen würde. Sie schaute nach links und rechts zu den anderen Streitern und Soldaten. Sie musste schon zugeben, dass sie die Formation und Taktik des Gernatsborners genauso schätzte wie den Mut des Sturmfelsers, der trotz seiner immer weniger werdenden Mannen weiter kämpfte. Sie wartete wie alle anderen auf ein Signal oder Kampfeslärm – und dann vernahm sie das Horn, das sie auch in der Nacht gehört hatten. Traviahold, der diesmal den Zweihänder gewählt hatte, hob diesen hoch und senkte die Spitze in Richtung Firunsfelde. Das Zeichen zum Vorrücken!

Anshag nickte stumm in Richtung des Wutzenwalders. Mittlerweile konnte er den Hünen in seiner schwarzen Rüstung gut leiden. Er war ein Mann von echtem Schrot und Korn und sich nicht zu schade auch einmal selber anzufassen. Es waren Ritter wie Traviahold und er selber, die dafür sorgen würden, dass es wieder ein vereintes Darpatien geben wird, nur damit Menschen wie die Firnsjöns es wieder regieren konnten. Nicht ganz gerecht aber der Willen der Götter. Doch bei den Worten von Sieghelm keimte die Wut in ihm auf. Traviahold, Storko und er selber hatten so viel gegeben, haben so viel erreicht. Beinahe alle Angriffspläne kamen von einem der drei oder wurden geringfügig geändert. Was hatte der Firnsjöner beigesteuert? Nichts was Anshag nennenswert empfunden hätte. Traviahold musste die Wut Anshags bemerkt haben, denn bevor dieser etwas sagen konnte wurde er von Traviahold in Richtung ihrer Leute mitgenommen. Als er so da stand und sich mit einigen tiefen Atemzügen zu beruhigen zu versuchte, merkte er, dass seine Wunde am Kopf wohl aufgehört hat zu bluten und das Blut nun trocknete. Er zupfte leicht an seiner Haube, die er unter der Kettenhaube trug, um den Stoff von der Wunde zu lösen. Seine Armbrust gab er mitsamt seinen Köchern an Timshal, dessen Pfeile sich dem Ende zuneigten. „Jeder Schuss ein Treffer Timshal, hast du verstanden?“ Der Halbelf nickte stumm als Antwort. Anshag fand auch noch ein paar tröstende Worte für Malina, deren Bruder Adran beim ersten Ansturm gefallen war. Dumpf und hohl klang das Horn über das Dorf. Anshag blickte mit entschlossener Miene in Richtung Traviaholds, der gerade den Zweihänder senkte, um das Ziel zu markieren. „Kein Rückzug und keine Gefangenen! Siegt oder sterbt für Darpatien! Für die Kaiserin!“ gab Anshag an seine Leute, welche ihn vertrauensvoll anblickten, als auch er seinen Zweihänder vom Rücken nahm und entschlossen auf den Erdwall zuging. Egal was uns erwartet, wir werden siegen dachte Anshag selbstsicher und erklomm den Wall als einer der ersten um zu sehen was sie erwarten würde.

Die Sommersonne brannte auf die Angreifer hinunter als sie in die Nähe des Ortes gelangten, nur selten schob sich ein Wölkchen den Strahlen in den Weg. Storko samt seinen Spießknechten rückten in enger Stellung an der linken Flanke der Schlachtenreihe vor, in der Mitte war Traviaholds Lanze positioniert und an der anderen Flanke die Waffenknechte Anshags. Der Gefechtshaufen der Bregelsaumer und Firnsjöner der von der anderen Seite ans Dorf rückte war nun nicht mehr zu erblicken, schon verstellten die Häuser und insbesondere der Erdwall die Sicht. Nahe dran waren sie schon am Erdwall, doch bisher war noch kein Schuss in ihre Richtung gegangen, nein es war seltsam ruhig an ihrer Seite. Als Anshag mit schweren Schritten den Wall erklomm und zwischen den Almadanischen Reitern erklomm, konnte es der Offizier nicht lassen seinen Kopf leicht zu schütteln. „Tapferkeit und Tollheit liegen nah beieinander.“ Murmelte er nicht hörbar unter dem hinunter geklappten Visier des Schallers. „Ruhig bleiben Männer!“ ermahnte der Weibel die Soldaten. Mit den Spießen voran schritten sie den Wall hinauf. Storko stand wie gewohnt hinter den Reihen, nun die Armbrust geladen und gespannt in den Händen, den Feind erwartend. Mit eindringlichen Blicken versuchte er durch die Schlitze des Helmes mögliche Heckenschützen auszumachen.

Wenige Augenblicke später schlug auch schon ein Armbrustbolzen in dem Sturmfelser ein! Der gehärtete Kriegs-Bolzen bohrte sich panzerbrechend durch dessen Rüstung in den linken Oberarm und fügte ihm so neben seiner alten Kopfwunde, noch eine zweite zu. Anshag wurde herumgerissen und hatte Probleme seinen Zweihänder weiter zu führen. Ein Schütze war aber nicht zu erkennen. Die erste Barrikade hinter dem Erdwall war nur notdürftig repariert und schnell durchbrochen. Aber weiter im Ort zwischen den Gebäuden war eine zweite trügerische Barrikade errichtet worden, an der die noch lebenden Leiber der Gefangenen gefesselt waren. Ihre Münder waren zugebunden. Nur wenige ließ man mit herausgeschnittenen Zungen ihren Schmerz heraus schreien. Sie dienten den Drachengardisten als Lebende Mauer und ließ die Angreifer zögern, so einfach durch sie hindurch zu brechen. Weitere Heckenschützen kamen hervor und schossen auf die Vorrückenden, nur um kurz darauf wieder hinter Deckungen zu verschwinden! Yantur Zertel wurde ausgerechnet in sein lahmes Bein getroffen, ging direkt zu Boden, klammerte eine Hand um das herausragende Geschoss und fiel somit aus. Die Schwarze Knappin sprang heran und deckte den Alten Schreiber ihres Ritters mit ihrem Schild, während dieser fluchend versuchte in eine bessere Deckung zu kriechen. Aber sie hatten Glück im Unglück, denn die Bolzen schienen nicht mehr vergiftet zu sein. Die Schwarze Lanze bildete eine Schildreihe, während die zweite Reihe hinter diesen in Deckung ging. Plötzlich kam ein weiterer Drachengardisten-Armbruster direkt über ihnen auf dem niedrigen Dach eines Gebäudes zum Vorschein mit erhobener Armbrust. Grordan Graustein reagierte zuerst und rammte dem hinterhältigen Schützen die stählerne schwere Spitze des Schattenholzer Banners in den Panz und riss diesen mit einem gewaltigen Kraftakt über die Deckung in die Tiefe zu ihren Füßen, wo dieser sich mehrere Knochen brechend aufschlug! Der elfische Waffengefährte von Anshag wirbelte mit geschärften Zaubersinnen in Richtung des zweiten Armbrusters, diesmal ein Plänkler, auf der anderen Straßenseite und feuerte blitzgeschwind zwei Pfeile hintereinander, die beide trafen, in den Schergen. Einer in den Brustkorb und der nächste in den Hals. Auch dieser brach tödlich hinter seiner Deckung auf dem Dach zusammen. Links und Rechts waren Haustüren und verschlossene Scheunentore, aus denen jederzeit Verteidiger heraus stürmen konnten, während vor ihnen nur noch ein halbes Dutzend schritt entfernt, die „Lebende Mauer“ ihren Vormarsch behinderte. Holz splitterte, als die seitlichen Türen von Innen nach Außen, aus den Angeln getreten wurden und die letzten Plänkler den Angreifern in die Flanken stürmten und sich tief in die Reihen vorkämpften um dort wild um sich zu schlagen. Gleichzeitig versperrten vereinzelte Drachengardisten mit ihren Schilden die Türen, während weitere wenige, aber dafür gut positionierte Drachengardisten mit Stangenwaffen aus den Fensteröffnungen in die Männer Traviaholds und Storkos hinein stachen! Der Schwarzen Knappin schossen Tränen des Hasses in die Augen und ging von ihrem großen Schild weiter geschützt nach vorn zur zweiten Barrikade um die Festgebundenen zu befreien. Doch der Boden gab plötzlich unter ihren Füßen nach und sie stürzte schreiend zwei Schritt in die Tiefe einer Speergrube, die sich direkt der Länge nach vor der zweiten Barrikade befand! Gleichzeitig kam hinter der lebenden Mauer ein weiterer Drachengardist in leichter Platte und Pike hervor und stach in die Grube um der Schwarzen Knappin den Rest zu geben! Traviahold stürmte daraufhin an einem Plänkler vorbei, der ihm noch einen Passierschlag verpasste, der jedoch an dessen Panzer abprallte, und sprang trotz schwerer Rüstung über die immerhin zwei Schritt breite Grube, ohne Rücksicht auf Verluste in den Lebenden Wall, dem Pikenträger mit dem Zweihänder entgegen, zerschmetterte dessen Stangenwaffe mit einem wilden Hieb und rammte ihm einen Herzschlag später, auf der Barrikade hängend, mit einem Kopfstoß seinen schweren Topfhelm direkt ins Gesicht, so dass dem Schattenholzer die Überreste des Gesichts, seines Gegners nach Innen durch die Sehschlitze spritzten! Die Schwarze Lanze, angespornt von ihrem todesmutigen Ritter, stürmte diesem jetzt hinterher und versuchte ebenfalls die Fallgrube zu überspringen, wobei neben der Knappin ein weiterer Schattenholzer in die tödliche Grube stürzte und dort gleich von drei Speeren durchbohrt wurde. Viele der Festgebundenen wurden dabei unter den Panzern der Schwarzen Lanze zerquetscht und fuhren wohl kurz darauf in Borons Hallen. Storkos Soldaten stachen währenddessen in der engen Gasse die durchgebrochenen letzten Plänkler in ihren eigenen Reihen ab, und versuchten die Flanken wieder zu sichern, während sich zwei Stangenwaffen tragende Drachengardisten in den Gebäuden einen tödlichen Schlagabtausch mit ihnen abhielten. Storko gelang es einem der Drachengardisten, die je eine Tür versperrten, mit seiner Armbrust direkt ins Gesicht zu schießen, so dass dieser direkt im Türrahmen zusammen sackte, während Weibel Wehrheimer die Kampfunfähigkeit des Schildtragenden Gegners ausnutzte um ihm den Rest zu geben.

Dann betrat Sarogor „Stachelwanst“ hinter der zweiten Barrikade das Schlachtfeld!

Die Streiter auf der anderen Seite hatten sich ebenfalls gesammelt. Gilborn hatte ihn allen klar gemacht, worum es ging und welche Aufgabe sie hatten. „Wir räumen den Weg, damit seine Ehrwürden sich dem Feind stellen kann. Wenn es soweit ist, mischt sich keiner ein. Wir werden versuchen weiter vorzurücken und den Feind zu binden. Ihr“, der Baronet deutete auf einige Bogenschützen aus dem Gefolge der Firnsjöner. „Bleibt direkt bei den Almadanischen Reitern. Sorgt dafür, dass ihre Schützen nicht recht zum Einsatz kommen. Verstanden?!“ Ein entschlossenes Ja war die Reaktion der Männer und Frauen. „Dann gilt es. Für die Zwölfe, Darpatien und das Reich!“ Mit diesen Worten marschierten sie erneut gegen Firunsfelde. Auch dieses Mal führten sie den Choral Sankta Ardares auf den Lippen. Doch es waren Vater und Tochter, die ihn angestimmt hatten, derweil Deggen auf seinem Ross saß und still zur Sturmherrin betete. Der Feind hatte den Durchgang nur halbherzig gesichert. Er vertraute auf eine weit effektivere Verteidigung, die den Feind auch dieses Mal aufhalten sollte. Während die hinteren Barrikaden besetzt waren und den Durchgang in den Ort sicheren, wartete auf dem freien Platz bereits der untote Reiter. Umso näher sie kamen, desto stärker mischten sich nun auch Schreie in ihren Gesang. Auch auf dieser Seite hatte der verfluchte Feind einige Männer und Frauen auf den Barrikaden fest gebunden. Allerdings hatte er hier keinerlei Maßnahmen ergriffen ihre Schreie zu dämpfen. Es war Sieghelm, der am schnellsten auf die Situation reagierte. Der Leib des Gernatsbrunners, seines alten Freundes, erwartete sie bereits. „Macht den Weg frei! Schützen an die Seiten!“ Sie mussten die almadanischen Reiten nur etwas zur Seite rücken und Deggen würde zu stoßen können. Schon machten sich die Männer und Frauen an die Umsetzung seiner Befehle, derweil seine Firnsjöner mit einigen Feinden Pfeile und Bolzen wechselten. Aus dem Widerstand auf dieser Seite und dem Lärm von der anderen Seite, war deutlich zu erkennen, dass der Großteil der Drachengardisten und des anderen Geschmeiß auf der anderen Seite kämpfen musste. Doch diese Gedanken wurden schnell verdrängt, als Deggen den Durchbruch nutzte und donnernd gegen den Feind anritt. Erneut bewies der Gegner, dass er weit mehr, den ein normaler Untoter war. Wie auf ein geheimes Zeichen hin, setzten sich Pferd und Reiter in Bewegung. Ein Waffenknecht des Barons war hiervon so überrascht, dass er sich nicht mehr rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Heftig traf ihn der Morgenstern des Feindes und schleuderte ihn zu Seite, wo er benommen liegen blieb. Der Mann würde an diesem Tag sicherlich keine Kämpfe mehr bestreiten. Krachend trafen die beiden Gegner aufeinander und blockierten damit zugleich den Durchgang im Wall. Der Rondrianer nutzte seinen Schild geschickt und konnte doch nicht jeden der Schläge mit dem Morgenstern abwehren. Aber auch sein Feind musste immer wieder Treffer durch den geweihten Stahl einstecken. Jetzt, wo er mit dem Feind auf einer Höhe focht, war der Kampf deutlich ausgewogener, als bei ihrem ersten Aufeinandertreffen. Die Drachengardisten nutzten den Ort des Kampfes jedoch schnell zu ihrem Vorteil. Solange der Wall nicht erklommen war, konnte niemand die Schützen des Feindes zurückhalten. Seine ersten Bolzen trafen zwar noch das untote Ross und seinen Reiter, doch schien dies beiden nichts weiter auszumachen. Der Bolzen der Deggen schließlich in seinem linken Oberschenkel traf, war da jedoch etwas anderes. Nicht nur, dass er so nur unter großen Schmerzen sein Pferd lenken konnte, er verlor stetig Blut durch die Wunde. Deggen schien sich davon jedoch nicht lange beirren zu lassen. Er hatte die göttliche Leuin im Namen Sankta Thalionmels um ihren Beistand gebeten und sie hatte ihm diesen gewährt. Wie immer dieser Kampf ausgehen würde, seine Wunden würden ihn nicht davon abhalten, um mit seiner ganzen Kraft zu streiten. Diejenigen, die hinter den Reitern auf der zum Dorf gewandten Seite des Walles waren, hatten sich derweil unter dem Kommando Silvanas gesammelt, um unter dem Schutz ihrer Schilde weiter vorzurücken. Auf der anderen Seite machte man sich währenddessen daran, den Wall zu erklimmen und ebenfalls vorrücken zu können. Ein gutes hatte der Kampf der Reiter für sie, der feindliche Beschuss konzentrierte sich auf den Geweihten. Ein gewaltiger Hieb mit dem Morgenstern traf Deggen an seinem Helm. Ein anderer wäre womöglich aus dem Sattel geworfen worden. Er wankte jedoch nur und konnte sich im Sattel halten. Allerdings legte sich langsam ein roter Schimmer vor seine Augen. Er hatte eine Wunde am Kopf erlitten, die ihm schon bald die Sicht nehmen würde. Für ihn zählte jedoch allein dieser Kampf. Wenn dies der Grund seines Todes sein sollte, dann war es so. Diesen Feind würde er jedoch noch von seinem Unleben befreien! Noch während er sich von dem Schlag fing und sich im Sattel aufrichtete holte er seinerseits zu einem kraftvollen Hieb aus. ‚Rondra, schenke mir die Kraft meinen Feind zu bezwingen’, rief er laut die Herrin an. Und Rondra erhörte ihren treuen Diener. Seine Klinge fand eine Lücke in der Deckung des Feindes und bohrte sich tief in dessen Schulter. Ein solcher Treffer ließ auch seinen Feind wanken. Hätte sein Feind schreien können, er hätte es getan. Deggen jedoch lies seine Verteidigung fahren und setzte sogleich mit der befreiten Klinge nach. Er war noch immer von der Nähe zur Göttin erfüllt. Erneut traf der er den Feind und der Stahl drang in den Hals seines Gegners. Nun setzte er auch mit seinem Pferd nach und seinem Gegner fiel es zunehmend schwerer, sein Reittier unter Kontrolle zu halten. Fast schien es so, als ob seine eigene Schwäche, auch auf sein Ross übergreifen würde. Auch wenn ihn ein weiterer Bolzen in der linken Schulter traf, mit seiner rechten führte Deggen nun Hieb um Hieb und landete dabei Treffer um Treffer. Mit einem letzten gewaltigen Hieb bohrte sich seine Klinge schließlich in den Gegner. So als ob sie nie mehr denn tote Leiber gewesen wären, gingen Ross und Reiter daraufhin zu Boden. Unter großem Jubel stürmten die Firnsjöner und Hallinger Aufgebote daraufhin auf den Gegner ein. Deggen jedoch sank schlapp im Sattel zusammen. Nur noch am Rande bemerkte er, wie ihn kräftige Arme aus dem Sattel hoben. Diese Schlacht war für ihn geschlagen.

Anshag riss sich wütend den Bolzen aus dem Arm. Die Heckenschützen waren Aufgabe der Fernkämpfer und in der Tat fiel der erste Heckenschütze gerade von seiner Position zu Boden. Als die Plänkler aus den Türen brachen, stemmte sich Anshag zusammen mit seinen Leuten dagegen. Wütend wurde Schlag um Schlag ausgeteilt und die Plänkler wurden immer weiter zurückgedrängt. Gerade hatte Anshag einem seiner Gegner den Arm abgetrennt, als ein Drachengardist direkt vor ihm auftauchte. Mit aller Kraft riss er den Zweihänder über seinen Kopf, während der Drachengardist ihm in den ungeschützten Oberschenkel stach. Anshag biss die Zähne zusammen und blieb trotz der Schmerzen standhaft, als sein Zweihänder niederschlug und zunächst den Schild und dann den Schädel des Drachengardisten zu spalten. Von diesem blutigen Schauspiel eingeschüchtert wichen die letzten Plänkler vor dem blutüberströmten Anshag zurück. Anshag schien nicht zu spüren wenn er getroffen wurde und ließ schließlich sämtliche Bemühung Schläge abzuwehren fallen, nur um immer wieder mit dem Zweihänder auszuholen und blutige Ernte unter den Gegnern zu halten.

Wie beim ersten Ansturm vor dem Morgengrauen waren die Gernatsborner Soldaten an der Flanke stationiert und drängten gegnerische Kräfte in eine enge Seitengasse, links abzweigend vom Hauptweg. Nur zwei Mannen konnten nebeneinander in einer Reihe stehen, doch die dahinter positionierten waren in der Lage mit den Glefen von hinten auf die Feinde zuzustechen. Doch nicht frontal warteten die Drachengardisten, nein feige hatten sie sich in den desolaten Häusern versteckt und stachen ihrerseits mit Stangenwaffen aus den Fenstern der rechten Häuserzeile auf die Anrückenden ein. Doch nachdem ein Bolzen Storkos einen der Feinde fatal im Gesicht getroffen und der Weibel einen anderen aufgrund des fehlenden Schildschutzes ernst verletzt hatte, war nur noch ein Drachengardist übrig der die Soldaten aus einem erhöhtem Erdgeschossfenster in Schach hielt. Storkos Spießträger versuchten immer wieder den gut gerüsteten Gegner nach oben hin zu treffen, doch entweder parierte dieser mit seiner Hellebarde oder lenkte die Hiebe der Glefen ab. Storko lud seine Fernwaffe nach, ein gezielter Schuss und dieser Feind würde in die Knie gehen wie der vorherige. Da machte es plötzlich ein klirrendes Geräusch, und vereinzelte Splitter aus Ton prasselten von oben hinab. Es schien so als hätte eine andere Person dem finsteren Gardisten einen Tonkrug über den Kopf geschlagen. Dieser wurde nicht davon verletzt, sein Eisenhelm schützte sein Haupt, doch war er überrascht und für wenige Sekunden unachtsam. Die Verteidigung der Hellebarde durchbrechend sausten annähernd zeitgleich drei eiserne Spitzen der Glefen in Richtung des Feindes und trafen ihn ernsthaft am Torso, worauf dieser zu Boden ging. „Wer ist da oben! Gib dich zu erkennen!“ rief Weibel Wehrheimer danach hinauf. Zögerlich kam ein junger Mann in zerlumpter Kleidung zum Vorschein. Mit zittriger Stimme sprach er „Herr, senkt eure Spieße, ich bin Varman Derpel und Braugeselle von Firunsfelde„ antwortete dieser. Leutnant von Gernatsborn, der mittlerweile seine Armbrust fertig geladen hatte, sprach zum Mann hinauf „Habt Dank für deine Unterstützung und den Mut dem Feind zu begegnen. Fürchte dich nicht, wir – die Streiter des Schlotzer Schutzbundes – sind hier um Firunsfelde von dem Übel zu befreien. Sag, wo haben sie sich verschanzt?“ Der Brauknecht antwortete: „In der Herberge haben sie sich eingerichtet, doch Herr, seid Vorsichtig, denn der Ritter Gernot von Gernatsbrunn“ – er zögerte kurz – „er ist besessen, von finsteren Mächten gestärkt.“ „Das wissen wir, und unter unseren Reihen befindet sich auch ein Geweihter der Rondra. Mit Hilfe der Donnernden werden wir diese Gefahr bannen. Geh hinein und verstecke dich bis der Feind besiegt ist ... oder nimm eine Waffe und schließe dich uns an. Verkünde, dass das Firunsfelde bald befreit sein wird, die Bewohner sollen sich wappnen und uns unterstützen.“ Varman nickte und verschwand im Dunkel des Hauses. Die Gasse war nun frei, kein Gegner derweil in Sicht. Von weiter rechts einer Häuserzeile am Hauptweg hörte man Kampfeslärm. Sollten sie sich wieder zurückziehen um die Hauptstreitmacht zu unterstützen damit man die lebende Mauer überwinden könnte – nein, besser man rücke hier in die Ortsmitte vor, um dem Feind in den Rücken zu fallen. Das würde ihr Ende sein. „Wir rücken in die Ortsmitte vor und fallen den Feinden in den Rücken.“ Befahl er dem Unteroffizier. „Vorrücken!“ gab dieser die Befehle weiter und reckte sein Schwert in die befohlene Richtung. Dumpfer Lärm der Kämpfe der weiteren Umgebung erfüllte die heiße Luft des Tages. Angespannt schwitzten sie unter den Rüstungen und Uniformen, während der kleine Gefechtshaufen langsam die weitere Gasse entlang schritt. Nach einigen Schritten machte der Weg eine Abzweigung. Kein Feind war zu erkennen, sie mögen wohl schon auf der anderen Seite des Ortes gewesen sein, und Storko deutete den rechten Weg einzuschlagen. Vorne war ein größeres Gebäude – wohl die Brauerei – und noch weiter dahinter ein offener Platz zu erkennen.

Sarogor, ein über zwei Schritt großer und fettleibiger Kriegsfürst, in schwarzem gestachelten Plattenharnisch und Helm, stapfte aus dem Haupthaus, der Herberge „Goldloch“, die direkt an die Brauerei angebaut war. Hier hatten er und seine Männer fast ein Jahr lang wie die Maden im Speck gelebt und die Firunsfelder regelrecht ausgepresst. Seinen Schild trug er auf den Rücken geschnallt, das Langschwert an der Seite und seinen Warunker Hammer kampfbereit mit beiden Händen. Sein Ritter des Yaq-Hai, Gernot von Gernatsbrunn, war gefallen, die Plänkler geschlagen, die Mauern aus Fleisch durchbrochen und die Anzahl seiner Drachengardisten schrumpfte von Minute zu Minute. Die Niederlage schien unausweichlich - zumindest bis er die vorher vorbereiteten Sperrfeuer entzünden ließ, die mit dem Alkohol aus der Brauerei brandbeschleunigt wurden. Mehrere Häuser und zwei quergestellte Heukarren fingen an lichterloh zu brennen, womit er es nur noch mit einer Front zu tun hatte. Die Angreifer die seinen Todesritter besiegt hatten, waren nur vorerst abgeschnitten und der schwarze Rauch nahm den „Befreiern“ zusätzlich die Sicht und brannte in den Augen. Sarogor wandte sich der sogenannten „Schwarzen Lanze“ zu, auf die er schon im Rondra 1032 BF, bei Gut Schattenholz getroffen war. Er scharte seine Warunkischen Gardisten um sich, hob seinen schweren Hammer und machte sich bereit zum Töten. Der Bastard aus dem Wutzenwald und seine Lanze befanden sich nach der zweiten bizarren Barrikade in einer unaufhörlichen Vorwärtsbewegung, als er von der anderen Seite des Platzes Flammen aufsteigen sah! Er blickte sich um. Anshag war noch nicht mit seinen letzten wenigen verbliebenen Streitern über die Fallgrube und die dahinter liegende Barrikade, an die der Unmensch die Gefangenen gebunden hatte. Traviahold konnte sich noch nicht mal sicher sein, dass Anshag überhaupt noch lebte. Auch Storko und seine Soldaten waren nicht hinter ihm und die Firnsjöner und Bregelsaumer waren von ihm abgeschnitten. Vor ihm bauten sich alle verbliebenen Drachengardisten auf und bildeten einen Schildwall. Ihr großer Anführer war in der zweiten Reihe mit seinem wuchtigen Hammer gut zu erkennen, der jetzt mutig hervor trat, wie ein Dämon aus den Niederhöllen! Der Schattenholzer Ritter Alten Schlages, hinter dem sein Banner im Rauch wehte, schritt lachend über das Schlachtfeld, als er endlich dem Firunsfelder Kriegsfürsten „Stachelwanst“ ansichtig wurde. Seine verbliebenen sieben Mann folgten ihrem Ritter, wenn es sein musste, auch in den Tod. Die beiden Reihen stürmten scheppernd ineinander, mit den Klingen und Schildern voran. Traviahold krachte so wild in einen Drachengardisten, dass letzterer über ihn hinweg flog und dabei sein Schild verlor. Sarogor holte zu einem gewaltigen Hieb aus und tötete einen Streiter der Schwarzen Lanze mit nur einem Schlag! Traviahold trat in die entstandene Lücke und stand nun Sarogor direkt gegenüber. Er hackte mit seinem Zweihänder „Hunger“ nach dem überschweren Gegner, der seine Schläge aber gekonnt parierte. Traviahold hatte Mühe dem Warunker Hammer auszuweichen, da ihn seine Rüstung stark behinderte, auch wenn er seit unzähligen Jahren gewohnt war diese im Kampf zu tragen. Er änderte seine Taktik und hielt einfach gegen, so dass er Sarogor immer wieder traf und dessen wuchtige Schläge zumindest größten Teils mit seinem brünierten Plattenharnisch abfing. Um die beiden herum tobte die Schlacht und Traviahold vermochte nicht mehr zu sagen, wo hinten und vorne war, so chaotisch war das Hauen und Stechen, und überall war dieser verdammte beißende Rauch, ganz davon abgesehen, dass die Sicht unter seinem Topfhelm eh eingeschränkt war. Der Schattenholzer wuchtete eine zweihändig geführte Finte in Richtung seines fetten Gegners, durchdrang dessen Verteidigung und schaffte es durch dessen ebenso schweren Panzer zu hacken, gefolgt von einem blutigen Sprühnebel. Aber gleich darauf kassierte der Ritter Alten Schlages einen scheppernden Hieb des Hammers, der ihn so hart traf, dass sich einige Platten seines schwarzen Panzers verschoben und ihn zusätzlich behinderten. Traviahold antwortete, indem sich „Hunger“ regelrecht in die Schulter des Kriegsfürsten fraß. Der Rauch wurde immer dichter! Die beiden Kontrahenten hörten die Kämpfe der anderen um sie herum nur noch. Die Sicht sank auf unter zwei Schritt. So sahen beide nicht wie Storko von Gernatsborn und dessen Soldaten mit nach vorne gereckten Glefen von der Flanke in enger Formation in den Nebel des Krieges marschierten und dort Tod und Verderben in die Reihe der überraschten Besatzer brachten. Gleichzeitig hatte es Anshag von Sturmfels geschafft, mit einem weiteren Streiter die Fallgrube zu überwinden und trat von hinten in den Rauch, wo sich ihm der Schildwaffenmeister der Drachengardisten allein entgegen stellte, der sich eigentlich gerade versuchte aus dem Gemetzel davon zu stehlen. Grimmig blickte er den zwei Hallingern entgegen. Er hatte schon mehr als zwei Gegner auf einmal besiegt. Den schwer verletzten Hallinger Adligen und seinen Streiter würde er noch „mitnehmen“, eh er von hier verschwand. Als plötzlich Yantur Zertel, der Alte Schreiber, der sich einen anderen Weg zum Ortszentrum gesucht hatte, mit gezogenem Langschwert humpelnd mit einem Bolzen im Bein neben Anshag trat um sich diesem im gleich folgenden Kampf anzuschließen. Während dessen irrte noch eine weitere schwer verletzte und blutende Gestalt von allen unbemerkt, durch den Rauch und näherte sich hasserfüllt dem Zentrum der Schlacht mit schlagbereitem Kurzschwert.

Die Streiter um Sieghelm und Gilborn kämpften derweil mit den Bränden. Doch das sollte nicht die letzte Gemeinheit sein, die der Feind vorbereitet hatte. Während die meisten Kämpfer noch versuchten, der Brände Herr zu werden, fing plötzlich ein weiteres Haus Feuer. Sie hatten es eigentlich schon hinter sich gelassen. Doch der Feind hatte den Keller mit trockenem Stroh gefüllt und auch unter dem Dach hatten sie in Lampenöl getränkte Ballen platziert. So zwischen zwei Feuern eingekeilt, platzte plötzlich ein Drachengardist, der sich bisher versteckt gehalten hatte. Wie von Sinnen hieb er mit einem Zweihänder um sich und machte es den Befreiern schwer, den anderen zur Hilfe zu eilen.

Anshag war mehr als nur erschöpft. Er blutete aus mehreren Wunden und Schweiß und Rauch bissen in seinen Augen. Die Fallgrube hatte er unter größten Anstrengungen überwunden. Auf der anderen Seite verharrte er einige Augenblicke. Der Rauch nahm ihm fast gänzlich die Sicht und er bemerkte die Gestalt des einzelnen Drachengardisten erst sehr spät, als dieser fast schon in Kampfreichweite gekommen war. Er registrierte Bewegungen links und rechts neben sich und zu seiner Erleichterung war es seine Streiterin Yaline und Traviaholds Schreiber. Gemeinsam würden sie auch gegen diesen Feind bestehen können. Anshag zog seinen Morgenstern und sein Schild vom Rücken. Seinen Zweihänder hatte er vor der Fallgrube im Leib eines Drachengardisten zurückgelassen und war bereit sich dem Feind zu stellen, als dieser vorsprang, um Anshag mit einem Schildstoß in die Grube zu stoßen. Mit aller verbliebenen Kraft stemmte sich Anshag dagegen und gewann wenige Halbfinger vor der Grube wieder festen Stand. Yaline nutzte diesen scheinbar unachtsamen Moment um einen Schlag gegen den Drachengardisten zu führen, welchen dieser allerdings mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Kraft mit dem Schild parierte. Anshag machte einige schnelle Schritte nach vorne und trat wuchtig gegen den Schild des Angreifers, um diesen zu Fall zu bringen, was den Gegner aber nicht umwarf. Immer wieder stießen die Kontrahenten gegeneinander und tauchten kräftige Hiebe aus, welche von dem Schildwaffenmeister aber immer pariert wurden, bis Yaline einen Ausfall startete, welcher die gesamte Aufmerksamkeit des Gardisten forderte. Gleichzeitig griff Yantur Zertel von der Seite an und bedrängte den Feind so noch mehr. Anshag nutzte die kurze Überlegenheit, da sich Yantur kaum noch auf den Beinen halten konnte. Mit tödlicher Präzision schwang er seinen Morgenstern und traf den Gardisten genau am Helm, woraufhin dieser zu Boden ging. Mit einem schnellen Tritt war er entwaffnet und Yaline stellte seinen Fuß auf den Schild, sodass der Drachengardist nunmehr hilflos am Boden lag. Zorn lag in Anshags Blick, als er den Morgenstern wegsteckte und dafür sein Schwert zog. Der Drachengardist sah beinahe stoisch zu Anshag hinauf und begann mit lauten Worten seine finstere Herrin zu preisen, bis ein Schwertstich Anshags, der die Brustplatte durchdrang und tief in die Brust des Frevlers eindrang, diesem ein Ende machte und den Drachengardisten leblos zusammensinken ließ. Anshag sah sich um, doch konnte er wegen dem Rauch kaum noch was sehen. Weiter vorn war immer noch Schlachtlärm und Schreie zu hören. Als er sich in Bewegung setzen wollte, wurden seine Beine schwach und versagten ihrem Herrn den Dienst, sodass sich Anshag gestützt von der ebenfalls stark blutenden Yaline langsam einen Weg durch das Schlachtfeld bahnte, um herauszufinden wer noch lebte und wie der Kampf stand. Der Schreiber der Schwarzen Lanze blieb erschöpft zurück und wandte sich zu den wenigen noch Lebenden die immer noch verzweifelt versuchten sich zu befreien.

Nachdem Storko einen Bolzen seiner Armbrust abgeschossen hatte und seine Soldaten von der Flanke auf den Feind prallen ließ, kämpfte er mit seinem Anderthalbhänder aus zweiter Reihe gegen die wenigen verbliebenen Drachengardisten, auch da der dunkle Rauch und das allgemeine Schlachtgetümmel von weiter hinten kaum einen Feind von einem Freund zu unterscheiden ließ. Weiter hinten konnte man streitende Waffenknechte der Schwarzen Lanze im Nebel des Krieges erhaschen – der Feind war eingeschlossen. „Vorwärts Männer, vorwärts, diese Schlacht gehört uns!“ spornte der Unteroffizier die Gernatsborner Soldaten an, seine Stimme wurde aber fast gänzlich vom Klirren der Waffen und dem Wehklagen der Verletzten übertönt. Die Drachengardisten hatten tatsächlich nicht den Flankenangriff erwartet und waren nun in einer Situation in der es für sie kein Entrinnen gab – umringt von Feinden. Mit eiserner Verbissenheit kämpften die verfluchten Söldlinge bis zum letzten Atemzug und versuchten die Spießträger in Schach zu halten – doch es war nur eine Frage der Zeit bis sie alle fallen würden. Storkos Soldaten kämpften wie gewohnt in enger Formation und ließen nur selten den Feind näher heran kommen, gelegentlich gelang es einem und konnte einen verletzenden Hieb landen, doch nur um alsbald wieder weiter in den Rauch zurückgedrängt oder aufgespießt zu werden. Auch der Offizier aus zweiter Reihe konnte eine Handvoll verletzender Hiebe an den Feinden landen die nahe an den Schlachthaufen heran kamen. Er selbst war unverletzt – prallten zwei Schwertschläge allein an seiner Plattenrüstung ab – doch mit Blutspritzern des Feindes übersät. Es roch nach Verbranntem, Blut und Schweiß - es war ein Gemetzel, denn Gefangene sollten keine gemacht werden. Die Warunkischen Gardisten hatten als sie unter dem Bösen ihren Dienst antraten ihre Seelen verwirkt. Es gab für sie keinen Platz mehr in Borons Hallen – nein – die Dämonen der Niederhöllen geiferten schon ihre Seelen in die Mühle zu werfen. Reto stand mit Sicherheit nicht der Sinn danach, hier sein Leben zu lassen. Er hatte sich seinen Platz in der Garde nicht erkämpft und all die Erniedrigungen erlitten, um hier und heute für immer zu fallen. Als sich immer mehr offenbart hatte, wer als Sieger vom Schlachtfeld gehen würde, hatte er sich in eines der Häuser zurückgezogen. Er beobachtete die Lage und wartete nur auf eine gute Gelegenheit…

Traviahold nahm im Augenwinkel weitere Kampfteilnehmer, die in einer Reihe mitten unter die Feinde fuhren. Storkos Soldaten würden den Ausgang der Schlacht zu ihren Gunsten wenden. Sein Freund war zur rechten Zeit am rechten Ort. Die Geräuschkulisse wurde immer infernalischer – jeder kämpfte jetzt um das blanke Überleben! Traviahold schwang seinen Zweihänder seitlich auf die rechte Flanke seines fetten Gegenüber. Dieser jedoch veränderte den Griff seines Hammers und parierte den Schlag, der den Stil der Zweihändigen Hiebwaffe fast durchtrennte. Sarogor riss den metallenen Knauf des Hammers hoch und schlug Traviahold so hart damit gegen dessen Topfhelm, dass dieser halb verrutschte und den Kopf zur Seite riss. Dann trat Stachelwanst mit einem kräftigen Tritt gegen den brünierten Plattenharnisch des Ritters und warf diesen nach hinten um, so dass Traviahold scheppernd auf dem Boden aufschlug. Stachelwanst wuchtete seinen Warunkischen Kriegshammer hoch, um den gefallenen Ritter wie brüchigen Stahl zwischen Hammer und Amboss mit einem letzten Schlag zu zerschmettern, als plötzlich von hinten die rasende Schwarze Knappin mit einem gewaltigen Satz, mit dem Kurzschwert voran, auf dessen Rücken sprang und Sarogor ihre Waffe in den Nacken bohrte, so dass die Klinge vorne aus dessen Hals wieder austrat und ihren Ritter am Boden über und über mit Blut besudelte. Gleichzeitig riss der Schattenholzer sein Zweihandschwert hoch und rammte es Stachelwanst durch dessen Harnisch in den Panz! Der Schwung des Gegners und die verzweifelte Knappin auf dessen rücken reichten aus, dass der Zweihänder hinten am Rücken des Kriegsfürsten wieder austrat und dabei noch fast die Knappin selbst traf. In dieser Position, von vorne und hinten durchbohrt verharrte der schwere Körper des Anführers der Drachengardisten einige Augenblicke um dann endlich zur Seite weg zu kippen. Traviahold richtete sich auf, riss „Hunger“ aus dem Wanst des blutigen Etwas, und hackte dem Kriegsfürst den Kopf von den Schultern.

Die Schwarze Knappin versuchte sich mit aller Kraft aufrecht zu halten um nicht unwürdig zusammen zu brechen und kam ihrem Ritter einen Schritt aus dem finsteren Rauch entgegen und sah ihn wortlos an. Ihre schwarzen Haare klebten voller Blut an ihrem Kopf und ihre hellen und zugleich dunklen Augen blickten wie zwei Perlen aus dem blutigen Rot hervor, während sich auf ihren Lippen ganz langsam ein triumphierendes Lächeln abzeichnete - er hatte noch nie etwas schöneres gesehen. Dieser Moment brannte sich in sein Gedächtnis. Seine Knappin hatte ihn gerettet. Kurz darauf trat Argwulf Eisenhagel, Traviaholds Waffenknecht, aus dem Rauch und erblickte die Szenerie, wobei er den auf dem abgehackten Kopf des Kriegsfürsten und dem Sack seines Ritters, den dieser während des Kampfes verloren hatte, verharrte. Der Schattenholzer nickte ihm zu, worauf sein verschlagener Waffenknecht den Kopf schnell in den Sack packte und mit diesem wieder in den Rauch verschwand. Niemand würde seinen Kopf auf dem Schlachtfeld wiederfinden, nur den toten fetten Rest. Traviahold packte seine Knappin und drückte sie fest an sich, nur um sicher zu gehen, dass sie wirklich noch lebte. „Deine Ausbildung ist vorbei...RITTERIN!“

Kurz darauf trafen auch der schwer verletzte Anshag und Storko und einige Augenblicke darauf auch Gilborn, Sieghelm und deren Gefolge bei Traviahold ein. Silvana hingegen war nirgends auszumachen. Sie hatten gesiegt und Firunsfelde befreit! Der Bregelsaumer trug seinen Schaller unter dem Arm und blickte sich interessiert auf dem Schlachtfeld um. Sein Wappenrock war vom Feuer angesengt worden. Auch die Beulen und Kratzer in seiner Rüstung, zeigten, dass der Kampf nicht ohne Blessuren an ihm vorbei gegangen war. Die Ritterin an seiner Seite hielt ihre Klinge noch immer in den Händen und schien auf weitere Anweisungen zu warten. „Wunnehilde, nimm Dir ein paar Männer und Frauen und fang an die Häuser zu überprüfen.“ Nach einem kurzen Nicken war die Ritterin auch schon im Rauch verschwunden. „Ehrgard!“ Die so gerufene Waffenmagd erschien schon kurz darauf neben ihm. „Ins Lager. Sorge dafür, dass alles bereit ist, die Leute mit Essen zu versorgen. Travia sei’s gedankt, der Ort ist befreit. Nach all Ihrem Leid, sollen sie sehen, dass Heim und Herd noch immer hochgehalten werden in diesen Landen. Und schau nach Gerdan und Ehrwürden.“ Beiden hatte die Schlacht über mitgespielt. Er betete inständig zu Peraine, dass sie ihnen eine gute Genesung schenken möge.

Anshag lächelte grimmig, als er Traviahold sah. Gestützt von seiner Waffenmagd wankte er auf die Gruppe zu. Blut lief ihm aus der Kopfwunde wieder ins Gesicht, sodass er ein Auge geschlossen hielt um zu verhindern, dass Blut dort hinein rann. Anshags blickte sich um. Der Kampf war geschlagen und sie waren siegreich gewesen, Firunsfelde war befreit von den tyrannischen Drachengardisten, von denen keiner überlebt hatte. Anshag griff an seinen Gürtel ins Leere. Timshal tauchte aus dem Rauch auf und reichte Anshag eine Feldflasche, welche Anshag gierig austrank, wobei die Hälfte des Wassers an seinem Kinn in den Gambeson lief. „Wir haben es geschafft!“ keuchte Anshag und lächelte. „Ich hoffe doch, dass Ihr nun etwas Frieden hier halten werdet, denn in nächster Zukunft werde ich mich wohl erst einmal erholen müssen, bevor ich wieder an einen Kampf denke.“ sagte Anshag mit schelmischen Grinsen in die Runde und richtete sich wieder ein Stück auf. „Timshal, sieh zu, dass du die Löscharbeiten organisierst. Hold dir jede helfende Hand die du kriegen kannst, damit die Feuer gelöscht werden und dieser elende Rauch bald verschwindet.“ Mit einem stummen Nicken zog der Halbelf sich wieder zurück. „Ach ja Traviahold, bevor ich es vergesse. Meinen Glückwunsch zu einem Mann wie Yantur. Ohne ihn, hätte ich diesen letzten Drachengardisten wohl nicht besiegt. Und nun entschuldigt mich bitte, ich muss mich hinsetzen und nach meinen Wunden sehen lassen, sonst blute ich hier noch aus wie Schlachtvieh.“ Langsam setzte sich Anshag eigenständig in Bewegung. Yaline blieb immer in seiner Nähe, um ihn notfalls aufzufangen, doch schaffte Anshag es bis zu den Heilern, welche nur den Kopf schüttelten als sie sahen aus wie vielen Schnitten Anshag blutete und unterstützt von Timshal anfingen sich um ihn zu kümmern. Bevor Anshag sich in Richtung der Heilerin aufmachte trat Storko von Gernatsborn an ihn heran. „Werter Herr von Sturmfels, es erfüllt mich mit großer Freude mit einem so leidenschaftlichen Ritter wie ihr es seid in der Schlacht gefochten zu haben. Ich danke euch, Schlotz dankt euch – eure Unterstützung in den Schlotzer Landen soll euer Schaden nicht gewesen sein. Wir werden euch beim Baron lobend erwähnen.“ Er reichte Anshag die Hand zum Kriegergruß bevor dieser zum Lazarett humpelte.

Langsam wurden die Feuer gelöscht und auch manch ein Bewohner von Firunsfelde erkannte die erfolgreiche Befreiung ihres Ortes und half tatkräftig mit. Die Strahlen der Mittagssonne durchdrangen den Dunst am Hauptplatz und offenbarten ein schreckliches Bild: blutüberströmte Leichen von Feinden, Verbündeten und Zivilisten, abgetrennte Gliedmaßen, verkohlte Leiber. Die Hitze verlieh allem einen besonderen Geruch von Blut, Schweiß und Verbranntem. Reto wusste, jetzt galt es zu handeln. Er musste an ein Pferd kommen, dann hätte er auch eine Chance. Er hatte sich alles ganz genau ausgemalt. Er zielte mit der Armbrust auf einen der Firunsfelder, die dabei halfen die Brände zu löschen. Sie standen dicht zusammen und ein Treffer würde genau für das sorgen, was er brauchte. Er hatte gut gezielt und der Bolzen traf ihn genau in dem Augenblick, als der Kerl den Eimer in Feuer entleeren wollte. Schon im Schwung tat der Bolzen sein übriges und der Bursche taumelte nach vorne ins Feuer. Die Auswirkungen seines Tuns interessierten ihn schon nicht mehr. Er eilte zur Hintertür, um über den kleinen Garten zu entkommen. Sie würden sich sicher erst einmal langsam nähern, mussten sie doch weitere Bolzen fürchten. Er kam auch gut voran. Die ganze Zeit in diesem Kaff, da kannte er die Wege und Möglichkeiten besser, als diese verdammten Befreier. Dennoch war er beinahe ebenso überrascht, wie die beiden Landwehrler, die einen toten Kameraden trugen. Er rannte mitten in sie hinein. Noch im Fallen zog Reto seinen Dolch und Hieb nach den beiden Gegnern. Der folgende Aufschrei zeigte, dass er getroffen hatte. Während er schon mit dem anderen in eine Rangelei verstrickt war, bei der der arme Bursche krampfhaft versucht seine Hand mit dem Dolch festzuhalten, kam der Schlag auf seinen Hinterkopf umso überraschender. „So nicht, Abschaum!“ Mit der Kraft der Verzweiflung Hieb ein Firunsfelder mit einem Eimer auf den Gardisten ein. So zwischen zwei Gegnern eingekeilt, löste sich Retos schöner Plan schnell in Rauch auf. Nach alldem was er überlebt hatte, wurden ihm einfache Bauern zum Verhängnis. Während die Gernatsborner Soldaten und Waffenknechte der Schwarzen Lanze die letzten sterbenden Feinde mit gezielten Stößen von ihren verfluchten Leben erlösten trat Storko an Traviahold heran. „Werter Freund, die Schlacht ist geschlagen, der Krieg um Schlotz gewonnen! Wir haben alle äußeren Feinde besiegt, den Rotpelz und den Kriegsfürst. Von nun an soll das Land gedeihen und wieder Ordnung einkehren, hier soll die Wildermark ihr Ende gefunden haben! Wir, die Landadligen haben das vollbracht – unter eigenen Mühen und eigenem Blute – obwohl es die Praiosgewollte Ordnung verlangt, dass diese Pflicht dem Lehnsherrn zukommt. Der Baron wird dafür bezahlen müssen!“ Storko legte seine Hand hinauf auf die Schulter des Waffenbruders, als Geste des Zusammenhalts und Respekts.

Nun traten sie auch an die Anführer des zweiten Angriffshaufens heran. „Euer Hochgeboren von Bregelsaum, Sieghelm von Firnsjön, eine Freude euch wohlauf zu sehen. Ohne eure Unterstützung und die Vernichtung des dreizehnmal-verfluchten Ritters wäre es unmöglich gewesen Firunsfelde zu nehmen. Aber wo ist denn seine Ehrwürden?“ Es blieb bei Gilborn zu antworten, während Sieghelm vor sich hin zu brüten schien. „Der Dank gebührt vor allem seiner Ehrwürden. Dank seinem Opfermut und mit Hilfe der Sturmherrin konnte er den Sieg erringen. Der Kampf forderte alles von ihm, so dass er schwer verletzt danieder liegt. Wir können nur hoffen und zu den Göttern beten. Allein er ist ein Kämpfer und ich hoffe das Beste.“

Auch Traviahold sandte seine Kämpfer aus, nachdem er Storko für dessen Flankenangriff gedankt hatte, damit diese sich den Löscharbeiten anschlossen. Die Befreiung wäre wenig wert, wenn Firunsfelde jetzt niederbrennen würde. Die Einwohner des geschundenen Ortes kamen hervor, dankten den Rittern und Adligen, und schlossen sich auch direkt an, um zusammen mit dem Bund des Alten Schlages die Feuer zu bekämpfen. Unter ihnen war auch Varman Derpel, der Brauknecht von Firunsfelde. Mit gemeinsamen Kräften waren die Flammen schnell unter Kontrolle. Die beiden brennenden Wagen wurden von den Häusern weggezogen, wo sie in Ruhe niederbrennen konnten. Die Trossheilerin aus Wutzenbach kümmerte sich auch um die Überlebenden, die an die Barrikaden gebunden wurden. Eine Handvoll weiterer fähiger Frauen und Männer aus dem Ort spannte die erfahrene Heilerin sogleich ein, um ihr zu helfen und gab entsprechende Anweisungen. Auch manch einer aus den Aufgeboten der Befreier, tat was er konnte, um das Leid zu lindern. Traviahold dankte der Heilerin für ihren unermüdlichen Einsatz, und versicherte ihr, dass sie angemessen entlohnt werden würde für ihre Dienste. Die Frau sah daraufhin verlegen zu Boden, da sie damit nicht gerechnet hatte. Vielmehr sah sie es als ihre Pflicht, da das nahe Gut Schattenholz den Wutzenbachern schon oft zuvor Schutz geboten hatte. Grordan Graustein, der das jetzt noch mehr in Mitleidenschaft gezogene Banner von Schattenholz immer noch in Händen hielt, rammte die verrußte Standarte in den Boden und sorgte dafür, dass die Streitrösser in den Ort gebracht wurden, die sie zuvor in den Hügeln zurück gelassen hatten. Waffenknecht Argwulf Eisenhagel durchkämmte zusammen mit dem Elf Timshal Silberhaar die Umgebung um eventuelle geflüchteten Gegner anhand ihrer Spuren zu verfolgen und zu stellen. Die restlichen Männer der Schwarzen Lanze machten sich daran die gefallenen Feinde auf einen Haufen zu schleppen. Das begraben von Toten wurde in der Region schon seit der Invasion des Bethaniers kaum mehr praktiziert. Zu groß war die Gefahr, dass diese durch die Macht vereinzelter Nekromanten oder mächtigen Untoten wie dem Finstermann, wieder auferstehen würden. So blieb nur die Feuerbestattung. Aber die Schattenholzer warteten noch damit, nur für den Fall, dass einer der Adligen eine andere Anweisung gab. Stattdessen machten sie sich eher unauffällig daran die Toten Feinde zu plündern. Das zusammen tragen der Leichen war im Grunde nur ein Vorwand für genau das. Die schwarzen Plattenharnische, die nicht gerade mit Symbolen des Todes verunziert waren, wurden auf den Rössern verstaut, wo sich schon die Waffen der besiegten „Geierkinder“ befanden. Zusätzlich nahm sich jeder Schattenholzer noch ein Langschwert als Zweitwaffe von den Drachengardisten. Die Stangenwaffen wurden Storkos Söldnern der Wehrheimer Waldlöwen überlassen. Kurz darauf stellte alle fest, dass es noch mehr Waffen im Ort gab, die in einer Scheune gehortet wurden. So viel, dass man mühelos ein ganzes Banner damit hätte ausstatten können. Die Drachengardisten die zuvor schon vor Waffen starrten, hatten wohl über den Zeitraum eines Jahres hinweg noch mehr Mordinstrumente erbeutet, darunter auch die komplette Bewaffnung der Lanze von Gernot von Gernatsbrunn zusammen mit einem halben Dutzend weiterer Streitrösser. Die Kriegsbeute hier war nicht zu vergleichen mit der eher dürftigen Ausstattung von Chraaz' Goblins. Immerhin etwas.

Gilborn von Bregelsaum gehörte zu denen, die sich die gefallenen Feinde ein letztes Mal ansahen. Zusammen mit Praiosmin von Siebenstein blickte er auf die Leichen der Drachengardisten und anderen Gefallenen. Praiosmin, die noch immer etwas wackelig auf den Beinen war, hatte es sich nicht nehmen lassen, Firunsfelde und die Überreste der Schlacht mit den eigenen Augen zu sehen. Das Gift war, Peraine sei’s gedankt, nicht tödlich und schien auch keine schlimmeren Nachwirkungen zu haben. Mit einem letzten Kopfschütteln drehte sich der Baronet um und machte sich daran die anderen aufzusuchen. „Ich werde nach Hallingen schicken und meinen Vater bitten, unseren Hofkaplan zu schicken.“ Er drehte sich noch einmal nach den Toten um, dabei fiel sein Blick auf den kopflosen Anführer der Feinde. „Als Diener des Götterfürsten werden seine Dienste hier in vielen Belangen benötigt.“ Silvana war von ihrem Vater direkt nach dem Sieg zum Lager geschickt worden. Es war alles für den schnellen Aufbruch vorbereitet worden. Sie würden mit den Pferden schnellstens zum Baron reiten, während die übrigen zu Fuß nach Firnsjön ziehen würden. Sie führte ihres und das Ross ihres Vaters am Zügel in den Ort, wo sie sich neben ihren Vater stellte und den übrigen kurz zu nickte. Einzig Traviahold war hiervon ausgenommen.

Storko schaute sich zusammen mit dem Wehrheimer im Haupthaus des gefallenen Kriegsfürsten um, wobei sehr auf Fallen geachtet wurde, man konnte ja nie wissen. Die Gemächer von Sarogor waren nur schwer zu übersehen, genau wie eine größere Truhe neben dessen Schlafstädte. Der Wehrheimer benötigte nur ein paar Schwerthiebe, um die schwere Truhe zu öffnen. Und was dort zu Vorschein kam, ließ Storko den Atem stocken. Viele hundert Dukaten und Silbertaler blinkten ihnen entgegen, welche die Warunker Gardisten wohl seit dem Jahr des Feuers zusammen geraubt hatten. Ein oben aufliegendes Schriftstück, das zu einer Schriftrolle zusammen gerollt war, wurde eher nebensächlich von ihm aufgerollt und kurz überflogen. Was er dort las konnte er kaum fassen:

An Tharkuul von Warunk, Weibel der Drachengarde

Da ihr euren letzten Auftrag zufriedenstellend ausgeführt habt, ohne Spuren zu hinterlassen, sei euch hiermit schon mal Gedankt. Bevor ihr aber die abgemachte Entlohnung erhaltet hätte ich noch einen weiteren Auftrag für euch und eure kampferfahrenen Männer: Beseitigt meinen Bastardsohn Traviahold aus dem Wutzenwald und dessen sogenannte Schwarze Lanze. Als Belohnung für eure vorherigen Dienste und diesen Letzten, erhaltet ihr dessen Gut Schattenholz und die dazugehörigen Ländereien. Ihr werdet einen neuen Namen annehmen müssen und dann von mir in den Stand eines rechtmäßigen Junkers erhoben. Die Umstände der Mark, euer neuer Name und mein Wohlwollen werden eure alten Missetaten verschleiern. Niemand wird mehr wissen, dass ihr einst im Dienste des Todesdrachen Rhazzazor standet. Mehr noch ihr werdet fortan ein Niederadliger sein, mit allen damit einhergehenden Rechten und Privilegien! Sobald ich vom Tod meines Sohnes erfahre, werde ich Kontakt zu euch aufnehmen. Vernichtet dieses Schreiben nach Erhalt.

Gez. 3. Rahja 1031 BF

Baron Tsafried von Schnayttach-Binsböckel zu Schlotz“

Storko las das Schreiben nochmals und betrachtete unten rechts das Wachssiegel des Barons von Schlotz. Er kannte das Siegel und die Handschrift des Barons gut – das hier war keine Fälschung! Fassungslos stand er auf um seine nächsten Schritte zu überdenken. Dann erinnerte er sich an den Boten der den Schlotzer Schutzbund kurz vor der Schlacht erreichte, nachdem er selbst dem Baron einen Tag zuvor geschrieben hatte, dass sie vor Firunsfelde standen. Er erinnerte sich an die angedeuteten Anschuldigungen in Bezug auf Traviahold und daran, dass der Baron die ihm treuen Firnsjöner sofort abziehen wollte. Die Schlacht hatte schon so auf Messers Schneide gestanden. Und jetzt verstand er auch die andauernde Abwesenheit des Barons während ihres Kriegszuges. Große Verwunderung stieg in ihm auf! Konnte es sein, dass während sie gegen die äußeren Feinde der Schlotzer Lande gekämpft hatten der größte Kriegsfürst mitten in Schlotz seine sinisteren Pläne schmiedete. Es ergab fast keinen Sinn. Warum sollte Tsafried seinen Bastardsohn - dem er, so wie man allgemein wusste, erst vor wenigen Jahren Schattenholz als Lehen als Bollwerk gegen die Bedrohungen von Süden und Osten gegeben hatte – umbringen wollen. Hatte der Herr von Schlotz Angst bekommen seine Titel vom kampfstarken und ambitionierten Ritter Traviahold geraubt zu bekommen, auch wenn dieser als Sohn nicht offiziell anerkannt war und von dieser familiären Verbindung keiner wusste. Storko dachte nach, ob er eigentlich von weiteren Kindern des Barons gehört hatte – doch fiel ihm nicht ein, dass jemals von einer Tochter oder einem Sohn die Rede war. Nun, tatsächlich war es ja der Plan Traviaholds und Storkos den Baron zu ‚stürzen’, da dieser in ihren Augen schwach und feige war und gewiss in diesen schweren Zeiten kein guter Herrscher. Doch man hatte ihn unterschätzt. Mit den finsteren Warunker Gardisten gemeinsame Sache zu machen und dem Anführer gar ein Lehen anzubieten war fast nicht zu glauben – war Tsafried doch allgemein als umsichtiger und reichstreuer Adelsmann bekannt, der unter der Regierung Hals für heldenhafte Taten zum Baron ernannt wurde. Er musste sich wirklich in die Ecke gedrängt fühlen und anderen Einflusses beraubt, sodass er sich zu diesen Schritten herabließ. Diese Tat war eben gerade ein Beleg dafür, dass Tsafried nicht mehr länger am Schlotzer Freiherrenthron Platz nehmen dürfte: nun musste er gestürzt werden, die Niederadligen mussten von seinen Vergehen erfahren – er hatte mit dem Feind kooperiert, mit Soldaten aus den Schwarzen Landen, und somit seine Seele an das Böse verkauft. „Was sollen wir mit den Schätzen tun, Herr Leutnant?“ fragte der Weibel und riss Storko kurz aus den Gedanken. Dieser verstaute den Brief sicher in einer Tasche und antwortete darauf „lass es raustragen, wir werden die Wertsachen unter den Befreiern aufteilen.“ Während der Wehrheimer nach zwei Gernatsborner Soldaten befahl welche die schwere Truhe und weitere Wertsachen aus dem Lager des gefallenen Kriegsfürsten tragen sollten, dachte Storko nach wie er nun reagieren würde. Sollte er seinen heiklen Fund vor allen versammelten Adligen offenbaren? Die Würde des Barons wäre angeschlagen, doch würden möglicherweise manche die Botschaft nicht als echt anerkennen, Gilborn vielleicht eine offizielle Anklage in einem Adelsgericht vorschlagen, Traviahold bestimmt zu unüberlegten Aktionen neigen und – das wäre das Schlimmste – Tsafried würde bestimmt von ihrem Wissen Nachricht bekommen und nötige Vorkehrungen treffen können. Nein, besser Storko würde derweil alles für sich behalten, im Moment war noch Schweigen Gold und Reden Silber. Besser der Schlotzer Baron glaubte sich noch im Vorteil und in einer Sicherheit, doch in Wahrheit wusste Storko von seinem Komplott. Tsafried wusste zwar bald, dass sie in Firunsfelde gesiegt hatten, doch nicht von ihrem Wissensstand bezüglich seines Ränkeschmiedens. Wenn sich der Schlotzer Schutzbund nun im Anschluss auf die Burg Schlotz aufmachen würde um von der erfolgreichen Befreiung der Lande zu berichten und der Baron sie gesammelt in seinen Saal in der Burg einlassen würde, ja dann könnte Storko mitsamt dem Brief als Beweis vor den Augen der Versammelten den Herrn von Schlotz als Verräter bloßstellen. Denn nicht nur, dass er keinen Finger zur Befriedung von Schlotz gerührt hatte, nein er hatte die Landadligen in ihrem Kampf durch Unterstützung der Besatzer in höchsten Maße betrogen. Keiner würde ihm mehr die Treue schwören.

Nach nicht einmal einer halben Stunde kehrte Anshag zurück. Er wirkte fast schon ein wenig deplatziert, wie er in Lederhose und einfachem Leinenhemd durch das nun besetzte Firunsfelde ging. Einzig sein Schwert und sein Körperbau erinnerte daran, dass man es mit einem Kämpfer zu tun hatte. Mit müden Augen ging er auf die Gruppe zu, zu welcher sich die Adligen versammelt hatten. „Es ist schön einen jeden wohlauf zu sehen. Verzeiht mir wenn ich direkt zu Belanglosigkeiten schweife, doch wurde Beute gemacht? Und wenn ja, wie wird sie aufgeteilt? Versteht das bitte nicht falsch, doch ich habe auch Verluste gemacht und werde Dinge ersetzen müssen. Natürlich sollten wir beachten, dass wir genug zurücklassen um einen Wiederaufbau zu bezahlen, nicht wahr?!?“ Anshag blickte Traviahold an und schien gerade von ihm eine Antwort zu erwarten, wobei sein Gesicht ein freundschaftliches Lächeln zeigte.

„Gut, dass Ihr das ansprecht, Wohlgeboren.“ Gilborn kehrte gerade mit Praiosmin von den Leichen zurück. „Ich habe schon von dem kleinen Arsenal gehört und auch die toten Feinde hatten einiges an Ausrüstung und Waffen. Wie ich eben sehen konnte, scheinen sich einige daran schon bedient zu haben. Wunnehilde berichtete auch von dem, was einst zur Lanze des hohen Herrn von Gernatsbrunn gehörte. Wir sollten es damit wie mit allem anderen halten, was eindeutig zuzuordnen ist. Es geht zurück an seine Eigentümer. Was dann bleibt wird aufgeteilt, wie es seit alters her gute Sitte ist. Gerecht unter den Aufgeboten und den Kirchen, was ihnen gebührt.“ Er stellte sich neben den Vasallen seines Vaters und nickte ihm freundlich zu. „Seine Wohlgeboren sprach aber auch etwas anderes an. Dieser Ort litt und wie ich hörte, ist hier so mancher, der von seiner eigentlichen Heimat geraubt wurde. Lasst uns Traviagefällig handeln, wie es sich für darpatische Ritter geziemt. Geben wir ihnen den Dritten Teil dessen, was wir hier finden. Seien es Waffen oder Gelder die dieser Abschaum gehortet haben mag.“

Traviahold trug seinen schweren Drachenflügelhelm, aufgrund der Praiossonne, die ihm schwer schadete, noch immer. Ihm war klar, dass das etwas befremdlich wenn nicht sogar bedrohlich auf einige wirkte, ganz so, als sei der Kampf noch nicht vorbei. Gleichzeitig verbarg der Helm aber auch seine Gesichtszüge, die ihm gerade entgleisten, als er vernahm, was Gilborn von Bregelsaum gerade eben von sich gegeben hatte! Auch hatte er sehr wohl bemerkt, dass Silvana allen außer ihm zugenickt hatte. Der Schattenholzer wusste dass nicht nur seine Klinge, sondern auch seine Worte Wunden schlugen. Und so sagte er erst mal nichts. In seinen Augen hatten die Bewohner etwas bekommen, was Unbezahlbar war – ihre Freiheit. Und hoffentlich würde der Baron sie in Zukunft besser schützen, damit sie diese auch behalten. Was die Kirchen anging, so hatte er nur die Rondrakirche in Form von Deggen auf ihrem Kriegszug gesehen. Und Waffen gehörten in die Hände derer, die damit umzugehen wissen. Traviahold legte Anshag die Hand auf die Schulter so als wolle er etwas sagen, ließ es aber dann doch. Traviahold schätzte den Sturmfelser sehr. Dann blickte er sich nach Storko um.

Just kam auch schon der Gernatsborner Offizier aus der Richtung der ehemaligen Herberge des Dorfes gefolgt von Weibel, und dahinter zwei seiner Soldaten eine schwere Truhe tragend. Mittlerweile war seine Plattenrüstung notdürftig von Blut und Dreck gereinigt worden sodass sie wieder in den Strahlend der Praiossonne glänzte und er hielt seinen Schaller unter dem Arm. Storko – der sich nichts von seinem Fund anmerken ließ – sprach in die Runde, da er wohl das Gespräch über die Beuteaufteilung gehört haben musste: „Euer Wort in Travias Ohr, Euer Hochgeboren! Abgesehen von den Waffen und Rüstungen der Besatzer habe ich auch die Schätze des Kriegsfürsten gefunden, eine beträchtliche Zahl an geraubtem Gold, Silber und Geschmeide. Ich will euch nicht widersprechen, es ist nur gerecht einen dritten Teil an jene zu geben die am meisten gelitten haben. Wollen wir eben jenen Teil der Wertsachen dem Ortsvorstand zum Wiederaufbau des Dorfes geben. Ich stimme auch euch zu Waffen, Rüstungen und Rösser, sofern sie einem Besitzer zuzuordnen sind diesem zurückzuerstatten. Den Firunsfeldern würde ich aber in Sachen Waffen nur jene ihrem Stande entsprechend überlassen, es ist gewiss gut wenn das Volk in den Schwierigen Zeiten in denen wir uns befinden auch gerüstet ist, so meine ich Bögen, Streitäxte, Schlägel, kleine Klingenwaffen und einfache Lederwämser. All das was davon übrig bleibt würde ich vorschlagen auf alle Mitwirkenden dieses Kriegszuges für ihren Aufwand und die Bedrohung die von den Feinden ausging aufzuteilen. Da wären Ritter Traviahold, Ritter Anshag, die Firnsjöner, die Zwölfengrunder, Ritterin Praiosmin, Eure Hochgeboren und meine Wenigkeit. Ein weiterer Teil gehört der Kirche der Sturmherrin als Opfer, denn ohne den heldenhaften Einsatz von Ehrwürden hätten wir den Ort nie genommen und einen Teil würde ich auch dem geschändeten Firunschrein des Dorfes zum Wiederaufbau spenden, auf dass er alsbald wieder eingeweiht werden kann. Das ergibt neun Teile abzüglich des einen Drittels davor, macht als Anteil eines jeden zwei Siebenundzwanzigstel vom Gesamten.“ Storko schmunzelte, da er wohl annahm, dass manch einer in der Runde in der Arithmetik wohl nicht so bewandert war. „Gerne stelle ich mich zur Verfügung die Gelder und Wertsachen ordnungsgemäß aufzuteilen, habe ich doch Sold und Beute als Wirtschaftsoffizier bei den W... äh in der Reichsarmee verwaltet und aufgeteilt.“ Während man in den Gesichtern mancher Anwesenden sah, dass sie Storkos Rechnung versuchten zu überprüfen fuhr er gleich fort. „Nun als abschließende Handlung unseres Kriegszuges des Schlotzer Schutzbundes würde ich vorschlagen alsbald nach Schlotz aufzubrechen um dem Herren der Schlotzer Lande die Rösser und Ausrüstung seiner verlorenen Lanze wiederzubringen und ihm von Angesicht zu Angesicht von unseren Taten und der Befreiung und Befreiung seines Landes zu berichten. Auch würde ich euch besonders bitten, eure Hochgeboren Gilborn von Bregelsaum, uns zu Burg Schlotz zu begleiten. Sofern ihr nach Hallingen zurückkehrt so ist der Wutzenwalder Weg und dann der Hallinger Weg von Schlotz nach Westen ein guter Pfad und der Baron zeigte sich sicherlich erfreut und freundschaftlich wenn ihr ihm von eurer Beteiligung an der Befreiung seiner Lande persönlich berichten würdet. Auch schätzen wir eure Anwesenheit und Gesellschaft sehr, und ich denke ich werde erst in Schlotz zur nötigen Ruhe kommen unsere Beute zur Gänze und korrekt aufzuteilen.“

Traviahold rückte sich einen Teil seiner Panzerung und den Schultergurt seines Zweihänders zurecht, während er versuchte sich zwei Siebenundzwanzigstel vorzustellen. „Gut, ich stimme seinen Wohlgeboren Storko von Gernatsborn zu, auf dass wir dem Baron die Nachricht unseres hart erkämpften Sieges selbst überbringen können. Dort werde ich die Schwarze Knappin dann auch zur Ritterin schlagen, denn das hat sie sich ohne jeden Zweifel verdient, jetzt, wo zudem die langen Jahre ihrer Knappenschaft vorüber sind. Ohne ihr Eingreifen hätte ich den Kriegsfürsten Sarogor sicherlich nicht bezwingen können. Ihre Klinge hat maßgeblich zu seinem Tod beigetragen.“ Die Schwarze Knappin sah auf, und nahm direkt Haltung an, als sie das hörte. „Auch sollten wir beim Baron die Zwölfengrunder angemessen erwähnen, in Anbetracht ihrer vielen Opfer, die sie bei Siebeneichen gegen den Goblin-Kriegsfürsten Chraaz erleiden.“ Dann wandte sich der große Ritter direkt an Gilborn Hal von Bregelsaum. „Euer Hochgeboren, ich danke euch für eure Hilfe und euren persönlichen Einsatz am Ende unseres Kriegszuges zur Befreiung der Baronie Schlotz, genauso wie Wohlgeboren Anshag von Sturmfels, der uns schon von Anfang an begleitet und dessen Schwertarm uns sehr gute Dienste geleistet hat. Seid versichert Euer Hochgeboren, wenn Hallingen oder das Haus Bregelsaum einst Bedarf an mir oder meinen Schlachtreitern haben sollte, werde ich mich für euren Dienst an der Baronie Schlotz revanchieren, sofern es in meiner Macht steht.“

Anshag wirkte ein wenig überfordert als Storko ihnen vorrechnete, was wie aufgeteilt werden sollte. Schon ziemlich zu Beginn der Aufzählung hatte der Gernatsborner Anshag abgehängt. Hesindesanctus, wer soll denn da noch mitkommen dachte Anshag bei sich, nickte allerdings am Ende von Storkos Aufzählung. “Das klingt doch gut, so kriegt jeder seinen Teil und die Firunsfelder gehen auch nicht leer aus.“ In diesem Moment kam Rauert auf ihn zu, der sich bis gerade die Schäden und Beutestücke in Firunsfelde ansah. Er trug einen Zweihänder, den er an Anshag weitergab. „Das scheint Ihr auf dem Schlachtfeld verloren zu haben, Wohlgeboren.“ Anshag klopfte Rauert dankbar auf die Schulter und nahm den Zweihänder entgegen. „Danke Rauert, das wäre wirklich schade gewesen, das gute Stück zu verlieren.“ sagte Anshag während er Dreck und Blut von der Fehlschärfe wischte und sein Wappen darunter als Ätzung zum Vorschein kam. „Ich würde ich Euch natürlich auch noch nach Schlotz begleiten, es sei denn Hochgeboren wünscht, dass ich zurück nach Hallingen reise.“ sagte Anshag mit leichter Verbeugung an den Bregelsaumer Baronet gerichtet.

Wehrheimer Absolvent, daran bestand kein Zweifel, ging es Gilborn durch den Kopf. Er hätte ja einfach von dem neunten Teil dessen gesprochen, was übrig blieb. Allein der Satz mit der Beute verwunderte ihn. In seiner Zeit in der Reichsarmee hatte es solche Aufteilungen zumindest nicht gegeben, das kannte er nur von Söldnern. Ein Grund mehr sich über die ganzen Anwesenden bei Zeiten besser zu informieren. „Ich stimme der Aufteilung zu. Auch dem Vorschlag bezüglich des Schreins. Doch nur das wir uns richtig verstehen, ich ging davon aus die Waffen zu verkaufen und den entsprechenden Gewinn aufzuteilen. Was jedoch einen Besuch seiner Hochgeboren betrifft, so wollte ich auf den schnellsten Weg gen Hallingen aufbrechen. Von dort werde ich auch seine Gnaden Arras von Gareth hierher senden. Mir scheint ein Diener der Zwölfe wird hier dringend benötigt. Die Aufteilung und Bewertung der Beute können wir auch hier und heute vornehmen.“ Kaum das der Hallinger geendet hatte, ergriff auch der Firnsjöner das Wort. „Halten wir es so mit der Aufteilung. Allein, wir werden gleich aufbrechen. Ich sagte es bereits vor dem Sturm auf Firunsfelde.“ Er nickte in Richtung seiner Tochter. „Das was meinem Neffen gebührt, nehmen wir mit uns. Ich werde ihm auch berichten, was sich hier zugetragen hat. Wir sind alle von den Kämpfen gezeichnet und schon zu lange fern unserer Lehen. Seine Hochgeboren wird sich dann mit Sicherheit bei jedem erkenntlich zeigen.“

Storko wandte sich Gilborn zu. „Nun, wenn ihr auf dem schnellsten Wege nach Hallingen aufbrechen wollt, dann soll es so sein.“ Insgeheim ärgerte er sich, denn die Anwesenheit eines hohen Vertreters des Hauses Bregelsaum würde ihnen während den Anschuldigungen an den Baron Sicherheit und Gewicht verleihen. „Und ja wenn es drängt so werde ich mit der Aufteilung sogleich beginnen, die übrigen erbeuteten Waffen und Rüstungen können wir dann in Schlotz verkaufen, sofern sich nicht gleich jemand unter uns findet der sie von seinem Anteil übernehmen will.“ Dann wandte sich der Gernatsborner dem Firnsjöner Sieghelm zu „Wohlgeboren, berichtet dem Baron, eurem Neffen, von unseren Siegen, wir restlichen werden sobald wir hier fertig sind uns auch nach Schlotz aufmachen.“ Dann begann er ein Stück Papier und Kohlestifte aus einer Gürteltasche zu zücken um die erbeuteten Schätzte akkurat zählen und aufteilen zu können. Irgendwie hatte er kein gutes Gefühl, aber was sollte der Baron schon vorhaben, er wusste ja nicht, dass Storko von dessen Plänen wusste. Sollte der Baron ihnen im Wutzenwald in einem Hinterhalt auflauern? Er selbst würde es gewiss nicht tun und wenn die Firnsjöner bei ihm sind würden sie diesem auch wohl kaum zustimmen. Ansonsten war die Machtbasis des Schlotzer Barons mager, abgesehen von einigen Burggardisten waren keine anderen Kriegsfürsten parat mit denen er auf die Schnelle gemeinsame Sache machen konnte, so dachte Storko teils sarkastisch. Auch wenn sie geschwächt und verletzt waren und nicht alle in Richtung Burg Schlotz mitzogen so waren die versammelten Kämpfer von Traviahold, Anshag und ihm selbst dennoch ein stattlicher Kriegshaufen der nicht so leicht bezwungen werden konnte; wenn auch Praiosmin mitkommen würde so wären sie eine Stimme und ein paar Streiter mehr.

Anshag stellte sich wieder gerade hin. „Ich entnehme Euren Worten, dass ich mitgehen kann, Hochgeboren. Natürlich werde ich Euch so schnell wie möglich wieder zur vollsten Verfügung stehen und werde Euch von allem genau unterrichten aus der Zeit, da Ihr noch nicht zu uns gestoßen ward.“ Anshag hasst Förmlichkeiten und es war ihm anzusehen, dass er angestrengt nachdachte bei dem was er sagte, um den Baronet nicht zu beleidigen. Anshag stellte sich neben Praiosmin und flüsterte, um weitere Unterhaltungen nicht zu stören: „Es waren sechs Siege, die ich für Euch errungen habe und wie Ihr seht, stehe ich wieder vor Euch, sodass Ihr keinen Grund habt mir zu zürnen. Ich hoffe Euch in naher Zukunft auf meinem Gut als Gast zu empfangen, so Ihr denn wünscht.“ Dabei lächelte Anshag selbstbewusst und auch ein wenig stolz, denn sechs bezwungenen Gegner waren in seinen Augen durchaus respektabel, vor allem wenn man bedachte, dass es sich bei dreien um Drachengardisten handelte. Er verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein und verzog sein Gesicht vor Schmerzen. Viele der Wunden würden einige Zeit brauchen, bis sie vollkommen wieder geheilt waren.

„Wie könnte ich Euch da zürnen“, erwiderte Praiosmin schmunzelnd. „Und einem solchen Helden soll man keine Bitte abschlagen. Ich werde Euch gerne besuchen.“ Ihr war Anshags Zustand jedoch nicht entgangen. „Doch jetzt erholt Euch erst einmal. Wir haben gesiegt. Während andere sich jetzt in Politik ergehen mögen, will ich eigentlich nur schnell zum Baron und dann nach Hause, um mich Siebeneichens erblühen zu kümmern.“

Da plötzlich schoss Anshag eine Erinnerung durch den Kopf. „Wenn die Anwesenden mich entschuldigen würden. Ich muss noch ein Versprechen einlösen.“ Anshag ging leicht hinkend zu einer Gruppe von Dörflern und instruierte sie gemeinsam mit den Leuten seiner Lanze Holz sammeln zu gehen, um einen weiteren Haufen aufzuschichten. Als dieser dann fertig war, war es Anshag selbst, der den Körper seines gefallenen Bannerträgers darauf bettete und ihm noch einige leise Worte mitgab. Malina, die Schwester des Toten, stand in einigen Schritten Abstand und eine einzelne Träne ran ihre Wange herab. Als Anshag die Fackel an den Holzstoss legte fing Rauert mit tiefer und tragender Stimme an zu singen. Auch Anshag und Malina fielen in den Gesang mit ein, während Timshal schweigend daneben stand.

Ich hatt' einen Kameraden, Einen bessern findst du nit. Die Trommel schlug zum Streite, Er ging an meiner Seite |: In gleichem Schritt und Tritt. :|

Ein Bolzen kam geflogen: Gilt er mir oder gilt er dir? Ihn hat es weggerissen, Er liegt vor meinen Füßen |: Als wär's ein Stück von mir :|

Will mir die Hand noch reichen, Derweil ich eben sah. "Kann dir die Hand nicht geben, Bleib du im ew'gen Leben |: Mein guter Kamerad!" :|

Nach der Bestattung ging Anshag mit seiner Lanze zu ihrem Lager und fingen an ihre Sachen so weit zusammenzupacken, als dass sie bei der Abreise schnell bereit sein würden. Anshag schien dabei beinahe schon etwas abwesend. Die anderen standen während des Ganzen noch beisammen. Der Baronet hatte dem Vasall seines Vaters noch kurz zugenickt. Dann ergriff auch schon Silvana das Wort und richtete es an den Gernatsborner. „Der Baron wird erfahren was passiert, seit Euch dessen bewusst. Er rief seine Familie zum Rat und wir, die ihm im Blute verbunden sind, werden folgen. Ich hoffe nur, dass Ihr bei Eurer Aufzählung auch das berücksichtigt, was andere schon ergriffen haben.“ Dabei deutete sie auf einen der Männer Traviaholds. „In diesen Tagen ist Vorsicht geboten. Viele greifen nach Dingen, die ihnen nicht zustehen.“

 

Der Wutzenwald


Firunsfelde – 3. Praios 1033 BF

Der Schlachtreiter der Schwarzen Lanze, auf den Silvana deutete, legte seine Hand auf seinen mehr oder weniger neuen schwarzen Plattenharnisch, den er jetzt trug und schaute daraufhin zu seinem Ritter. Traviahold "der Bastard" aus dem Wutzenwald entgegnete nur: „Ja, Wohlgeboren Silvana von Firnsjön, in diesen Tagen ist besondere Vorsicht geboten, denn alle unsere Taten und Entscheidungen haben Konsequenzen.“ Dann sorgte er dafür, dass den Firnsjönern die offensichtlichen Waffen, Rüstungen und Streitrösser der gefallenen Ritterlanze ihres Neffen übergeben wurde, worauf hin diese auch schon in Richtung Schlotz aufbrachen. Storko von Gernatsborn brauchte noch den Rest des Tages, bis er mit seinen Aufteilungen fertig war. Ein Teil der Beute bekam Deggen als Vertreter der Sturmherrin für seine Kirche und einen anderen Teil erhielt er für den Wiederaufbau des Ortsschreines. Wie ausgemacht bekam der Ortsvorsteher von Firunsfelde ein Drittel des ganzen Goldes um den Ort wieder aufzubauen, zusammen mit einigen einfachen Waffen und Lederwämsern, die ihrem Stand entsprachen. Der restliche Teil der Beute wurde dann entsprechend unter den adligen Teilnehmern des Kriegszuges aufgeteilt, wobei es jedem selbst überlassen wurde, seine Beute dann in Schlotz zu verkaufen, oder eben selbst zu nutzen. Es würde ohnehin schwer in der Hauptstadt der Baronie einen Händler zu finden, der vermögend genug war, um ihnen diese Beute ab zukaufen, auch wenn es in Schlotz einen Waffenmeisterschmied gab. Da hätten sie wohl in Wehrheim, dessen Einwohner nur noch aus Kriegsvolk bestand, bessere Chancen. Aber Traviahold zog es ohnehin vor die neuen Harnische und Waffen zu behalten, da sie hervorragend zu der Namensgebung seiner Schwarzen Lanze passten, in besserem Zustand waren, als seine bisherige Ausrüstung und es schwer würde, dafür Abnehmer zu finden. Außerdem war ein Schwert in der Hand in der Wildermark mehr wert als ein Beutel voller Gold.

Kurz darauf brach dann auch schon Gilborn Hal von Bregelsaum in Richtung Hallingen auf, nachdem sich alle von ihm verabschiedet hatten. Deggen, der noch zu schwer verletzt zum Reisen war, würde zusammen mit der Wutzenbacher Trossheilerin erst einmal noch in Firunsfelde verbleiben und das Eintreffen von Arras von Gareth abwarten. Die restlichen Adligen Traviahold aus dem Wutzenwald, Storko von Gernatsborn, Anshag von Sturmfels und Praiosmin von Siebenstein waren im Grunde zwei Tage später abmarschbereit und ebenfalls kurz davor den Ort zu verlassen. Jeder brannte darauf dem Baron persönlich von ihrem Sieg zu berichten. Nichts hielt sie mehr hier. Auch wollte Praiosmin bald möglichst wieder nach Siebeneichen zurückkehren, nach ihrem Besuch beim Baron und wenn ihr Schwert nicht mehr benötigt wurde. Traviahold hatte auch nicht vor das Eintreffen dieses Praios-Priesters, Arras von Gareth abzuwarten, da er diesen generell besser aus dem Weg ging, auch wenn er die Farbe des Praios, stellvertretend auch in seinem Wappen führte, und er im Grunde eine seiner Hauptgottheiten war. Die Umstände der letzten Jahre jedoch, hatten den großen Ritter zweifeln lassen.


Auf dem Weg Richtung Schlotz – 5. Praios 1033 BF

An besagtem Tag ritten die vier Niederadligen nebeneinander in Richtung Baronssitz, während ihre Waffenknechte, Söldner und Soldaten ihnen folgten. Traviahold nahm sich vor, in Schlotz nach mindestens zwei neuen Söldnern Ausschau zu halten, welche die des Reitens mächtig waren und an einer Langzeitanstellung in seiner Lanze interessiert wären. Auf kurz oder lang würde er seine militärische Machtbasis vergrößern. Und da er bei der Auswahl seiner Männer nicht gerade zimperlich war, was deren Vergangenheit anging, und er nun über mehr Ressourcen verfügte, würde das sicherlich nicht lange auf sich warten lassen. Er hatte von den „Schwarzen Pardern“ gehört, die von Obristin Tanis angeführt wurden. Die Parder waren ein eher mäßiger garethischer Söldnerhaufen der durch sein pompöses Auftreten und Kor-Symbolismus schon so manchen Kriegsfürsten blenden konnten. Eine Ausnahme davon waren jedoch die schlachterfahrenen „Tiefschwarzen Parder“ die aber derzeit einem sogenannten „Prinz des Blutes“, einem Trollzacker dienten und sowieso unbezahlbar waren. Die Erfahrung der normalen Schwarzen Parder war Durchschnittlich und sie verfügten sogar neben ihrem Schweren Fußvolk auch über Leichte Reiterei. Generell hatten diese Söldner zwar weithin einen achtenswerten Ruf, aber sie sind Halunken wenn es um Sold und Zulagen geht. Dann gab es da noch die Sappeure der „Garether Maulwürfe“, die sich aber nur zu Belagerungs- und Verteidigungszwecken eigneten, abgesehen davon, dass diese Veteranen die sogar Belagerungsgerät bedienen konnten wohl die teuersten Söldner der Mark waren und wohl jeden in den Ruin trieben, der sie anwarb. Simionas Elite-Söldnerschergen, unter der Führung von Simiona di Silastide-Marvinko kamen nicht in Frage, da unter ihnen fast nur ehemalige Drachengardisten dienten. Die durchschnittlichen Schläger der „Todesfänger“, unter der Führung des gesuchten Räuberhauptmanns Rondrian Pulvertreu, den sie alle nur den „Fetten Ron“ nannten, schieden ebenfalls aus, da sie schon in Zweimühlen angestellt waren und dem dortigen neuen Reichsbaron dienten, übrigens auch einem seines Wissens nach zuvor nicht Adligen, der es sich allein aufgrund seiner Taten verdient hatte in den Rang eines Barons erhoben zu werden, was wohl einigen Hochadligen sauer aufgestoßen ist. Im Grunde hatte die Kaiserin aber auch keine wirkliche andere Wahl, da sich irgendein anderer Adliger ohne entsprechende militärische Macht höchstens einen Monat in Zweimühlen, dem Zentrum der Wildermark, gehalten hätte. Traviahold ging die Söldner der Wildermark in seinem Kopf weiter durch, für die er sich schon in der Vergangenheit schon sehr interessiert hatte. Das „Sturmbanner“ unter Tariq Che’Varra „Sturm“ war in der Stadt Auen fest angestellt und saß dort sogar im Stadtrat. Die zwei Dutzend meisterlichen, berittenen Kultisten vom „Antlitz der Erneuerung“ unter Galtor „dem Koloss“, einem Asfaloth Paktierer, kamen auf keinen Fall in Frage, genauso wie die kompetenten „Geierkinder“ unter der Führung eines ihm nicht namentlich bekannten Lolgramoth-Paktierers mit Ghumai-Kal-Daimonid. Auch hatten letztere gemeinsame Sache mit Chraaz „dem Verräter“ gemacht. Die brillanten „Schwarzklingen“ unter Alessia Stülpnagel „der Unscheinbaren“ waren übelste Halsabschneider und Meuchler, die ihr Hauptquartier zwar in Gallys haben, deren einzelne Banden aber häufig in der Mark unterwegs waren, kamen auch nicht in Frage. Dann waren da nur noch die durchschnittlich erfahrenen „Goldjungen“, die keinen richtigen Führer hatten und in der Nähe der Reichsstraße 2 operierten, mit ihrem Leitspruch: „Mehr Trinken, weniger Denken“ und die Wehrheimer Waldlöwen. Letztere, die fast ausschließlich aus ehemaligen Soldaten der Reichsarmee bestanden und über alle Waffengattungen verfügten, stellten den Größten Söldner Haufen der Wildermark unter der Führung von Leomar vom Berg „dem Schwertfürst“, der in den verfallenen Ruinen von Wehrheim, der „Stadt der Söldner“ hauste, und unter anderem unter Reichacht stand, und zu dem sein Freund Storko sehr gute Kontakte hatte. Wenn der große Ritter weiter über die Menschen und Zustände der Wildermark nachdachte, kam es ihm vor wie zwei Welten. Auf der einen Seite der Alte Adel, der so tat, als wäre alles beim Alten und als hätte sich nichts geändert, und auf der anderen Seite der ganze üble Rest, der einfach nur versuchte zu überleben, dem dabei alle Mittel recht waren. Traviahold „der Bastard“ aus Wutzenwald stand irgendwo dazwischen. Zwischen zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein konnten.

Anshag entging nicht, dass Traviahold während des Rittes in Gedanken versunken war. Schweigend ritt die Gruppe eine Weile nebeneinander her, verfolgt von ihren Truppen. Anshag wusste nicht was er von der ganzen Situation halten sollte. Er mochte die Firnsjöner nicht sonderlich, waren sie in seinen Augen doch um einiges zu zögerlich und doch hatten sie durch ihre Verwandtschaft mit dem Baron von Schlotz genügend Rückhalt. Er hatte kein gutes Gefühl bei dem was ihnen bevorstand, war es doch ein offenes Geheimnis, dass die Firnsjöner Traviahold verachteten und seit des Kriegsrates auch auf Anshag nicht mehr sonderlich gut zu sprechen sein dürften, als er ihnen eben diese Zögerlichkeit offen vorwarf. Nachdem sie einige Stunden geritten waren ergriff Anshag das Wort: „Wisst Ihr Traviahold, ich weiß nicht ob es so viel versprechend ist zum Baron zu reiten. Ich meine sein Onkel und seine Base können Euch nicht sonderlich leiden, das zu erkennen braucht es nicht viel, und sie werden mit dem Baron schon vorher sprechen und Euch dementsprechend schlecht dastehen lassen. Ich selber werde wohl auch nicht mehr wohl gelitten sein, seit ich ihnen vorwarf jeden Plan durch Zögern zunichte zu machen. Ich denke wir sollten uns auf einen eher kühlen Empfang einrichten, meint Ihr nicht auch? Wenn wir uns darauf schon vorbereiten, so werden wir unsere Gefühle leichter im Zaum halten können, anstatt enttäuscht zu werden, wenn uns Vorwürfe gemacht werden, wovon ich beinahe schon ausgehe.“ Anshag blickte während er sprach immer noch nach vorne und seine Miene verriet, dass er lange darüber nachgedacht hatte, bevor er sich dazu entschloss das Gesagte anzusprechen.

Auch wenn Anshag sich an Traviahold gerichtet hatte antwortete Storko sogleich, da er ebenfalls die Worte mithörte. „Einstellen sollten wir uns auf das Schlimmste.“ Zugern würde er den anderen den Brief zeigen und somit die Machenschaften des Barons offen legen, jedoch war es zu riskant, der Baron sollte unter keinen Umständen davon wissen. „Aber, ist Tsafried ein rechter Mann, so sollte er uns in allem Maße für unsere Unterstützung danken, denn wir haben seine Arbeit geleistet, wir haben Schlotz befreit während er untätig in seiner Burg ausharrte. Jede andere Reaktion des Barons wäre Verrat an seinen Vasallen. Den alten Ritter Sieghelm halte ich für einen durchaus rechtschaffenen Mann, er wird uns nicht bei Tsafried diskreditieren, das kann ich mir kaum vorstellen. Warum Silvana, seine Tochter, ein so seltsames Verhalten bezüglich Traviahold an den Tag legt, das vermag ich nicht zu sagen, ich kenne sie und weiß von ihr kaum. Wisst ihr diesbezüglich möglicherweise mehr Traviahold oder Praiosmin? Wie auch immer, ihr werdet sehen, unser Besuch beim Baron wird mit einer Überraschung begleitet sein.“

Der Schattenholzer antwortete den beiden Adligen: „Wenn der Baron mich sieht, ist er grundsätzlich schlecht gelaunt. Das war schon immer so und das wird sich wohl auch nicht ändern, selbst wenn wir die gesamte Wildermark befreien würden. Und glaubt mir, ich bin beherrscht – beherrschter als ihr Anshag, wie wir gesehen haben.“ Dabei lachte Traviahold freundschaftlich, während Anshag ihm im gespielten Zorn gegen die Schulterplatte stieß. „Ich glaube auch nicht, dass der Baron von Schlotz euch zürnen wird. Warum auch. Ihr wurdet für unsere Baronie zu einem wichtigen Verbündeten. Er ist euch dank schuldig, für alles was ihr geleistet habt. Und selbst wenn er euch nicht danken sollte, könnt ihr euch unserem Dank und unserer Freundschaft gewiss sein, Anshag.“ Dann wandte er sich zu Storko. „Das Schlimmste? Was meint ihr damit? Dass er uns unsere Belohnung verwehren sollte? Das wird er nicht wagen. Aber dieser „Familienrat“ oder was auch immer gibt mir schon zu denken. Und was Silvana betrifft, ist ihre Einstellung mir gegenüber wohl im Gut Schattenholz begründet. Sie war eigentlich von Kindesbeinen auf, als Junkerin für Schattenholz vorgesehen. Dann kam es aber zur Schlacht auf dem Mythraelsfeld, wo ich dem Baron das Leben rettete und ihm überhaupt den Rückzug ermöglichte, nachdem er seine komplette Landwehr, über hundert Schlotzer verheizt hatte, und der Feind schon in Schwertreichweite zu Tsafried war. Ich und meine Waffenknechte, die zur Hälfte aus der heutigen Schwarzen Lanze bestand, warfen uns den Feinden entgegen, um sie so lange aufzuhalten bis seine Hochwohlgeboren seinen Hintern in Sicherheit gebracht hatte. Und auch auf dem Rückweg in die Baronie, nachdem das Reichsheer geschlagen war, wurden wir immer wieder von Feinden attackiert, die ich und meine Männer aber abwehren konnten. Und natürlich verlangte ich dafür, und für die Drecksarbeit und Dienste, die ich zuvor immer wieder für ihn erledigen musste, eine entsprechende Belohnung. Also übergab er mir Gut Schattenholz und die umliegenden Ländereien, die eigentlich für Silvana von Firnsjön gedacht waren.“ Während Traviahold erzählte schien er wie Gedanken verloren, ganz so als würde er sich zurück erinnern. „Sieghelm von Firnsjön ist ein aufrechter alter Krieger und Ritter zugleich, der seinem Baron und auch Neffe immer schon treu ergeben war. Immerhin erhielt er von Tsafried, als dieser damals als Herrscher über Schlotz eingesetzt wurde, sein Lehen Firnsjön.“

Anshag zuckte die Schultern. „Ich meinte ja nur. Ich bin lieber vorsichtig, bevor ich das Nachsehen habe. Wenn alle der Meinung sind, dass das schlimmste was wir zu erwarten haben ein Firunsgesicht ist, bin ich beruhigt und werde es ertragen.“ sagte Anshag mit Lächeln im Gesicht. „Ich kann Euch da auch kaum mehr berichten“, griff Praiosmin die Frage Anshags auf. „Mein Vater sagte nur stets, wenn Sieghelm von Firnsjön in der Schlacht an Deiner Seite steht, dann bist du sicher. Er kümmert sich um seine Leute. Wenn sie im Dreck schlafen oder kaum besseres zu fressen bekommen, dann wird er beides mit ihnen teilen.“ Die Ritterin blickte nachdenklich zum Himmel. „Ach ja, Sieghelm war stets ein strammer Parteigänger der Bregelsaums, so wie auch meine Familie. Mehr wüsste ich nicht zu sagen.“

Den ganzen Tag war der Kriegszug von Firunsfelde aus unterwegs gewesen, hatten Wutzenbach und Schattenholz passiert, und erreichten nun am späteren Nachmittag den Wutzenwalder Weg, die einzig nennenswerte Straße die am Rande durch die Baronie führte, ein Karrenweg. Dieser Pfad würde sie durch den Wutzenwald hindurch führen, die Burg Schlotz sie auf der anderen Seite erwartend. Da man verzog nicht mitten im Wald die Nachtrast zu verbringen, so schlug man unweit vom Waldrand entfernt das Lager auf.

Traviahold war froh im Schatten des düsteren Wutzenwaldes nun endlich seinen schweren Helm abnehmen zu können, der ihn vor Praios Antlitz schützte. Er mochte diesen mysteriösen, großen und dunklen Wald – den Ort an dem er geboren wurde und den er im Namen trug. Traviahold teilte diejenigen seiner Männer zur Wache ein, die noch am unverletztesten waren. Er selbst hatte in letzter Zeit kaum geschlafen, da sie am Tage entweder kämpften oder reisten und er Nachts normalerweise wachte und tagsüber schlief. Dies wirkte natürlich auf die anderen Adligen sonderbar, aber er hatte sich seine Bürde nicht ausgesucht.

Es war bereits tiefe Nacht und viele im Lager hatten sich zur Ruhe begeben, da trat ein kleiner Trupp aus dem Forst. Sie traten eben dort aus dem Schatten der Bäume, wo die Wachen sie sehen mussten. Diese Besucher wollten offenbar, dass man ihrer Gewahr wurde. Doch änderte kaum etwas an der Überraschung, waren sie zuvor doch nicht aufgefallen. Zwei von den Vieren, in dem Licht der Nacht waren nicht mehr denn Schemen zu erkennen, blieben dort stehen. Sie schienen in Leder gekleidet und gerüstet zu sein. Köcher auf den Rücken und Bögen in den Händen. Die beiden anderen zeigten offen ihre Hände, ehe sie weiter auf das Lager zugingen. Eine Geste der Freundschaft und des Friedens. Es waren eine Frau und ein Mann. Während erstere nicht anders als die beiden anderen gewandet war, trug der Mann jedoch ein kurzes Kettenhemd und Schwert zu seinem Bogen. Jetzt, wo er näher trat, erkannten ihn die Wachen auch so gleich. Es war kein geringerer als der Junker von Sokramshain, der mit ihnen gegen die Rotpelze gefochten hatte. „Weckte Eure Herrn, wir haben zu reden“, sprach er, während er sich der Wache näherte.

Ritter Traviahold trat zusammen mit seiner Schwarze Knappin aus der Finsternis. Das Lagerfeuer blendete Nachts so sehr, dass man in der Dunkelheit nichts mehr erkennen konnte, weshalb der Schattenholzer stets etwas abseits in der Nacht Wache hielt. Etwas stimmte nicht. Traviahold konnte die Anspannung des Junkers erkennen, ganz so als wäre er bereit jederzeit sein Schwert zu ziehen. Und warum blieben die anderen beiden zurück? Sein gegenüber kniff leicht die Augen zusammen, ganz so als würde er ihn unmerklich mustern.

Timshal der als Waffenknecht Anshags ebenfalls Wache stand ließ nun zum ersten Mal den Griff seines Jagdmessers los, seit der Junker aus dem Gebüsch getreten war. Er ging schnellen Schrittes auf das Zelt Anshags zu, der nach einigen Augenblicken verschlafen hinaus schaute und gähnend herüber trottete. „Ich hoffe doch, dass es einen guten Grund hat zu dieser Nachtschlafenden Zeit wecken zu lassen, Wohlgeboren. Andernfalls könnte ich nicht anders als Euch böse zu sein.“ Anshag war unbewaffnet und wartete mit dem Junker zusammen auf die anderen beiden Adligen. Storko wurde ebenfalls geweckt und ging zum Feuer an dem der Junker von Zwölfengrund stand. Er nickte ihm erstmals zu. „Phex zum Gruße, Euer Wohlgeboren.“ Er dachte bei sich, dass die heimliche Art und Weise in der jener in der Nacht zu ihnen stieß nichts Gutes hoffen ließ. Er ahnte das Schlimmste.

Der Junker stand am Feuer und blickte in so manches überraschtes Gesicht. „Die Zwölfe zum Gruße, Phex voran in diesen Tagen. Ich sehe Euch verwundert, ob meines Erscheinens. Doch die Kunde wie die meine bedarf oft anderer Wege.“ „So lasst hören Wohlgeboren, damit wir uns selbst davon überzeugen können!“ sagte Anshag, der je länger er wach bleiben musste ungehaltener schien. „Ich komme direkt aus Schnayttach, wohin Ihr auf dem Weg seid.“ Gerbold stütze sich leicht auf den Langbogen, den er mit sich führte. „Kaum das ich in Sokramshain war, erhielt ich eine Botschaft des Barons, der mich zu sich rief. Bei ihm angekommen, traf ich dort auch den Ritter von Ehrenforst. Was seine Hochgeboren uns so dann eröffnete, verwundert mich noch jetzt.“ Er schüttelte den Kopf, konnte er doch noch immer nicht recht glauben. „Schlotz sei bedroht. Nicht von Feinden wie denen in Firunsfelde. Gegen diese habe er nach den verfluchten Tagen zwischen den Jahren selbst ziehen wollen. Daher sei er auch beim Marschall gewesen, der Truppen senden wollte. Nein, zwei seiner Junker hätten sich gegen ihn verschworen!“ Auch ohne sie anzublicken, war ein jedem klar, wer gemeint sein musste. „Baron an seiner Stelle wollten sie werden. Gegen ihn wettern, wo sie nur könnten. Wider den Geboten des Götterfürsten. Sich aufspielen, als ob sie schon die Herren sein. Ich kenne seine Hochgeboren schon seit langem, doch so in Wut erlebte ich ihn noch nie. Kopf des ganzen wäret Ihr, Wohlgeboren“, er deutete direkt auf Traviahold. „Euch, seinen Bastard habe er über andere erhoben. Seine eigene Base so zurückgesetzt. Doch jetzt wolltet Ihr mehr.“

Traviahold war jetzt derjenige der sich unmerklich anspannte, als er das Gesagte vernahm. Unzählige Jahre hatte der Baron das Geheimnis um Traviahold bewahrt – der einzige Fleck auf seiner Weißen Weste. Der Baron hatte alles getan, damit diese Wahrheit niemals ans Licht kommen sollte, und nun hatte Tsafried es offen seinen Junkern erzählt? Aber er ließ den Junker erst einmal ausreden.

Praiosmin hatte das ganze mit zunehmender Überraschung zur Kenntnis genommen. Das Traviahold der Bastard seiner Hochgeboren sei, kommentierte sie schließlich mit einem ‚Bei den Göttern!’. Doch Gerbold ließ sich nicht beirren und fuhr ungerührt fort. „Gemeinsam mit dem Junker von Gernatsborn hättet Ihr aufgerüstet. Ihr umgebt Euch mit Söldlingen und Verbrechern üblen Leumunds. Noch während er uns dies erzählte, traf ein Bote aus Firunsfelde ein, der eine Botschaft brachte, die ihn zu bestätigen schien. Dies schien für seine Hochgeboren der letzte Tropfen gewesen zu sein. Er traf energische Entscheidungen. Den Ehrenforster ernannte er zum Edlen von Yggraling. Mir übertrug er die Verantwortung für Karhirswalden. Wir sollen die Wehr ausheben und alles für den Kampf bereiten.“

Die gepanzerte Faust des Schattenholzers ballte sich so stark, dass das Metall knirschte. Seiner Knappin übergab er unsanft seinen schweren Helm, damit er die Arme frei hatte. „Ihr sollt die Wehr ausheben und alles für den Kampf bereiten?!? Er wagt es also nicht nur, uns unsere verdiente Belohnung abzusprechen, sondern antwortet auch noch mit Kampf?“ Traviahold biss die Zähne zusammen, die unter seinen Backen begannen zu mahlen. Anshag schien fassungslos zu sein. Es dauerte einige Augenblicke in denen man ihm anmerkte, dass es ihn alle Mühe kostete nicht wütend zu werden als Söldner Und Verbrecher tituliert zu werden. „Aufrechter Mann, der keinen Verrat an seinen Vasallen begehen würde ja? Würde es nicht wagen uns eine Belohnung vorzuenthalten?“ sagte Anshag, wobei er sowohl Traviahold als auch Storko eine starke Spitze gab. „Wenn das so ist, hätte er auf diese Belohnung ruhig verzichten können! Was machen wir jetzt? Wir können ja nun schlecht an seinen Hof reiten, das gehörte ignorieren und sagen: So hier sind wir. Wir haben die Baronie befreit und legen nun zu gerne unsere Köpfe auf den Bock.“ Anshag verlor scheinbar den Kampf gegen seine Wut, denn er wurde immer lauter und schneller mit dem was er sagte. Als er endete fasste er sich mit beiden Händen an den Kopf und atmete tief ein. „Nein wahrlich zum Baron können wir derzeit nicht. Kommt erst einmal mit mir nach Gernatsau. Ich habe für Euch immer noch Platz auf meinem Gut und dann können wir von sicherem Boden aus verhandeln. Diese Geschichte ist nichts, was man auf die Schnelle klären kann. Vor allem müssen wir herausbekommen, warum der Baron Euch derart beschuldigt, danach erst können wir unsere Schritte einleiten!“

„Bewahrt Ruhe Anshag, noch ist nicht alles verloren“ sprach Storko mit weitaus kühlerem Kopf. Dann wandte er sich wieder Gerbold zu. „Nun wenn ihr dem Baron restlos Glauben schenken würdet, so wäret ihr nicht hier um uns dies zu berichten?“

„Nun, auch wenn mich vieles nachdenklich machte, was ich auf Burg Schlotz hörte. Noch bin ich ungläubig. Ich wollte Euch davon zunächst berichten, um Euch Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben. Zu erklären, was Ihr zu alldem zu sagen habt. Ich gebe meine Waffengefährten nicht leichthin auf.“ Eindringlich musterte einen jeden der Anwesenden. „Ich vertraue auf den Schutz der gütigen Herrin, hier an Eurem Feuer. Doch ich muss Euch warnen.“ Er deutete mit dem Bogen auf den nahen Waldrand. „Mehrere Bögen sind auf das Lager gerichtet. Sollte der Baron recht behalten, ich werde nicht allein fallen in dieser Nacht.“

Die Hand der Schwarzen Knappin griff zu ihrem Kurzschwertes, aber Traviahold legte sofort seine gepanzerte Hand auf die ihre und bedeutete ihr, jetzt keine Klinge zu ziehen, und antwortete dem Junker, der ihnen gegen Chraaz beigestanden hatte und den er sehr schätzte. „Ihr habt gut daran getan uns dies zu berichten. Ihr habt hier keine Waffengewalt zu fürchten, Gerbold von Zwölfengrund. Niemand soll fallen in dieser Nacht.“ Der so angesprochene nickte Traviahold kurz zu. Offenbar hatte er sich seinen Rat von einst zu Herzen genommen und war bereit sich zu beherrschen. Das ließ hoffen.

Storko schluckte kurz. So wollte er es nicht kommen lassen – doch der Baron war ihnen zuvorgekommen. Sie hatten ihn unterschätzt. Er stellte sich mit bestimmter Pose, die Hand auf sein Schwert im Gürtel gestützt, inmitten des Platzes um alle Anwesenden ansprechen zu können. Das Feuer prasselte hinter ihm und warf das Licht auf die restlichen Adligen. Mit durchaus kräftiger Stimme begann er zu sprechen. „Werte Schlotzer und Freunde von Schlotz! Der Baron selbst ist der Verräter seiner eigenen Ländereien! Nun ist sein finsterer Plan offenbar geworden.“ Durch die Anwesenden ging in einer rhetorischen Pause ein Raunen des Unverständnisses. „Von Anfang an so hat Tsafried es wohl geplant uns an seiner Statt gegen die Feinde ziehen zu lassen, um uns dann wie das Schlachtvieh an die Bank führen zu lassen. In den letzten Wochen haben wir gegen die äußeren Feinde gefochten ohne zu wissen, dass sich der größte Feind mitten im Inneren der Schlotzer Lande befand. Er ist ein Lügner, ein Schauspieler! Ihr mögt sagen, es wäre tollkühn oder gar verrückt solche Anschuldigungen zu machen – aber ich habe Beweise!“

Er holte den gut behüteten Brief des Barons an die finsteren Söldner die Firunsfelde besetzten heraus und hielt ihn in die Höhe. „Diese Botschaft habe ich im Lager von Stachelwanst, in seiner Truhe gefunden. Es ist eine Nachricht von Tsafried an den Söldneroffizier. Vergebt mir, dass ich euch nicht früher davon berichtet habe und das Wissen für mich behalten habe, doch ich hielt es für weiser. Der Baron sollte auf keinen Fall von diesem Wissen erfahren. Ich hatte vor in seiner Halle unter der Anwesenheit der versammelten Adligen ihn zu stellen und zu entblößen. Ich wollte unschuldiges Blutvergießen vermeiden, Schlotz hat schon zu viele Schlachten geschlagen. Doch Tsafried ist in seiner Feigheit seiner Entlarvung an seinem eigenen Hofe zuvorgekommen, er fürchtet unser Wissen, denn der Brief belastet ihn schwer. In dieser Nachricht, etwa ein Jahr alt, bedankt sich der Baron bei den verfluchten Drachengardisten für vorherige erfolgreiche Dienste – ein Beleg, dass er mit ihnen schon seit längerem unter einer Decke steckte – und das ist Verrat an der Zwölfgöttlichen Ordnung und am Reich! Des Weiteren hat Tsafried den Warunker Anführer beauftragt seinen Sohn, sein eigen Fleisch und Blut, zu ermorden! Als Belohnung stellt er ihm Schattenholz zur Aussicht, zum rechtmäßigen Junker wolle er den Anführer machen und alle Missetaten verschleiern. Das ist Verrat!“

Der Bastard aus dem Wutzenwald spürte wie der Zorn in ihm brodelte. Hatte er schon zuvor schon nicht viel von seinem Vater gehalten, aber nun verspürte er nur noch Hass auf ihn. Tsafried wollte ihn also Tod sehen. Der Angriff der Drachengardisten vor fast genau einem Jahr, auf sein Gut, hatte also einzig und allein ihm gegolten. Am liebsten hätte er seinen Gefühlen freien Lauf gelassen, aber der große Ritter bewahrte seine Selbstbeherrschung. „Wir waren mit sehenden Augen blind!“

Der Gernatsborner trat näher zu Gerbold von Zwölfengrund, sodass dieser den Brief sehen konnte. „Es war auch schwer für mich dies zu glauben, doch es ist das Siegel von Tsafried von Schnayttach-Binsböckel. Ja, wir haben ihm eine Botschaft vor wenigen Tagen gesandt, aber nur um ihm zu berichten, dass wir kurz davor standen Firunsfelde zu befreien. Voller innerer Angst wurde er wohl zu diesen jenen Handlungen getrieben uns zu beschuldigen, auf dass kein Dreck auf seine weiße Weste gelangt. Ihr wart weise Wohlgeboren uns aufzusuchen, denn der Baron ist der innere Feind in unseren Landen.“

Anshag schien nicht restlos überzeugt zu sein. „Schön und Gut dieser Brief aber trotzdem werden wir wohl kaum bis an den Baron ran kommen. Ihr könnt den Brief schließlich kaum als Schutz gegen eine größere Gruppe einsetzen. Ihr werdet nicht einmal zu Wort kommen, bevor man uns alle festgenommen hat und selbst dann, könnte man den Brief noch als geschicktes Fälscherwerk hinstellen. Zuerst muss man das Volk überzeugen und das scheint mir momentan ein Ding der Unmöglichkeit.“

Langsam wurde es Praiosmin zu viel. „Ich dachte wir trauen uns, Wohlgeboren. Ihr habt befürchtet, dass der Baron zu früh von dem Schreiben erfahren würde? Donner noch eins, wem von uns habt Ihr denn misstraut!“ Das alles hier war nicht das, womit sich ein Ritter auseinandersetzen sollte. Ihr war hier eindeutig zu viel Hinterlist und Misstrauen im Spiel. Es brauchte viel bis die junge Ritterin sich dem Zorn hingab, doch stand sie kurz davor diese Linie zu überschreiten. Doch ehe sie dies tun konnte, legte ihr der Zwölfengrunder beschwichtigend die Hand auf die Schulter. „Beruhigt Euch. Mit blindem Zorn ist hier keinem geholfen.“

„Zügelt euch, Ritterin Praiosmin, ihr müsst verstehen...“ begann Storko sich entschieden zu rechtfertigen“... dass ich es für mich behalten musste. Die Firnsjöner hätten es ihrem Verwandten erzählt und dieser dann entsprechend reagiert. Als Stratege darf man das Wissen von vorteilhaften Schwächen des Feindes nicht dem Feind offenbaren, ansonsten ist der Vorteil verloren. Ich wollte nur das Blut Unbeteiligter schonen, wie ich schon vorher gesagt habe. Es sollte nicht so enden, das Volk solle nicht hineingezogen werden, wenn dies unter dem Adel selbst zu regeln ist. Aber anstelle sich selbst zu stellen wählte der Baron seine Waffengetreuen vor sich zu stellen. Er hat Schuld daran wenn Schlotzer Blut fließt.“

„Ich soll was?! Mich zügeln? Die Firnsjöner sind schon vor Tagen abgezogen und jetzt erst kommt Ihr mit diesen Neuigkeiten.“ Man sah Praiosmin ihren Zorn nun nur allzu deutlich an. Ihr Linke umklammerte den Schwertgriff, während sie die Rechte zur Faust geballt hatte. „In Firunsfelde hätten wir beraten können und sollen. Doch jetzt, jetzt habt Ihr mich und meine Siebeneichener hierher gebracht. Der Ehrenforster marschiert womöglich schon gegen Siebeneichen und erst jetzt erzählt ihr von dem Brief!“ Die Ritterin trat mit voll Wucht gegen einen Topf, der umgedreht neben dem Feuer gestanden hatte. Scheppernd flog und rollte er darauf durch das Lager. „So kurz“, sie machte eine Geste mit Daumen und Zeigefinger, die nicht weit voneinander abstanden. „So kurz bin ich davor, Euch Eure Selbstgefälligkeit mit der Klinge auszutreiben.“ Sie blickte Storko noch eine ganze Weile an, blieb jedoch mit vor der Brust verschränkten Armen stehen.

Nach einem kurzen Blick auf Praiosmin, ergriff Gerbold erneut das Wort. „Ihr habt Recht, Sturmfels. Ein Brief allein beweist gar nichts, es ist der Leumund der zählt. Siegel und Handschriften kann man fälschen. Erinnert Euch, der Stellvertreter des Marschalls, wurde einst aufgrund gefälschter Befehle festgesetzt.“ Er fuhr sich nachdenklich durch das Gesicht. „Machen wir uns nichts vor, Schlotz ist gespalten. Die Menschen nördlich des Gernat stehen treu zu seiner Hochgeboren. Ihnen war er stets ein guter und vor allem gerechter Herr. Und auch der Ehrenforster ist nicht zu unterschätzen, zu mal er Euch beide nie geschätzt hat.“ Gerbold schaute die beiden Schlotzer Junker kurz an. „Können wir wissen, wie die anderen Barone reagieren? Rosenbusch und Rappenfluhe sind noch immer stark. Und auch der Hallinger verfügt über Truppen. Die Frage ist doch, ob und wie soll jetzt gehandelt werden?“

„Daraus entnehme ich, Junker Gerbold, dass ihr uns glaubt und auf unserer Seite seid.“ meine Storko. „Das habe ich nicht gesagt, Wohlgeboren. Ich bin gewillt Euch zu glauben und gemeinsam mit Euch nach einer Lösung zu suchen. Wie ich handeln werde, ist noch nicht entschieden.“

Anshag wirkte nachdenklich. „Ich denke wir sollten ein wenig warten bevor wir handeln. Natürlich ist das was der Baron tat unverzeihlich aber solange wir alleine stehen, können wir diesen Kampf nicht bestreiten. Der Landedle von Rappensberg in Rappenfluhe ist ein Vetter von mir und dazu noch ein Mitglied der Stahlherzen so wie auch ich. Wenn man ihn überzeugen kann nicht einzugreifen, wenn der Baron um Hilfe ruft wäre uns viel gedient. Die Baronin schätzt ihn wohl. Auch Baron Pandlarin-Bregelsaum ist ein Mann mit dem man reden kann und auch er wird nicht eingreifen, wenn Ihr ihn von der Wahrheit überzeugen könnt, denn der Vorwurf ist nichts desto Trotz massiv. Zu dem Baron von Rosenbusch habe ich leider keinen Kontakt und ich kenne ihn auch nicht, sodass ich nicht sagen kann, ob und wie er reagieren wird.“ Anshag strich sich das Haar zurück. „Ich halte es noch immer für das Beste, wenn Ihr Euch erst mal zurückzieht und versucht Verbündete zu finden, denn was sollen wir alleine schon ausrichten gegen einen Baron mit treu ergebenen Adligen und Landwehr? Ich werde mein Schwert nicht gegen die heben, welche den Schutz des mittelreichischen Adels bedürfen. Ich hoffe doch, dass wir uns in diesem Punkt einig sind?!?“

Traviahold hatte Anshag erst einmal ausreden lassen, und entgegnete dann: „Euer Wohlgeboren Anshag, nun seit ihr es, der zögern möchte.“ Der Ritter Alten Schlages wandte sich aber auch an alle anderen Adligen. „Wir können uns unmöglich an alle eventuellen Verbündete wenden, die der Baron um Hilfe ersuchen könnte, ganz davon abgesehen, was passiert, wenn der Baron schon vor uns einen benachbarten Baron auf seine Seite gezogen hat, und wir dann nach ihm bei einem solchen eintreffen. Außerdem hat ein Mann wie Tsafried allein schon aufgrund seines höheren Standes immer überzeugendere Argumente als eine Hand voll Niederadlige Junker. Auch hat Tsafried sich noch nie etwas zu Schulden kommen lassen und gilt gemeinhin als friedfertiger Mann, dem man einen solchen Verrat niemals zutrauen würde. Niemand kennt das wahre Gesicht des Barons, außer uns. Wir können uns auf dieser Ebene nicht mit dem Baron von Schlotz messen. Einen Kampf um Verbündete würden wir verlieren, bevor er überhaupt begonnen hat. Und er würde uns Zeit kosten die wir nicht haben, jetzt wo Tsafried zum Kampf rüsten lässt. Und ja ich stimme euch ohne Umschweife zu, dass auch ich kein Blut von treuen Schlotzern vergießen will, die ihrem Baron, meinem Vater, dienen weil sie es müssen und von ihm geblendet wurden! Aber treue Kampfgefährten - wir müssen handeln und etwas tun!“

Der düstere wenn auch charismatische Ritter sah jedem der Versammelten direkt in die Augen, in ihre Herzen. Ihm war klar, dass sie nie wieder so vereint sein würden wie jetzt. Mit der Zeit würden einige einknicken, oder sich gar ebenfalls blenden lassen. Er musste sie alle zusammen halten, sonst wäre Schlotz verloren und dem Baron bedingungslos Ergebene, wenn nicht gar ehemalige Kriegsfürsten, würden ihre Junkerngüter übernehmen. Traviahold trat ins Zentrum der Adligen, um sie zu überzeugen wie wichtig ihr baldiges handeln war. Seine Rede wurde mitreißender, wie damals bei der Gründung des Schlotzer Schutzbundes, des Bundes des Alten Schlages.

„Wir müssen dem Baron entgegen treten, in die Trollburg eindringen und ihn in seinem Thronsaal stellen! Ja wir sind vor den Göttern verpflichtet hierzu! Wir müssen zusammen halten und den größten Kriegsfürsten der Baronie zu Fall bringen! Je mehr Zeit verstreicht, desto mehr Verbündete wird mein verdammter Vater sammeln und das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen einen Weg in die Trollburg finden ohne alle dabei aufgerieben zu werden, und ohne dabei alle zwanzig Burggardisten töten zu müssen! Und wenn die Firnsjöner uns entgegen treten, was sie früher oder später wohl werden, dann müssen wir sie von ihrem falschen tun überzeugen, oder sie werden zusammen mit dem Baron untergehen! Lasst uns zusammen einen Weg finden, einen Weg bei dem nur das aller nötigste Blut fließt. Einen Weg, der die Baronie befreien wird!“ Traviaholds Rede wurde immer mitreißender, denn seine Worte sprachen die Wahrheit. „Wir haben zusammen Siebeneichen gerettet!“ Jetzt schaute er Praiosmin direkt in die Augen. „Wir haben Firunsfelde befreit!“ Sein Blick traf Gerbold von Zwölfengrund. „Wir haben alle zusammen Seite an Seite gekämpft und gefochten!“ Dabei fiel sein Blick auf Anshag und Storko. „Und nun werden wir Schlotz selbst befreien! Vereint, Seite an Seite werden wir Siegen!“ Fast war es als hätte der Wutzenwald selbst die Luft angehalten, während Traviaholds flammender Rede.

Praiosmin war noch lange nicht überzeugt. Ihre Klinge nahmen sie gerne, doch ansonsten machten sie ihre eigenen Pläne. Doch sie hörte zu, ihre Heimat wollte sie auf keinen Fall an einen verbrecherischen Mann verlieren.

„Bedenkt“, warf Storko von Gernatsborn in den Raum „umso länger wir warten umso mehr wird auch der Schlotzer Baron seine Ränke schmieden und uns bei anderen anschwärzen. Wir sollten lieber alsbald handeln. Einer der nächsten Nachbarn ist Wolfhelm von Pandlarin-Bregelsaum, Burgherr zu Hallingen und euer Lehnsherr Anshag, wenn er genauso rechtsliebend ist wie sein Sohn, so wird er gewiss nicht auf der Seite Tsafrieds stehen, sofern er unserer Anschuldigungen gewahr wird? Aber wie gesagt, wir sollten zuerst versuchen es unter uns Schlotzern zu regeln. Welche Unterstützung hat der Baron? Ein paar Waffenknechte und ein, zwei verbliebene Dienstritter, dann diesen Ritter von Ehrenforst und natürlich seine verwandten Firnsjöner. Wenn wir Schnayttach angreifen würden, dann hätte er auch die gesamte Landwehr des Ortes, genauso wie wenn wir in einer offenen Feldschlacht streiten würden. Doch das Volk ist wankelmütig und Sieghelm ist ein aufrichtiger Ritter, der sicherlich nicht vorbehaltlos seinem Neffen im Kampfe gegen andere Schlotzer beistehen würde, wüsste er von der wahren Natur Tsafrieds. Wenn man ihm eine Botschaft von einem leumündigen Freund überbringen könnte... und dann, Junker Gerbold, wie ich weiß entstammt ihr einem sehr alten Adelsgeschlecht das den Wutzenwald, seine Pfade und Geschöpfe gut kennt. Diese billigen es gewiss nicht einen Baron an ihren Rändern zu haben, der sich mit dem Bösen zusammen tut. Gibt es nicht Wege die uns sicher und ungesehen durch den Wald geleiten können, ja und gar solche die nach Schnayttach oder in die Burg Schlotz selbst führen, in Phexens Namen, sofern wir den Geschöpfen des Waldes, den Wutzen, Respekt zollen?“

„Der Burggraf würde Marschall und Reichsgericht einschalten, gleiches gilt wohl für den Rosenbuscher, wenn sie uns den glauben würden.“ Kommentierte Gerbold knapp die Debatte über die Nachbarn. „Ihr habt Recht, Wohlgeboren. Mein Haus ist alte und länger mit Schlotz verbunden, als jedes andere Haus. Daher muss ich Euch auch leider Wasser in Euren Wein gießen. Ihr nennt das Volk wankelmütig. Glaubt mir, es ist vieles, doch das mit Sicherheit nicht. Tsafried war ihnen immer ein guter und gerechter Herr. Für einen Mann wie ihn, würden sie bereitwillig kämpfen. Und die, die es nicht aus Verbundenheit oder Treue täten, täten es aus eigenem Interesse.“ Einmal mehr musterte er die beiden jüngeren Junker. „Was schätzen sie wohl eher, einen Herrn der die Zügel locker lässt oder einen schneidigen Wehrheimer, der forsch voranschreitet? Oder einen Ritter, der immer an den nächsten Kampf zu denken scheint, anstatt sich nur um Schlotz zu bemühen?“ Der Junker hob beschwichtigend die Hände, wollte er doch niemanden beleidigen. „Das Volk hat vor allem eines, große Opfer gebracht. Oger, Ork, Bethanier, seit Jahrzehnten herrscht Kampf und Krieg und sie sind stets ihrer Pflicht gefolgt. Vor allem die Schnayttacher, wo es mehr Freie gibt, als in jedem anderen Ort in der Baronie. Sie wählen das, was ihnen am wenigsten Kummer machen wird.“

„Ihr sprecht von Sieghelm, meinem alten Freund. Freunde das sind wir, doch wenn er sich zwischen mir und seiner Familie entscheiden müsste, er würde die Familie wählen. Sieghelm würde uns kaum glauben und selbst wenn er es täte. Treue ist einer seiner bestimmenden Charakterzüge. Gerade aus diesem Grund lieben ihn seine Untertanen und ist er ein so guter Freund und Kamerad. Ihr wollt in Burg Schlotz eindringen, gut. Wege gibt es, das ist wahr. Doch ehe ich nur erwäge, dass sie gegangen werden, frage ich, was wollt Ihr erreichen?“ Nun war er es, der die Anwesenden eindringlich anblickte. „Legt Euer Boltanblatt offen auf den Tisch. Gesetz den Fall der Baron wird gestellt und findet den Tod. Was dann?“ „Gewiss“ antwortete Storko mit freundschaftlicher Miene „ich will meine Gedanken mit Euch allen teilen. Nun, eines liegt auf der Hand, der Baron kann nicht weiter in Schlotz herrschen wenn Frieden einkehren soll. Wenn wir Tsafried Habhaft werden könnten und er sich reuig zeigt, sodass er abdankt, dann würde zumindest ich Gnade vor Recht walten lassen und ihn dem Gericht oder dem Kloster übergeben, sodass die Sünden von seiner Seele rein gewaschen werden können. Doch wenn er sich weigert, sich wehrt und alles abstreitet, so ist der Tod im Kampf die einzige Lösung. Aber eure Frage Junker Gerbold zielte so denke ich wohl eher darauf ab was mit Schlotz in Zukunft passieren soll, wer es leiten soll, ja regieren soll. Nun, wer hat denn immer schon die größte Last im Schlotzer Land getragen und wer hat es in diesen Zeiten von den eingedrungenen Feinden befreit? Wir, die Landadligen der Baronie. Und deshalb sollen wir in Zukunft auch unseren Lohn erhalten, das erhalten was uns für unsere Mühen gerechter weise zusteht. Deshalb sage ich, dass was es die inneren Angelegenheiten des Schlotzer Landes betrifft ein Schlotzer Rat die Entscheidungen treffen sollte, ein Rat aus den Landadligen, aus uns, jeder landbesitzende Ritter, Junker oder Edler soll eine gleiche Stimme besitzen. Dies wäre nichts Neues, denn so wie der Reichskongress ein Rat der Adligen des Reiches ist soll der Schlotzer Rat ein Rat unserer Baronie sein. Den Zehnten als Abgabe an den Baron könnten wir uns zum Beispiel erlassen und das Volk kann mit weiteren Erleichterungen in den Fragen der Steuern und Abgaben auf unsere Seite gezogen werden. Ihr habt doch gesagt, dass die Schlotzer denjenigen unterstützten der ihnen den geringsten Kummer macht. Damit können wir ihr Vertrauen finden, denn wenn sie weniger Steuern zu zahlen haben dann sind ihre Mägen besser gefüllt, ihre Krüge voll und die Geldbeutel schwerer.“ Er machte eine Pause um kurz zu überlegen. Jedenfalls schien es so, denn in Wahrheit hatte er es sich schon weitaus früher ausgesonnen was er weiter sagen wollte. Nach der rhetorischen Pause fügte Storko weiter hinzu: „Die Frage ist aber wer sollte nach Außen hin die Baronswürde erhalten, nach Innen hin aber dem Schlotzer Rat verpflichtet? Er sollte aus unseren Reihen stammen, ansonsten würde er wohl die Niederadligen wieder abwerten, und er sollte eine gewisse Legitimität zur Baronswürde mitbringen.“ Noch einmal grübelte er einen Moment. „Ja aber, Traviahold ihr seid doch ein Sohn des Barons wie wir alle wissen – mit euch wäre eine gewisse Kontinuität in der Erblinie erhalten? Andererseits wie sieht es eigentlich mit den Kindern Tsafrieds aus, weiß jemand von den Anwesenden hierbei Näheres, hat der Baron Kinder und wer stünde in der Erblinie?“

„Ein Rat soll herrschen? Sind wir den Thorwaler Barbaren?“ Praiosmin gefiel das gehörte gar nicht. Sicher ein Baron hatte oft einen Rat der Edlen oder ähnliches. Auch die Kaiserin ließ sich vom Reichskongress beraten, doch letztlich hatte einer zu entscheiden. So war es die göttliche Ordnung. „Da mache ich nicht mit“, sagte sie energisch. „Es gibt es eine vom Götterfürsten und den übrigen Zwölfen gewollte Ordnung. Nicht der Niederadel herrscht, sondern der Hochadel. So war es und so soll es sein.“

„Gewagte Worte, Wohlgeboren“, fügte Gerbold schmunzelnd ein. „Wenn wir Euren Worten folgen würden, müsste dann nicht sogar das einfache Volk herrschen? Tragen sie doch die größte Last in diesen Landen.“ Der Junker machte eine kurze Pause, um seinen Schluss wirken zu lassen. „Ihr stellt da Dinge in Frage, die man lieber auf sich beruhen lassen sollte. Auch wäre ich der letzte, der sich gegen weniger Abgaben wehren würde. Doch der Zehnt ist zu zahlen und kann nicht erlassen werden. Sicher, wir würden nicht zahlen, doch der Baron müsste es dann anderweitig aufbringen. Das Reich und auch das Königreich werden keinen Verzicht üben. Wer würde die Last aber tragen? Das Volk, das sich schnell an die Tage zuvor erinnern würde. Ich will Euch nicht beleidigen, noch Euch zu nahe treten. Allein, Euer Lehen ist klein. Wenn Ihr über so viele Männer und Frauen gebieten würdet, wie es meine Familie schon seit Jahrhundert tut, dann würdet Ihr es sicher ähnlich sehen.“

„Ihr habt offen gesprochen und das schätze ich. Ich will es ebenso halten.“ Gerbolds Blick ruhte nun wieder auf Traviahold. „Es ist wider den Geboten des Götterfürsten und den Gesetzen des Reiches, wenn der Junker von Schattenholz Baron würde. Es steht ihm nicht zu. Selbst wenn der Baron nicht drei Kinder hätte. Selbst wenn das Haus Firnsjön komplett ausgelöscht wäre. Er bliebe stets ein Bastard. Kaum ein Adliger würde Euch akzeptieren. Ihr würdet sie stets daran erinnern, dass Geburtsrecht nichts zählt. Wer würde ihnen garantieren, dass Ihre Söhne und Töchter ihnen folgen, wie sie ihren Eltern folgten. Wie es seit jeher Brauch und Sitte ist?“ Gerbold kannte den Adel Wehrheims nur zu gut. Sie waren den Traditionen bis ins Mark verhaftet. Ihr Stand zählte ihnen alles und die Gebote Praios und Travias stellten sie voran. „Würden sie Euch akzeptieren, dann könnten sie die nächsten sein. Nein, ihr würdet den Adel der Grafschaft so vereint sehen, wie selten einmal. Sie würden am Kaiserhof gegen Euch vorgehen und die Kaiserin könnte gar nichts anders, als ihnen nachzugeben. Denn gegen den gesammelten Adel der Region wird sie hier nie den Frieden erhalten, den sie braucht.“

„Recht so. Offen heraus will auch ich sein.“ Die Siebensteinerin hat schon bei den Worten des Junkers immer wieder zustimmend genickt. „Gegen einen Baron, der Recht gebrochen hat, bin ich gewillt zu handeln. Doch ich werde mich selbst nicht gegen Recht und Ordnung stellen. Auch wenn die Linie mit ihm ausgelöscht wäre, Euch könnte ich als Baron nicht unterstützen.“ Auch Praiosmin war zu sehr Tochter der Grafschaft, als das sie gegen alte Traditionen würden handeln können.

Der Schattenholzer hatte genug gehört. Sie waren zu weit gegangen! Genauso wie er das gemeine Volk mitreißen und beflügeln konnte, vermag dieser Haufen uneiniger Niederadliger ihn zu demotivieren. Der große Ritter trat aus der Mitte in der er nichts verloren hatte, blieb aber genau zwischen Gerbold und Praiosmin stehen, die er beide abwechselnd anblickte. „Und IHR, erinnert mich stets daran, dass Taten im Neuen Reich NICHTS bedeuten! Einzig und allein Abstammung und Blut zählen in euren Reihen, und möge man ein noch so unfähiger, schwacher Narr sein!“ Nun ließ der Bastard aus dem Wutzenwald alle Etikette fahren, er hatte nicht weiter vor so zu tun, als wäre er Gast an einem verdammten Bankett, dem man hier und da einen Knochen zu warf. Sein Blick blieb bei Praiosmin stehen. „Und EUER Blut wäre es auch, in dem ihr jetzt liegen würdet, hätte nicht der Bastard-Abschaum der Baronie, euer Gut und Blut gerettet!“ Dann schaute er wieder zu Gerbold. „Und IHR, wo wart IHR, als WIR anderen in Firunsfelde geblutet haben? WO? Dieser BUND bedeutet NICHTS, denn er ist nicht EINIG! Ich werde mein BLUT und das meiner Männer nicht länger für EUCH vergießen – DENN ES IST JA DÜNNER UND WENIGER WERT ALS DAS EURE!“ Mit diesen Worten zertrümmerte der Schattenholzer einen am Baum lehnenden Schild mit nur einem Tritt! Mehr hatte er nicht zu sagen. Er war es leid so zu tun, als würde in dieser Baronie, in dieser Mark, Recht und Gesetzt herrschen. Als könne man jedes Anliegen der Kaiserin vortragen, als bräuchte man nur zu rufen und der Marschall der Mark, oder sonst ein hochadliger Baron kämen herbei! Pah! Die Reichssoldaten unter Ludalf von Wertlingen waren größere Verbrecher, als alle Männer seiner Schwarzen Lanze zusammen! Und die Kaiserin hatte sie im Stich gelassen, Darpatien aufgelöst, und war verdammt nochmal nicht da. Traviahold ging jede Wette ein, dass nicht einer der hier versammelten Adligen auch nur den Weg zur Kaiserin überleben würde, durch ihr Darpatien, in dem angeblich alle Hochadligen zusammen halten würden, würde er den Thron von Schlotz besteigen. Dabei nehmen sie sich nur eine Baronie weiter gegenseitig ihre Burgen weg und verdingen sich als Raubritter, die sich gegenseitig belauerten. Hier herrschte Elend, Rauch und Waffenhall! Die Stadt des Lichtes selbst war gefallen und somit die Ordnung! Traviahold ging aus dem Licht des Feuers, wie er sich von Praios selbst abwandte, wandte sich von den anderen ab, und trat hinaus in die Finsternis, in der seine Schwarze Lanze wie ein Mann aufstanden. Er hatte genug gehört!

Die Schwarze Knappin war angespannter denn je, so war doch ihr eigenes Schicksal mit dem ihres Ritters verknüpft. Sie erkannte dass gerade in diesem Moment alles auf des Messers Schneide stand – einer sehr gefährlichen Schneide. Aber sie verstand ihn. Es gab für ihren Ritter in diesem Land nichts zu gewinnen, im Grunde hatte er schon verloren, und zwar ab dem Zeitpunkt seiner Geburt. Er wusste das auch, hatte es aber verdrängt, genauso wie seine Herkunft. Sie verstand es deshalb so gut, weil sie, seit dem sie von ihm ausgebildet wurde, viel mitbekommen hatte. Sie hatte selbst gesehen, dass viele andere Adlige, denen sie begegnet waren, Traviahold mit einer gewissen Geringschätzung betrachtet hatten. Alles was er sagte und was er tat wurde grundsätzlich in Frage gestellt, ganz so als hätte es von Beginn an weniger Wert und Gewicht. Er musste stets besser sein als alle anderen, und selbst das war nie ausreichend genug. Und nun kam die Tatsache hinzu, dass sein eigener Vater, dessen Lüge er gelebt hatte, ihn beseitigen wollte, wie etwas, das keinen Nutzen mehr hatte, etwas das in dessen Augen zu unberechenbar geworden war. Gar das Schicksal selbst hatte ihn mit seinem Namen verspottet - Traviahold, der als Bastard ausgerechnet den Namen der Göttin der ehelichen Liebe und der Familie, trug. Und Praios, dessen Licht ihm schadete, so bald er es erblickte. Bisher hatte er alles ertragen und der Düsternis getrotzt, die ihn täglich zu verschlingen trachtete, die versuchte ihn auf seine Seite zu ziehen, um ihn zu denjenigen zu machen die er so verbittert jagte. Sie kannte seinen täglichen Kampf. Sie würde nicht einfach zusehen, wie der Mann den sie liebte fallen würde. Die Schwarze Knappin bot all ihre Kraft auf, und packte Traviahold aus dem Wutzenwald am Arm um ihn aufzuhalten. Der Schattenholzer hielt inne, blickte erst auf ihren Arm, wie etwas das er abhacken wollte und dann in ihr Antlitz. Sie sah ihn an und sagte – nichts. Ihr eiserner und zugleich beherzter Griff sagte mehr als alle Worte die ihr in diesem Moment hätten einfallen können. Die Schneide war noch immer scharf.

Anshag folgte der Diskussion aufmerksam. Als Traviahold gehen wollte, wollte auch er ihn aufhalten, doch kam die schwarze Knappin ihm zuvor. Er blieb also bei Traviahold stehen.“Ich weiß, dass es schwer für Euch ist, Traviahold. Wir kennen uns noch nicht allzu lang und doch sehe ich Euch mittlerweile als Freund. Bitte nehmt meinen freundschaftlichen Rat an, auch wenn er nicht das ist was Ihr nun hören wollt. Gegen den Baron zu ziehen, um ihn vom Thron zu vertreiben kann nicht von Erfolg gekrönt sein. Er hat mehr als doppelt so viele Leute unter Waffen wie hier versammelt sind, die wir, wie wir uns einig waren nicht töten wollen. Doch was bliebe uns denn übrig, wenn sie sich zwischen uns und den Baron stellen? „ Anshag machte eine kurze Pause „Was der Baron getan hat, spottet jeder Beschreibung und ist wieder die Lehren der Götter, doch Blut lässt sich nicht mit Blut abwaschen! Wir sollten uns zurück ziehen. Nicht für immer, dass ist klar, doch für einige Zeit. Zu wenig wissen wir über die momentane Lage in Schnayttach, zu wenig über das Waffenvolk welches der Baron mittlerweile ausgehoben haben könnte. Ziehen wir jetzt gegen den Baron, so ist es unser aller Verderben. Ich will nicht sagen, dass wir Unrecht akzeptieren sollen aber ich sage die Götter haben einen Plan, auch wenn er uns zuweilen ungerecht scheint, sollten wir nicht den Fehler machen die Götter als Ungerecht zu bezeichnen, sondern abwarten, wie sich die Wege der Götter entwickeln. Nie ist jemand ungeschoren davon gekommen, der sich mit den Mächten der Finsternis eingelassen hat, auch wenn es manchmal Zeit brauchte. Ich bitte Euch als Freund, lasst uns noch ein wenig warten. Euer Herz ist voll von gerechtem Zorn, doch auch der gerechte Zorn kann einen in den Untergang führen, so man ihm planlos folgt. Wie auch immer Ihr Euch entscheiden werdet, solltet Ihr trotzdem wissen, dass ich mich als Euer Freund sehe, ein Waffenbruder, doch bei einem Sturm auf Schnayttach, werde ich nicht an Eurer Seite stehen können, denn mein Leben wäre verwirkt, sobald ich nach Hallingen zurück kehre. Wie könnte der Burggraf einen Gefolgsmann bei sich dulden, der einen Baron ohne für ihn ersichtlichen Grund gestürzt hat? Ich muss auch an Gernatsau denken, dass Land und auch den Namen meiner Familie, auch wenn mir das Herz schier bersten mag, wenn ich daran denke Euch nicht helfen zu können. Diese Schicksalsnacht ist schwer, denn egal welche Entscheidung getroffen wird, es wird über den Frieden der gesamten Region entscheiden. Was ich Euch raten kann ist, zieht zum Kaiserhof und erbittet eine Audienz bei der Kaiserin. Sie ist es, welche entscheiden kann auch einen Niederadligen zu einem Hochadligen zu machen und ihrem Ratschluss wird man sich beugen. Lasst Gericht halten über den Mann, der sich mit den Dienern der Finsternis einließ aber ich bitte Euch inständig, verwirkt nicht Euer Leben, indem Ihr mit nichts außer diesem Brief in das Herz der Verschwörung reitet.“ Anshag war während des Gesagten erstaunlich ruhig und sachlich und doch merkt man ihm an, dass er jedes Wort so meinte wie er es gesagt hat. Sein Gesicht war traurig, als er Traviahold die Hand auf die Schulter legte, ihm zunickte und er sich wieder ein wenig zurückzog und Timshal sagte, dass er die anderen wecken sollte, den so oder so, es würde nun bald eine Abreise erfolgen.

Während den gewaltigen Ausführungen Traviaholds war Storko in seine Gedanken gekehrt. Da hat der Niederadel einmal die Chance aus sich etwas zu machen, ja ihre Stellung zu erhöhen, ihrer Mitsprache Gewicht zu verleihen, aber diese bornierten Ritter wollten diese Möglichkeiten, Phex damit verachtend, einfach nicht nützen; wie er doch insgeheim dieses alte Rittertum und ihre kurzblickenden abgelaufenen Werte und Ordnungsmodelle verachtete. Immer wieder war von Blut die Rede, aus Blutbanden entstand oft nichts, nein Taten sollten belohnt werden. Nun gut, es lief Gefahr, dass diese Aktion an Uneinigkeit zerbrechen könnte. Sollte der Baron Tsafried nicht besiegt werden und seine Anschuldigungen gegen Traviahold und ihn weiterhin aufrecht erhalten können, so wäre er ein Geächteter, doch solange er nicht gefasst wäre, so könnte er ja auch noch immer nach Wehrheim zurückkehren und dort seinen Dienst im Offizierskorps wieder antreten. Doch das war eher die letzte Option. Ganz und gar nicht wollte er sein, zumal durch Glück und Zufall ererbtes aber erträgliches, Lehen Gernatsborn wieder aufgeben, gerade nachdem er hohe ins Hause Mersingen eingeheiratet hatte und die Aufnahme in jenes nur eine Frage der Zeit war, jedenfalls nur insofern er mit reiner Weste aus dieser Sache hinaus kam.

Der Gernatsborner wandte sich noch während Anshag mit Traviahold sprach den anderen Schlotzern zu. „Also ich habe euch frei heraus gesagt wie ich es mir in Schlotz nach einem Sturz Tsafrieds ausmalen würde, es waren meine ehrlichen und aufrichtigen Worte, ich hoffe ihr werdet es mir nicht übel nehmen. Ihr seid nicht einverstanden, gut, nun will ich hören was euch Junker Gerbold und Ritterin Praiosmin in den Sinn kommen würde, zumal ihr die Barönlich-Schlotzer Familie und ihre Banden weit besser kennt. Aber eines möchte ich noch anmerken: Wir haben hier während der Befreiung von Schlotz unsere Leben und unsere Männer und Frauen aufs Spiel gesetzt und jetzt noch obendrauf wird unsere Ehre und unser Leumund auf Gröbste obendrauf belastet. So meine ich, wer auch immer in den folgenden Zeiten in Schlotz herrschen wird der oder die wird uns entschädigen müssen, denn bisher hat sich der Schlotzer Herrscher nur zum Nachteil der Lande eingesetzt und wie haben seine Arbeit geleistet. Und Junker Gerbold, ich verstehe nur zu gut, dass wir ohne Eure Unterstützung annähernd ohne Wahrscheinlichkeit wären erfolgreich gegen den Baron anzugehen, denn nur ihr scheint die geheimen Wege zu kennen die durch Wald und Fels inmitten der Burg zum Baron führen. Nun sagt das Eure, was schwebt in Eurem Geiste? Denn wir sollten zu einer Einigkeit kommen, ansonsten werden wir alsbald eigene Wege gehen, und das wird den Schlotzer Landen weder zum Frieden noch zum Vorteil gereichen.“

Gerbold fühlte sich bestätigt von Storkos Worten und der Explosion des Schattenholzers. Soweit er sich erinnern konnte, war dies das erste Mal, dass Storko oder Traviahold wahrlich die Meinung anderer hören wollten. Bisher hatten sie noch stets eine vorgefasste Meinung und dann hieß es, für uns oder dagegen. Tsafried hatten beide offenbar schon vor langer Zeit entmachten wollen. Als wahrhaften Bund von gleichen, hatte er es bislang jedenfalls noch nicht wahrgenommen. „Warum sollte ich Eure Worte übel nehmen? Ich sprecht frei heraus und das tue auch ich.“ „Ich könnte Euch hier und heute verlassen. Würde ich berichten, was hier gesprochen wurde, es wäre Euer beider Ende. Ihr sprecht von Taten, die mehr den Abkunft und Stand zählen sollten. Ihr sprecht von Forderungen für Taten, die Ihr mit Eurem Lehnseid geschworen habt. Dem Baron wäre es bei alldem ein leichtes, Euch damit zu Fall zu bringen. Ich müsste noch nicht einmal etwas fordern, denn Kahirswalden bot mir seine Hochgeboren schon und ich schlug es aus. Ich handele als Ritter und weil ich dieses Land liebe. Mir steht der Sinn nicht nach Belohnung. Wenn ich meine Bedenken äußere, dann mag Euch die Botschaft nicht gefallen.“ Der Junker drehte sich nun auch Traviahold zu. „Doch zerschlagt Ihr den Spiegel, wenn Euch nicht gefällt, was Ihr seht?“

Storko versuchte sich kurz zu erklären: „Hätte der Baron zur Befreiung gerufen wäre ich wahrlich gefolgt, er tat es aber nicht. Er regierte fahrlässig und unumsichtig, sowie wie wir nun wissen böswillig – ja ich hatte den Lehnseid geschworen, doch mit seinem Handeln hat er seine Lehenspflicht gebrochen. Wir mussten den Kampf gegen die Feinde selbst in die Hand nehmen. “

„Ihr wollt wissen, was ich möchte? Gut. Tsafried muss gestellt werden. Es wird an ihm sein, wie es endet. Doch an seinem Tod wird kein Weg vorbei führen. Mir ist allein wichtig, dass nicht die zu Schaden kommen, die ihm in Treue folgen. Ich kämpfte gegen Answin. Doch habe ich schon damals keinen Sinn darin gesehen, die zu verdammen, die nur ihrem Eid folgten. Doch wenn Tsafried gefallen ist, dann gibt es eine Erbin und ihr gebührt zu herrschen.“ Er machte eine Bewegung, die die Landschaft um sie herum umfasste. „Schlotz wird dann neu zu ordnen sein. Lehen sind neu zu vergeben und Wunden müssen geheilt werden. Wie das geschieht, es liegt bei Ihr. Ich werde Ihr meinen Rat anbieten, wie ich es auch bei ihrem Vater tat. Wenn sie weise ist, dann wird sie diesen Rat und den der anderen Adligen suchen. Doch habe ich weder den Ehrgeiz nach Höherem, noch werde ich diesen bei anderen auf Kosten von Schlotz hinnehmen.“

Praiosmin legte dem Junker die Schwerthand auf die Schulter und nickte ihm zu. „Ich stimme Euch vom ganzen Herzen zu. Das sollte Euch als Antwort genügen, Wohlgeboren.“ Mit diesen Worten drehte sie sich zum Schattenholzer. „Traviahold, ich bin Euch und den anderen dankbar und Euer Blut schätze ich nicht gering. Doch ebenso, wie Ihr nicht Baron werden könnt, kann ich nicht nach der Grafenkrone greifen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich dachte Ihr habt als Ritter gehandelt, als ihr nach Siebeneichen kamt. Hörte ich nur Eure Worte, man könnte meinen, es ginge Euch einzig um Macht und Rang. Der Mann den ich erlebte, ist das jedoch nicht. Hab ich mich so in Euch geirrt?“ Praiosmin bekam keine Antwort vom Schattenholzer. Schon wieder wollte ihm jemand den Platz in seinem Leben weisen, ihm sagen was er könne und was nicht. Praiosmin's Worte waren wie Öl, das sie ins Feuer goss. Aber ihre Worte konnten ihn nicht weiter verletzen, denn sie bedeutete ihm nichts mehr. Traviahold hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Er spürte die Fesseln die ihn banden und umgaben. Er ging zu seinem Streitross und tauschte seine leichtere Ogerschelle gegen seine schwerere Ochsenherde, die eine Dornenkugel mehr aufwies und hängte sich diese schlag bereit über seine rechte Schulter. Dann stellte er sich neben Storko von Gernatsborn und stemmte seine Linke in die Hüfte, wobei der Dorn seines Panzerarmes gefährlich Abstand. Einzig die Tatsache, dass er seinen schweren Drachenschwingen-Topfhelm unterm rechten Arm trug, deutete darauf hin, dass er nicht gleich zuschlagen würde.

Traviahold stand nun mit schwer gerüsteten Waffen neben Storko, was entweder aufgrund von Kampfgeist oder Aufrührerwillen zu schließen war, aber immerhin schien er seine Wut gemäßigt zu haben und stand möglicherweise gesprächsbereit da. Sie wussten nun die Meinung von Gerbold und Praiosmin, und wussten von ihren Plänen, die so wie es schien im Moment nicht zu verwirklichen waren. Ihr Streben nach ‚Höherem’ wie es Gerbold ausdrückte war derweil verwirkt. Mit dem kampfstarken Ritter an der Seite wollte Storko die Verhandlung nun zu einem Konsens, einem Ende führen: „Die Karten sind somit aufgedeckt, und eines steht fest. Wir haben einen gemeinsamen Feind. Tsafried wird nicht weiter in Schlotz herrschen dürfen. Ich beuge mich eurem weisen Rat“ – wobei er das nicht ohne etwas seltsam anmutender Schmeichelei sagte – „wenn es eine direkte Erbin im Schlotzer Baronshaus gibt und diese tatkräftig, fähig und gerecht herrscht und diese belohnt die sie unterstützen, so soll sie den Thron besteigen.“ Dies zu sagen war in Anbetracht der Gegebenheiten die bestmögliche Option. „Wenn ihr uns, Gerbold, verborgener weise nach Schlotz bringen könntet, ohne dass wir Tsafrieds Rittern und treuen Vasallen im Kampfe auf dem Feld oder vor den Toren gegenüberstehen müssen, direkt zum Baron, so wäre nur das Blut desjenigen zu vergießen der Schuld trägt - Unschuldige würden nicht daran leiden.“

Dieser Kerl hatte reichlich Ehrgeiz, soviel stand fest. „Nur damit wir uns richtig verstehen, Wohlgeboren. Akzeptiert Ihr die Erbfolge?“ Ohne eine klare Antwort wäre er nicht gewillt, ihnen zu helfen. Bisher hatte er dies noch nicht gehört. „Das ist der entscheidende Punkt. Ob der oder die, die in ihr dem Baron folgen, den Thron besteigen, ist nicht an uns zu entscheiden. Wenn wir uns hierin einig sind, dann können wir uns über einen Weg in die Burg unterhalten.“

„Haben meine Worte etwas Gegenteiliges anklingen lassen?“ Mit einer Geste der Verwunderung und zugleich Verlegenheit breitete Storko seine Arme aus. Hielt man ihn für einen solchen Boltanspieler – womöglich zurecht – doch an Versprochenes hielt er sich, gewöhnlich. „Es soll so sein wie ihr sagt, Junker Gerbold, wie die Erbfolge es nach den Gesetzen des Praios verlangt. Das wolltet ihr doch hören.“ Er schaute zu seiner Rechten den großen Ritter neben ihm an. „Traviahold, ihr stimmt auch zu.“ Es war weniger eine Frage als eine Zustimmung, denn etwas anderes blieb ihnen nicht übrig, und so waren seine Worte von einer Mimik und einem Tonfall der Bedrückung und Beschwichtigung begleitet. Argwulf Eisenhagel, der Waffenknecht des Schattenholzers, hatte sich während dem Gespräch der Adligen langsam weiter in die Dunkelheit zurückgezogen und heimlich seine Position gewechselt. Als er sah, dass sein Herr die Ochsenherde raus geholt hatte, musste er mit dem Schlimmsten rechnen. Mit gespannter Eisenwalder-Armbrust zielte er auf einen der beiden Schützen des Zwölfengrunders. Währenddessen lauschte er den Geräuschen des Waldes – des Wutzenwaldes. Schon oft hatte er diesen Wald besucht, um dem „Gott des Waldes“ zu lauschen. Er hatte seinem Herrn nie davon erzählt. Er hatte niemandem davon erzählt. Das rascheln des Laubes, das knarren der Bäume und die Laute der Tiere formten geflüsterte Worte, die nur er hören konnte. Argwulf war bereit. Man hatte seinem Herrn eine Frage gestellt, eine wichtige Frage. Dann hörte er dessen Antwort, obgleich er sich nicht sicher war, was sie bedeutete.

„Da ihr ja so viel wert auf Blut legt, hört meine Antwort: So lange die Königin von Darpatien nichts anderes verlauten lässt, akzeptiere Ich nur mein eigen Fleisch und Blut in der Erbfolge und als Herrscher über Schlotz!“ War da eben nicht ein kurzes Aufblitzen gewesen? Offenbar zielte nun auch jemand auf Argwulf. Es war wie der Zwölfengrunder gesagt hatte, er war nicht ohne Schutz gekommen. „Wenn das Eure Sicht der Dinge ist, dann haben wir wohl ein Problem.“ Gerbold zuckte mit den Schultern. „So können wir uns nicht einig werden.“

Traviahold verlagerte sein Gleichgewicht. „Ist das so?!? Dann sind also Haldana von Schnayttach-Binsböckel, meine Halbschwester nicht von meinem Blute? Und auch in Travian von Schnayttach-Binsböckel, meinen missgebildeten Halbbruder, fließt nicht das gleiche Blut wie in meinen Adern? Genauso wie in Geron von Schnayttach-Binsböckel, dem Taugenichts? Sie stehen in der praiosgewollten Erbfolge!“ Es war so als ob der Wald den Atem anhielt, während die Waffenknechte, Soldaten und Söldner um sie herum mit dem Kettenrasseln anfingen und sich mehr oder weniger gegenseitig belauerten.

„Dann bitte ich um Entschuldigung, Wohlgeboren.“ Er deutete eine leichte Verbeugung an. „Ich habe Euch wohl missverstanden, dachte ich doch Ihr sprecht nur von Euch und möglichen Nachkommen. Die Erbfolge, sie ist was zählt.“ „Nun denn, so haben wir ja einen Entschluss gefunden“ fasste Storko zusammen während er seine Hände aneinander rieb. „Es gilt einen gemeinsamen Feind zu stürzen, Schlotz von einem Tyrannen zu befreien.“ Er machte eine Pause und wandte sich Anshag von Sturmfels, der nun etwas abseits stand, zu. „Doch bevor wir uns über die Pfade in die Burg beratschlagen, wollte ich wissen Ritter Anshag, wie ihr nun zu unserer Sache steht. Wir können jeden starken Waffenarm im Kampfe um die gerechte Herrschaft und für die Ordnung des Reiches brauchen, und ihr habt, bei Rondra, dies mehrfach unter Beweis gestellt – wir würden euren Anschluss wahrlich groß schätzen. Doch wenn ihr euch entschließet nicht weiter mit uns streiten zu können, denn dies ist eine Sache der Schlotzer Innenpolitik und ihr müsst auch euch um euren eigenen Ruf, euer eigenes Haus bangen, so würde ich euren Abzug gewiss verstehen. Sagt, werter Ritter Anshag von Sturmfels, wollt ihr uns weiter folgen den ungerechten Herrscher zu stellen?“ Anshag blickte von einem zum anderen. Vor allem an Praiosmin blieb sein Blick einige Momente hängen, bevor er tief durchatmete. „Gerechtigkeit ist keine Frage der Baronie.“ sagte er mit fester Stimme „Wenn Unrecht herrscht in Schlotz, wie könnte ich Hallingen besser beschützen als dieses auszumerzen? Ja ich werde an Eurer Seite stehen und doch werde ich mich im Hintergrund halten, wenn es um Gespräche geht, denn der Ruf meiner Familie soll nicht leiden, wenn ich etwas tue, was dem nicht Aufgeklärten frevlerisch erscheint. Ich bitte Euch deswegen mich im Laufe dieser Zeit nur noch bei meinem Vornamen zu nennen.“

„Eure Worte erfreuen uns, wir sehen eure Unterstützung als großen Gewinn.“ Storko bedankte sich in Richtung des Sturmfelsers mit einer angedeuteten Verbeugung. Dann wandte er sich den Schlotzern zu: „Nun, Junker Gerbold, wir haben uns geeinigt. Bisher hieltet ihr euch bedeckt, doch wie sieht es mit jenen verborgenen Pfaden die wir gehen können in den Schlotzer Landen aus?“

„Es ist Eure Entscheidung, Anshag“, ergriff jedoch zunächst Praiosmin das Wort. „Doch wollen wir handeln, weil wir im Recht sind. Wenn wir unsere Namen verbergen, dann machen wir es unseren Feinden nur umso einfacher.“ Sie trat einen Schritt in seine Richtung. „Auch wenn es nicht viel zählen mag. Wenn Ihr Eurem Herrn berichtet, ich werde für Euch bürgen. Mit meinem Namen werde ich vor Praios schwören, wenn es nötig ist.“ Anshag nickte Praiosmin mit einem dankbaren Lächeln zu. Man sah Anshag an, dass er innerlich hin und her gerissen war und der sonst eher lebhafte und zu Scherzen aufgelegte Ritter war in diesem Moment sehr nachdenklich und still.

„So werde auch ich es halten, Wohlgeboren.“ Gerbold nickte dem Sturmfelser kurz zu. „Bedeckt werde ich mich auch weiter halten, Gernatsborn. Es gibt Wege und Pfade die sicher sind und ich selbst werde Euch führen. Doch, so sehr ich Euch auch traue, es gibt Schwüre die mich und meine Ahnen binden, die ich nicht brechen werde. Teile des Weges werdet Ihr mit verbundenen Augen gehen müssen. Wenn Ihr dem zustimmt, werde ich Euch zur Burg führen und gemeinsam mit Euch durch den Fels den Aufstieg wagen.“ Er schaute in die Runde. „Der Weg ist nicht ohne Gefahr. Ich selbst wage viel und umso weniger von uns den Weg beschreiten, desto eher wird es gelingen.“ Er deutete auf die versammelten Adligen. „Wir fünf und je zwei Gefolgsleute. Mehr dürfen es nicht sein.“ Mehr würde er hierzu nicht sagen.

Was hat Gerbold gesagt - dachte sich der Offizier von Gernatsborn – mit verbundenen Augen und dann nur zwei Mann Gefolge. Das roch gefährlich nach einem Hinterhalt. Bisher hatten sie Gerbold vertraut und ihm alles gesagt, doch von ihm war doch bisher verdächtig wenig gekommen. „Euer Wohlgeboren, dass ihr die geheimen Wege des Waldes und seine Geheimnisse schützten wollt verstehe ich, doch ihr verlangt sehr viel Vertrauen unsererseits. Bisher haben wir euch mit Aufrichtigkeit alle unsere Gedanken erzählt und sollen wir euch blind und ohne Bedeckung folgen. Woher sollen wir wissen, dass ihr nun Wahrheit sprecht. Wäret ihr nämlich auf Geheiß des Barons hier her gekommen um unseren guten Glauben an euch auszunutzen, so könntet ihr uns nun leicht in eine tödliche Falle führen. Wie ich schon vorher gesagt habe verstehe ich eure Sorge um die Geheimnisse des Wutzenwaldes, doch bevor wir dies eingehen können, so müsst ihr auch einen Beleg eurer Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und des Vertrauens liefern. Versteht mich nicht falsch, ich halte euch für einen ehrenvollen Edelmann, doch das galt ebenso zuvor für den Baron.“ Traviahold entspannte sich zwar, aber das was er da hörte, klang so dermaßen nach einer Falle, dass nur ein Narr auf solche Bedingungen eingehen würde, zumindest in Anbetracht der aktuellen Situation. Der Schattenholzer wandte sich an Gerbold: „Ich kann Storko nur zustimmen, dass ihr da zu viel von uns verlangt. Ich würde euch entgegen kommen wie ihr verlangt, nur mit zwei meiner Getreuen euch zu folgen. Selbst das ist schon ein gewaltiges Risiko. Aber mit verbundenen Augen?!? Nein! Ich kann euch schwören, dass das was wir dort unten finden, sehen oder hören werden, ein Geheimnis unter uns bleibt. Die anderen werden das sicher auch. Aber mit verbundenen Augen die sprichwörtliche Höhle des Löwen betreten?“ Der Schattenholzer schüttelte den Kopf. „Und bedenkt, ihr mögt vielleicht einen Weg und einen Plan kennen, aber wir sind die einzigen, die ihn durchführen können. Ihr braucht uns genauso wie wir euch. Werden wir uns hier nicht einig, dann werden wir alle untergehen. Dabei seid ihr Gerbold und Praiosmin nicht ausgenommen, denn ihr wisst jetzt zu viel, als dass euch der Baron am Leben lassen würde. Und er wird jemanden finden wie mich zuvor, oder Stachelwanst danach, der diese Drecksarbeit erledigen wird, dessen seit euch bewusst. Bitte versteht das nicht als Drohung, aber es entspricht den Tatsachen. Eure alten Geheimnisse sind bei mir sicher, sofern sie nicht Schlotz bedrohen.“ Yantur Zertel, der Schreiber des Schattenholzers nickte Gerbold von Zwölfengrund zu, ganz so als kannte er die Geheimnisse, und wusste, dass sie bei dem Bastard aus dem Wutzenwald sicher behütet wären, da er diesen wohl besser als jeder andere hier kannte.

Der Zwölfengrunder machte eine abwehrende Geste. „Wenn ich Euch böses wollte, dann wäre ich nicht hier. Ich hätte Euch weiter ziehen lassen, so dass Ihr in die Falle der Barons gezogen wärt. Der Weg nach Schnayttach bietet genug Möglichkeiten für einen Hinterhalt und spätestens dort wäre es ein leichtes gewesen. Wenn ich Euren Tod wollte, ich wäre in Eurem Rücken gewesen und unsere Pfeile“, der Junker hob seinen Bogen, „hätten Euch eben dort getroffen.“

„Ihr missversteht mich. Ihr sollt weder den ganzen Weg, noch den Weg durch den Fels mit verbundenen Augen gehen. Doch dieser Wald ist alt“, er zeigte mit dem Bogen auf den Forst in dessen Schatten sie alle standen. „Es gibt dort Orte, die für die Uneingeweihten äußerst gefährlich sind. Ich will nicht allein mich schützen, sondern auch Euch. Doch wenn Ihr einen Unterpfand meiner guten Absicht wollt, ich werde ihn Euch geben.“ Gerbold nahm einige Finger seiner Linken zur Hilfe und gab so ein hohes Pfeifen von sich. Kurz darauf trat eine weitere Gestalt aus dem Forst. Sie war ganz ähnlich gewandet, wie die anderen aus dem Gefolge des Junkers. Ihr Aussehen und die Art zu gehen, offenbarten schnell, dass es sich um eine erfahrene Waldläuferin handeln musste. „Dies ist Jandore, Jandore von Zwölfengrund, meine Schwester. Wenn es Euch beruhigt, wird sie bei Euren Leuten bleiben, während wir uns auf den Weg machen.“ Wo es der Junker sagte und die Fremde dem Feuer immer näher kam, war die Ähnlichkeit recht augenfällig.

Als die Frau dem Feuer nahe gekommen und ihr Gesicht gut erkennbar war musterte sie Storko eingehend. „Nun gut“ sagte er den beiden Zwölfengrundern vor ihm „das ist ein Pfand das ich als hinreichenden Vertrauensbeweis ansehen werde. Jandore von Zwölfengrund, ihr sollt bei unseren Mannen bleiben bis wir wieder zurückkehren.“ Storko nickte ihnen zu.

Traviahold war immer noch skeptisch. Aber eine gewisse Ähnlichkeit mit Gerbold konnte er nicht abstreiten. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als zähneknirschend zuzustimmen, obwohl er sich dabei in höchstem Maße unwohl fühlte. „Grrr...dafür werde ich euch irgendwann einmal mit verbundenen Augen und auf den Rücken gebundenen Armen durch die Ruinen von Schratenholzen schicken, Gerbold!“ Hätte der Schattenholzer bei dieser Aussage nicht so ernst geschaut, man hätte seine Aussage fast als Witz auffassen können – fast. Traviahold trat vor seine Schwarze Lanze, die zwei Gefolgsleute zu wählen, die ihn begleiten sollten. Seine Wahl viel auf seine bevorzugt defensiv kämpfende und mysteriöse Schwarze Knappin und unerwarteter Weise auf Yantur Zertel, seinen alten und einäugigen Schreiber. Direkt trat sein Bannerführer Grordan Graustein hervor, der beteuerte, dass er in ihm einen viel stärkeren Waffenarm hätte, als in dem Alten Yantur, dicht gefolgt von Argwulf Eisenhagel, seinem treuen und äußerst kampferfahrenen Waffenknecht, der beteuerte, dass ihm dessen Eisenwalder-Armbrust viel bessere Dienste leisten würde. Aber der Entschluss des Ritters stand fest, was die anderen mit gesenktem Kopf hinnahmen. Die Schwarze Knappin war Feuer und Flamme und war bereit ihren Ritter nötigenfalls mit ihrem Leben zu verteidigen. Der Alte Yantur war da eher weniger begeistert seine alten Knochen in den Berg hieven zu müssen, zumindest tat er so. „Euer Wohlgeboren, vielleicht findet ihr dort ja auch gleich noch das passende Loch, um mich endlich zu verscharren!“ Die Männer der Schwarzen Lanze lachten schadenfroh, klopften dem Alten Schreiber, aber wohlwollend auf die Schulter. Dann drehte sich der Bastard aus dem Wutzenwald um, um zu schauen, welche Wahl die anderen Adligen treffen würden.

Anshag sah sich seine drei verbliebenen Leute an. Timshal würde er mitnehmen, keine Frage, war er doch mit der Gabe gesegnet Gefahr zu erkennen, bevor sie zuschlagen konnte. Rauert war zwar nie ein besonders guter Kämpfer gewesen, kannte sich allerdings mit den Gepflogenheiten an den Höfen der Hochadligen aus. Malina war immer seine beste Kämpferin gewesen und konnte es fast mit den Sturmfelser selbst aufnehmen. Nach einigen Augenblicken hatte er sich entschieden. „Rauert du bleibst hier und passt auf die Sachen auf die wir zurücklassen müssen.“ Rauert sah seinem Herrn in die Augen und man konnte sehen, dass er nicht sonderlich verwundert, sondern eher dankbar war. „Ja Herr.“ war alles was er sagte. Anshag fasste ihn an den Schultern und flüsterte ihm ins Ohr: „Verhindere unter allen Umständen, dass Jandore von Zwölfengrund etwas zustößt, egal was geschieht. Wenn wir in Wochenfrist nicht zurückgekehrt sind oder aber die verbliebene Schwarze Lanze Dummheiten plant nimm unsere Pferde und reite mit Wohlgeboren nach Gernatsau, verstanden?“ Stumm nickte Rauert zur Antwort.

Storko blickte hinter sich. Sein Weibel Hagen Wehrheimer hatte die ganze Zeit im Hintergrund gestanden und die Diskussionen mit angehört. Er würde mit dem Offizier mitgehen und es läge an ihm einen zweiten Soldaten auszusuchen. Storko nickte ihm zu und der Weibel rief nach einem Xebbert Zweimühler. Beide erfahren aussehende Soldaten kamen näher ans Licht heran und stellten sich neben ihrem Anführer. Sie waren in Kettenhemden und Kettenhosen samt Tellerhelmen gerüstet, am Rücken waren Großschilde angeschnallt. Der Weibel führte neben einem Kurzschwert einen schweren Streitkolben und Xebbert ein breites Schwert. Gut, dachte sich Storko, Xebbert Zweimühler war ein Veteran vieler der letzten Schlachten, diente im einst im I. Wehrheimer Garderegiment und dann bei den Waldlöwen. Er war, abgesehen vom Weibel, der erfahrungsreichste Soldat unter seinem Kommando. Der Junker von Gernatsborn nickte den anderen Anführern zu um ihnen seine Bereitschaft zu signalisieren.

Gerbold nickte nur kurz, er wusste wer ihn begleiten würde. „Gut“, ergriff daher Praiosmin das Wort. „Ich habe ohnehin nicht mehr als eine erfahrene Waffenmagd“, Praiosmin nickte ihr kurz zu. „Wähle Du, wer uns noch begleitet. Ich möchte aber noch etwas anregen. Der Rest unseres Gefolges sollte nicht die ganze Zeit im Freien sein Lager beziehen. Wutzenbach dürfte am nächsten sein, sollten sie nicht dort auf uns warten?“ „Ich stimme zu“ sprach Storko „auch wenn Tsafried der Herr von Wutzenbach ist, so war der Ort nur durch unseren Schutz vor den Feinden sicher und die Bewohner mögen in diesem Konflikt neutral sein. Es ist neutraler Boden.“ Er nickte. „Lassen wir unser restliches Gefolge in Wutzenbach rasten bis wir wieder, so Praios die Gerechtigkeit siegen lässt, zurückkommen.“

Traviahold, der die Getreuen-Auswahl der anderen Adligen genau beobachtet hatte und auch dem Plan mit Wutzenbach zustimmte, sah hinauf in die Dunkelheit des Blätterdaches, und dann wieder zu den Adligen. „Ich hoffe niemand hier verliert den Überblick wer Freund ist, und wer Feind ist.“ Fast hatte es den Anschein, als würde er auch sich selbst ermahnen. „Es gibt viele Gerüchte über die Tiefen des Schlotzer Berges. Und wenn auch nur die Hälfte dessen wahr ist, sollten wir uns dort in der Höhle des Löwen aufeinander verlassen können. Die Tiefen dort unten sind so uralt, dass nicht einmal der Baron selbst weiß, was dort lauert. In Schnayttach geht die Sage um, dass einst vor langer Zeit, ein Baron von Schlotz, eine ganze Abenteurergruppe dort hinab gesandt hätte, um die tiefen Korridore, Wege und Höhlen zu erforschen. Diese Helden kehrten nie wieder ans Licht zurück und niemand weiß wem oder was sie damals zum Opfer vielen. Auch das Gesinde und die Burggardisten kennen nur die oberen Keller und meiden alles was tiefer liegt, und genau das ist unser Vorteil. Niemand wird damit rechnen, dass wir diesen Weg nehmen, so denn wir ihn finden. Jedem muss bewusst sein, dass es auf unserem Weg, der schon hier im Wutzenwald beginnt, kein zurück mehr gibt. Ein Weg an dessen Ende entweder wir fallen werden, oder der Baron. Auf dass Mögen die Götter uns leiten!“


Am Rande des Wutzenwaldes – 6. Praios 1033 BF

Praiosmin war nicht die einzige, die nach den Eröffnungen am Abend kaum oder nur unruhigen Schlaf gefunden hatten. Noch ehe der Tag dämmerte hatte der Sokramshainer sie alle geweckt oder aus den Gedanken gerissen. Sie hatten nur ein schnelles Mahl eingenommen und sich rasch von denen verabschiedet, die in Wutzenbach auf sie warten würden. So standen sie schließlich am Rand des Wutzenwaldes. Gerbold führte sie selbst auf einen schmalen Pfad, der sie langsam in den Wald führte. Der Weg schien häufiger genommen zu werden. So nah am Rand waren Jäger und Fallensteller aber auch noch immer regelmäßig anzutreffen. Der Junker gab ein schnelles Tempo vor. Wer im Wald nicht so zu Hause war, musste manches Mal aufpassen, nicht vom Weg abzukommen oder sich gar den Fuß zu verstauchen. Nach etwa einem halben Stundenmaß, die Dämmerung hatte eingesetzt, hatten sie ihr erstes Ziel erreicht. Eine kleine Lichtung, an deren Rand die einfache Behausung einer Köhlerin und ihrer Tochter stand. Hier trafen sie auch auf das Gefolge des Junkers aus Sokramshain, das hier sein Lager errichtet hatte. Etwa ein Dutzend Männer und Frauen tummelten sich auf der kleinen Wiese. Während mancher die Gelegenheit für eine kurze Rast nutzte, sprach der Junker abseits leise mit der Köhlerin, die immer wieder auf die Gruppe und dann den Wald zeigte. Wenn es Grund zur Besorgnis gab, so zeigte er dies zumindest nicht.

Gerbold wählte vier seiner Sokramshainer aus. Undra, Ehrhelm, Ismena und Heldan, sie würden die Gruppe mit durch den Forst führen. Undra und Ehrhelm sollten sie darüber hinaus auf dem Weg durch den Fels begleiten. Ehe sie den weiteren Weg angingen, schritt der Junker noch zu einer alten Eiche am Rande der Lichtung. Dort hing eine Vielzahl von kleineren Täfelchen aus Holz und Ton an einfachen Bändern in den Ästen. Auch Gerbold griff in seine Tasche und holte ein hölzernes Täfelchen heraus, das er dort an einen der Äste band. Gleich darauf gab er das Zeichen zum Abmarsch. Es war nicht so, dass der Sokramshainer ihnen das Sprechen verboten hätte. Doch sprach er selbst kaum und wenn, dann nur leise und vor allem mit seinen Männern und Frauen. Der Wald selbst war uralt. Eine seltsame Stimmung lag auf ihn. Die Menschen waren hier nicht mehr denn Gäste, die er zu dulden schien. Die junge Siebensteinerin war nicht die einzige, die ein Amulett eines der Zwölfe hervorholte und immer wieder in den Händen hielt. Der Junker führte sie so immer tiefer in den Wald. Wechselte die Pfade und Wildwechsel, oft im Abstand nur weniger Minuten. Es mochte kurz vor Mittag sein, als der kleine Zug felsigeren Grund erreichte. Hier drehte Gerbold sich das erste Mal nach den anderen um, um sie darum zu bitten, die Augenbinden anzulegen. Seine Frauen und Männer verteilte er so, dass der Abstand zwischen ihnen nicht zu groß war. Die anderen sollten sich jeweils an den Schultern fassen. So ging es dann eine kleine Ewigkeit, immer wieder durch kleinere Pausen und Richtungswechsel unterbrochen. Schließlich kam die Gruppe in ein Gebiet, in der es windiger zu werden schien. Luftzüge strichen durch die Haare und manch einer meinte gar ein Wispern in der Luft zu hören. Andere hörten hingegen ein seltsames gurgeln und glucksen. Andere wiederum ganz andere Geräusche. Wo immer sie waren, sie waren an diesem Ort nicht gänzlich allein.

Wohl war Storko dabei nicht zumute, so blind durch den Wutzenwald zu streifen. Er verstand warum der Junker von Zwölfengrund das Wissen um die verborgenen Pfade geheim halten wollte, denn wenn es einen Weg direkt in die Burg gab, so war es für den Wissenden ein Leichteres diese ohne Ansturm und im Verborgenen zu nehmen – nichts anderes was sie nun gerade vor hatten. Doch wo waren sie nun, seltsame Geräusche rings herum? Es fröstelte den Gernatsborner, denn er musste wieder an letzten Winter denken. Damals hatte er mit den urtümlichen Bewohnern des Waldes Bekanntschaft gemacht, alte Wesen, Biestinger, die feindliche Eindringlinge mit Gewalt zurückschlagen konnten, seine Gemahlin Glyrana konnte davon aus eigener Erfahrung berichten. Bis in die letzte Zeit hatte Storko die Geschichten über den Wutzenwald immer als Ammenmärchen und Mythen abgetan, doch nun respektierte und fürchtete er den Wald. Zumindest, so dachte er, würden die Geschöpfe des Waldes sich nicht in die Belange der Menschen einmischen, solange diese sich nicht in den Wald mit böser oder zerstörerischer Absicht begeben. Es war nur zu hoffen, dass Junker Gerbold tatsächlich in gutem Kontakt mit dem Wald stand, denn sonst würde er das Schlimmste erwarten. Obwohl, die Geräusche die sie vernahmen waren seltsam aber dennoch nicht bedrohlich. Zugern würde Storko in Neugier sehen wo sie waren, doch die Augenbinde hinderte ihn, nur Schwärze lag in seinem Gesichtsfeld. Während sie weitergingen versuchte er mit den Oberarmen, denn die Hände waren ja auf den Schultern des Vordermanns gelegt, möglichst unauffällig seine Augenbinde etwas wegrutschen zu lassen, so dass es auch zufällig geschehen wäre. Vielleicht könnte er zumindest den Grund unter ihnen erspähen.

Sie befanden sich auf einem schmalen Pfad, so viel war zu erkennen. Der Boden war felsig und dort wo sich etwas Erde fand, schien es vor Leben zu strotzen. Doch was die Aufmerksamkeit auf sich zog, waren die kleinen Pflanzen die über den Weg huschten. Die Sicht war zu schlecht, um mehr zu erkennen. Doch war da eben nicht ein Pilz an seinen Füßen vorbei gehuscht. Ein Luftwirbel, der deutlich zu erkennen war, tauchte plötzlich an Storkos Stiefelspitze auf. Er schien auf ihm zu reiten, um dann in Richtung Vordermann zu verschwinden.

So plötzlich die Veränderungen gekommen waren, so plötzlich war es auch wieder normal. Der Grund wurde weicher und die üblichen Geräusche kehrten zurück. Der Sokramshainer führte sie noch etwa das Sechstel eines Stundenmaßes, ehe er die Binden abnehmen ließ. Sie standen nun wieder mitten im dichten Forst, wo sie eine kurze Rast machten.

Bald darauf waren sie wieder unterwegs. Der Weg führte sie zu einem kleinen Bach, dem sie eine ganze Weile folgten. Nach etwa einer Stunde kamen sie zu den Überresten eines stattlichen Ebers. Irgendein Tier musste ihn zur Strecke gebracht und aufgebrochen haben. Allein, keiner der erfahrenen Jäger unter ihnen, kannte ein Tier, das solche Wunden geschlagen hätte. Der Boden war auch keine große Hilfe. Spuren fanden sich dort viele, nur keine mit der etwas anzufangen war. Doch viel Zeit sich weitere Gedanken zu machen, blieb dem Zug nicht. Gerbold ließ das Tempo deutlich anziehen. Sie überquerten den Bach und gingen offenbar in einem großen Bogen weiter. Als sie zu einer alten Buche kamen, rief der Junker Ismena, die bisher stets den Abschluss gebildet hatte. Die von den Göttern mit scharfen Augen gesegnet waren, konnten erkennen, dass dem Baum vor langer Zeit Zeichen in die Rinde geritzt worden waren. Für die uneingeweihten war dies jedoch keine große Hilfe, hätten sie doch genau so gut auf ein Buch in Aureliani stoßen können. Offenbar hatte Gerbold einen anderen Weg einschlagen wollen, folgte dann jedoch dem Rat seiner Gefolgsfrau. Während sie sich berieten, schien es einigen aufmerksamen Beobachtern beinahe so, als ob sich einige nahe stehende Bäume bewegen würden. Der Weg schlängelte sich durch den Wald, der nun wieder Hügeliger wurde. Vereinzelt stießen sie nun auf Anzeichen anderer Waldbewohner. Einmal war es ein einfacher, abgebrochener Holzspeer, ein anderes Mal Scherben eines einfachen tönernen Gefäßes. Gerade hatten sie eine größere Senke zur Hälfte durchquert, da erkannte Praiosmin eine Gestalt auf einem Hügel am anderen Ende. Kaum das sie ihren Warnruf von sich gegeben hatte, machte sich der Großteil der Gruppe auf seine Weise kampfbereit. „Haltet ein!“ Stellte sich sogleich der Sokramshainer vor die Bewaffneten. „Da ist nichts, was zu fürchten wäre. Ihr werdet sehen. Das sind nicht mehr denn Menschenscheuchen.“

Kurz darauf konnten sie sich alle davon überzeugen. Es waren Figuren aus Holz, die aus Entfernung für Personen gehalten werden konnten. „Dies stellen Goblins auf, um uns Menschen abzuhalten. In diesem Gebiet leben sie oder taten es, bis Chraaz kam.“ Nach etwa einem halben Stundenmaß sahen sie, was er gemeint hatte. In den Hügel fanden sich eine Vielzahl von Löchern und Erdhöhlen. Überall fanden sich Spuren der einstigen Bewohner und alles sprach für einen überhasteten Aufbruch. Etwas abseits, der Geruch und die Schwärme von Insekten waren nur allzu deutlich, fand sich das, was Goblins sich unter einem Friedhof vorstellen mochten. In einer größeren Senke hatten sie ihre Toten hineingeworfen. Die obersten, etwa ein halbes Dutzend, mochte nicht mehr als zwei Wochen tot sein. Die meisten von ihnen waren Jäger und Kämpfer gewesen, die keinen natürlichen Tod gefunden hatten.

„Eigentlich hätten wir einen anderen Weg gewählt. Einen schnelleren“, eröffnete Gerbold den anderen in Mitten des Goblinlagers. „Doch die Spuren im Wald und einige Zeichen der Wächter des Waldes haben den Umweg erforderlich gemacht.“ Mit dem Bogen deutete er in eine Richtung. „Wir werden noch etwa eine Stunde in die Richtung marschieren. Das Land wird immer hügeliger werden. Dort werden wir in einigen Höhlen ein Nachtlager errichten. Dann gilt es die eigentliche Prüfung zu bestehen, um morgen den Berg passieren zu können.“

Anshag schien auf dem ganzen Weg missmutig. Er reagierte nur auf Ansprache und auch dann höchst unwillig, zumindest ließ das der Ton seiner Stimme vermuten. Auch nachdem man die Augenbinden abgelegt hatte schien er nicht sonderlich glücklich in dem dicht bewachsenen Wald. „Und warum nehmen wir ihn nicht, den schnelleren Weg? Alles ist mir lieber als mir die Zeit bei verrottenden Goblinkadavern zu vertreiben. Und überhaupt, wie lange werden wir denn noch unterwegs sein? Hätte ich gewusst, dass wir erst tagelang laufen müssen, hätte ich mir andere Stiefel angezogen. Von anderer Kleidung ganz zu schweigen.“ Alles in Allem konnte man als halbwegs fähiger Menschenkenner leicht feststellen, dass es die Enge innerhalb des Waldes war, die Anshag zu schaffen machte und ihm aufs Gemüt zu drücken schien.

Im Gegensatz zu Anshag war Traviahold, den man den Bastard aus dem Wutzenwald nannte, eher in sich gekehrt. Er sah in diesem Wald nichts Lästiges. Er fühlte sich auch nicht wie ein Eindringling. Der große Ritter fühlte fast schon eine Art Verbundenheit mit der Natur die ihn umgab, war sich gleichzeitig aber auch der Gefahr bewusst. Dieser Wald gehörte wie der Reichsforst zu den Urwäldern des Mittelreiches. Dieser Wald war schon lange vor jedem Baron, ja sogar vor den Menschen lebst hier. Er kannte keine Grenzen. Er wuchs einfach. Hier mochten Wesen hausen, die vielleicht so alt wie die Welt selbst waren. Wer wusste das schon? Hatte man doch noch nicht einmal seine Tiefen bis heute erforschen können. Traviahold, der sich sehr für alles Alte und Vergangene interessierte, lauschte gern den Sagen und Legenden, die sein alter, einäugiger Schreiber ihm erzählte. Im Jahr 871 vor Bosparans Fall, während den Trollkriegen, verschwand ein kompletter bosparanischer Kommandotrupp in genau diesem Wald, nachdem dieser die Trollburg für kurze Zeit besetzt hatte und danach auf dem Weg zu dem Ort war, den man heute Wehrheim nennt. Man sagt sie seien damals spurlos verschwunden. Und das war nur eine der Geschichten, die den mysteriösen Wutzenwald umrankten. Respektvoll schritt der Schattenholzer weiter.

„Ich stimme euch zu Anshag“ sprach Storko nachdem er einen Schluck aus seiner Feldflasche machte, „wir sollten sehen, dass wir wieder aus dem Wald hinauskommen. Ich vertraue euch Junker Gerbold, ihr scheint tatsächlich die Wutzenpfade hier zu kennen und bisher waren wir auch nicht von ihnen bedroht, doch umso eher wir nach Schlotz kommen umso besser.“ Er malte sich schon im Geiste aus wie durch einen geheimen Gang in die Gemächer des Barons kommen würden, ihn im Schlafe überraschend. Doch zuerst, so war er sich sicher, müssten sie noch durch Gänge und Höhlen steigen, durch das Erdreich und den Fels um zuletzt den Schlotzer Hügel erklimmen zu können.

„Oh, ich versichere Euch, wir nehmen den schnellst möglichsten Weg durch den Wald.“ Mit diesen Worten schulterte der Junker seinen Bogen und führte sie aus dem alten Lager der Rotpelze. Nicht lange und sie passierten erneut einige der Menschenscheuche. Offenbar waren die Angreifer damals auch aus dieser Richtung gekommen, denn sie fanden zwei weitere Goblinkadaver. Dann verließen sie jedoch den Pfad, der ehemals von den Goblins häufiger genutzt wurde und schlugen einen kaum zu erkennenden Pfad in die Hügel ein. Erneut wurde der Grund immer felsiger. „Warum haben die Goblins diesen Weg nicht genommen.“ Konnte die junge Ritterin aus Siebeneichen ihre Neugier nicht weiter zurückhalten. Wenn sie der Weg Richtung Schlotz führte, hätten sie ihn dann nicht genutzt? „Ihr werdet sehen,“ war der einzige Kommentar des Junkers.

Nach einiger Zeit ließ er halten und drehte sich um. „Wir folgen diesem Pfad und kommen gleich zu den besagten Höhlen.“ Wies er in eine Richtung. „Würden wir diesen nehmen, kämen wir zu einigen Hügeln, die der Grund sind, warum die Goblins sich vor dem Gebiet fürchten. Dort“, er deutete auf einen größeren Hügel, dessen Spitze kaum bewachsen war, „haben die Orks einst eine Kultsstätte gehabt. In der Nähe haben sie ihre Toten in den Hügeln bestattet. In der Nacht sieht man dort seltsame Lichter und nähert man sich weiter, so soll ein Wimmern und Stöhnen zu vernehmen sein. In der Nähe, in einer größeren Senke zwischen den Hügeln, sind einige Ruinen, kaum mehr zu erkennende Mauern und ein längst versiegter Brunnen. Einst, so heißt es, lebten dort Menschen. Von den Schwarzpelzen unterjocht und in blutigen Riten ihren Götzen geopfert. Auch wenn wir uns näher heran wagen, als die feigen Rotpelze. Es sind Orte die man meiden sollte.“ Eine Antwort, die der jungen Ritterin länger war, als sie es gebraucht hätte. Sie kannte viele Geschichten aus dem Orkensturm. Von den blutigen Unsitten dieser Tiere, sie mochte sich nicht ausmalen, was dort wohl geschehen war.

Bald darauf trafen sie an ihrem Ziel an. Die Höhlen waren groß genug, um sie alle aufzunehmen und die Reste einer Feuerstelle verrieten, dass sie immer wieder als Ruheplatz gewählt wurden. Nahe dem Eingang, fand sich eine kleine Wasserstelle. Ein schmales Rinnsal fand hier seinen Weg aus dem Felsen und floss in eine künstliche Wasserstelle. Die Steine, die sie umgrenzten, waren dicht mit Moos bewachsen und zeigten wie alt sie sein musste. Weit auffälliger war jedoch ein alter Holzstumpf, in dem ein Gesicht geschnitzt war. An ihm und um ihn fanden sich einige einfache Holz- und Tontäfelchen, mit Schnitzereien. Auch einige alte Blumengebinde fanden sich hier. Während sie ihre Männer und Frauen noch das Lager errichten ließen, winkte Gerbold die Edlen zu sich.

„Morgen werden wir an unserem Ziel sein. Ich werde Euch durch ein altes Haus in den Berg führen. So werden wir in eine Höhle gelangen, voll mit Tropfsteinen. Darin befindet sich ein, nun, eine Art Altar, wo die Menschen seit Urzeiten Opfergaben darbringen. Um den Berg passieren zu dürfen, müssen auch wir Opfer bringen, zumindest die von uns, die noch nie an diesem Ort waren.“ Er blickte in die Runde, um sich zu versichern, dass ihn auch jeder verstanden hatte. „Nicht Gold oder Silber ist es, was Ihr opfern müsst. Es muss ein Zeichen Eurer Verbundenheit mit dem Land sein. Bei einem Anliegen wie dem unseren ein Zeichen der Stärke und Eures Könnens. Ein jeder von Euch muss etwas mit sich bringen, was er zuvor durch sein Können und seine Kraft als Beute errungen hat. Daher werdet Ihr auf die Jagd gehen müssen.“ Er blickte in die Runde, gespannt, wie die Adligen darauf reagieren würden.

„Jagen gehen?“ murmelte Storko in die Richtung Gerbolds. Zum Glück hatte er seine Armbrust mit genommen, und auf die Pirsch zu gehen vermochte er, zumindest leidlich. „Nun, wenn jeder von uns ein Jagdopfer bringen muss, so soll das so sein, sofern wir damit den Wald milde stimmen können. Aber ich fühle mich ehrlich gesagt nicht besonders wohl hier auf die Jagd zu gehen, will ich doch nicht in das Reich der Waldwesen eindringen, sie stören oder beleidigen; noch dazu haben wir nicht so viel Zeit bis es Abend wird. Junker Gerbold, wäre es also im Sinne einen Hasen, Vogel oder ein Rotwild zu schießen, oder habe ich das falsch verstanden? Wenn dem so ist so würde ich mich alsbald auf die Pirsch aufmachen.“ Gerbold schaute erst Storko und dann die anderen an. „Genau das ist die Herausforderung, Wohlgeboren. Wenn Ihr auf ehrenvolle Weise Beute erlegt, dann wird das reichen. Eine Hase, mit einem einfachen Holzspeer erlegt, ist mehr Wert, denn ein kapitaler Hirsch mit einer großen Jagdgesellschaft.“ Er beugte sich nun hinab und zog seinen Dolch. „Ehe Ihr aufbrecht. Ihr habt Recht, Ihr müsst vorsichtig sein und nicht zu tief in den Forst eindringen.“ Damit fing er an eine einfache ‚Karte’ in den Boden zu zeichnen. „Hier sind wir. Diese Gebiete müsst Ihr meiden.“ Darunter waren auch die orkischen Hügel. „Bewegt Euch in diesem Gebiet und Ihr solltet nichts zu fürchten haben. Ich und die meinen werden uns verteilen und darüber wachen, dass Ihr nicht zu tief in den Wald geratet.“

Traviahold, der immer noch amtierenden „Jagdprinz“ war, zu dem er nach der Kaiserlichen Jagd in den Wäldern der Kaiserpfalz Weißenstein in Windhag ernannt wurde, hatte nichts gegen einen solchen Beweis seines Könnens und seiner Kraft. Wenn es sein muss würde er auch eine der sagenumrankten „Wutzen“ erjagen. Von der Tatsache abgesehen, dass weder er noch einer seiner beiden Begleiter eine Fernkampfwaffe mitführte, kam ihm die Nutzung einer solchen als zu leicht vor. Wenn der mächtige Wald oder der Berg ein Opfer verlangte, sollte er ein angemessenes erhalten. Zusammen mit seiner Schwarzen Knappin machte er sich sogleich auf in den Wald um sich einen oder zwei Holzspeere zu bauen, um damit eigenhändig eine angemessene Beute zu erjagen. Dabei sollte auch schon die Herstellung der Speere als erster Beweis seines Könnens dienen. Der alte Yantur jedoch beteiligte sich nicht nicht an der Jagd und nur der Wald selbst wusste warum.

Anshag schnaufte missmutig. „Also eine Jagd. Timshal, gib mir deinen Bogen. Wollen doch mal sehen ob sich nicht was finden lässt, was sich zu jagen lohnt.“ Anshag ging wieder aus der Höhle, den Bogen gespannt und ein Pfeil locker aufgelegt. Er sah kein großes Problem darin etwas jagen zu gehen, schließlich lag die Jagd ihm im Blut. Kurz nachdem er die Höhle verlassen hatte, kam er nochmal zu Timshal und gab diesem sein Kettenhemd. „Damit könntest nicht einmal du dich an jemanden oder etwas heranpirschen.“ sagte er leicht lachend.

Der Gernatsborner Junker machte sich bereit durchs Unterholz zu pirschen. Er legte seine Rüstung und den Anderthalbhänder ab, denn sie würden ihn nur hindern. Allein seinen Dolch und das Schwert wollte er als Handwaffen mitnehmen, zur Sicherheit. Kurz dachte er nach, ob er seine beiden Soldaten mitnehmen sollte, wer weiß auf was für Wesen er begegnen würde, so ganz allein war ihm doch unwohl in diesem Wald. Jedoch, so war es wohl gedacht, dass jenes Opfer allein zu erringen war, und so ließ er sie hier zurück. Er wünschte den anderen Adligen, die sich wie er selbst aufmachen mussten noch eine firungefällige Jagd und verschwand mit vorsichtigen Schritten und geladener Armbrust im Unterholz.

Wenige Minuten nachdem Storko sich in die selbe Richtung vom Lager entfernt hatte, dachte er nach wie er überhaupt den Weg wieder zurück finden sollte, falls ihn Wild oder Wald in die Irre führten oder die Nacht überraschend einbrechen würde. Es war zwar ein heller, warmer Sommertag, doch die Bäume so hoch und dicht bewachsen, sodass man sich kaum nach dem Stand der Sonne orientieren konnte. Ja, er würde in einigen Abständen Zeichen in die Stämme der Bäume ritzen, sodass er den Weg wieder zurück finden würde. Er holte seinen Doch aus dem Waffengürtel heraus und wollte gerade an der Rinde eines stattlichen Laubbaumes seine Hinweise anbringen, da überkam ihn ein ungutes Gefühl. Es schien ihm als ob sich die Äste um ihn herum bewegen würden, obwohl kein Lüftlein den Wald durchzog. Ein nervöses Kribbeln breitete sich über seinen Rücken es, es war so als würden ihn viele Augenpaare beobachten. Er drehte sich flink um, den Dolch schützend nach vor gereckt, doch niemand war da, abgesehen von Bäumen und Sträuchern. Das letzte was er wollte war den Wald und die Wutzen zu erzürnen, vielleicht sollte er doch besser sich den Rückweg in einer anderen Art und Weise merken. Er steckte den Dolch weg und holte stattdessen ein kleines Notizbüchlein heraus. In jenem trug er jeweils besondere Geländemerkmale ein, in welche Richtung er weiter schlich und wie lange, fast so als wollte er den Wald vermessen – und besonders aussehende Stellen gab es hier genug, fast jeder Baum und Felds schien uralt zu sein. Er wollte sich auf keinen Fall hier verirren. So wandere er durch den Wald, doch durch seine akribischen Aufzeichnungen, die jeden Jäger und Wildhüter zum Lachen gebracht hätten, verringerte sich seine Aufmerksamkeit auf etwaige Jagdziele.

Nach zwei Stunden kam Anshag wieder. In seiner Hand ein prächtiger Hase, allerdings wirkte Anshag selbst schweigsam und ein wenig abgelenkt. „Merkwürdige Dinge gehen vor in diesem Wald. Ich fühlte mich die ganze Zeit über beobachtet und immer wieder hörte ich Geräusche die nicht von mir und auch sicher nicht von einem Tier stammten. Wir sollten auf jeden Fall Wachen aufstellen, denn ich traue dem vermeintlichen Frieden nicht.“ sagte Anshag, während er den Hasen ablegte und die anderen Adligen ansah.

So waren mittlerweile schon mehr als zwei Stunden vergangen. Storko hatte zwar annähernd eine Karte seiner Erkundungen in diesem Waldstück geschaffen, doch noch nicht einmal mögliche Beute zu Gesicht bekommen. Langsam wurde das Licht durch die Blätter noch spärlicher als es ohnehin war, die Dämmerung sollte alsbald beginnen. „Oh milde Ifirn, beschwichtige deinen Vater, auf dass das Jagdglück mir zu Teil werde“ murmelte er leise zu sich und gen Alveran. Nichts war zu erspähen, nur ein paar Vögel trillerten in den Baumwipfeln, vermeintlich um die anderen Tiere vor ihm zu warnen, dachte er sich. Er machte eine kurze Pause, lehnte sich an einen Felsen und trank aus seiner Feldflasche. War möglicherweise seine Armbrust nicht die rechte Waffe und deshalb das Jagdglück ihm nicht hold? Gewiss die Rondrakirche erachtete eine solche Fernwaffe nicht als ehrenhaft und Herr Firun sah wohl auch lieber mit Bogen und Wurfspeer Bewaffnete. Aber was, schon öfters war er doch mit seiner Armbrust im Gernatsborner Wald durchaus erfolgreich auf der Jagd gewesen. Er schmunzelte, wie ein Goblin mit einem Holzspeer, solle er so das Wild erlegen, ha ha, das war doch unter seiner Würde. Aber andererseits, was hat Junker Gerbold gesagt, ein Zeichen von Können und Kraft sollte das Opfer sein. Stark musste ein Armbrustschütze nicht unbedingt sein, denn die Mechanik ersetzte die Kraft, sollten die Wutzen möglicherweise die moderne Waffe nicht als rechtes Jagdwerkzeug anerkennen. Es knackte im Unterholz irgendwo vor ihm. Storko war die letzten Minuten gedankenversunken gewesen, hatte sich nicht gerührt, weder seine Aufzeichnungen aktualisiert und so war es tatsächlich, dass sich drei Rehe aus einer ihrerseits ungünstigen Himmelsrichtung in Storkos Nähe bewegten. Etwa zwanzig Schritt mag das Rotwild entfernt gewesen sein, durch das dickte Blätterwerk fast nicht zu erspähen. Das war seine Chance, Ifirn hatte ihn erhört. Er legte die Fernwaffe an, zielte und schoss. Der Bolzen bohrte sich seine Bahn durch das Dickicht aus kleinen Ästen und Blättern, das Rotwild stand nichts ahnend da, das musste ein Treffer werden. Doch der Wald belehrte ihn eines Besseren. Aus heiterem Himmel kam eine Windböe durch das Geäst und schüttelte die Bäume. Fast so als wolle ein dicker Ast die Rehe schützen bewegte sich dieser genau in die Schussbahn des Bolzens. Die Rehe huschten und entwichen ins weite Waldgebiet. Storko machte ein Praioszeichen, man brauchte nicht viel Aberglaube zu besitzen um in dem ein unmissverständliches Zeichen zu erkennen, dass seine Jagdtechnik hier nicht wohl gelitten war. Seine Zeit war Abgelaufen, die Schatten wurden länger, das Licht der Praiosscheibe immer spärlicher, die Dämmerung war längst hereingebrochen. Selbst wenn er sich einen Holzspeer basteln wollte, so blieb ihm nicht mehr die Zeit dazu. Mit bloßen Händen ließ sich kaum etwas fangen. So marschierte er anhand seiner Karte in Richtung des Lagers zurück. Ohne ein adäquates Opfer würden ihn die Waldbewohner wohl kaum nach Schlotz durchlassen – der Baronssturz für ihn misslungen, nur aufgrund von Jagdunglück.

Durch die Identifizierung von Wegmarken verirrte sich Storko auf seinem Weg zurück nicht. Doch um ehrlich zu sein war er recht weit vom Lager in den Wald hinein gepirscht und umso länger gestaltete sich der seine Rückkehr, mit Glück würde der kurz vor dem endgültigen Nachteinbruch ankommen. Er las das nächste Geländemerkmal aus seinem Büchlein um es zu suchen, dornenbewachsene Felsen, 300 hundert Schritt in südöstliche Richtung' von seiner derzeitigen Wegmarke aus. Alsbald fand er ihn. Tatsächlich, ein wirklich großer und durchwegs mit Dornenranken bewachsener großer Fels. Aber nein, das war gar kein Fels. Teilweise sah man, dass es sich um ein ehemaliges Steingebäude handeln musste, heute eine Ruine. Ob von menschlicher Machart oder älter war nicht zu erkennen. Die Ruine, die sicherlich ein dutzend Schritt im Durchmesser ausmachte war ganz und gar mit bedornten Gewächsen umschlossen und ragte etwa sieben oder acht Schritt in die Höhe. Storko sah sich die Gewächse darauf und ihre fingergroßen Dornen genau an. Das war nicht irgendein Kraut, nein wie er erkannte war das Widderdorn oder auch Saturariensbusch genannt. Wie er aus einer alten Geschichte, die seine Mutter ihm immer als Kind erzählt hatte, wuchs diese Pflanze vornehmlich an solchen Orten die magisch waren, um vor Bösem zu schützen. Da die Dornenbüsche die ganze Ruine bedeckten, schien es fast so als sollte das Kraut das Gemäuer oder etwas darin einzwängen, einsperren. Die Blüten der Büsche waren schon längst verwelkt, allein ganz oben auf der Ruine war eine prächtige dunkelrote in den letzten Strahlen der Sonne getaucht zu erspähen. Wunderschön war diese Blüte, sie wäre wahrlich ein stattliches Geschenk für seine geliebte Vermählte Glyrana, denn nur wackere und tolle Verehrer würden das Wagnis auf sich nehmen um durch die Dornen das felsige Gemäuer zu erklimmen. Doch was hat Junker Gerbold noch gesagt, da kam es ihm, jeder sollte etwas bringen, dass er 'durch sein Können und seine Kraft als Beute errungen hat'. Zweifelsohne dies war seine Chance eine Beute zu erlangen, nicht durch die Jagd mit Bogen oder Speer, sondern mit Kletterkraft und Wagemut. Storko umrundete die Ruine nochmals um den besten Aufstiegspunkt zu finden. Das Gewächs war zwar insgesamt fast gleichmäßig verteilt gewachsen doch gab es eine Stelle an der besser erhaltene Steinmauern aus den Ranken hervorstachen. Er legte sein Waffen ab, denn hierbei würden sie ihn nur behindern. Er betrachtete noch seine Kleidung, denn diese würde wie auch seine eigene Haut mehr als nur ein paar Ritzen und Kratzer bekommen. Dann begann er zu klettern. Nicht dass er ein Klettermeister war, doch eine gewisse Balance und Körperbeherrschung sowie athletische Fertigkeiten hatte die harte Ausbildung in Wehrheim einem gelehrt. Er wog jeden Tritt, jeden Griff genau ab um den verletzenden Dornen so gut es ging auszuweichen. Dennoch ritzen die fingergroßen Spieße sich durch seine Kleidung und Blut aus einigen kleinen Wunden saugte sich in die Kleidung. Nur noch zwei Schritt hinauf, dann sollte er die Blüte pflücken können. Neben ihm ein Überbleibsel einer Steinwand. Er streckte seinen Fuß aus um darauf Halt zu gewinnen. Doch der Stein gab nach, brach hinein und Storko drohte in das Gemäuer hinab zu stürzen. Ohne lange überlegen zu können musste er mit seiner rechten Hand irgendwo halt finden, doch allein Dornen waren zu sehen. Er musste seine Schreie schwer unterdrücken als er die Hand um sich festzuhalten direkt in eine Dornenranke steckte. Den Zwölfen sei Dank brach er nur bis zum Knie in die Ruine ein. Das ganze hatte einen Krawall gemacht, sodass einige aufgeschreckte Vögel aus den nächstgelegenen Wipfeln das Weite suchten. Es wurde still im Wald um ihn herum, einerseits weil die Nacht begann herein zu brechen, aber vielleicht auch um nicht auf sich aufmerksam zu machen, um nicht etwas aus der Ruine heraus zu locken. Storko spürte an seinem Bein das noch im Gemäuer steckte eine unnatürliche Kälte, die ihn scheinbar leicht hinunter zog. Mit letzter Anstrengung raffte er sich jedoch aus dem dunklen Loch und mit weiteren vorsichtigen Griffen erlangte er die Spitze an dem die letzte stolze Blüte in noch voller Pracht stand. Nachdem er sie sanft gepflückt und in einer Gürteltasche verstaut hatte blickte er sich nochmals aus dieser Position um. Durch die Wipfel, die nur noch einige Schritt über ihm waren, sah er im Westen über Hügeln die Praiosscheibe verschwinden. Langsam war es höchste Zeit zurückzukehren, wer weiß was dann sonst noch in diesem verwunschenen Wald sich nachts einfindet.

Der Schattenholzer hatte sich zusammen mit der Schwarzen Knappin für eine Ansitzjagd entschieden. Da ein Wurfspeer eine sehr begrenzte Reichweite hatte, und Traviahold nicht wirklich in der Kunst des Schleichens bewandert war, hatten sich beide möglichst weit weg von den anderen im düsteren Unterholz, in der Nähe eines kleinen Baches verborgen, um darauf zu warten, dass ihnen eine Jagdbeute zu nahe kam. Das kauernde und heimliche stundenlange warten, bei dem sie schon die kleinste Bewegung verraten konnte, verlangte einiges an Selbstbeherrschung und Geduld. Die Knappin, die den zweiten Speer trug hatte derweil die nötige Sinnenschärfe, um ihre Umgebung im Auge zu behalten. So war das auch schon die Jahre zuvor. Traviahold hatte sich immer gut auf die Augen seiner Knappin verlassen können, während die seinen nicht mehr vermochten so weit zu sehen. Schon oft hatte seine treue Knappin ihn vor Gegner in seinem Rücken oder auf der flanke gewarnt. Zusammen bildeten sie eine Einheit und waren wie ein einzelner Jäger. Viele Stunden vergingen ehe sich plötzlich an der Wasserstelle etwas regte. Ein junger dunkler Keiler! Ein wildes Tier das für seine Angriffslust bekannt war. Sie hatten das Glück das Schwarzwild einzeln anzutreffen, welches für gewöhnlich in kleinen Gruppen unterwegs waren. Beide zielten so lange sie konnten um dann ihre Speere auf ihre todbringende Bahn u schleudern. Die knappin verfehlte das Ziel nur Knapp. Aber der Speer des Ritters bohrte sich tief in die Flanke des Keilers, wie auch schon damals in Weißenstein. Doch ein einzelner Speer reichte nicht aus, um das Tier zu töten. Der Keiler schwenkte hell quiekend herum und rannte in Raserei auf sie zu. Die Augen von Traviaholds Knappin weiteten sich furchterfüllt. Einen Menschen zu bekämpfen war eine Sache, aber eine rasende Bestie, vielleicht sogar eine der legendären „Wutzen“, war eine ganz andere! Sie wich versetzt nach hinten zurück und zog ihr Kurzschwert, während Traviahold das uralte Schwert mit der abgebrochenen Spitze zog. Der Schattenholzer positionierte sich genau vor einem dickeren Baum und ließ den Keiler heranstürmen, um dann im letzten Moment zur Seite zu springen, woraufhin das Tier in blinder Wut gegen den Stamm krachte! Der Speer ragte immer noch aus der Flanke des Tieres, während Traviahold mit seiner Abgebrochenen Klinge immer wieder auf den Kopf des Keilers einschlug. Dann rammte das Tier den großen Ritter aus kürzester Entfernung von den Beinen, so dass dieser zu Boden ging. Wieder mit neuem Mut erfüllt, sprang die Schwarze Knappin mit ihrem Kurzschwert heran, und stieß es genau in die gegenüber liegende Flanke der Speerwunde. Eine schnelle Kopfbewegung schleuderte die junge und vor allem leichte Frau einfach zur Seite. Diese kurze Ablenkung nutzte der Schattenholzer um dem nicht sterben wollendem Tier erneut auf den blutbesudelten Schädel einzuschlagen, wobei Traviahold ebenfalls in Wut geriet und einfach nur noch wild in die schwarze Wutz einhackte und hackte, bis sich diese nicht mehr regte! Traviahold war von unten bis oben im wahrsten Sinne des Wortes zugesaut, aber bis auf ein gestauchtes Bein unverletzt. Traviahold reichte seiner Knappin die Hand, die mitten im Unterholz aufgeschlagen war. Sie sah auf und ergriff mit einem Lächeln auf den Lippen die Hand ihres Ritters. Sie hatten ihr Können und ihre Kraft mehr als unter Beweis gestellt. Im nahen Bach wuschen sich beide noch einigermaßen, um dann zu zweit den Keiler zurück ins Lager zu zerren und um ihre schwere Beute zu präsentieren. Eines war sicher – heute Nacht würde niemand mit leerem Magen schlafen gehen. Blieb nur noch zu hoffen dass Storko ebenso erfolgreich war und das für ihn bestimmte Fleisch nicht kalt werden ließ. Erst beim letzten diffusen Licht kam auch der Junker zu Gernatsborn zum Lager zurück. Doch keine gewöhnliche Jagdbeute hielt er in seinen Händen, keinen Hasen, keinen Auerhahn, kein Reh oder gar Keiler. Eine große dunkelrote Blüte eines Satuarienbusches zeigte er Junker Gerbold, die er mit eigenem Können und eigener Kraft auf der Spitze eines dornenumrankten Felsens errungen hatte. Seine Geschichte wurde von unzähligen blutenden Ritzen an Kleidung und Händen untermauert.

Kurz darauf kehrte mit der Herrin Siebeneichens auch die letzte Jägerin zurück. Mit dem Bogen war sie auf die Pirsch gegangen. Sie hatte ein Reh angeschossen und es dann lange durch den Forst verfolgen müssen. Dabei war sie beinahe zu tief in den Wald eingedrungen. Einen Wald der auch sie verunsicherte, schien sie doch stets beobachtet worden zu sein. Gerbold jedenfalls blickte sich die Beute der Jäger zufrieden an. „Ihr habt die Prüfung alle recht verstanden. Eure Beute wird ein starkes Opfer.“ Einzig die Blüte und den, der sie errungen hatte, betrachtete der Junker etwas länger. „Wohlgeboren, eine solche Pflanze wächst nie ohne Grund. Ich hoffe, dass Ihr nichts aufgeschreckt habt, was besser ruhen sollte.“ Nach einem kurzen Mahl begab man sich bald darauf zur Ruhe. Jeweils zwei sollten Wache halten und es war nicht allein für sie eine unruhige Nacht. Die orkischen Hügel begannen nach einiger Zeit zu leuchten. Immer wieder war ein Wimmern, ein Stöhnen zu hören und gegen Mitternacht schien ein leichten grollen durch die Erde zu gehen. Bald darauf erklang ein Krachen aus dem Wald, ganz so, als würde etwas Großes durch den Wald brechen. Die Nachtwachen waren unruhig, denn gar seltsam erklang es aus dem Wald und wagten es kaum sich einen Schritt vom Lager zu entfernen. Doch den Göttern sei es gedankt blieb es in dieser Nacht nur bei bedrohlichen Geräuschen.

 

Der Schlotzer Baron  


Schnayttach nieder dem Schlotz
– Am Mittag des 5. Praios 1033 BF

Das über sechshundert Seelen zählende große Felsendorf am Fuße des Schlotzer Hügels war eigentlich schon eine kleine Stadt und zugleich der größte Ort und Hauptsitz der Baronie. Viele Häuser nutzten zumindest die Felsen als Rückwand, oder waren gleich direkt in den Stein gebaut. Im Falle eines Angriffs war dieser Ort sehr effektiv zu verteidigen. Einige Bewohner hatten gar tiefe Tunnel in den Fels geschlagen in die sie sich zur Not zurückziehen konnten. Die hiesige Waffenschmiede und Plättnerei versorgten schon seit Ewigkeiten die auf der Burg stationierten Burggardisten. Neben einer Bronzeschmiede gab es noch einen Botendienst, einen Heiler und den wahrscheinlich einzigen Medicus der Baronie, der sein Handwerk sehr gut verstand und sogar schwerste Wunden behandeln konnte.

Die Bewohner gingen ihrem Tagwerk nach, als sie von einem Fanfarenstoß aus ihrem Alltag gerissen wurden. Während man noch verwundert zum Hügel und der Burg schaute, wurde dort das Burgtor geöffnet und ein Zug machte sie auf den Weg in den Ort. An der Spitze ritt ein Waffenknecht mit dem Banner des Barons. Hinter ihm ritten seine Hochgeboren selbst und sein alter Onkel. Beide waren voll gerüstet. Dahinter folgte die barönliche Heroldin mit einem der letzten beiden Dienstritter, Anselm von Grüningen. Ihnen folgte wohl die Hälfte der barönlichen Waffenknechte und Mägde. Schon strömte das Volk auf dem Markt zusammen. Ganz offenbar hatte man etwas zu verkünden.

„Höret, Höret!“ halte bald darauf die helle Stimme der Heroldin über den Platz. Hinter ihr die berittenen und das Waffenvolk, das im Halbkreis Aufstellung genommen hatte. „Große Gefahr liegt über unserem geliebten Schlotz, dessen Herz die Burg und Schnayttach stets waren. Wider den Geboten des Götterfürsten haben sich die Junker von Schattenholz und Gernatsborn gegen seine Hochgeboren verschworen! Von eigener Gnade erheben sie sich wider der göttlichen Ordnung und wollen als Kriegsfürsten über Schlotz gebieten! In dieser Stunde ziehen sie gegen Schnayttach und wollen den Baron stürzen!“ Da ging ein Raunen, durch das versammelte Volk. Die einen waren sichtlich überrascht, hatten sie doch gedacht, dass die Junker mit anderen für Schlotz kämpften. Wieder andere fühlten sich bestätigt. ‚Habt Ihr einem diese finstren Reiter gesehen? Soll der Junker nicht Köpfe sammeln’ und ähnliches war da zu hören.

Nachdem sie dem Volk Raum für seinen Unmut gelassen hatte, fuhr die Heroldin mit lauter Stimme fort. „Auf Befehl seiner Hochgeboren ist daher die Wehr auszuheben. Der hohe Herr von Grüningen und das barönliche Waffenvolk, werden dafür Sorge tragen, das sie Schnayttach wohl bereitet vorfinden.“ Erneut wurde es lauter auf dem Platz. Seine Hochgeboren selbst war es, der seine Untertanen mit erhobenen zur Ruhe rief. „Meine geliebten Untertanen. Ihr kennt mich und ich weiß wohl, dass so mancher sich in diesen Tagen nach einem Herrn sehnt, der mehr Rondra, denn Travia und Tsa im Herzen trägt.“ Betroffen schüttelte er seinen Kopf. „Ich ehre die Familie und so war ich es, der für eben Eure Bedrohung sorgte.“ Tsafried deutete in die Richtung, aus der der Feind kommen würde. „Ich sage es offen heraus. Ich fühlte mich schuldig und machte meinen Bastard zum Junker von Schattenholz, nicht ahnend, dass ich so den Fuchs in den Stall ließ.“ Auf dem Markt war jetzt kaum noch ein Geräusch zu hören. Wann hörte man einen Baron schon offen seine Taten bereuen.

„Doch nun ist es an der Zeit zu handeln. Ich gab ihm alles und so dankte er es mir! Ich verkünde es hier und heute selbst, denn ich muss mit meiner Sünde leben. Hiermit“, er schluckte, schien ihm doch noch immer schwer zu fallen, sich gegen eigenes Blut zu stellen. „Hiermit seien die Junker von Schattenholz und Gernatsborn dingfest zu machen. Auf ihr ergreifen sei ein Kopfgeld von jeweils 100 Dukaten ausgesetzt. Ich will sie nicht tot sehen, hoffe ich doch noch immer, wie es wohl nur ein Vater kann. Doch, wenn sie sich widersetzen, dann sei hart zugeschlagen. Lieber soll ihr Blut fließen, als das meiner treuen Untertanen.“ Tsafried suchte bewusst den Blick ihm bekannter Schnayttacher, die ihm sichtlich betroffen zunickten oder offen ihre Unterstützung zu sprachen. Schließlich wendete er sein Pferd und machte sich auf dem Weg zurück zur Burg. Hier ritt ein Mann, der die schwierigste Entscheidung seines Lebens getroffen zu haben schien. Dies dachten zumindest die meisten, die ihn dort reiten sahen. Innerlich jedoch lachte Tsafried von Schnayttach-Binsböckel über die Leichtgläubigkeit seiner Umgebung. Es war alles anderes gekommen, als von ihm einmal erhofft. Aber er hatte das Beste aus der Situation gemacht und würde es zu einem guten Ende bringen. Er hatte das Jahr des Feuers nicht gewollt, bei den Göttern nein! Wenn die Umstände ihm aber dazu zwangen, dann würde er aber auch mit aller Härte reagieren.


Galbenburg – Am Abend des 07. Praios 1033 BF

Verwundert war Haldana sogleich zu ihrem Schwertvater, dem Baron Galbenburgs, gerufen worden, als sie mit den anderen von der Jagd zurückgekehrt war. Hatte sie gar etwas Falsches getan? Umso größer war da schließlich die Überraschung gewesen, als sie ihn nicht allein in dem kleinen Saal fand, der ihm und seiner Familie als gute Stube diente. Mit ihm, dem entfernten Verwandten, befanden sich ihre Mutter, Geron und die kleine Tsaiane in dem Raum. Das ganze lag nun schon einige Stunden zurück und so recht verstanden, warum sie hier waren, hatte sie noch immer nicht. Auch die vielen Fragen und Geschichten, die ihre kleine Halbschwester immer wieder an sie richtete oder ihr erzählte, vermochten sie nicht abzulenken. Doch immer wenn sie von ihrer Mutter hatte mehr erfahren wollen, war sie vertröstet worden. Nun endlich, nach dem Abendmahl, befanden sie sich auf dem Wehrgang der inneren Burg und blickten über das Land.

„Der neue Götterlauf bringt viele Veränderungen mit sich.“ Adginna schien einen Gedanken bei Seite zu schieben, als sie sich endlich ihrer Tochter zuwandte. „Haldana, Liebes. In Schlotz zieht ein Krieg auf. Nicht von außen, sondern von innen droht er. Verschiedene Junker und Ritter wollen Deinen Vater stürzen, zumindest scheint es so.“ Die junge Baroness konnte das gehörte kaum glauben. Schon lagen ihr unzählige Frage auf der Zunge, doch ihre Mutter hatte sie stets gelehrt, dass man erst die ganze Geschichte hören sollte. „Dein Vater hielt es für das Beste, uns in Sicherheit zu bringen. Silvana geleitete uns daher hier her. Doch was ich von Ihr und zuvor schon auf Burg Schlotz erfahren könnte, lässt mich zweifeln. Es muss mehr hinter der ganzen Sache stecken. Nur hat die Herrin Hesinde mich bislang nicht hinter den Schleier blicken lassen.“ Die Baronin hatte stets eine enge Beziehung zu ihrer Tochter gehabt und schon früh begonnen, mit ihr offen zu reden. So hielt sie es auch hier. In nicht ferner Zukunft würde sie Ritterin sein und selbst wichtige Entscheidung treffen müssen. In dem folgenden Stundenmaß berichtete sie ihrer Tochter daher all das, was sie wusste. Was ihr Vater gesagt und wie er gehandelt hatte. Als sie schließlich geendet hatte, war es bereits dunkel. Eine ganze Weile stand Haldana daraufhin schweigend neben ihrer Mutter und blickte über das Land in Richtung ihrer Heimat. „Was immer noch dahinter steckt. Niemand stellt sich gegen unser Haus und nimmt uns Schlotz.“ Sie drehte sich zu ihrer Mutter und legte ihr die Hand auf die Schulter. „Wenn Onkel Sieghelm an seiner Seite steht, dann ist das gut. Wo Vater den Geist hat, hat er den Schwertarm und die Erfahrungen ihn gut zu nutzen. Mehr denn beten können wir kaum und auf ihr Können vertrauen.“


Auf der Reichsstraße, nördlich von Brücksgau – Am Mittag des 08. Praios 1033 BF

Sie hatten ihre Pferde angetrieben, so gut es ging. So hatten sie gut Strecke gemacht, vor allem da sie nun ohne die Kinder und die Baronin reisten. Doch jetzt, wo die Sonne am höchsten Stand, mussten auch sie Rast machen. Silvana hatte es sich unter einem schattigen Baum bequem gemacht und gerade einen kräftigen Schluck aus dem Wasserschlauch genommen.

Hätte ihr Vetter doch jemand anderen für diese Aufgabe gewählt, so ehrvoll sie auch war. Immerhin hatte er ihr die Familie anvertraut. Doch wie gerne hätte sie dem Schattenholzer ihre Klinge in den Wanst gerammt! Besser noch, sie hätten ihn festgesetzt. Dann wäre er vor dem versammelten Volk geköpft worden. Dieser selbstzufriedene Wehrheimer wäre dann gleich der nächste. Ihnen Schlotz nehmen zu wollen! So wie Tsafried als Ritter auch nicht zu gebrauchen war, hatte er Schlotz nicht gut geführt? Seinen verdammten Bastard sogar zum Junker gemacht. Edel bis zum Ende - sie spuckte auf den Boden - und so wurde es ihm nun gedankt. Doch jetzt würde jeder merken, dass ihre Familie auch hart zu schlagen konnte, wenn es nötig wäre!

 

Die Burg Schlotz


Waldrand des Wutzenwald - 07. Praios 1033 BF - Morgengrauen

Sie hatten eine unruhige Nacht hinter sich. Nicht allein die seltsamen Geräusche hatten dafür gesorgt. Auch Gerbold und sein Gefolge schienen beunruhigt. Auf Nachfragen konnten sie nur sagen, dass sie ein solches Grollen hier zuvor noch nie vernommen haben. So herrschte allgemeine Erleichterung, als es nach einem schnellen Frühstück an den Aufbruch ging. Erneut hieß es alte Pfade und Wege durch den Forst zu nehmen. Ein weiteres Mal bat der Zwölfengrunder die Übrigen dabei, sich die Augen zu verbinden. Als sie die Binden dann endlich wieder abnehmen konnten, befanden sie sich auf einem kleinen Hügel. Der Junker deutete gen Firun, wo man die Burg Schlotz ausmachen konnte. „Ismena habe ich bereits voraus geschickt. Sie wird schauen, dass der Weg frei ist. Wir werden die Feste in einem Bogen umgehen und uns von der Sichel nähern.“ Gerbold zeigte ihnen den Weg den sie nehmen würden. „Diejenigen, die den Weg kennen, sind treue Freunde und werden uns nicht verraten. Doch der Baron mag Späher ausgesendet haben.“


Schnayttach nieder dem Schlotz – 07. Praios 1033 BF - Vormittags

Nach einer kurzen Rast nahmen sie schließlich den letzten Abschnitt der Reise in Angriff. Es sollte noch zwei Stunden brauchen, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Über ihnen thronte die alte und gewaltige Burg. Der Baron oder besser Anselm von Grüningen hatte Wachen eingesetzt. Doch rechneten sie nicht mit Ankömmlingen aus dieser Richtung und wer die Wege kannte, der wusste sie zu umgehen. So hatte Gerbold sie zu einem alten Hof geführt, dessen Keller tief in den Fels getrieben war. Dort hieß es zu warten, bis es draußen dunkel geworden war. Sie wollten kein Risiko eingehen. Hier hatten sie auch Ismena und Heldan zurückgelassen, die den Weg in den Berg nicht mitgehen würden.

Das Gebäude vor dem sie nun standen hatte schon bessere Zeiten gesehen und musste eines der ersten gewesen sein, welches man an die Flanke des felsigen Schlotzer Hügel gesetzt hatte. Erst nachdem er geklopft hatte und einige Worte gewechselt wurden, öffnete sich ihnen die Tür. Das ganze Erdgeschoss wurde von einem großen Raum eingenommen, der auch als Küche diente. Ein Mann der die 70 schon überschritten hatte, nickte ihnen nur kurz zu und deutete auf einen Durchgang, der tiefer in den Fels führte. Weitere Räume folgten. Eine Kammer mit in den Fels gehauenen Schlafnischen, Räume die als Werkstatt zu dienen schienen und Vorratskammern. Als es nicht mehr weiterzugehen schien, ging Gerbold auf ein in Stein gehauenes Regal zu, an dem er kräftig drückte. Ein geschickt gearbeitete Tür hinter der sich ein kurzer Gang und eine Kammer offenbarte, die sie alle fasste. Während Undra sich schon daran machte die Tür zu schließen, zeigte Gerbold auf ein Fass das hier stand, in dem sich genau vier Fackeln befanden. „Fackeln, damit wir nicht im Dunkeln tappen müssen.“ Wobei er in Richtung des Tunnels zeigte, der nun vor ihnen lag. “Es wird einen halben Tag brauchen, bis wir in der Burg sind.“

Anshag wirkte äusserst unglücklich und nahm sich direkt zwei Fackeln, von denen er eine in seinen Gürtel steckte. „Müssen wir unbedingt dadurch? Ich meine gibt es keinen anderen Weg, bei dem man keine Angst haben muss, dass einem die Decke auf den Kopf fällt? Verdammt noch eins, ich hasse solche Gänge! Man hat die Burg schon gesehen können wir dann nicht einfach oben rum gehen?“

„Werter Anshag von Sturmfels, wir müssen durch den Fels, wen wir nicht von den barönlichen Schergen in Ketten gelegt werden wollen.“ Sprach Storko leicht erklärend dem Gernatsauer Ritter zu. „Nur so können wir in die Burg eindringen, ohne viel Blut zu vergießen. Nehmt euren Mut zusammen, ich bin mir sicher, dass wir in wenigen Stunden wieder frische Luft erblicken werden.“ In Wahrheit war er diesbezüglich ganz und gar nicht sicher, und sprach sich deshalb damit auch selbst Mut zu.

Ritter Traviahold aus dem Wutzenwald ließ sich von der Schwarzen Knappin seinen schweren brünierten Plattenharnisch abnehmen. Auch seinen legendären schwarzen Drachenflügelhelm nahm er ab und legte ihn in eine Ecke zu seiner Rüstung. Im Berg würde es sicher so Dunkel wie in einer Bärenhöhle sein, da brauchte er sich nicht noch zusätzlich die Sicht mit seinem schweren Helm zu nehmen, der nur einen schmalen Sehschlitz aufwies. Seinen großen Ritterschild hatte er schon zuvor bei seinem Streitross beim Rest seiner Schwarzen Lanze gelassen. Er trug jetzt nur noch sein langes Kettenhemd, brünierte Schulterplatten, Beinschienen und den Panzerarm mit Spornen, den er bei Siebeneichen erbeutet hatte. Seinen Zweihänder „Hunger“ schnallte er sich samt Scheide vom Rücken und legte ihn ebenfalls zu seinem Harnisch. Als lange Schwungwaffe war dieser in beengten Räumen auch eher hinderlich. Der Schattenholzer beschränkte sich auf seine hässliche Ochsenherde und sein Altes Langschwert mit der abgebrochenen Spitze, der Klinge die er einst von seinem Vater überreicht bekam, auf der sich das Wappen der Schnayttachs befand und die ihn als Mitglied der Familie des Barons auswies. Genau mit diesem makelhaften Schwert würde er seinen Vater töten! Und mit abgebrochener Spitze würde es umso schmerzhafter für diesen werden, wenn sein Bastardsohn ihm das Schwert in Leib bohren würde. Sein eigener Vater hatte den Tod seines Sohnes befohlen, indem er ihm den Kriegsfürsten der Drachengardisten auf den Hals hetzte und hatte gemeinsame Sache mit den Feinden Darpatiens gemacht. Nun wendete sich das Blatt.

Traviahold wendete sich zu seinen treuen adligen Gefährten Storko von Gernatsborn, Anshag von Sturmfels, Praiosmin von Siebenstein und Gerbold von Zwölfengrund, wobei letzterer das nun folgende sicherlich selbst wusste. „Kampfgefährten, bisher war ich nur in den oberen Ebenen der Trollburg, nicht wirklich tief, so wie jetzt. Aber selbst dort war es schon stellenweise sehr sperrig und gefährlich. Rüstung die euch zu sehr behindert solltet ihr wie ich besser hier lassen.“ Als Anshag der jetzt auch noch in seinen Befürchtungen bestätigt wurde wechselte die Gesichtsfarbe. „Wie es aussieht haben wir nur vier Fackeln. Wir sollten also mit unserem Licht haushalten.“ Die Schwarze Knappin steckte sich daraufhin die dritte Fackel in den Waffengürtel, so dass noch eine im Fass übrig war. Traviahold blickte dann Gerbold direkt an. „Wo genau kommen unsere Opfergaben hin? Gibt es irgendwo in der Tiefe einen Altar oder so etwas?“

„Es wird durch Tunnel und Gänge gehen, die eng und alt sind. Der Junker hat ganz Recht, lasst zurück, was Euch behindern könnte.“ Er selbst hatte sein Bogen auf dem Hof zurückgelassen. „Und nein Sturmfels, es gibt keinen besseren Weg, wenn wir nicht selbst hohe Verluste erleiden wollen. Vergesst nicht, wir wollten die Unschuldigen verschonen.“ Gerbold ließ sich gerade die letzte Fackel reichen lassen. „Es gibt einen ‚Altar’, doch haben wir noch einen Weg vor uns, ehe wir ihn erreichen.“

Storko, der zuerst vor hatte seine ganze Ausrüstung zur Sicherheit und für alle Fälle mitzunehmen, ließ sich nun auch von seinem Weibel einige Plattenteile abnehmen und legte Anderthalbhänder und Armbrust zu den Rüstungsteilen in die Ecke. Anshag sah mit blassem Gesicht in den Gang. Man sah an seinem Hals, dass sein Herz um einiges schneller schlug als es im Angesicht einer solch harmlosen Situation angebracht war. Schweiß stand ihm auf der Stirn und er leckte sich nervös über die Lippen. „Rondrasanctus, Ihr schuldet mir nach der Sache was Traviahold!“ sagte Anshag gepresst, als er direkt hinter Praiosmin in den Gang ging. Als diese sich im Gang umdrehte sah sie, dass Anshag die Augen geschlossen hatte und sich scheinbar vollkommen auf die Führung durch sie verliess. Natürlich eckte er immer mal wieder an eine der Wände des engen Ganges, was jedes mal durch ein leises Gebet an Rondra quittiert wurde, in dem Anshag die Herrin um Mut bat. Der Gernatsborner schmunzelte ob des Verhaltens des Sturmfelser Ritters, während er hinter jenem durch die Gänge schritt.

Mit dem Zwölfengrunder an der Spitze setzten sie sich erneut in Bewegung. Der Gang musste vor langer Zeit in den Fels geschlagen worden sein. Natürlich war er keinesfalls, das hätte ein Waldelf erkannt. Der Stein war grob behauen und bildete einen Kontrast zum Boden, der von einer Vielzahl an Füßen glatt geworden war. Er war leicht abfällig und führte sie tiefer in den Hügel. Nach einer ganzen Zeit, das Zeitgefühl hatten die meisten schnell verloren, kamen sie in eine größere Kammer, von der einst drei weitere Gänge abgegangen waren. Einer von ihnen war jedoch schon vor Ewigkeiten eingestürzt. Der Junker leuchtete nur kurz in ihre Richtung. „Sie führen in Windungen zu anderen Zugängen in den Hügel. Seht“, er trat näher an einen der Zugänge. Im Schein der Fackel waren einige bosparanische Ziffern und Buchstaben zu erkennen. „Sie stammen aus der Zeit des alten Wehrheims. Zeiten in denen die Fahrt unserer Ahnen aus dem Güldenland noch jung war. Wir nehmen diesen Weg.“ Womit er sich erneut an die Spitze setzte.

„Hört endlich auf mit den Erzählungen Zwölfengrund und seht zu, dass Ihr uns aus diesem von allen Zwölfen verfluchten Drecksloch rausbekommt oder ich vergesse mich.“ Zur leisen Belustigung der Anwesenden hatte Anshag bei seinem Ausbruch die Augen noch immer geschlossen, was im Licht der Fackel gut zu erkennen war.

Storko war grundsätzlich ruhig und wirkte nachdenklich während sie durch die felsigen Gänge schritten. Doch nicht weil er Angst oder Ehrfurcht verspürte, sondern weil er versuchte sich den Weg einzuprägen. Diesen Geheimgang zu kennen würde gewiss zu einer anderen Zeit ebenfalls gewinnbringend sein, oder aber zumindest könnte er dann wieder den Weg hier heraus finden.

Der Weg wurde nun zunehmend steiler und schien sich in die Tiefe zu winden, um sich dann abrupt gerade fortzusetzen. So ging es eine ganze Weile weiter, vorbei an einigen weiteren Gängen und kleinen Höhlen, um sie dann wieder in die Höhe zu führen. Sie mochten schon Stunden unterwegs sein, als sie dem Ziel schließlich näher kamen. Der Gang wurde breiter und höher. Und öffnete sich endlich in eine große Höhle. Die Höhle schien riesig. Das Licht ihrer Fackeln reichte nicht annähernd aus, sie auszufüllen. Es bildeten sich bizarre Schatten an den unzähligen Stalagmiten und Stalaktiten in der Höhle. Zur Mitte, wohin Gerbold sie führte, stieg der Boden zunächst leicht an, fiel dann jedoch in eine große Senke ab. In ihrer Mitte befand sich eine gewaltige ‚Säule’. Ein Stalagmit war hier mit einem Stalaktit zusammengewachsen. Um ihn herum befand sich klares Wasser. Fast schien es, dass die Säule in der Mitte Gesichter zeigte. Eines davon besonders groß. Man brauchte keine allzu große Fantasie um darin eine Frau zu erkennen. Dem Gesicht gegenüber befand sich eine Art Altar. Steine waren zusammengetragen worden und darauf eine gewaltige Steinplatte gelegt worden. Auf ihr befand sich eine Vielzahl kleinerer und größerer Opfergaben. Einfach Dinge, die allesamt Gaben der Natur oder des eigenen Können zu sein schienen.

Anshag öffnete auf ein stummes Zeichen Praiosmin's die Augen. „Rondra sei´s gedankt! Endlich wieder Wände, die mir nicht die Rüstung zerkratzen und eine Decke die mehr als ein Spann über meinem Haupt schwebt. Wie weit wird es denn noch sein und viel wichtiger: Bleibt es so oder wird es wieder enger?“

Traviahold starrte auf die gewaltige Säule im Zentrum der Höhle. Sein Blick blieb auf dem großen weiblichen Gesicht haften, dessen Gesichtszüge, wenn man davon überhaupt sprechen konnte, ganz und gar nicht milde wirkten. Niemand vermochte zu sagen was auf dem archaischen Altar schon alles für Opfergaben dargebracht wurden, und Traviahold zweifelte keinen Augenblick daran, dass hier auch schon Tier- und Menschenopfer getätigt wurden. Der archaische und primitive Altar sprach dafür, dass dieser Ort uralt war, älter als das Bosparanische Reich. Der Schattenholzer spürte förmlich die Schwere, die in dieser riesigen Höhle herrschte. Ganz so als hätte das Gewicht seiner Kettenpanzerung und seiner Waffen zugenommen. Als wolle eine fast vergessene Macht sie zu Boden zwingen. Dies war ein heiliger Ort, daran hatte er keine Zweifel. Es war ein Gefühl, das dem gleich kam, wenn man einen Tempel der Zwölfe betrat. Aber das hier war einfach Urtümlicher und Älter – Gewaltiger. Er fühlte Ehrfurcht und Respekt. Was auch immer hier angebetet wurde oder sogar noch wird, es stand außerhalb des Zwölfgöttlichen Pantheons. War das vielleicht sogar ein Tempel der Gigantin Sokramor der Schwarzen von der ihm sein alter Schreiber erzählt hatte? Sein Blick ging an der Säule empor, die Aussah wie ein Fundament, das den Schlotz und und den- oder diejenigen die dort oben herrschten. Es würde sich bald zeigen, ob der Baron das Wohlwollen der Gigantin hatte, oder ob er stürzen würde. Traviahold legte die Trophäen des Schwarzen mächtigen Keilers auf die altarartige Steinplatte und kniete nieder. Seine Schwarze Knappin, deren Kettenhemd und Schild ebenfalls schwer wog, zögerte kurz, ganz so als war sie sich nicht sicher, ob die Ehrerbietung an die unbekannte Entität, die Zwölfe erzürnen würden. Aber dann legte sie ihren Schild ab, senkte ihr Haupt und kniete ebenfalls nieder. Sie fühlte nichts Falsches darin.

Auch der einäugige alte Yantur Zertel, aus dem Gefolge des Schattenholzers ging auf die Knie, hatte dabei aufgrund seines steifen Kniegelenkes aber sichtliche Probleme. Sein Blick verharrte auf dem klaren Wasser, das die massige Felsnadel umgab, indem sich das Antlitz der Knienden im Fackelschein spiegelte.

Kurz danach kam Storko dem Altar näher holte sachte die prächtige Blüte, seine 'Jagdbeute', heraus und legte sie auf den archaischen Kultplatz. Von der seltsamen Andacht der anderen etwas verwirrt trat er hinter ihnen zurück. Ihm war bewusst, dass hier alte Naturkräfte angebetet wurden, doch auch selbst wenn man diese als Diener und Aspekte von Peraine oder Firun ansehen könnte, so würde dieser Kultplatz einem jeden Praioten gewiss missfallen.

Praiosmin mutete das ganze eher seltsam an. Sie legte ihre Beute auf den Altar. Ein Zeichen des Respekts, das konnte sie hinnehmen. Wer wusste schon, was im Schlotzer Hügel so alles hausen mochte. Aber beten würde sie zu diesem Götzen sicher nicht. Dieser Ort hatte vieles an sich, doch zum Beten war ihr mit Sicherheit nicht. Stattdessen schaute sie sich misstrauisch um. Sie bemerkte einen leichten Zug und das auch verschiedenen Richtungen. Es musste mehr als einen Zugang zu der Höhle geben.

Traviahold erhob sich zusammen mit Knappin und Schreiber, und blickte sich weiter in der großen Höhle um. Auch er merkte den leichten Luftzug, der an der brennenden, flackernden Fackel, die Gerbold in Händen hielt, gut zu erkennen war. Die eine Fackel spendete gerade genug Licht um der große Gruppe zu leuchten. Die Wände der riesigen Höhle waren schroff und mit unbekannten Ornamenten verziert. Jeder ihrer Schritte hallte gespenstig nach, obwohl alle darauf achteten keine unnötigen Geräusche zu machen. Die anderen Zugänge zu dieser Zentralen Höhle waren auffällig breit und hoch, was Anshag sehr gelegen kam. Wer immer sie geschaffen hatte, war weit größer als ein Mensch.

In den dunkelsten Schatten in absoluter Finsternis in den Tiefen des Schlotzes, hatte etwas schlagartig die Aufmerksamkeit des uralten Schreckens erregt! Es spürte die Anwesenheit von Leben! Nicht ein Einzelnes, nein, es waren gleich mehrere auf einmal! Der Schwarze ruhelose Schatten stand schon seit über einem halben Jahrhundert vor seiner neuerlichen Fleischwerdung, und nun spürte er mehr als genug Leben um endlich für immer in die vierte Spähre zurückkehren zu können! Viel zu lange war es her, dass sich etwas Intelligentes und kraftvolles in sein Reich verirrt hatte. Aber er hatte gewartet. Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte - ruhelos! Sie befanden sich am Heiligtum, dort wo er nicht hin konnte. Der einzige Ort in seinem Reich, seiner „Baronie“ den der vergessene Herrscher nicht betreten konnte. Aber diese Leben waren anders als die Leben, die er dort manchmal alle paar Jahre spürte. Sie waren voller Kraft und Tatendrang. Sie waren selbst Eroberer und Herrscher, von altem Blute wie er! Er würde sie alle holen, ALLE! Und dann würde er schon dafür sorgen, dass man sich wieder an ihn erinnert, mehr noch, er würde dafür sorgen, dass man ihn nie wieder vergisst! Der ruhelose Schrecken machte sich auf den Weg.

„Wohl an, wir werden diesem Tunnel folgen.“ Gerbold leuchtete in Richtung eines der Zugänge. „Er ist seit langer Zeit nicht mehr genommen worden, seit also wachsam. Undra, komm Du mit an die Spitze. Ehrhelm, Du bildest den Abschluss.“ Nach einem letzten Blick auf die Säule in der Mitte setzte sich der Junker auch in Bewegung. In dem Durchgang blieb er kurz stehen und musterte den Boden und die Decke. Seine Informationen waren alt und er selbst den Weg nie gegangen. Es war eines der Geheimnisse der Familie, konnte man doch nie sicher sein, ob es nicht einmal an der Zeit wäre aus der Burg zu fliehen oder eben unbemerkt einzudringen. Das er es sein würde, der ihn gehen musste, er hätte nie damit gerechnet.

Der breite Gang verlief eine ganze Zeit gerade voran. Als sie zu einer Abzweigung kamen, leuchtete Gerbold kurz in den Gang der hier abging. Kurz hinter der Abzweigung war der Tunnel eingestürzt. Zum Glück war es nicht der Weg, den sie vor sich hatten. So folgten sie weiter dem Hauptgang und passierten weitere Abzweigungen und Wege. Schließlich endete ihr Weg in einer Höhle. Ein Gang führte von hier in einem Bogen wieder weiter nach oben, dies war ihr Weg. An seinem Ende folgte eine weitere Höhle, eine Ebene über der zuvor. Erneut gingen mehrere Gänge ab. Der Zwölfengrunder blickte sich zunächst zwei der Zugänge näher, erst bei einem Dritten schien er gefunden zu haben, was er suchte. Erneut machten sie sich auf den Weg. Sie waren einige Schritte gegangen, da machte sich ein Geruch in der muffigen Luft bemerkbar, den sie zuvor noch nicht wahrgenommen hatten. Kurz darauf entdeckten sie auch, woher er zu stammen schien. Ein Stück der Decke war hier eingebrochen. Im Licht der Fackel meinten Gerbold und die umstehenden eine natürliche Höhle oder Gang dahinter zu erkennen. Allerdings wurde der Durchbruch zum Großteil von einem großen Spinnennetz verdeckt. „Na toll, wir sollten vorsichtig sein.“ Stellte der Sokramshainer fest, während er versuchte im Gang vor ihnen mehr auszumachen. „Das sieht mir arg nach Höhlenspinnen aus.“

„Höhlenspinnen?“ Murmelte Storko. Zwar hatte er noch nie eines dieser Kreaturen leibhaftig erblickt, doch in seiner Kadettenzeit blätterte er immer wieder gerne durch das 'Bestarium von Belhanka' und so erinnerte er sich an die Abbildung und manche Charakteristika dieser Biester. „Wir sollten vorsichtig“ - sprach er zu den anderen - „wenn diese Monster in Vielzahl auftreten können sie ernste Gegner sein. Junker Gerbold, müssen wir hier durch?“ Er hatte sein Schwert schon gezogen und setzte an das Netz zu zerstören.

„Wir müssen hoffen, dass sie nicht zu tief in die Höhlen eingedrungen sind.“ Dabei deutete er mit der Fackel auf den Gang vor sich. „Einen anderen Weg, den man nehmen könnte, kenne ich nicht. Einzig Gerüchte und Geschichten auf die wir uns nicht verlassen sollten.“ Er schaute noch einmal nach hinten. „Der Gang ist breit genug, wer kommt mit nach vorne? Wir sollten auch die Decke stärker im Auge behalten.“ Gerbold hatte wenig Lust, plötzlich angegriffen zu werden. Im schlimmsten Fall ginge die Fackel aus und sie hätten arge Probleme.

Traviahold betrachtete die weit niedergebrannte Fackel in Gerbolds Hand. Dann schritt er zusammen mit seiner Knappin nach vorn. „Die Schwarze Knappin wird sich hier beweisen! Sie wird mit ihrem Schild vorgehen. Ihr Gerbold solltet weiter mit Schwert und Fackel vorne dabei sein, und auch ich selbst komme an eure Seite. Mein Schreiber kommt dann hinter uns beiden und achtet auf die Decke vor uns.“ Der Schattenholzer blickte sich um und blickte auf die restlichen Adligen und Gefolgsleute. „Ihr werdet schon wissen in welcher Position ihr besser kämpfen könnt, falls wir wirklich von riesigen Spinnen angegriffen werden.“ Dann machte er seiner Knappin ein wenig Platz, so dass diese besser vortreten konnte, während die Fackel gespenstige Schatten in alle Richtungen warf. Die hintersten hatten so gut wie kein Licht, da die ganzen Körper vor ihnen fast das gesamte Licht verdeckten. Es war an ihnen zu entscheiden, ob sie eine zweite der vier Fackeln entzünden würden oder nicht.

Die Schwarze Knappin schritt ganz langsam auf die schmale noch nicht verschüttete Stelle, die von dem großen Spinnennetz verschlossen war. Sorgenvoll blickte sie nach oben, nicht sicher was gefährlicher war; die Tatsache, dass jeden Moment alles über ihnen zusammenbrechen konnte, oder das was da hinter dem klebrigen Netz lauern mochte. Ihr Ritterschild verdeckte sie nach vorne fast vollends und zugleich ging sie leicht geduckt und war angespannt wie eine Raubkatze. Die ersten Geröllhaufen hatte sie erklommen und zögerte noch einen Moment, ob auch alle hinter ihr bereit waren. Sie betrachtete die einzelnen dicken Fäden. Sie fühlte sich wie eine Fliege, die die wahnsinnige Idee hatte durch ein Spinnennetz zu fliegen.

Der Sokramshainer hatte nur zustimmend genickt und sein Schwert fester gepackt. Praiosmin hielt sich derweil weiter in der Nähe Anshags. Die Dunkelheit war absolut nicht sein Element und sie wollte in seiner Nähe sein, sollte es zum Kampf kommen. Wie Gerbold hielt auch sie ihre Klinge in der Schwerthand, bereit zuzuschlagen, sollte es erforderlich werden. Ein kurzer Blick auf ihre beiden treuen Gefolgsleute zeigte ihr, dass auch diese nun jederzeit mit einem Angriff rechneten. Auch wenn sie in den letzten Jahres vieles erlebt hatten. Mit Höhlenspinnen hatten beide noch nicht zu tun. Allein das die Heilerin bei Firunsfelde gesagt hatte, ihre Herrin sei von einem Spinnengift vergiftet worden, reichte ihnen, um den Feind zu fürchten. „Wir sind in Stellung. Ihr gebt das Tempo vor.“ Sagte die junge Ritterin schließlich in die Stille. Wenn die Knappin bereit war, sollte sie nur voran gehen.

Langsam drängte sich die Knappin des Schattenholzers durch die Spinnenseide, die robuster war, als zunächst gedacht. Überall an ihrem Kurzschwert und ihrem Ritterschild hingen nun die dicken Fäden, während sie aufgrund ihrer Größe relativ problemlos durch die Öffnung passte. Ihr Ritter würde es da schon schwerer haben. Immer wenn die Fackel von Gerbold versehentlich eines der Netze berührte verging dieses sofort in kurzem flackern. Einer nach dem anderen passierte mehr oder weniger schnell die Öffnung, so dass nun der Großteil der Truppe den ehemaligen Raum betrat. Linker- und Rechterhand war jeweils ein etwa Einsachtzig hoher Korridor, die beide zugesponnen waren. Das Licht der Fackel reichte nicht bis zur gegenüberliegenden Wand, in der es eventuell einen weiteren Durchgang geben konnte. Die am Boden liegenden Felsbrocken waren alle über und über mit Netzen bedeckt. Aber waren dies auch alles harmlose Brocken der Decke, die sich unter den Netzen befanden? Auf der linken Seite hing ein großer Kokon von der Decke, in dem irgendetwas eingesponnen war und auch die Decke und das was davon noch nicht herunter gekommen war, war mit alter Spinnenseide überzogen. Gerade als die Knappin irgendetwas flüsterte schnellte plötzlich eine riesige haarige Spinne von vorne aus den Netzen hervor und sprang direkt auf den Großen Schild! In ihren unzähligen schwarzen Augen spiegelte sich der Schein der Fackel und ihre vorderen Fresswerkzeuge versuchten nach dem Kopf der Schwarzen Knappin zu schnappen, die unter dem Gewicht des Monsters in die Knie ging und mit ihrem Kurzschwert reflexartig über ihr Schild hinweg ins Maul der Spinne stach. Gleichzeitig schnellten von links und rechts aus den beiden Gängen ebenso große Höhlenspinnen, während eine vierte sich von oben aus der Dunkelheit in den hinteren Teil der Eindringlinge fallen ließ, um direkt zuzubeißen. Der Kampfeslärm schwoll innerhalb von Augenblicken an. Traviahold ließ seine tödliche Ochsenherde über den Köpfen von Gerbold und der Schwarzen Knappin kreisen und traf die vordere Spinne mit allen drei schweren Eisenkugeln zugleich, was den vorderen Rumpf der Höhlenspinne in eine breiige Masse verwandelte, während sich die zuckenden Beine noch um das Schild seiner Knappin klammerten. Während hinter ihnen alle in ein panikartiges Hauen und Stechen verfielen, zerrissen über dem vorderen Teil der Gruppe, die Netze der Decke. Eine Falle! Traviahold, Gerbold und die Schwarze Knappin, die gerade noch geistesgegenwärtig ihren großen Schild nach oben reissen konnte um sich und ihren Ritter zu schützen, wurden von den Gesteinsmassen fast begraben und zu Boden gerissen! Gerbold, der keinen Schild trug, wurde voll erwischt, genauso wie seine Fackel. Schlagartige Dunkelheit! Jetzt brach richtige Panik unter den dicht zusammen Gedrängten aus! Nicht nur dass sich mitten unter ihnen und auf der Linken und rechten Flanke je eine Spinne befand, sondern jetzt auch noch absolute Finsternis in der man Freund und Monster nicht mehr unterscheiden konnte!

Storko und seine zwei Mannen befanden sich im mittleren Teil der Kolonne. Zwar wurden sie nur unwesentlich von Geröll getroffen doch die Spinnen von den Seiten setzten ihnen zu, zumal es stockdunkel war. „Entzündet eine Fackel, schnell!“ rief der Gernatsborner während er mit seinem Schwert wild um sich schlug. Irgendwas hatte er getroffen, eine Spinne, einen Kameraden oder einen Kokon. Auch seine Soldaten schlugen um sich. Der Weibel schrie plötzlich auf „das Biest hat mich ins Bein gebissen, in die Kettenhose, na warte!“ Er holte mit seinem Streitkolben nach der Spinne vor ihm aus. Man vernahm ein Knacken. Doch sie schien noch nicht besiegt zu sein, denn abermals war zu hören wie sie versuchte ihre Beißwerkzeuge nach vorne schnellen zu lassen.

Der uralte Schrecken bewegte sich weiter durch die Finsternis. Er konnte die Lebenden, die das Heiligtum verlassen hatten, jetzt nicht nur erspüren, sondern auch schon hören. Kampfeslärm! Sie hatten den alten Weg durch die Kavernen der Höhlenspinnen gewählt. Einer der wenigen Wege weiter nach oben. Der Lärm konnte nur bedeuten, dass sie den Spinnen ins Netz gegangen sind. Der ruhelose Schatten durfte keine Zeit verlieren, um keinen der Lebenden an diese Monster zu verlieren. Der Schrecken hatte den schmalen Durchgang fast passiert. Kein Licht! Die drei verbliebenen Riesigen Spinnen, spürten die Anwesenheit des „Barons“, und ließen mit klackenden Geräuschen, schlagartig von ihrer sicheren Beute ab und zogen sich fluchtartig in die Seitenkorridore zurück. Räuber der Tiefe, die einem größerem Räuber wichen, dem sie nichts entgegen zu setzen hatten. Der Bastard aus dem Wutzenwald lag halb begraben unter den Deckentrümmern. Seine Beine waren eingeklemmt. Seine Beinschienen hatten ihn vor gebrochenen Knochen bewahrt, und er konnte atmen. Um ihn herum Finsternis, nach Staub schmeckende Luft und Waffenhall. Mit halb betäubten Sinnen tastete er nach seiner Schwarzen Knappin, die unmittelbar an der selben Position wie er lag. Ihr Schild hatte sie beide vor dem Tode bewahrt. Das Geröll hatte sie aber dennoch am schwersten getroffen. Keuchend hustete sie unter dem großen Ritterschild und tastete nach ihrem Ritter, dessen Hand sie greifen konnte und welche sie nicht mehr losließ. Traviahold konnte hinter sich Gerbold spüren, der am wenigsten in Mitleidenschaft gezogen schien, da diesen weniger Geröll umgab, was aber dennoch ausgereicht hatte um ihn zu Boden zu werfen. Er ertastete auch ein langes ekelhaftes totes Spinnenbein und seine Ochsenherde in seiner Reichweite. Hinter ihm weiter Kampfeslärm. Seine Augen brannten vor Dreck. Langsam schienen die Rufe verstummen, so dass er einzelne Sätze von verschiedenen Personen verstehen konnte. „Licht verdammt!“ oder „Argh nein lass los du Monster, nimm das!“ und kurz darauf ein menschlicher Aufschrei. Aber auch Wortfetzen wie „vergiftet, kann...mich...nicht...bewegen“ oder „Haltet ein, die Spinnen sind weg!“ und „Bei Praios, wir brauchen endlich Licht!“ Ein ältere ihm sehr gut bekannte Stimme war unaufhörlich den Berg am Fluchen. Dann hörte er immer wieder ein kurzes Geräusch von Metall auf Stein, gefolgt von ganz kurzen Lichtfunken. Dann endlich hatte Anshag es geschafft, eine seiner zwei Fackeln zu entzünden. Das Licht glimmte langsam auf und erhellte die Szenerie. Einer aus Anshags Gefolge lag blutend am Boden, wahrscheinlich von einer Klinge der anderen getroffen, während Storkos Weibel vor Gift zuckend sein Bein umklammerte und Lähmungserscheinungen aufwies. Praiosmin stach, halb in Netze eingewickelt derweil immer wieder in eine längst tote Spinne vor ihren Füßen, bis sie von ihrer Waffenmagd und dem stämmigen Fleischer von Siebeneichen zurückgehalten wurde. Erst als das Licht in etwa 6 Schritt Umkreis alles erhellte, bemerkten sie, dass einer aus Gerbolds Gefolge fehlte, der als letzter die Höhle betreten hatte!

Gerbold erhob sich ächzend und versuchte sich vom gröbsten Dreck zu befreien. Praiosmin war noch dabei, sich von den Resten des Spinnennetzes zu befreien. „Herr“, Undra die zweite aus dem Gefolge des Sokramshainer hatte soeben die kümmerlichen Überreste der Fackel im Schutt gefunden, die ihr Herr verloren hatte. Dieser fasste sich gerade ans Gesicht, wo er aus einer kleinen Wunde blutete. Nicht schlimmes, doch behinderte es seine Sicht. „Ich brauch einen Verband. Verdammt noch mal. Ehrhelm?“ Hier erst fiel auch ihm auf, dass sein treuer Gefolgsmann verschwunden war. Der Staub überall in der Luft nahm vielen die Sicht. Und so sah niemand der Adligen und auch der anderen, dass der Schattenholzer halb und die Schwarze Knappin fast ganz verschüttet war.

Traviahold nutze sein altes Schwert mit der abgebrochenen Spitze als Hebel, um seine Beine zu befreien, was ihm auch gelang. Mit Mühe konnte er endlich aufstehen. Er versuchte sich zu orientieren, blickte sich um, und sah, dass ihnen immer noch keiner zu Hilfe geeilt war. „Verdammt auf was wartet ihr, ich bauche hier Hilfe! Der Großschild über meiner Knappin, der sich verkeilt hat, kann jeden Moment bersten. Dann wird jede Hilfe für sie zu spät sein!“ Kurz darauf kam der einäugige Yantur herbei, um die Hand der einzigen Frau unter der Schwarzen Lanze zu packen. Seine Versuche sie aus dem Schutt heraus zu ziehen waren vergebens. Eher würde er ihr den Arm auskugeln, also vergrößerte er das Luftloch und schob die kleineren Steine zur Seite. Das Ächzen des Schildes über ihr war schon zu hören – sie würden es nicht mehr rechtzeitig schaffen. Traviahold stemmte wie ein Berserker einen größeren Felsbrocken nach dem anderen weg von der der Knappin, ohne darauf zu achten, ob jemand hinter ihm stand oder nicht. Sie hatte ihre Knappenschaft fast beendet, hatte den Hinterhalt der „Geierkinder“ und „Chraaz dem Verräter“ überstanden, hatte Firunsfelde, den Sturz in eine Speergrube und den Kampf gegen „Stachelwanst“ überlebt, und hatte ihm mindestens zweimal das Leben gerettet – er würde sie hier nicht sterben lassen!

Noch immer etwas wackelig auf den Beinen eilte Gerbold zum Ende des Zuges. „Was bei allen Niederhöllen?“ Irritiert versuchte Gerbold, sich einem Reim daraus zu machen. Die Spinnen? Konnte das sein? Kaum so schnell, außerdem hatten sie sie doch schon in der Falle gehabt. Während er noch am Grübeln war und sich zunehmend ein Gedanke in den Vordergrund drängte, zog die Ritterin von Siebeneichen die Aufmerksamkeit auf sich. „Was nun? Wenn wir den Weg nehmen wollten, dann haben wir ein Problem.“ Noch immer ihre Klinge haltend, deutete sie auf den Weg vor ihnen. Der Einsturz hatte ihn versperrt. Wären die drei an der Spitze nur etwas weiter vorne gewesen, es wäre ihr Ende gewesen. Wenn sie nicht lange graben wollten, dann müssten sie einen anderen Weg finden.

Storko versuchte sich in der staubigen Umgebung die nur vage beleuchtet war umzusehen. Er sah Junker Gerbold und Praiosmin samt mancher Gefolgsleute, auch Anshag vernahm er im Staubnebel, doch wo war Traviahold. „Wo ist Ritter Traviahold?“ sprach er zu den anderen. „War er, seine Knappin nicht an der Spitze unseres Zuges gewesen?“ Er blickte in ihre Richtung, doch nur große Gesteinsbrocken waren zu vernehmen. Aber nein, da war der alte Waffenknecht des Schattenholzers, er versuchte etwas unter den Steinen herauszuholen, nein er fasste eine Hand. „Die Schattenholzer sind unter den Steinen verschüttet, schnell ...“ rief Storko den anderen zu als er verstand, dass der Einsturz wohl doch einige erfasst hatte und machte sich nach vorne auf.

Noch ehe Praiosmin reagieren konnte, eilte auch schon ihr kräftiger Gefolgsmann herbei. Beherzt schob er den Gernatsborner zur Seite. Mit seinen kräftigen Pranken machte er sich ebenfalls daran die schweren Brocken vom Schild zu stemmen. Schon als Kind war er einer der kräftig gewesen, mit dem Alter hatte seine Kraft noch zugenommen. Selten konnte er sie so hilfreich einsetzen wie hier. „Das müsst Ihr abstützen!“ brüllte er die anderen hinter sich an. Das Schild würde brechen, vielleicht würden sie es schaffen vorher ein anderes dazwischen zu schieben. Praiosmin's stämmiger Gefolgsmann, der von den meisten anderen Waffenknechten einfach nur „Metzger“ genannt wurde, koordinierte die eilige Ausgrabung, ohne sich um die Ränge derjenigen zu scheren, die er anleitete. Die die vorne keinen Platz mehr fanden sicherten die Befreier nach allen Seiten ab, um zur Stelle zu sein für den Fall dass weitere Spinnen angriffen. Stück für Stück zogen die Grabenden die Knappin aus Gut Schattenholz aus dem Schutt, während diese sich nach Leibeskräften so gut es ging an ihrer Befreiung beteiligte und auf die Zähne biss. Der in Gut Gernatsborn verstärkte Ritterschild hielt noch einige Augenblicke, und gerade im letzten Moment konnten sie die junge Frau befreien. Total erschöpft, mit Spinnweben bedeckt und verdreckt waren alle heilfroh, die Knappin doch noch retten zu können. Während die Schwarze Knappin einfach nur außer Atem und Heilfroh war, noch zu leben, bedankte sich Traviahold bei allen Helfern mit staubigem Schulterklopfern.

Die Spinnen waren verschwunden, hatten sich in diverse schmale Seitenhöhlen verkrochen. Warum, das wusste keiner. Möglicherweise hatten sie ihnen so zusetzten können, dass die Höhlenspinnen flohen. Eine Fackel erhellte den Raum dessen Luft immer noch voller Staub war. Überall lagen herab gestürzte Felsbrocken herum, die den der Weg vor ihnen den sie gehen wollten versperrten. Der Gernatsborner war nicht gebissen worden, auch hatte er nur einige Schrammen durch ein paar Steine und Kies abbekommen, so auch sein Soldat neben ihm. Jedoch der Weibel Wehrheimer war durch seine Kettenhose von einem Biest gebissen worden und sein Bein zeigte Lähmungserscheinungen. Dennoch versuchte dieser sich aufzurichten und die Bisswunde zu versorgen. „Geht es, die Lähmung sollte nicht allzu schlimm sein...“ sprach Storko zu seinem Unteroffizier, er erinnerte sich noch was er über Höhlenspinnengift gelesen hatte. „Es wird gehen müssen.“ Antwortete der Weibel und richtete sich auf seinen schweren Streitkolben gestützt auf. Der andere groß gewachsene Soldat aus Storkos Gefolge, Xebbert Zweimühler, reichte ihm einen Verband den er zuvor aus seinem Rucksack heraus gekramt hatte. Storko ließ sich auch einen frischen Verband reichen und wandte sich Gerbold zu. „Junker Gerbold, geht es euch gut. Ihr habt eine grässliche Platzwunde an der Stirn. Nehmt diesen Verband.“ Er machte ein paar Schritte in seine Richtung und übergab das Sanitätszeug. „Junker, was sollen wir nun tun, der Weg vor uns ist versperrt. Wisst ihr noch einen anderen Pfad hinauf in die Burg?“ Fragend sah er Praiosmin und die restlichen Adligen an.

„Was?“ Der Junker blickte zunächst etwas irritiert auf das gereichte Verbandszeug, hatte Storko ihn doch aus seinen Gedanken gerissen. „Ach so, ja. Undra“, er gab das Verbandszeug weiter, so dass seine Gefolgsfrau sich daran machen konnte, die Wunde zu verbinden, nachdem sie die Fackel in einem Riss in der Wand gerammt hatte, der sie nun hielt. „Herr“, sie sprach sehr leise, sollte doch nur ihr Herr die Worte hören. „Das waren nie und nimmer die Spinnen. Da war, da war noch was anderes.“ Gerbold nickte nur leicht. „Der Lichtsucher, der im Schatten wandelt.“ Auch er kannte die Geschichte. Hatte sich als Kind stets gefürchtet, wenn er sie hörte. Doch es half alles nichts, die anderen erwarteten eine Antwort. „Nun“, der Sokramshainer zeigte auf den versperrten Weg. „Dies war der Weg, bei dem ich mir sicher war, dass er uns zum Ziel führt. Es soll noch andere Wege geben, doch sie sind schwer zu finden und es gilt alte Zeichen zu suchen und zu deuten. Als die Priesterkaiser über das Land herrschten, herrschten sie auch über die Burg und die Höhlen darunter. Es heißt, dass ihre Feinde damals die Zugänge versiegelten. Manche Geschichten berichten von Wächtern, die sie zurückließen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wenn es einen Weg gibt, dann können wir ihn finden. Doch wird uns das mehr Zeit als geplant kosten und wir müssen vorsichtig sein. Ich bin aber nicht so tief vorgedrungen, um jetzt aufzugeben.“ „Allein“, er blickte noch einmal dorthin, wo Ehrhelm hätte sein müssen. „Wir haben womöglich mit einer weit größeren Gefahr zu kämpfen als den Spinnen.“ Der Sokramshainer trat näher zu den anderen und schien kurz zu zögern, ehe er sich einen Ruck gab. „Schlotz ist alt, müsst Ihr wissen und diese Höhlen haben vieles gesehen. Darunter so manches Grauen von dem es heißt, es sei noch heute hier zu finden. Ich weiß nicht, ob Ihr es auch gespürt habt. Doch da war noch etwas in diesem Gang, als die Spinnen plötzlich von uns abließen.“ Unbewusst spielte Gerbold mit dem alten Anhänger, den seit langem die Junker seines Hauses trugen. Ein Anhänger der das Zeichen des Götterfürsten zeigte, zumindest außen. „Mein Haus ist alt. Älter als jedes andere in der Baronie. Es war in den Tagen als Sokram über Schlotz herrschte. Ihr kennt ihn wohl eher unter dem Namen Praiodan von Schlotz. Als die Herrschaft der Priesterkaiser am Anfang stand, schloss er sich ihnen an und änderte seinen Namen.“ Der Junker zeigte auf das Amulett, was gülden in dem schwachen Licht auf seiner Brust glänzte. „Nun, er war nicht der einzige, der sich mit den neuen Verhältnissen arrangierte.“

„Doch der Baron wollte mehr, als seine Verwandten in Sokramshain.“ Eine Tatsache auf die sein Haus nie stolz war. Dass er ein Vetter des damaligen Junkers Adrian gewesen ist, war selbst in Sokramshain nur noch den wenigsten bekannt. „Begeistert diente er der Kirche und wurde schließlich gar zu einem Diener des Götterfürsten geweiht. In den Jahren seiner Herrschaft tat er sich besonders als Kämpfer wider Aberglaube und Irrlehren hervor. Wer es an der rechten Frömmigkeit fehlen ließ, fand sich in den tiefen dieses Hügels. Er baute sie aus und um. Was immer es einst auch gewesen war, unter ihm wurde es zu einer gewaltigen Folterkammer. Hexen, Druiden, Adlige und wer auch immer fand hier sein Ende. Es heißt, die Schreie habe man bis Sokramshain hören können. Wer nicht an der Folter starb, fand schließlich die Erlösung auf einem der unzähligen Scheiterhaufen. Doch nicht allein die Menschen wollte er von ihren Sünden befreien, auf das sie ‚erlöst’ würden. Alles was ihm frevlerisch und falsch erschien, trug er zusammen. Tief unter der Burg soll er eine gewaltige Schatzkammer errichtet haben. Gesichert auf vielerlei Art und Weise. Bücher und was immer ihm in die Hände kam. Er wollte es sicher verwahren, während er selbst im „Alboranstempel“ thronte. Viele trachteten ihm nach seinem Leben. Doch niemanden gelang es. Viele Jahre herrschte er über Schlotz. Wenn Ihr Euch fragt, warum Eure Familien erst so spät in Schlotz zu Macht gelangten. Nicht Krieg oder Seuche, er war es mit seinem Wirken. Einzig meinem Haus gelang es in all den Jahren, sich zu behaupten.“ Traviahold hatte nun seine Waffen wieder Griffbereit. Ochsenherde rechts, Altes Ritterschwert mit abgebrochener Spitze links. „Ich habe auch schon davon gehört, dass damals ein Baron, der ein fanatischer Anhänger der Priesterkaiser war, und auch den Tempel oben zu Ehren eines Friedwanger Heiligen baute, hier in Schlotz im Namen Praios für viel Leid sorgte. In dieser Baron gab es schon immer heftige Auseinandersetzungen zwischen Altem und Neuem Glauben.“

Gerbold fuhr fort: „Praiodan war ein alter Mann, da geschah es, dass er zum Lichtsucher wurde, der im Schatten wandelt“, Gerbold wurde zunehmend leiser und nahm auch das Amulett wieder fest in seine Linke. „Sein Schergen brachten ihm etwas. Ein Kleinod, das von solcher Gefahr gewesen sein soll, dass er es in den tiefen des Gesteins für immer vor dem Antlitz Praios verbergen wollte. Was immer es war. Es war ein Artefakt großer Macht. Etwas was auch ihn veränderte. Hatte er Praios nicht stets treu gedient und eine Belohnung verdient. Besaß der Götterfürst nicht bereits alles. Mehr als genug für einen Gott? Kein anderer sollte es besitzen und so kehrte er nie wieder aus den tiefen der Tunnel und Höhlen zurück. Einer meiner Ahnen diente damals auf der Burg. Doch nichts fand man von ihm. Eine Gruppe wurde ausgesandt und kehrte nie zurück. Doch immer wieder erzählt man sich, dass er durch die Höhlen und Gänge wandelt. Kalt ist sein Herz und das Antlitz des Götterfürsten wärmt ihn nicht mehr. Einzig die Lebenden können ihn noch wärmen. Immer wieder soll er sich welche geholt haben.“ Ihm wurde die Kehle immer trockener, so dass er einen tiefen Schluck aus seiner Flasche nahm.

Die ganze Aktion entwickelte sich langsam zu einem Alveranskommando - so dachte Storko. Der rechte Weg vor ihnen versperrt, bedrängt von Höhlenspinnen und verfluchten Geistern. Es schien als seien sie weiter entfernt von ihrem Ziel den Baron zu stürzen und Frieden ins Schlotzer Land zu bringen als jemals zuvor. Wenn sie nicht hier verrotten wollten, so mussten sie einen andern Weg finden, oder sollten sie wieder aus dem Berg zurück gehen?

Storko versuchte sich selbst Mut zu machen und nickte dabei: „Den Listigen prüft Phex, doch wer besteht, der wird großen Lohn erhalten. Junker Gerbold, könnt ihr nun einen anderen Weg in die Burg durch den Fels finden? Wenn, dann sollten wir keine Zeit verlieren.“

Der Zwölfengrunder war in sich gekehrt, und nestelte immer wieder an seinem Amulett herum, so als hoffte er, dass ihn dieses vor irgendwas schützen würde. Einer seiner beiden Gefolgsleute, Ehrhelm war definitiv verschwunden. Jeder dachte das gleiche, aber niemand sprach es aus. Der Lichtsucher aus alter Zeit musste ihn geholt haben. Langsam kam die Schwarze Knappin auch wieder auf die Beine, und auch Storkos Weibel konnte trotz der leichten Lähmung humpeln. Ihnen blieb keine andere Möglichkeit, als wieder zurück zu gehen und sich einen anderen Weg zu suchen, auch wenn das bedeutete, dass sie wieder ein Stück nach unten gehen mussten. Sie hielten ihre Formation und Aufteilung bei. Die Schattenholzer und Sokramshainer bildeten zu Fünft die Spitze, während der Rest folgte und sich auch immer wieder nach hinten umblickte. Es dauerte einige Stunden, bis sie endlich einen anderen Weg fanden, der von Staubbedeckten Netzen kaum sichtbar verborgen war, der wieder nach oben führte. Es sah aus als wurde dieser Weg seit Jahrhunderten von niemand mehr betreten worden. Kein gutes Zeichen, aber einen anderen Weg fanden sie nicht. Anshags Fackel, die er nach dem Spinnenhinterhalt angezündet hatte war nun wieder das einzige Licht, in dessen Reichweite sich alle drängten. Niemand wollte außerhalb des Lichtscheines sein und das nächste Opfer werden. Sie erreichten eine alte Höhle, deren Wände grob behauen waren, und auch der Boden war eher uneben. Die Wände der immer größer werdenden Höhle waren mit alten Flecken übersät, oder waren das Zeichen? Unter ihren Füßen knirschten Knochen – viele Knochen. Überall wo das Licht der Fackel hin viel, sahen sie bleiche Knochen und Schädel.

Die Schwarze Knappin hatte ihr Kurzschwert kampfbereit. „Bei Boron, das müssen mehr Gerippe sein, als ich zählen kann.“ Sie bückte sich, um sich die Knochen genauer anzusehen. Einen der Totenschädel nahm sie in die linke Hand und drehte ihn im Fackelschein. „Das hier ist ein Schädel eines Rotpelzes, genau wie viele andere hier. Seht, dort hinten werden es immer mehr. Man sieht den Stein Boden gar nicht mehr, und die Decke wird auch höher.“ Gerade so am Rand des Lichtes war weiter oben in der Höhle ein Podest zu sehen, auf dem sich irgend etwas befand, aber es war schwer zu sagen was. Es ähnelte einer Art Gestell – aus Knochen. Der Vorsprung lag in fünf Schritt Höhe. Wo waren sie hier nur gelandet?

Der dicke Knochenboden und die seltsame Höhle ließ kein gutes Gefühl aufkommen. Wohlmöglich war dies ein Opferraum, oder eine Höhle für weit Schlimmeres. Keiner wollte länger als notwendig hier verweilen. Sie suchten im fahlen Lichtschein der Fackel nach weiteren Gängen. Das einzige was sie sahen waren diese Flecken oder besser gesagt eine Art Zeichenmalerei. Es schien keinen Weg weiter zu geben. Allein der Vorsprung in der Höhe versprach einen möglichen Gang. Timshal der elfische Waffenknecht von Anshag begann mit einem Seil über der Schulter hinauf zu klettern. Nach eineigen gewandten und gekonnten Kletterbewegungen erreichte er die grob behauene Kante und sah das seltsame Gestell und was sich sonst noch dort befand.

Derweil blickte sich Praiosmin die verblassten Zeichnungen an den Wänden genauer an. Sie zeigten ganz offensichtlich Rotpelze bei ganz alltäglichen Dingen, wie der Jagd oder beim Kochen. Aber auch Krieger die offenbar auf Kriegszug waren. Immer wieder konnte sie auch Tiere ausmachen, wobei Wildschweine in unzähligen Variationen am häufigsten waren. Fast schienen die gesamten Wände mit den Zeichnungen überzogen zu sein. Doch machte der schwache Schein der Fackel es schwer, mehr zu erkennen. Auch die unzähligen Gebeine und Knochen, die sich hier stapelten, verdeckten mehr. Das war der Ritterin aber auch ganz recht, schien es ihr doch fast so, als ob sich die Bilder bewegen würden.

Knochen? Was war dann das, worauf er eben getreten war? Gerbold bückte sich vorsichtig und schob die bleichen Gebeine zur Seite, um kurz darauf verwundert einen löchrigen Kupfertopf in den Händen zu halten oder besser das, was von ihm noch übrig war. Wo waren sie hier nur gelandet? Ehe er sich aber weiter Gedanken darüber machen konnte, zog das Spitzohr seine Aufmerksamkeit auf sich. Kaum das er die Kante erreicht und sich hochgezogen hatte, erklang ein erschreckter Ruf von ihm. So am Boden kniend, schien er einen leichten Lufthauch in seinem Nacken zu spüren. Ein Hauch der nicht aus dem stickigen Tunnel kam, den sie zuvor genommen hatten. Er kam aus den Schatten der großen Höhle, dort wo er bis auf einen großen Knochenhaufen nichts ausmachen konnte.

Timshal blickte sich oben angekommen auf dem Felsvorsprung um. Von hier oben hatte man einen sehr guten Ausblick über die fünf Schritt tiefer liegende große Höhle – vorausgesetzt man verfügte über Dämmerungssicht. Das Gestell, das sie von unten gesehen hatten anzusehen, bestand aus Tierknochen wie auch aus Holz und war mit Fell- und Lederresten bespannt war, die in Teilen mal bemalt waren. Mit viel Fantasie konnte man einen archaischen Thron in das Gestell interpretieren. Der Elf wirbelte plötzlich herum, als er mit seinen hochsensiblen Sinnen Gefahr spürte! Aus einem mit Geröll verborgenen Seiteneingang brach eine sehr große Gruftassel, aus dem Hinterhalt. Im letzten Moment wich Timshal aus, bevor ihn die tödlichen Beißwerkzeuge erwischten. Geistesgegenwärtig sprach er die Worte „Fial miniza daoka!“ Die alten elfischen Zauberworte beschworen eine unsichtbare magische Druckwelle, die den Panzer der Riesenassel einfach so durchdrangen, und in deren Kopf einschlugen. Das Tier, das über drei Schritt lang, und sicherlich über hundertfünfzig Stein schwer war zuckte zurück, nur um kurz darauf erneut anzugreifen. Timshal wich ein weiteres mal aus. Die anderen unter ihm hatten niemals genug Zeit vor Kampfende zu ihm zu stoßen, und wenn er hinunter springen würde, hatten sie ihren einzigen Positionsvorteil hier oben verloren. Der Seitentunnel war offensichtlich der einzige mögliche Ausgang aus dieser Höhle. Würde er sich hier zurückziehen, mussten sie stunden, wenn nicht gar Tagelang einen anderen Aufgang suchen, wenn es diesen überhaupt gab. Timshal entschied sich für den Kampf. „Asela dhao biundawin!“ Durch diesen nächsten Zauberer war er in der Lage, seine Bewegungen kurzzeitig enorm zu beschleunigen. Seine Attacken wirken noch graziler und eleganter als sonst – für alle Außenstehende und vor allem für das die Assel jedoch durch die Geschwindigkeit ebenso verschwommen. Der Elf rammte seine Klinge mit noch größerer Geschwindigkeit in den Leib des Monsters, das unaufhörlich nach ihm schnappte. „Bhaiza dha feyra!“ Diese Zauberworte blendeten den Geiste des Tieres mit einem grellen Lichtblitz dermaßen, dass es kaum noch zu Angriffen und Verteidigungen fähig war. Die fette Assel tat das einzig sinnvolle im Angesicht seines magiebegabten Gegners – sie trat die Flucht an. Der Weg war frei! Timshal blickte nach unten, in die besorgten Gesichter der Adligen und winkte diese wortlos hoch. Seine eingesetzten Zauber hinterließen ein unwohles Gefühl der Leere und Erschöpfung in ihm, die er sich aber nicht anmerken ließ. Der Weg war frei und Anshag konnte diesen nun weiter mit seinen Gefährten beschreiten, das war das einzige was zählte.

Aus dem Schatten der Finsternis hatte der Schrecken den Kampf gegen die Riesenassel beobachtet. Der Elf musste fast seine gesamte Zauberkraft aufgewandt haben – das einzige was ihn aufhalten konnte. Einen der Eindringlinge hatte er bereits geholt und sich seiner Lebenskraft bedient. Nun fehlte ihm nur noch eine einzige Seele, ein einziges Leben um endlich nach Jahrhunderten wieder körperliche Gestalt annehmen zu können, um endlich wieder als alter und neuer Herrscher aus den Tiefen des Berges zurückzukehren! Die Fackel der Eindringlinge begann immer weniger Licht zu werfen – der Nachtalb kam näher.

Eine Stunde später hatten alle den Aufstieg geschafft. Das seltsame Gestell wurde nur kurz untersucht und dann ging es weiter durch den geheimen Seitengang. Der Anstieg ging deutlich bergauf. Die Architektur wurde immer zivilisierter. Die Wände waren nun gemauert, wenn auch sehr primitiv. Auch der Boden war mit steinernen Platten ausgelegt. Immer wieder kamen die Adligen an leeren Fackelhaltern vorbei. Die Deckenhöhe betrug selten mehr als 2 Schritt, dafür gab es immer mehr sperrigen Unrat. Altes Mobiliar, morsch, verrostet und vom Zahn der Zeit zerfressen. Alte von Grünspan gezeichnete Statuen, die hier wohl zum Vergessen zurückgelassen oder einfach aufgrund von politischen Umstürzen in die Tiefen geschafft wurden. Das Vorankommen wurde zur Qual, musste man doch genau hinsehen wo man hintrat. Ganze Räume waren voll mit sperrigen Hindernissen die man hier vor unzähligen Generationen entsorgt hatte. Niemand wusste wie viel Zeit bisher vergangen war, aber sie mussten bisher schon über einen Tag im Berg sein.

Erschöpfung machte sich beim alten Yantur immer bemerkbarer. Der Schreiber des Schattenholzers verfluchte jedes Möbelstück an dem er hängen blieb, oder über das er hinweg steigen musste. Bei der Wahl seiner giftigen Worte zeigte er sehr viel Kreativität, wie man sie wohl nur im fortgeschrittenen Alter haben konnte. Die Schwarze Knappin konnte sich ein Lächeln meist nicht verkneifen, auch wenn auch sie durch den Einsturz noch sehr mitgenommen war. Sie fand an einem alten Waffenständer einen uralten, mit Spinnweben bedeckten Rundschild, der mit wuchtiger Bronze beschlagen war. Da sie ihren großen Ritterschild in der Tiefe eingebüßt hatte nahm sie sich kurzerhand diesen. Wenn er im Notfall nur ein paar Schläge oder Pfeile abhalten konnte, war das besser als ohne dazustehen.

Mitten im Unrat erblickte Traviahold von Schattenholz plötzlich vier Gerippe, die noch von den Resten ihrer Ausrüstung bedeckt waren! Hier musste einst ein verzweifelter Kampf stattgefunden haben. Das Skelett das ihm am nächsten war, war noch in die rostigen Überreste eines langen Kettenhemdes gehüllt. Ein wuchtiger Helm zierte den Totenschädel und ein rostiger Zweihänder lag direkt neben ihm. Offensichtlich ein Krieger. Das zweite Skelett war noch in die schimmligen Reste eines Kurbuls gehüllt und lag auf einem zerrissenen Rucksack, aus dem noch ein gut erhaltenes Seil herausschaute. Neben einem Dolch in einer Scheide lagen neben diesem Toten noch zwei Kurzschwerter, die in ähnlich schlechtem Zustand waren wie die große zweihändige Waffe des Kriegers an dessen Seite er starb. Die blanken Knochen des dritten Skeletts waren am besten auszumachen, da sie nur von wenig Stoffresten bedeckt waren. Neben diesem Toten lag ein verstaubter sonderbarer, verdrehter Stab. Abgesehen von dem Staub sah dieser aus wie neu, so als würde er erst seit einem Jahr hier liegen. Er passte irgendwie nicht ins Bild, ganz so als konnte Satinav ihm nichts anhaben. Die Überreste des letzten Skeletts waren sonderbar klein – wie die eines stämmigen Kindes. Das Kettenhemd dieses letzten Toten war in viel besserem Zustand, als das des Kriegers, da es kaum Rost angesetzt hatte. Seine skelettierten Hände hielten immer noch eine zwergische Doppelblattaxt, ganz so als wolle er diese Waffe mit in den Tod nehmen. Auch sein Haupt war mit einem Helm gepanzert, der obenauf einen gefährlichen Sporn hatte. Traviahold machte seine adligen Gefährten auf seine Enddeckung aufmerksam, die sich jetzt um die Toten scharten und diese betrachteten. Ganz sicher waren das keine herkömmlichen Burggardisten. Sie sahen eher aus wie eine Abenteurergruppe, die hier ihr unrühmliches Ende gefunden hatte.

Praiosmin hatte noch kurz bei den Knochen der armen Seelen innegehalten. Wer waren sie gewesen? Was hatten sie hier wohl gewollt? Sie würden es kaum herausfinden. Doch das war für die Ritterin in diesem Augenblick nachrangig. Es waren Menschen, die hier ihr Ende gefunden hatten. Schon lange stand in ihrem Lehen ein Tempel Borons. Auch wenn es bei weitem nicht ihre Hauptgottheit war, so richtete sich doch ein kurzes und eindringliches Gebet an den Gott des Todes. Mochte er sich ihrer Seelen annehmen.

Die Skelette der ehemaligen Abenteurer verhieß nichts Gutes. Sie schienen nicht im Kampf gestorben zu sein, sondern so als ob sie im Sitzen gestorben wären. Möglicherweise waren sie verhungert und verdurstet, ohne einen Pfad aus den Höhlen gefunden zu haben. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich bei den Gruppenmitgliedern aus als sie weiter marschierten. Würde ihnen dasselbe Schicksal zu Teil werden, würden sie wieder das Licht der Sonne sehen? Niemand wusste wie lange sie schon durch die Höhlen und Gänge schritten, vielleicht ein Tag oder gar etwas länger. Allein die Tatsache, dass die Wände behauen waren und immer wieder allerlei Gerümpel herumstand machte ihnen Hoffnung am rechten Weg zu sein. Auch ging es immer wieder bergauf.

Auch wenn es durch das Gerümpel nicht immer einfach war, einen Weg zu finden. Gerbold schien zunehmend neue Zuversicht zu fassen. Sie kamen dem Ziel näher. Sie waren nun langsam in den Bereichen, die noch heute zu erreichen waren. Zumindest sollten sie es nach seinen Informationen sein. „Wir kommen dem Ziel immer näher, meine Freunde. Nur Mut!“ Doch so näher sie dem Ziel kamen, desto mehr fragte er sich, was sie dort oben genau erwarten würde. Dem Baron würde er keine Träne nachweinen, aber bei seinem alten Freund dem Firnsjöner war es schon etwas anderes. Alle merkten wie sie zusehend müder wurden, die Mägen knurrten vor Hunger und eine Rast schien unausweichlich, wollte man nicht dem Baron und seinen Wachen in einem derart geschwächten und übernachteten Zustand gegenüber treten. In einer Nische schlug man ein Lager auf und verspeiste das spärliche Proviant das man mit sich führte. Danach einigte man sich ein paar Stunden zu ruhen und die meisten versuchten sich schlafen zu legen, doch nicht ohne, dass jemand mit der vorletzten vorhandenen Fackel Wache halten würde. Wer wusste denn schon ob die Geschichten die man sich über diese Höhlen und Gänge erzählte nicht doch auf einem wahren Kern beruhten.

„Ich übernehme die erste Wache“, erklärte Praiosmin bereitwillig. Sie hatte die letzten Monde oft wenig schlafen müssen und sich noch immer nicht umgewöhnt. Sie versuchte, es sich halbwegs bequem zu machen. In diesen Gängen war etwas. Die Erzählung des Junkers hatte sie nicht vergessen. Sie versuchte, sich auf die Geräusche in den Gängen zu konzentrieren. Was immer noch kommen würde. Sie hoffte, dass sie möglichst bald hieraus kommen würden.

Die Schwarze Knappin übernahm die zweite Wache zusammen mit Timshal. Der Elf hatte auch schon Praiosmin Gesellschaft geleistet und war nun immer noch wach. Fast schien es so, als bräuchte er keinen Schlaf, oder war etwas anderes der Grund? Auch er lauschte angestrengt mit seinen Elfensinnen, die mindestens doppelt so gut wie die eines Menschen waren. Die beiden unterhielten sich manchmal leise während sie in die Düsternis um die Gruppe herum blickten. Wie lange mochte es her sein, dass sich genau an dieser Stelle jemand aufgehalten hatte? Jahre? Jahrzehnte? Noch länger? Das tanzen der Flammen, die mit jeder Stunde mehr und mehr, die Fackel verzehrten hatte etwas hypnotisierendes an sich. Auch beobachtete sie ihren ruhenden, nicht schlafenden Ritter. Traviahold schlief nie richtig. Sie hatte ihn schon öfter dabei beobachtet, dass er beim „ruhen“ die Augen nur halb geschlossen hatte, und wenn etwas in seiner nähe geschah, war er immer sofort hell wach. Er hatte ihr schon von so manchen Kriegen erzählt, in denen er halbwach im Zelt lag und sich nie sicher war, ob er denen die Wache hielten vertrauen konnte. Aber sie glaubte ganz fest daran, dass Traviahold den hier rastenden Niederadligen und vor allem Storko sehr viel Vertrauen schenkte, bis zu einem gewissen Punkt jedenfalls – ein Punkt, den sie betraf.


In den Oberen Tiefen der Burg Schlotz – 08.Praios 1033 BF

Geschätzte fünf Stunden später, nachdem sie ihren Knochen das nötigste an Rast gegönnt hatten, machten sie sich auf, weiter nach oben durchzudringen. Die Schwarze Knappin entzündete nun ihre alle letzte Fackel. Wenn sie es vor deren herunterbrennen nicht geschafft haben würden nach oben zu kommen, waren sie verloren. Immer wieder hatte sie Ausschau gehalten nach Fackelähnlichen Gegenständen, Tüchern oder Fellen oder sonstigen leicht brennbaren Materialien, aber auf diese Idee schienen schon viele vor ihnen gekommen zu sein. Sie kamen einmal sogar an einer alten Feuerstelle vorbei. Erst als einer der Waffenknechte darin herum herumstocherte, und ein schwarzverkohlter Totenschädel und verbrannte Knochen zum Vorschein kam, war jedem klar, dass das keine gewöhnliche Feuerstelle war, die sogar eine Art kleinen Abzugsschacht im Fels hatte. Je mehr sie darüber nachdachten und je näher sie sich die Beschaffenheit der Stelle ansahen, desto mehr verstärkte sich eine schlimme Ahnung, dass ihr vor langer Zeit öfter Menschen verbrannt worden waren. Den Zeichen an der Wand, die Ähnlichkeit mit einem offenen und strahlenden Auge hatten ließen auch keine Zweifel mehr zu, zu welcher Zeit.

Die Beschaffenheit der Wände, des Bodens und der Decke, wurde nach einem weiteren Aufgang zunehmend zivilisierter. Dafür fanden sie sie links und rechts aber viele aufgebrochene eisenverstärkte Türen. Auch zugemauerte und teilweise eingeschlagene Durchgänge waren dabei. Einige Räume bestanden gar aus dem seltenen magieabweisenden Koschbasalt. Aber auch hier war sehr viel Zerstörung und Zeichen von Plünderungen zu sehen. Oft mussten sie alle Räume mühsam durchkämmen, weil der nächste Durchgang oft in einem Raum lag.

Dann jedoch lag vor ihnen, nachdem sie diese seltsamen Räumlichkeiten hinter sich gelassen hatten, eine Art „Sicherungsbereich“ oder „Vorraum“, der wohl Fremde genau aus den Räumen heraushalten sollte, aus denen sie gerade kamen. Auf dem Boden waren Trittplatten, die irgendwie anders aussahen, als zuvor und an den Seitenwänden waren Löcher und längliche schmale schlitzartige „Öffnungen“. Vor allem der beinlose Ork-Leichnam in der linken Ecke ließ ein ungutes Gefühl aufkommen. Und die Tatsache, dass die abgetrennten skelettierten Beine fünf Meter weiter im Zentrum des breiten Ganges lagen, machte das ganze auch nicht besser. Traviaholds Augen waren leider nicht besonders gut, deshalb ließ er jemand anderen sich die Sache etwas genauer ansehen.

In dem breiten Gang befanden sich insgesamt drei große Trittplatten hintereinander mit je einem halben Meter Abstand dazwischen. Die Platten waren eigentlich nicht zu übersehen, wenn man auch nur zumindest ein wenig auf den Boden schaute, weil sie leicht höher lagen als die Platten dazwischen. Ein Umgehen war nicht möglich, und alle drei Platten zu überspringen war fast unmöglich, da jede der größeren Platten über ein Schritt lang war. Zusammen machte das mehr als vier, fast fünf Schritt Entfernung. Und die seltsamen Löcher und Schlitze befanden sich genau an den Flanken. Was nun?

„So was hab ich ja noch nie gesehen.“ Traf Praiosmin wohl die Gedanken der Meisten. Sie waren alle keine Baumeister oder hatten gar Erfahrungen mit irgendwelchen Fallen. „Was nun?“ kratzte sie sich nachdenklich an ihrem Kinn. „Gute Frage. Einerseits ist das doch ziemlich offensichtlich. Wer baut denn so eine Falle?“ fragte der Sokramshainer in die Runde. „Andererseits war dies mal ein Ort der Praioskirche. Ich weiß nicht. Haben wir vielleicht irgendetwas, um die Platten zu belasten und zu schauen, was dann geschieht?“ Während Gerbold sprach, dachte er bereits an die Räume zuvor. War dort etwas gewesen, was schwer genug gewesen war?

Storko sah sich von Außen im diffusen Fackelschein den Raum genau und misstrauisch an. „Zweifellos ein Falle. Vielleicht ist sie ja auch nach all den Jahren nicht mehr scharf?“ Er würde gewiss nicht nachsehen gehen. „Aber, Junker Gerbold, denkt ihr, dass wir die Platten beschweren müssten um die Falle zu entschärfen? Klingt seltsam.“ Wiederum sah er sich um, auf dass er nicht doch einen Hebel oder Ähnliches finden würde die zur Bedienung der Falle dienen könnte, doch nicht war zu erkennen. „Sehen wir einmal nach ob sie noch scharf ist“. Mit den Worten nahm der Gernatsborner einen kleinen Steinbrocken vom dreckigen Boden und warf ihn in Richtung der Steinplatten mitten in den Raum.

Der Stein schlug auf den Steinplatten auf, aber nichts regte sich, gar nichts. War die Falle schon seit langem nicht mehr aktiv? Oder war der Stein nicht schwer genug? Gerbold kam nach kurzer Zeit zurück und trug ein schwereres Teil eines Foltergerätes. Was würde er wohl damit tun? Die Schwarze Knappin sah sich derweil die aus sicherer Entfernung die seitlichen Schlitze und Löcher genauer an. Sie befanden sich nicht erst auf Höhe der Platten, sondern schon etwa zwei Schritt davor. Wenn man etwas Schweres unmittelbar vor die von ihnen aus gesehene erste Platte schob, und damit diese beschwerte, konnte die Falle einen treffen, auch wenn man nicht direkt darauf stand. Sie betrachtete derweil ihren alten Rundschild, den sie gefunden hatte und blickte dann wieder zu den Seitenwänden des Ganges. Hm...er war zu klein, aber wenn sie sich klein machen und geduckt vorgehen würde. Aber so wäre nur eine ihrer Flanken geschützt.

Während die Knappin noch überlegte, nickte der Junker dem Metzger zu, der die Geste richtig zu deuten wusste. „Woll’n mal sehn, Wohlgeboren. Alle zurück jetzt, wollen doch nichts abbekommen.“ Dabei zeigte der Bulle von Mann auf die Schlitze in der Wand, die zuvor bereits die Knappin gemustert hatte. Zusammen holten sie mit dem etwas unhandlichen Gerät Schwung und schleuderten es schließlich scheppernd auf die vordere Steinplatte. So gut der Sokramshainer als Waidmann jedoch auch sein mochte, in dieser Disziplin würde er noch üben müssen. Ihr Wurfgeschoss flog deutlich weiter, als beabsichtigt und landete so zwischen erster und zweiter Platte. Noch ehe einer der beiden jedoch zu fluchen beginnen konnte schossen aus den Schlitzen, zumindest einigen, Klingen hervor. Nun war jedem klar, was dem Ork passiert sein musste. Zusätzlich wurden einige kurze Speere aus den Löchern geschleudert. „Bei Phex, darauf wäre ich ja nie gekommen!“ Reagierte Praiosmin als erstes auf das Schauspiel vor ihnen. „Wer lässt sich so etwas denn einfallen?“

„Nun ja“ antwortete Storko Praiosmin „da fallen mir schon einige ein. Stammt dieser Bereich der Burg nicht aus der Zeit der Priesterkaiser?“ Er blickte in Richtung von Traviahold und Gerbold, da die wohl besser über die Geschichte von Schlotz Bescheid wussten. Sie antworteten mit einem Nicken. „Wie auch immer“ sprach Gerbold „die Fallen der ersten zwei Platten haben wir scheinbar ausgelöst, die dritte mag noch scharf sein, es wird sich gewiss noch so ein schweres Teil zu finden sein … „. Sein Blick war zuerst auf den starken Metzger aus Siebeneichen gerichtet, doch dann übermannte plötzlich alle ein seltsamer markdurchziehender Schauder und Gänsehaut breitete sich aus. Die Flamme der Fackel flackerte, obwohl kein Hauch eines Luftzuges durch die alten Gänge zog, und der Lichtschein wurde schwächer. Es war so als ob das Licht einem Schatten weichen wollen würde, der sich zunehmend aus dem Gang aus dem sie gekommen waren ausbreitete. Ein Augenblick verging, ohne dass jemand sich rühren konnte. Klingen wurden hastig aus ihren Scheiden gezerrt. Die ersten Gefolgsleute wichen Schritt um Schritt zurück. Furcht und Schrecken trat in ihre Gesichter. Hilfesuchend sah man sich nach den erfahrenen Rittern und dem Offizier um, während die letzte Fackel kaum mehr Licht spendete! Aus dem Gang, aus dem sie gekommen waren, trat eine schwarzer Schatten, der Schwärzer war als jede Finsternis, die sie je gesehen hatten. Das Schreckliche Wesen, wohl eine machtvolle Grenzform aus Untotem und Geist baute sich zu voller Größe auf und sog dabei das Licht der Fackel mehr und mehr in sich auf, wo dieses zur Dunkelheit wurde. Bevor irgend jemand auch nur annähernd regieren konnte schnellte das Wesen direkt auf den Metzger zu, der gerade etwas weiteres Schweres holen wollte, deshalb dem Gang am nächsten stand, und hüllte diesen komplett ein. Dem bullige Mann wurde schlagartig ein Großteil seiner Lebenskraft geraubt. Hatte er kurz zuvor noch vor Kraft gestrotzt, konnte man förmlich sehen wie er schwächer wurde. Seine Knie begannen zu zittern und seine Wangen begannen einzufallen. Doch in letztem Moment riß sich dieser los und stürzte mit weit aufgerissenen Augen, panikerfüllt nur noch weg von dem Schwarzen Schrecken – direkt in Richtung der Trittplatten! Dabei sprang er mit letzter Kraft einfach über das große, soeben noch angeschleppte Folterteil. Er rannte einfach über die von ihnen aus am nächsten gelegene große Bodenplatte, ohne dass etwas geschah, drückte sich auf dieser sogar noch ab und landete beim Überspringen des Hindernisses, das zwischen der ersten und der mittleren Platte lag, genau auf der mittleren großen Trittplatte – nichts geschah! Erst sein nächster Schritt in den Zwischenraum zwischen der mittleren und der hintersten Bodenplatte, löste die schlimme Falle erneut aus! Alte rostige Klingen schnellten aus den Wänden und schnitten ihm in beiden Flanken grausam ins Fleisch! Blut spritze und stand kurz Nebelartig in der Luft. Ein Speer bohrte sich zusätzlich zu den Klingen in seinen Torso. Dann ging der Metzger auf die Knie und klatschte mit voller Wucht auf die letzte vor ihm liegende Bodenplatte – und genau wie bei der ersten und zweiten geschah nichts! Sein Atem ging noch.

Traviahold, der Bastard aus dem Wutzenwald schrie: „Die Falle wird nur zwischen den Bodenplatten aufgelöst - die eigentlichen großen Platten sind harmlos! FLIEHT über die Falle – ICH HALTE DEN SCHATTEN SO LANGE AUF WIE ICH KANN!“ Mit wirbelnder Ochsenherde und hackendem Schlotzer-Ritterschwert mit abgebrochener Spitze machte der Schattenholzer brüllend einen Schritt auf den Schatten zu: „ARRRGH, für SCHLOTZ!“ Yantur Zertel und die Schwarze Knappin zögerten. Sie hatten den Befehl ihres Ritters genau verstanden würden diesem aber wenn es sein muss bis in den Tod folgen.

Was auch immer dieser Feind sei, Geist oder Dämon, Storko musste nicht lange nachdenken um zu verstehen, dass sie diesem nicht entgegen zu setzen hatten. Wäre Deggen noch bei ihnen gewesen, er hätte gewiss die karmale Kraft und die notwendigen Liturgien. Doch sie hatten weder einen Priester, noch einen Magier in ihrer Runde; und auch der elfische Waffenknecht von Anshag hatte seine magische Kraft verbraucht. Es gab nur einen Ausweg: die Flucht nach vorne. Wenn Traviahold dem Schatten trotzen wolle um den anderen die Flucht zu ermöglichen, so soll ihm das gedankt sein, doch seinen tat schien aussichtslos tollkühn.

„Los!“ rief Storko den anderen zu. Sein Soldat Xebbert Zweimühler war wie angewurzelt und starrte nur in Richtung des dunklen Geistes während dieser auf Traviahold langsam zukam. Erst als der Offizier ihn an der Schulter packte wachte er aus seinem Schockzustand auf. Die anderen bewegten sich ebenso auf die andere Seite des Raumes. Weitere Fallen lösten sich nicht, entweder hatte die panische Flucht des Metzgers alle ausgelöst oder sie waren nicht mehr intakt. Praiosmin und ihre Waffenmagd nahmen den schwer Verletzten zwischen ihre Schultern und trugen ihn nach vorne, was ihr Vorankommen deutlich verlangsamte. Am anderen Ende des Raumes konnte man in eine schmale Wendeltreppe durch den Fels nach oben eintreten. Nach wenigen Stufen wurde das Licht der ohnehin schwindenden Fackel, die die Schwarze Knappin in den Händen hielt, so schwach, dass sie nicht mehr die Hand vor Augen sehen konnten. Dennoch schritten sie hastig und mit kaltem Schweiß nach oben. Manch einer stolperte, verletzte sich das Knie oder Schlug mit dem Kopf auf hartem Stein auf. Nach weniger als einer Minute schien die Trappe zu ende zu sein und man trat wiederum in einen Raum ein. Doch, zu aller Verwunderung drang von der anderen Seite des Raumes weiter vorne von oben Tageslicht hinein. Das Licht war schwach, doch ihre Augen hatten sich mittlerweile so sehr an die Dunkelheit und diffuses Licht gewöhnt, sodass sie gut sehen konnten. Ein Schacht führte wohl von der Oberfläche der Burg bis in diesen Raum und auch noch weiter in die Tiefe. Von weiter unten hörte man leises Rauschen, wohl ein unterirdischer Bach. Am anderen Ende des Raumes, dessen Wände zudem gut behauen waren, führte ein Durchgang weiter. Eine schwere Türe versperrte dieses Tor, doch lag nun aus den Angeln gehoben davor am Boden. Die Mitte des Raumes wurde durch ein eisernes hinuntergelassenes Fallgitter getrennt, jedoch war ein mannshohes Loch einst in die Gitterstäbe geradezu hineingeschmolzen geworden. Nur rohe Magie vermag solche Kraft gehabt haben. Mit keuchendem Atem bewegten sie sich langsam und vorsichtig hindurch, wer wüsste welche Fallen noch auf sie warten würden. Storko, Gerbold, Anshag und ihre Mannen waren mittlerweile schon die Treppe hinauf gekommen, allein von Praiosmin samt Verletztem war keine Spur. Traviahold vermag weiter unten dem Schatten stand gehalten haben oder aber er war schon gefallen – mögen ihm die Götter gnädig sein.

Der Bastard aus dem Wutzenwald stellte schnell fest, dass seine profanen Waffen nichts gegen den Schatten ausrichten konnten solange er ihn noch sah. Nur sein Langschwert mit der abgebrochenen Spitze hielt den Geist etwas auf Abstand, trotz dass die Klinge ihn nicht verletzte. Kannte der Schwarze Schrecken das uralte Schlotzer Schwert, das er von seinem Vater und Baron Tsafried bekommen hatte? Traviahold wich Schritt um Schritt zurück und zerschmetterte das schwere Teil des Foltergeräts, das hinter ihm auf der Druckplatte stand, mit einem wuchtigen Schlag seiner Ochsenherde. Er achtete beim rückwärtsgehen so gut er konnte darauf, nur auf die Bodenplatten zu treten und nicht zwischen sie. Währenddessen versuchte er den mächtigen Schatten weiter auf Abstand zu halten und für seine Gefährten Zeit zu gewinnen. Aber nun wurde es fast schlagartig Dunkel, denn seine Schwarze Knappin hatte die letzte fast niedergebrannte Fackel weiter nach oben getragen um den Fliehenden so gut sie konnte zu leuchten. Der Nachtalb durchdrang so immer öfter seine Verteidigung, wobei die Finsternis durch seine Panzerung drang und ihn so schwächte. Praiosmin und ihre Waffenmagd hatten den schwer verletzten Metzger schon die schmale Wendeltreppe hochgezogen. Seine blutige Schleifspur war nun nicht mehr zu sehen. Der Fleischer aus Siebeneichen würde sicherlich bald verbluten, aber das war zur Zeit ihre geringste Sorge. An der Wendeltreppe angekommen, war Traviahold nun völlig von Dunkelheit umgeben! Nicht nur, dass er jetzt nichts mehr sah, sondern auch seine Ochsenherde war auf der engen Treppe nicht mehr einsetzbar. Von einer Verteidigung konnte nun keine Rede mehr sein. Der Ritter Alten Schlages hackte nur noch außer sich vor blindem Wahn in die Dunkelheit während er weiter rückwärts mehr hinauf viel als zu gehen. Immer wieder schlug sein altes Schwert Funken an den Wänden der Treppe, wobei ein weiteres Stück der Klinge abbrach. Hätte die enge sich windende Treppe ihm den Weg nicht nach hinten vorgegeben, wäre er verloren gewesen. Dann schließlich stürzte er rücklings in einen Raum, in dem er plötzlich durch diffuses Licht von oben, wieder etwas sehen konnte. Schmerzerfüllt und brüllend richtete er sich wieder auf und schlug einfach weiter wild um sich, wobei er auch seine dreigliedrige, schwere Kettenwaffe wieder kreisen ließ. Während eines hoffnungslosen Befreiungsschlages, bei dem er sich um die eigene Achse drehte, um den Schatten, den er fast nur erahnen konnte, zurückzudrängen, erblickte er die Ritterin und ihre Gehilfin, die den Verletzten Metzger auf einen geborstenen Türeingang zuzogen. Weiter um sich schlagend passierte er durch die geschmolzene Mannpforte, ein Eisengitter, das den Raum getrennt hatte, während die Frauen hinter ihm vor Anstrengung stöhnten. Traviahold versuchte sich im Halbdunkel zu orientieren. Der Schatten – er verfolgte ihn nicht mehr! Er blickte hoch zum Lichtschacht des Brunnens, durch den sich Praios' Strahlen in die Finsternis bohrten. Über diese Schwelle konnte der Schwarze Schrecken ihnen nicht folgen! Dies waren die Grenzen seines Reiches - bei Praios, sie hatten es geschafft!

 

Das Finale

Burg Schlotz - 08. Praios 1033 BF

Endlich hatten Storko, Anshag und Gerbold zusammen mit den noch lebenden Gefolgsleuten ihr Ziel erreicht. Sie waren in den Keller der Burg gelangt. Oder besser den Keller der auch noch heute regelmäßig genutzt wurde. Der Baron hatte vorgesorgt, das wurde ihnen alle schnell klar. Die Kammern waren wohl gefüllt. Auch wenn Schnayttach fallen würde, diese Burg würde einer Belagerung lange standhalten. Hier konnte sich Gerbold auch wieder deutlich sicherer bewegen. Er kannte diese Ebene gut genug, um sie ihrem Ziel näher zu bringen. Dabei wären sie kurz vor ihrem Ziel noch fast aufgeflogen, als sie in dem großen Weinkeller der Burg in eine Magd liefen. Doch die Götter waren mit ihnen oder besser Sokramur. Die Frau kannte den Junker aus Sokramshain nur zu gut, hatte sie doch schon mehr als einmal an seiner Seite in den Tiefen des Berges der Gigantin gehuldigt. "Sie sind alle im Thronsaal. Ich kann Euch über die Gesindetreppe dorthin führen, Herr." Und so tat sie es auch. Zu dieser Stunde war dort niemand anders anzutreffen. Auf diese Weise erreichten sie nach einer gefühlten Ewigkeit im Berg endlich ihr Ziel. Nur noch ein dicker Vorhang trennte sie schließlich von dem Thronsaal. Der schwere Stoff war etwas zur Seite gezogen, so dass die vordersten einen guten Blick auf den Baron und das geschehen in dem Saal hatten.

Tsafried von Schnayttach-Binsböckel saß gerüstet auf dem alten, eisernen Thron der Baronie an der Stirnseite des großen Thronsaals. Wie so viele vor ihm, saß er auf dem erhöhten Podest und blickte auf den Saal zu seinen Füßen. So viel Mühe er und seine Frau sich auch stets gegeben hatten, wirkte der Saal doch noch immer alles andere als angenehm. Daran hatten die vielen Banner und Wandteppiche nie etwas ändern können. Der Baron war in Gedanken und musterte das gewaltige Praiosauge an der Wand gegenüber dem Thron. Dem Kundigen zeigte es doch stets, welchem Gott diese Halle einst geweiht gewesen war. Doch seit langem schon war es gespalten. Ob es mit seiner Herrschaft über Schlotz auch so kommen würde? Während seine Hochgeboren seinen Gedanken nachhing, hatten sich um einen Tisch zu Füßen des Throns einige Frauen und Männer versammelt, die voll und ganz im hier und jetzt weilten.

"Die Landwehr werden wir in Schnayttach sammeln." Sieghelm von Firnsjön deutete mit seinem Langdolch auf den Ort in Schatten der Burg. "In diesem Augenblick werden auch meine Firnsjöner herangeführt. Wir sollten sie hier halten. Grüningen, Ihr werdet Euch ihrer annehmen." Der Dienstritter nickte dem Firnsjöner als Reaktion nur kurz zu. "Odilbert, wir werden derweil die Mägde und Knechte unter unserem Kommando einen. Wir werden den Wutzenwalder

Weg nehmen und dann nach Rulendorf schwenken." Der angesprochene, Odilbert von Erlenbruch, Hauptmann der Burgwache und Ritter in Diensten des Barons nickte seinem alten Schwertvater kurz zu. "Sehr gut. Wenn alles geklappt hat, hat Ismena dort schon die Wehr versammelt und auch der Ehrenforster müsste sein Gut und Yggraling zu den Waffen gerufen haben." Die Linke des alten Ritters landete scheppernd auf der Panzerschulter des Hauptmann. "Ganz recht. Dann können wir gegen Schattenholz vorstoßen. Derweil werdet Ihr Euch," - er deutete auf Praiodane von Birnwang - "als Heroldin des Barons nach Rosenbusch begeben und offiziell um Hilfe ersuchen. Rosenbusch ist stark und wird uns helfen." Während die junge Dame noch nickte, ergriff Odilbert leise das Wort. "Und was ist mit seiner Hochgeboren?" Nicht nur sein Blick ging darauf zu ihrem Baron.

"Tsafried, Du solltest derweil hier auf den Rosenbuscher warten. Die Landwehr wird es bestärken, wenn Du sie zusammen mit Grüningen ausbildest und die Burg sicherst." Nun war es beim Herrn von Schlotz, die um den Tisch versammelten und in der Halle stehenden Wachen zu mustern. Neben seinem Onkel, hatten sich mit Odilbert von Erlenbruch und Anselm von Grüningen seinen beiden letzten Dienstritter versammelt. Dazu seine Heroldin und die Knappen der beiden Ritter, sowie sein eigener. Außerdem hielten vier seiner Wachen an den Türen Wache. "Dein Rat ist wie immer weise, Sieghelm. Ich kenne meine Stärken und Schwächen. Auch wenn ich ein Ritter bin, so war ich doch stets mehr ein Mann der Feder, denn des Schwertes. Wohl dem Mann, der sich in einer solchen Stunde auf treue Verwandte und Gefolgsleute verlassen kann. Dies verspreche ich Euch! Ich werde nie vergessen, was Ihr in diesen Tagen für Schlotz und mich leistet."

Sie hatten vorerst genug gesehen. Dieser Rat würde wohl noch eine ganze Weile dauern. Während sie zwei ihrer Knechte hinter dem Vorhang beließen, schlich die kleine Schar erst einmal zurück in die Tiefe. Dort im Keller hieß es nun zu beraten, wie man vorgehen würde.

Durch denselben Weg, wie sie in den Keller gelangt waren schleppten sich nun auch Praiosmin, ihre Waffenmagd, der sterbende Fleischer und Traviahold – sie hatten es geschafft! Ihnen mussten mehr als zwölf Götter beigestanden haben. Erschöpft ließen sich alle drei mit dem Verletzten im Keller erst einmal zu Boden sinken. Die Schwarze Knappin strahlte als sie ihren Herrn lebend sah erkannte aber auch sogleich die ernsthaften Verletzungen des Siebeneicheners. Die Knappin, die schon viele schlimme Verwundungen gesehen und behandelt hatte, versuchte es der Heilerin aus Wutzenbach gleich, der sie oft zugesehen hatte, die Blutungen zu stoppen. Der Metzger war voller Blut und sah aus wie ein abgestochenes Schwein. Die Schwarze Knappin hatte nicht genug Hände um alle Löcher zu stopfen. Praiosmin und ihre Gefolgsfrau versuchten ebenfalls die Blutungen zu stoppen, indem sie ihre Hände auf die Wunden pressten.

Traviahold hatte das nun noch ramponierter aussehende Schlotzer Schwert immer noch fest umklammert: „Der...der Schatten...*leise hustend*...ver...folgt uns...nicht mehr! … Das...Licht hat...ihn...zurückgedrängt!

„Ruhig, ruhig, Traviahold“ sprach Storko während er diesem seine Hand auf die Schulter legte „ich hätte nicht darauf gewettet, dass ihr den Geist, Dämon oder um was es sich auch immer gehandelt haben muss aufzuhalten vermochtet. Aber es hat uns die notwendige Zeit gegeben aus dem Untergrund der Gewölbe herauszukommen. Setzte euch und beruhigt euch, wir werden heute noch genug Feinde zu besiegen haben.“

Endlich schien sich auch Anshag wieder voll im Griff zu haben, denn die letzten Stunden, die Enge, die Dunkelheit hatten seinem Gemüt sehr zugetan, und als der Schatten auf sie zukam gab es nur einen Weg: hier heraus. Nach einem Wink des Ritters, wandte sich sein spitzohriger Waffenknecht Timshal dem schwer Verletzten zu. Er war leidlich kundig in der Versorgung von Wunden, doch musste er bald feststellen, dass jene tatsächlich kritisch waren und ohne gründliche Versorgung würde der Mann bestimmt verbluten. Doch die kurze Rast in den Tiefen hatte seine magische Kraft ein wenig regeneriert, gerade um einen Heilzauber zu wagen. Er legte seine Hände auf zwei der zahlreichen Wunden, murmelte etwas melodisch und schloss seine Augen. Mehrere Minuten verbrachte er in dieser Stellung bis ihm der Kopf so sehr schmerzte, dass er sichtlich geschwächt aufhören musste. Die Atmung des Metzgers war ruhiger und die Blutungen hörten auf einigen Stellen auf.

Lanore, die Magd die sie zum Saal geführt hatte, kam kurz darauf zurück. Offenbar hatte sie ihre Aufgabe erfüllt und sich nun fortgestohlen. In einem Korb hatte sie etwas Verbandsmaterial und einige Heilkräuter in den Keller gebracht. „Herr Tsafried hat große Vorräte angelegt, da wird das so schnell nicht auffallen.“ Mit diesen Worten machte sie sich mit geübten Handgriffen daran, den armen Mann zu verbinden. Mit blutigen Händen betrachtete sie am Ende ihr Werk. „Nun kommt es auf ihn an. Die Kräuter werden helfen, ab ob er wieder aufwacht, dass liegt nicht mehr in unseren Händen.“ Danach machte sie auch schon daran, ihre Hilfe den übrigen anzubieten, die sie gebrauchen konnten.

Nach einer viertel Stunde der Rast – Storko machte keinen Hehl daraus sich an den Vorräten des Barons hier im Keller zu bedienen – stellte sich die Adligen, Gerbold, Traviahold, Anshag, Storko und Praiosmin im Kreise auf um über ihr weiteres Vorgehen zu beraten. Der Gernatsborner erhob das Wort: „Viele Mühen haben wir und unsere Getreuen auf uns genommen hier in die Burg einzudringen, und wir sind erfolgreich gewesen. Nun fehlt noch der entscheidende Schritt den Baron zu stellen und zu stürzen wie wir es besprochen haben. „Oben im Thronsaal sprechen sie gerade - der Baron, seine zwei Dienstritter und eine Heroldin, sein Onkel Sieghelm von Firnsjön und ein halbes Dutzend Wachen und Knappen – über das weitere Vorgehen. Sie wollen die Truppen zusammen ziehen und Schattenholz nehmen. Diplomatisch wollen sie die Heroldin nach Rosenbusch schicken um Unterstützung zu gewinnen. Der Baron fürchtet uns, er fürchtet die Wahrheit. Wir könnten warten, bis die Ritter aufgebrochen sind und nur noch der Baron und die Wachen übrig, dann wäre er ein einfacher Gegner.“

Anshag fuhr Storko fast ins Wort. „Ich habe genug vom Versteck spielen. Ein Ritter stellt sich dem Feind im Kampfe und hockt nicht im Keller. Der Baron muss gestürzt werden, deshalb sind wir hier. Wir sind keine Attentäter die auf eine gute Gelegenheit warten den Dolch zu stoßen“ fügte er mit Nachdruck hinzu.

„Ich stimme euch zu Anshag.“ merkte Storko an „wenn wir den Baron so stürzen und die Burg an uns reißen, was dann? Die restlichen Ritter haben im Schlotzer Lande die Landwehr und das Waffenvolk gesammelt, eine Botin ist nach Rosenbusch unterwegs, sie würden den Sturz des Barons schwer akzeptieren, und am allerwichtigsten würden sie nicht von den Anschuldigungen wissen. Wir wären die Geächteten. Es scheint waghalsig, da wir nicht mehr Mannen und Frauen hier aufzubieten haben als im Thronsaal versammelt sind, aber irgendwie müssen wir uns Tsafried stellen bevor Sieghelm und die anderen die Burg verlassen. So denke ich zumindest.“ Storko hielt es tatsächlich für sehr gefährlich sich dem Baron nun zu stellen, wenn alle seine Getreuen wahrlich auf seiner Seite waren, so würde dies ein schwerer Kampf werden. „Was sagt ihr?“

Traviahold überblickte noch mal die Anzahl seiner Gefährten. Praiosmin von Siebenstein, deren Waffenmagd und der Metzger, wobei letzterer zu schwer verletzt war um auch nur eines seiner Fleischerbeile zu halten. Gerbold von Zwölfengrund und dessen Waffenmagd Undra. Waffenknecht Ehrhelm war dem Finsteren Schatten in den Tiefen zum Opfer gefallen. Anshag von Sturmfels mit Waffenknecht, dessen Namen Traviahold entfallen war, und Timshal der Waldelf. Storko von Gernatsborn, dessen Wehrheimer Weibel und der Soldat Xebbert Zweimühler. Und zu guter letzt sein eigenes Gefolge; die Schwarze Knappin und sein Schreiber Yantur Zertel. Somit kam er auf genau 13 kampffähige Streiter. Wobei er diese Zahl aber nicht aussprach. Das musste genügen: „Ich kann Anshag nur zustimmen, wir werden es jetzt und hier beenden. Außerdem wäre Gut Schattenholz verloren, wenn wir die Ritter abziehen lassen.“ Der Schattenholzer ballte beim Gedanken an den möglichen Verlust seines Gutes die Panzerhandschuhe. „Wenn es nur irgendwie möglich ist, will ich Tote unter den Schlotzer Burggardisten vermeiden, sie folgen nur treu ihrem Baron. Jemand von uns muss diese binden und beschäftigen.“ Dabei blickte er auf den Hallinger, dessen Waffenknecht und den Elf. „Vielleicht würdet ihr das übernehmen Anshag?“.

„Jeder der beiden Dienstritter dort oben, soll die Gelegenheit bekommen, sich uns zu ergeben. Wenn sie sich unserer Sache dennoch entgegenstellen, werden sie im Kampf sterben.“ Der Schattenholzer blickte zu Ritterin Praiosmin und dem Zwölfengrunder und deren Gefolgsfrauen. „Eure Wohlgeboren, ihr beide könntet die Dienstritter übernehmen.“ Dann fasste er Storko freundschaftlich am Oberarm. „Ihr Storko, könnt mit euren beiden Männern auf alles reagieren, was uns überraschen könnte, und Anshag unterstützen, um mehr Druck auf die Burggardisten auszuüben. Die Schwarze Knappin schnappt sich einen der anderen Knappen und hält Geschmeiß von mir fern, während ich mich um den Firnsjöner kümmere. Auch er soll Gelegenheit haben zu erkennen, dass er auf der falschen Seite steht“ Dann blickte er zu seinem alten einäugigen Schreiber. „Und ihr, Yantur achtet darauf, dass der der Baron nicht durch eine Geheimtür oder auf sonstigem Wege flieht. Notfalls stellt ihr euch ihm entgegen und haltet ihn auf.“ Traviahold blickte dann gen Boden und atmete schwer aus. „Letztendlich werde ich meinen Vater gegenübertreten und ihn richten. Er wird dafür bezahlen, dass er sich mit finsteren Mächten wie den Drachengardisten und transylischen Schergen in Firunsfelde verbündet hat, Güter an den Feind verschachern wollte, Gut Schattenholz nun schon zum zweiten mal angreifen lässt, und uns, den Befreiern von Schlotz, entgegen gearbeitet hat wo er nur konnte und gar noch ein Kopfgeld auf uns hat aussetzen lassen!“ Die Wut die in ihm aufkam half dem Schattenholzer seinen Schmerz zu unterdrücken. Er würde zum Vatermörder werden, was seine Seele schwerer belastete als man ihm dies vielleicht ansah. „Seid ihr mit diesem Plan einverstanden, getreue Gefährten?“

„Wenn Rondra mit uns ist, dann mag es gelingen“, stimmte Praiosmin Traviahold zu. „So ist es. Doch unterschätzt mir den Feind nicht.“ Gerbold deutete auf den Weg zum Thronsaal. „Sieghelm ist ein erfahrener Gegner und der Hauptmann war einst sein Knappe. Beide werden dem Baron die Treue halten. Es sind rondragefällige Recken, die entsprechend kämpfen werden. Anselm von Grüningen hingegen ist ein hinterhältiger Kämpe. Im Turnier ritterlich, kämpft er in der Schlacht mit Kniffen und Tricks, die eines Söldners ‚würdig’ sind. Mit dem Morgenstern weiß er dabei wohl umzugehen.“ „Wie Traviahold erwähnt hat bin auch ich der Meinung, dass jeder im Thronsaal die Gelegenheit bekommen soll sich zu ergeben.“ fügte noch Storko hinzu.“Bevor wir den Kampf aufnehmen sollte laut und deutlich die Anklage gegen den ehrlosen Baron erhoben werden, sodass es jeder vernehme. Ohne dieses Wissen wären wir nachher nur gewöhnliche Thronräuber. Den von Tsafried verfassten Brief der Schuld Tsafrieds mit Siegel habe ich noch immer in meiner Tasche und werde ich als Beleg hochhalten. Sofern sich dann die Ritter und Getreuen des Barons gegen uns wenden bleibt uns nichts anderes zu tun als die Waffen sprechen zu lassen, doch sollten wir die Opfer gering halten und Gnade walten lassen. Ansonsten wenden wir uns den Gegnern zu wie es Traviahold vorgeschlagen hat. Gut?“ fragte er in die Runde. Letztendlich gefiel Storko auch seine Position der 'Reserve', so war er hoffentlich nicht von Anfang an in die Kämpfe verwickelt und konnte ein Auge auf den Baron und seinen gewitzten Ritter von Grüningen werfen. Kurze Zeit später nahmen die 13 Streiter den Weg über die Gesindetreppe, den niemand überwachte. Allen voran schritt Traviahold mit gezogenen Waffen. Storko, Praiosmin, Anshag und Gerbold direkt hinter sich. Ihre Panzer, Kettenhemden und Wappenröcke waren verschrammt, staubig und mit Spinnweben bedeckt. Die Klebrige Exkremente der Höhlenspinnen und blutige Sprenkel taten ihr übriges – sie sahen aus wie die letzten abgerissensten Gestalten der gesamten Baronie. Der Bastard aus dem Wutzenwald atmete noch einmal durch, die Ochsenherde mit nach vorne starrendem Griff, über der rechten Schulter liegend, riss er mit links, in der er das abgebrochene Schwert von Schlotz hielt, den schweren Vorhang zur Seite. Die Befreier ergossen sich regelrecht in den überdimensionierten Thronsaal. Alle Anwesenden erschraken, als wären die Niederhöllen selbst aus dem Keller gestiegen! Damit hatte keiner gerechnet. Der Baron selbst, der auf dem eisernen Thron von Schlotz, auf erhöhter Position saß, schien sichtlich überrascht. Der Firnsjöner, der gerade mit seinem Langdolch auf ein Ziel auf der Karte vor ihm zeigte, ließ diesen fallen und zog direkt sein Ritterlangschwert und war somit der erste im Saal, der reagieren konnte. Kurz darauf zogen auch alle anderen Burggardisten und der Hauptmann ihre Waffen. Das eiserne Geräusch erfüllte die riesige Halle, während die erschrockenen Gardisten versuchten in Formation zu gehen um den Baron abzuschirmen. Traviahold der hoffte, dass sie unter all dem Dreck noch irgendwie zu erkennen waren, trat in das Zentrum der Halle, während alle anderen hinter ihm ausschwärmten und versuchten möglichst strategisch günstige Positionen einzunehmen. Der düstere Schattenholzer deutete mit seiner abgebrochenen Klinge direkt auf den Baron und erhob seine Stimme laut über das ausbrechende Chaos: „WIR VOM BUND DES ALTEN SCHLAGES HABEN SCHWERT UND AXT ERHOBEN, UM UNSERE LEHEN UND DIE BARONIE ZU SCHÜTZEN, UM ALLE ÄUSSEREN UND INNEREN FEINDE ZU ERSCHLAGEN! SIE ZU STRAFEN VOR DEN GÖTTERN, DEN NEUEN, WIE DEN ALTEN! IHR...VATER SEIT EIN VERRÄTER AN EUREN VASALLEN, DENEN IHR SCHUTZ UND TRUTZ GESCHWOREN HABT! STATTDESSEN HABT IHR MIT FEINDEN AUS DEN SCHWARZEN LANDEN PAKTIERT UND EUCH GEGEN EURE EIGENEN SCHUTZBEFOHLENEN GEWANDT...UND ZUGLEICH GEGEN EUREN EIGENEN SOHN!“ Traviahold erhob die Überreste des Alten Schwertes. „DAFÜR WERDEN WIR HIER AN ORT UND STELLE EIN GERICHT DES BLUTES ÜBER EUCH HALTEN UND JEDER DER SICH HIER UND JETZT VON EUCH UND EUREN FALSCHEN MACHENSCHAFTEN ABWENDET, SOLL VERSCHONT WERDEN!“ Dabei deutete er auf alle Burggardisten, die Dienstritter, die Knappen und letztlich auf Sieghelm von Firnsjön. „DIEJENIGEN ABER, DIE SICH WEITERHIN AUF EURE, DIE FINSTERE SEITE STELLEN, WERDEN EBENSO MIT IHREM BLUT BEZAHLEN.“ Jeder der den Schattenholzer kannte, zweifelte keinen Augenblick daran dass dieser seine Aussagen in die Tat umsetzen würde. „SO ODER SO, HIER WIRD ES ENDEN!“ Der große Ritter trat zur Seite, um Storko von Gernatsborn nach vorne treten zu lassen, den zweiten Gründer ihres Bundes.

Storko reckte mit der Linken den aufgefalteten Brief des Barons an die Söldlinge die Firunsfelde besetzten hoch, sodass jeder das Siegel Tsafrieds sehen konnte, während er vorsichtig nach vorne schritt. In der Rechten hielt er das Schwert umklammert. Er erhob da Wort und blickte bestimmt in Richtung der Throns vor dem sich die anwesenden Gardisten aufbauten: „Ihr, Tsafried von Schnayttach-Binsböckel habt euch gegen die Schlotzer Lande gestellt und seid ein Verräter. Diesen Brief habt ihr an den Hauptmann der finstern Dämonenbündler, die den Westen der Baronie terrorisierten, gesandt und habt euch mit ihnen verschworen. Eueren eigenen Sohn wolltet ihr ihnen ausliefern, das eigene Blut an finstere Mächte opfern und so die Schlotzer Lande ins Verderben stürzen. Als euch gewahr wurde, dass wir Firunsfelde befreien konnten und Kunde von eurer Verschwörung bekommen würden habt ihr uns, die aufopferungsvollen Streiter des Schlotzer Schutzbundes, als Verräter hingestellt und euch feige in der Burg versteckt. Der Frieden und die Ordnung lag nie in eurem Sinn, ihr wolltet alle gegeneinander ausspielen bis Schlotz in Blut und Feuer versinkt. Aber nun, mit dem Beistand der Götter, sind wir in die Schlotzer Festung gelangt um euch und dem Land Gerechtigkeit zu bringen. Ergebt euch und gesteht euren Verrat, so dass die Götter Gnade eurer Seele walten mögen!“

„Genug!“ Der Baron war bei den Worten der beiden Junker aufgesprungen und hatte das Langschwert gezogen. „Ihr kommt in diese Halle und ruft Götzen an.“ Die Stimme des Barons zitterte vor Erregung oder war es ob des eben gehörten Frevels an den Göttern? „Nichts als Verrat trieft aus Euren Worten. Ihr seit es, die Schlotz vergiftet. Jetzt offenbart Ihr Euren gesamten Verrat. Wo Traviahold die Klinge ist, seid Ihr die verderbte Feder die falsche Zeilen schreibt, Gernatsborn.“ Tsafried deutete mit der Klinge auf die beiden Junker. „Ihr habt das Urteil über Euch selbst gefällt. Doch Ihr“, die Geste des Barons bezog die übrigen Frauen und Männer ein. Seine Stimme bekam etwas Flehendes. „Ihr wurdet geblendet, wie ich zuvor. Lasst nicht zu, dass Ihr Verrat Euch mit ins Verderben reißt. Ihr kennt mich. Ich Tsafried von Schnayttach-Binsböckel soll solcher Taten fähig sein?“

„Umso gewaltiger ist Euer Verrat, Hochgeboren!“ Gerbold von Zwölfengrund trat neben die beiden anderen Junker. „Ihr habt uns alle getäuscht. Es gibt keinen Zweifel, die Beweise sind erdrückend. Ergebt Euch und erweist Schlotz so einen letzten Dienst.“

„Gerbold alter Freund“, der alte Firnsjöner machte einen Schritt in Richtung des Sokramshainer. „Wir haben zusammen geblutet. Leid und Freude mehr als einmal geteilt. Wie könnt Ihr nur so gegen meinen Neffen, mein Blut handeln?“ Der Ritter schüttelte ein letztes Mal seinen Kopf und blickte zu den entschlossenen Rittern und Wachen an seiner Seite. „Ihr habt Euch entschieden, dann in Rondras Namen, sollen die Klingen sprechen!“ Er richtete sein Schwert auf Traviahold. „Beim Götterfürsten, Ihr werdet für Eure Verbrechen bluten. Ich selbst werde Euch hier und heute richten!“ Mit diesen Worten ging der alte Veteran unzähliger Kämpfe in Stellung und erwartete den Bastard seines Neffen und Barons. Die übrigen Gefolgsleute des Schlotzer Barons taten es ihm gleich. Während die Wachen eine Linie vor dem Thron bildeten, standen die Ritter an der Seite des Firnsjöner. Traviahold ging auf die Herausforderung des schlachterfahrenen Firnsjöners ein, ging ein Schritt vor und signalisierte seiner Schwarzen Knappin, dass sie nicht eingreifen solle. „Euch zu töten, Sieghelm, wird mir kein Vergnügen sein und ich werde eure vorherigen Taten für Schlotz nicht vergessen. Ihr wollt einen rondrianischen Zweikampf? Dann lasst uns kämpfen – bis in den Tod!“ Der Schattenholzer hatte mit seiner momentanen Bewaffnung nicht sehr viele Manöver zur Auswahl, vor allem, da sich sein abgebrochenes Langschwert wenn überhaupt nur noch zum parieren eignete. Dafür würde ein einziger Treffer seiner tödlichen Ochsenherde, wie sie auch Raidri oder Waldemar „der Bär“ während der Schlacht der Tausend Oger führte, seinen Gegner entweder direkt töten, oder zumindest so schwer verwunden, dass der Kampf schnell vorüber wäre. Aber dazu musste er den alten Veteran erst mal treffen. Traviahold ließ die Kettenwaffe über seinem Kopf kreisen, denn er hatte genug Platz in der riesigen Halle und zur Not würde er jeden töten, der sich in den Kampf einmischen würde. Sieghelm, der der Gefährlichkeit der Kette bewusst war, und auch der Tatsache, dass diese kaum zu parieren war, eröffnete den Zweikampf mit einer Finte, die Traviahold mit den Überresten seines Schwertes abwehren konnte. Gleichzeitig wich er dem kurz darauf folgenden Wuchtschlag der Ochsenherde aus, deren Dornen funkenstiebend über den Hallenboden stieben. Schlag um Schlag testete der alte Ritter die Schwächen des Schattenholzers aus, während auch der Kampf der restlichen Kontrahenten um sie herum ausbrach. Ein halbes dutzend Schläge später war klar, dass der Bastard üblicherweise nicht mit einem Schwert in der Linken kämpfte. Traviaholds Kettenpanzer wurde am linken Unterarm durchschnitten, was seine linke Seite noch weiter schwächte. Der Schattenholzer antwortete mit noch wuchtigeren Schlägen der Kettenwaffe, wie sie nur ein Wahnsinniger oder ein Waffenmeister vollführte. Traviahold war im Umgang der Kette letzteres. Ein weiterer Treffer des Firnsjöners traf das Bein seines Gegners, während er selbst gerade noch so dem darauf folgenden Dornenkugeln auswich, die die Bodenplatte unter seinen Füßen zertrümmerte. Sieghelm stolperte kurz über einen der Steine und sah sein Ende kommen. Aber Traviahold machte blutend und schnaufend einen Schritt zurück und wartete bis sich Sieghelm gefangen hatte – er hielt sein Wort.

Die Schwarze Knappin, die kampfbereit versetzt drei Schritt hinter ihrem Ritter stand machte weitere Schritte zur Seite und deutete mit ihrem Kurzschwert auf die beiden Knappen der Gegnerischen Ritter. Sie forderte diese beide zugleich! Ihr großes Rundschild aus dem Keller hielt sie defensiv vor sich, während ihr Kurzschwert hinter dem rostigen Schild lauerte und nur die Spitze dahinter hervor blitzte. Die beiden Knappen sahen sich kurz gegenseitig an, nickten sich zu und traten dann auf die berüchtigte Knappin zu, die kurz vor ihrem Ritterschlag stand. Sie trugen zwar beide keine Schilde, aber ihre Überzahl machte das mehr als wett. Die Knappen schossen mit ihren Klingen vor, nur um beide zugleich von der Schwarzen Knappin abgewehrt zu werden – sie war gut im Schildkampf. Sie stach mit ihrer Kurzen Klinge nur dann zu, wenn sich ihr eine Lücke in der Verteidigung der beiden Knappen bot. Dabei ging sie mit ihrem Schild sehr nah ran, um ihre kürzere Reichweite auszugleichen. Während der rechte Knappe vor einem ihrer Stiche zurück sprang schmetterte sie dem linken den Schild direkt ins Gesicht. Ein knackendes Geräusch, begleitet von Blut, dass diesem augenblicklich aus der Nase schoss. Dieser taumelte zurück, wurde aber direkt von seinem Kampfgefährten gedeckt, der mit einem harten Schlag einen Teil des alten Schildes zertrümmerte. Holzsplitter flogen durch die Luft. Die Knappen schenkten sich nichts. Ihr Kampf war genauso verbissen, wie der ihrer Ritter. Mit jedem Schlag, den die Schwarze Knappin parierte, flog ein weiteres Stück ihres Schildes weg – lange würde er nicht mehr halten. Im rechten Moment riss sie nach einer Parade ihren Schild zur Seite und trat dem Rechten Knappen, der darauf verdutzt zu Boden ging. Gleichzeitig parierte sie mit dem zur Seite gerissenen Schild den im Gesicht blutenden linken Knappen, der jetzt wieder auf sie eindreschte. Dessen Klinge rutschte aber über den Rand des Schildes und verletzte ihre linke Schulter. In einem Kampf gegen gewöhnliche Söldner hätte sie jetzt zum Ausgleich den am Boden liegenden Knappen einfach abgestochen, aber sie tat es ihrem Herrn gleich und ließ diesen aufstehen, auch wenn das vermutlich ihr Todesurteil war.

Yantur Zertel, der einäugige Schreiber hatte ebenfalls sein Schwert in der Hand und versuchte vergebens an den Baron heranzukommen. Vergebens. Er zog sich nach kurzem Schlagabtausch wieder aus der ersten Reihe zurück und ließ andere vortreten. Derweil orientierte er sich und begab sich an eine der Flanken, in der Hoffnung, den Eisernen Thron zu umgehen. Der Baron durfte nicht entkommen. Er murmelte sich etwas in den Bart und schlug sich selbst ermutigend auf die Brust. Sein Herr hatte vor dem Kampf auch die Alten Götter erwähnt, für die sie hier kämpften. Seine Sagen, Legenden und Geschichten über die alten Götter und Kulte, von denen er seinem Herrn oft erzählt hatte, hatte also endlich Wirkung gezeigt.

Lächelnd schaute er zu Gerbold, dem die überraschende Eröffnungsrede nicht entgangen war und dessen Familienname einen tieferen Sinn hatte. Der alte, humpelnde Schreiber attackierte den äußersten Verteidiger der Formation vor dem erhöhten Thron und übte so mehr Druck auf die Burggardisten aus. Lange konnten sie diese Formation nicht halten – zu viele Kämpfe hatten sie in den Monaten zuvor bestritten, währen die Burgwachen eher fetter wurden. Die Wache vor ihm dachte leichtes Spiel mit dem Krüppel vor ihm zu haben, das kurz darauf in seiner Brust steckende Langschwert belehrte ihn eines besseren. Ein weiterer Gardist schloss die Lücke und starrte dem Schreiber erstaunt entgegen. Auch die anderen Kämpfer warfen sich wie besprochen ins Gefecht. Gerbold und Praiosmin mit ihren beiden verbliebenen Waffenmägden stellten sich gegen die beiden Dienstritter samt einem Knappen der daneben stand. Während der Junker sich dem listigen Anselm von Grüningen stellte und bedacht war dessen Morgenstern zu parieren, hatte Praiosmin sichtlich Mühe die schweren Schläge des zweiten Dienstritters und Anführers der Burgwachen, Odilbert von Erlenbruch, abzuwehren. Anshag und seine beiden Waffengetreuen machten den Burgwachen, die vor dem Thron den Baron bewachten und Stellung bezogen hatten, von der anderen Flanke als Yantur Druck. Die Flucht Tsafrieds schien fast ausgeschlossen, dieser stand halb, halb saß er auf dem Thron in angestrengter Pose und blickte besorgt auf den Kampf. Klingengewitter, Schnaufen und Stöhnen hallten durch den hohen Thronsaal. Die Streiter des Schlotzer Schutzbundes waren in geringer Überzahl, doch wurde dieser Vorteil durch die Müdigkeit der Strapazen der letzten Tage wettgemacht, sodass es ein harter Kampf zu erwarten war, in dem keine Seite bisher an großem Boden gewinnen konnte.

Storko hielt sich mit seinen beiden Soldaten, wie besprochen als 'taktische Einheit', hinter den Kämpfenden und konnte so das Scharmützel überblicken. Bisher gab es noch keine Schwachstelle an der er eingreifen müsste. Die Schlacht war derzeit ausgeglichen und der Baron in die Enge getrieben. Doch, hinter den Kämpfenden versuchte sich eine junge Frau die nicht in den Kampf gegangen war zur Tür zu schleichen. Es war die Heroldin, Praiodane von Birnwang. Sie sollte doch nach Rosenbusch gehen um Hilfe von Rahjadan von Bregelsaum-Rosenbusch. Das durfte nicht geschehen, die Sache musste hier und jetzt geregelt werden. Storko wollte ganz und gar nicht in den Nachbarbaronien als möglicher Verräter gelten. „Haltet sie auf, sie darf um keinen Umständen fliehen!“ befahl er seinen beiden Soldaten. Diese sprinteten mit gezogenen Waffen, gefolgt von ihrem Offizier, im Laufschritt in Richtung des Tores auf der Seite der Halle, durch die Heroldin wohl entkommen wollte. Die junge Frau hatte noch nicht viele Schlachten bestritten, sodass die erfahrenen Soldaten ihr ohne größeren Schwierigkeiten den Weg abschneiden konnten. Xebbert hielt ihr sein Schwert an die Brust. „Halt!“ sprach Storko laut um die Waffengeräusche zu übertönen „ergebt Euch Praiodane von Birnwang. Der Baron und seine Lügen werden fallen und die die mit ihm sind.“ Die junge Frau, mit brünetten zu einem Zopf gebundenen Haaren, war Kette und einem Wappenrock der Farben des Barons gekleidet und hielt ein Schwert in ihren Händen. Storko musterte sie, sie war gewiss jünger als seine eigene Gemahlin. Von Birnwang? Sie musste verwandt sein mit Ugdalf von Birnwang, dem verschollenen Ritter des Ortes Beorwang.

Hastig glitt der Blick der Heroldin über ihre Gegner, wobei er immer wieder auf der Klinge vor ihrer Brust ruhte. So schnell würde sie nicht aufgeben und Schande über sich und ihr Haus bringen. „In Ucuris Namen, ich bin Heroldin und stehe unter seinem Schutz. Vergeht Euch an mir und Ihr vergeht Euch an ihm.“ Ob sich dieser Feind davon beeindrucken ließ?

Storko konnte sich das Schmunzeln nicht verkneifen. Dachte sie tatsächlich er würde sie nun ziehen lassen und alles gefährden. Sie sollte doch verstanden haben, dass sie hier waren um den Baron zu stürzen. Schnell hatte der Gernatsborner Weibel mit starken Griffen die junge Heroldin von hinten gepackt und ihr Kurzschwert an sich genommen.

Derweil hatte Praiosmin einen Kämpfer vor sich, dem sie an diesem Tag kaum gewachsen war. Doch auch unter besseren Bedingungen wäre sie dem Hauptmann unterlegen. Als Odilbert merkte, dass sie den Hieben seines Anderthalbhänder vorerst standhalten konnte, brachte er sich langsam in eine bessere Position. Er wusste genug von ihr, um zu wissen, dass sie nicht lange warten würde. Seine Erfahrung täuschte ihn nicht, sie nutzte die vermeintliche Gelegenheit, um ihn mit wuchtigen Hieben zu treffen. Hierauf hatte er jedoch nur gewartet und nutzte seine Parade, um seinerseits gegenzuhalten und die Ritterin zu treffen. Auch wenn beide trafen, so war Odilberts Schlag deutlich präziser. Wo Praiosmins Schlag seine Armschiene traf, durchdrang sein Hieb ihre Rüstung und drang tief in ihren Oberschenkel ein. Wäre ihre Waffenmagd der Siebensteinerin nicht sofort zur Seite gesprungen, der Hauptmann hätte nachsetzen und sie schnell ausschalten können.

Gerbold hielt sich hingegen besser gegen Anselm von Grüningen. Er kannte seinen Gegner und dessen Tricks. Einmal hatte er den Fehler gemacht und war von ihm in einem Kampf durch einen überraschenden Fußfeger von den Beinen geholt worden. Noch einmal würde ihm das nicht geschehen. Beide belauerten sich und landeten nur vereinzelte, gezielte Schläge, denen der Gegenüber ausweichen oder sie parieren konnte. In einem anderen Kampf hätte der Junker keine Bedenken gehabt und mit seiner Waffenmagd die Überzahl genutzt, doch hier waren ihm die Hände gebunden. Würde keiner von ihnen mehr wagen, der Kampf könnte noch lange so weitergehen.

„GERION! Jetzt ist es an Dir zu beweisen, was Du wert bist!“ Ertönte überraschend die Stimme des Barons über dem Kampflärm in der Halle. Er hatte sein Schwert gezogen und deutete auf die Kämpfenden vor ihm. „Bring Du die Entscheidung!“

Offenbar schien der Ausruf seines Neffen bei Sieghelm etwas auszulösen. „Also doch“, murmelte er kryptisch. Wer immer Gerion war, dem alten Ritter schien nicht zu gefallen, was er bedeutete. Mit einem Lächeln ging er plötzlich in die Defensive über und ließ Traviahold kommen. Der Bastard musste mit seiner Waffe einen harten Treffer landen, das war klar. Sollte er es nur versuchen, Sieghelm würde den Schwung seines Angriffs nutzen und zur Wehrheimer Windmühle ansetzen. Er war nicht mehr so schnell und kräftig wie ehedem, doch das glich er mit seiner Erfahrung mehr als aus, so hoffte er zumindest.

Storko sah in Richtung des Thrones an dem der Baron saß als dieser durch die Halle rief. Die Heroldin hatte seinen Blick für eine halbe Minute von den Kämpfenden genommen, nun beurteilte er wieder misstrauisch die Lage. Wer dieser Gerion auch war, Tsafried hatte wohl noch eine Trumpfkarte von der sie nichts wussten.

Eine Gestalt in Brokatrobe, mit arkanen Symbolen bestickt, betrat seitlich die Halle, in der Nähe von Anshags Flanke. Fast schien es so, als wäre der Gerobte direkt aus der Wand gekommen. Aber der sich noch bewegende Gobelin hinter ihm, der wohl noch aus den Dunklen Zeiten stammte, ließ eine verhangene Geheimtür vermuten. In der Hand hielt der Mann einen Stecken, dessen oberes Ende in eine Kralle auslief, die eine Kristallkugel umklammerte. Sein Schädel war kahl und seine Augen lagen düster in ihren Höhlen. Er schritt langsam aber bestimmt auf die Kämpfenden zu. In seiner Handinnenfläche war ein tätowiertes Auge zu erkennen, das den Betrachter anschaute und in dessen Pupille eine hochgereckte Faust zu sehen war, für diejenigen, die ihm nahe genug standen.

Anshag, der der Gestalt am nächsten war, stürmte sogleich mit erhobenem Zweihänder auf den Neuankömmling zu. Die Augen des Fremden blickten hastig die Grenzen einer imaginären Zone um den Anstürmenden ab und sprach: „BAND UND FESSEL - dich umringt, und in meinen Bannkreis zwingt!“ Anshag wurde plötzlich noch im Lauf von einer unsichtbaren Barriere aufgehalten. Der Sturmfelser blickte entmutigt auf den Zauberwirker und sackte sogleich erschöpft auf seine Knie. Anshag befahl seinen beiden Waffenknechten, die gerade einen der Burggardisten niedergeschlagen hatten, den Angriff. Die beiden lösten sich aus der Kampfreihe und stürmten nun ihrerseits auf den Magus. Dieser hob drohend die geballte Faust mit dem Gildensiegel darin und brüllte: „HORRIPHOBUS SCHRECKENSPEIN, FAHR IN EURE GLIEDER EIN!“ Die beiden Hallinger Streiter verfielen kurz darauf in heillose Panik und sahen den Zaubernden an, als wäre dieser aus ihrem schlimmsten Alptraum entsprungen, und suchten schreiend das Weite! Die immer noch geballte Faust der Magiers zitterte vor Macht, während dessen fürchterliche Augen sich im Saal umblickten.

Die anderen Streiter waren in Kämpfe verwickelt, doch konnte Storko aus seiner Position den Magier und seine ihm finster erscheinende Magie beobachten. Zusammen mit seinem Soldaten Xebbert, während der Weibel weiterhin die Heroldin in Gewahrsam hielt, machte er sich ohne viel nachzudenken auf die andere Seite der Halle auf um dem Zauberer Einhalt zu gebieten.

Anshag erhob sich wieder mit zusammengebissenen Zähnen, ging einen Schritt zurück und schleuderte dem finsteren Magier schreiend und mit aller Kraft seinen Zweihänder entgegen, den dieser aber mit einer Parade seines Zauberstabes zur Seite ablenkte! Dieser Robenträger beherrschte den Umgang mit seinem Stab. Anshag warf sich noch ein letztes mal gegen seinen unsichtbaren Bannkreis und ging abermals mit noch erschrockenerem Blick zu Boden. Diesmal jedoch auf alle viere! Dann eilte Gerion, der das Herannahen von zwei weiteren Feinden von der anderen Seite der Halle vernahm, in Richtung des Morgenstern schwingenden Anselm von Grüningen, berührte dessen Waffenarm mit Zeige- und Mittelfinger der linken Hand und sprach: „KARNIFILIO RASEREI – Wahn und Blutdurst werdet frei!“ Gerion ließ sich daraufhin schnell zurück fallen, während Anshelm von Grüningen zum rasenden Wüterich wurde und in einen regelrechten Kampfrausch verfiel!

„Verdammt“ murmelte Storko, sie waren zu spät. Der Magier war nach seinem Zauber den er auf den Dienstritter gesprochen hatte hinter die Kampfeslinie gegangen, und Anshelm von Grüningen schwang seine Waffe nun wie ein Berserker hin und her, sodass Gerbold nur mit Mühe die schweren Schläge parieren konnte. Hätte Storko nur doch seine Armbrust durch den Felsen mitgeschleppt, dann könnte er das Feuer auf diesen Gerion eröffnen. Es schien ihm fast so als würde dieser ihn hämisch anschmunzeln. Xebbert half derweil dem schwach aussehenden Anshag auf, körperliche Verletzungen waren an ihm keine zu erkennen, aber irgend etwas hinderte Anshag daran, sich vom Fleck zu bewegen. Dann begannen die beiden den rasenden Ritter zu umgehen um so dem Magier den Garaus machen zu können.

Traviahold machte einen Schritt auf Sieghelm zu und ließ dabei die drei schweren Eisenkugeln niederfahren. Sieghelm gelang es im letzten Moment den Schwung des Angreifers für sich zu nutzen, und konterte den Wuchtschlag mit einer Wehrheimer Windmühle, um so seine eigene Klinge ins Ziel zu bringen. Das Schwert des Firnsjöners durchdrang das Kettenhemd des Schattenholzers und schnitt dabei tief in dessen Oberschenkel. Traviahold musste erkennen, dass er den Kampf auf herkömmliche Weise nicht gewinnen konnte. Von einem solchen Manöver hatte er bisher nur gehört. Aber noch nie hatte er jemanden dieses ausführen sehen. Dem Bastard aus dem Wutzenwald blieb nur noch eine letzte Möglichkeit – er ließ seine Defensive komplett fallen! Traviahold konzentrierte sich mit zusammengebissenen Zähnen nur noch darauf, sein Gegenüber schlicht und einfach zu vernichten, indem er wie ein Irrer unaufhörlich mit seiner Ochsenherde auf den Ritter vor ihm eindreschte. Sofort bohrte sich das Schwert des Firnsjöners in die Schulter Traviaholds. Den nächsten Angriff der Kettenwaffe konnte Sieghelm noch parieren, aber der direkt darauf folgende offensive Angriff traf mit voller verheerender Wucht. Die drei Dornenkugeln fraßen sich durch den Panzer des Alten Ritters und rissen zwei Wunden zugleich auf! Sieghelm taumelte zurück. Blutiger Nebel lag in der Luft. Die schweren Wunden der schrecklichen Waffe, senkten seine Kampfeskraft immens herab. Jetzt kam es nur noch darauf an, wer mehr Treffer einstecken konnte, die beide Ritter austeilten. Sieghelm schnitt Traviahold quer über die Brust und durchdrang abermals dessen Kettenpanzer und parierte wieder den ersten Hieb der Kettenwaffe. Der zweite Angriff des Schwarzen Ritters zerschmetterte die komplette Seite des Firnsjöners! Knochen und Eingeweide barsten und platzten zur Seite weg und besudelten einen der beiden Knappen drei Schritt weiter.

„Sieghelm?! Nein“, der alte Knappe des Ritters sah wie sein Schwertvater zu Boden ging. Traviaholds Sieg rettete so auch die Waffenmagd, die Odilbert trotz ihrer Erfahrung mit dem Langschwert nur wenig entgegenzusetzen hatte. So konnte sie sich in eine deutlich bessere Stellung bringen. Zusammen mit ihrer Herrin würden sie kaum den Sieg erringen, doch konnten sie den Burghauptmann zumindest im Schach halten. Vielleicht hätte der Knappe die Entscheidung bringen können, der seinem Schwertvater zur Seite stehen wollte. Doch nach einigen ersten Versuchen hatte er schnell erkennen müssen, dass er mit seinen knapp 14 Götterläufen in diesem Kampf mehr Last, denn Hilfe war. Er hielt sich die Wunde an seinem linken Arm und hoffte, dass er diesen Tag überleben würde.

Die Schwarze Knappin die einen ihrer Gegner hatte aufstehen lassen, machte sich hinter den Resten ihres alten Rundschildes klein, um den beiden Knappen so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Sie parierte die beiden Angriffe der jüngeren Gegner, wobei ihr Schildarm vor Schmerzen brannte. Sie machte einen niedrigen Schritt in ihre Feinde hinein, und zerschmetterte ihrem rechten Gegner mit einem harten Schildschlag die Kniescheibe. Der rechte Knappe taumelte zurück, wobei er von dem aus der Nase blutenden zweiten Knappen gedeckt wurde. Dieser hielt sein Schwert nun Zweihändig und holte zu einem weit nach hinten gerissenen Hieb aus, um dem beschädigten Schild seiner Feindin endlich zu zerschmettern. Die Schwarze Knappin ließ in diesem Moment ihr Kurzschwert hervorschnellen und durchbohrte den vor ihr Stehenden direkt in den Hals. Sie ließ die Klinge in ihrem röchelnden Gegner kurz verweilen, während ihr dessen Blut entgegen spritzte und riss die kurze Klinge dann heraus. Der leblose Leib des Knappen klatschte auf den steinernen Boden der Halle. Der verbliebene jüngere Knappe, der sich nun schon wieder am Boden fand, hielt sich schmerzverzerrt die Kniescheibe und ließ sein Langschwert fallen: „Haltet ein! Ich ergebe mich!“ Die Schwarzhaarige trat dessen Schwert mit dem Stiefel weit zur Seite weg und hielt ihm ihre Klinge auf die Brust: „Ihr sollt leben!“ Dann trat sie ihm direkt ins Gesicht, was den Knappen ins Reich der Träume beförderte.

Der Glatzköpfige sah den humpelnden und irgendwas vor sich her brabbelnden Waffenknecht, Yantur Zertel aus den Augenwinkeln auf sich zu kommen, der die Kampfeslinie einfach umgangen hatte. Der Beherrscher machte erneute Zaubergesten, und rief: „SCHWARZ UND ROT, BALD BIST DU TOT!“ Der alte Schreiber humpelte aber unbeirrt weiter mit gezogenem Schwert auf den Magier zu: „Meinen Geist beherrscht ihr nicht so einfach, Magier!“. Gerions Augen weiteten sich. Er war es nicht gewohnt, dass jemand seinen Zaubern widerstand. Aber ganz sicher hatte er nicht vor, sich von einem einäugigen Krüppel abstechen zu lassen, der noch nicht mal geradeaus laufen konnte. Der Magier riss seinen Zauberstab hoch, deutete auf den Schreiber, und entfesselte ohne auch nur ein Wort zu sagen, einen feurigen Flammenstrahl, der aus dem Stab heraus schoss! Der komplette Seite des zusammenbrechenden Schreibers ging in Flammen auf und von dessen Arm blieb nur noch ein verkohlter schwarzer Stumpf übrig, während die Asche von dessen Hand und Unterarm noch glühend umher wirbelte! Yantur Zertel ging brennend zu Boden. Dann drehte sich Gerion zur anderen Seite der Kampfeslinie, von wo er den Gernatsborner und seinen Waffenknecht erwartete. Der erfahrene Magier ließ keinen Augenblick verstreichen und bereitete schon den nächsten Zauber vor der den Soldaten des Gernatsborners zum Ziel hatte: „IMPERAVI ANIMUS, MEIN BEFEHL SEI DIR EIN MUSS!“ „TÖTE IHN!“ befahl der Magier Xebbert und deutete dabei auf Storko. Wie von jedem Sinn beraubt holte der Soldat sogleich mit dem Breitschwert aus um nach seinem Offizier zu schlagen. Dieser schnellte sofort seine Klinge zur Parade in die Höhe um es abgleiten zu lassen – doch vergebens, das Schwert streifte seinen linken Oberarm an dem er keine Platte trug und Blut tränkte den Ärmel. Storko biss die Zähne zusammen. „Bei allen Niederhöllen, welch übler Zauber ist in dich gefahren!?“ Xebbert antwortete, ohne eine Miene zu verziehen und mit leeren Augen, mit einem weiteren Hieb. Doch nun war Storko gewarnt und parierte den Schlag, eine weitere Attacke folgte. Storko blieb erst einmal in defensiver Position bevor er begann seinen eigenen Untergebenen zu verletzten. Dieser Gerion musste um jeden Preis außer Gefecht gesetzt werden sonst würde er ihnen noch mehr mit seinen üblen Zaubern Schwierigkeiten bereiten, doch jetzt war Storko gebunden - von seinem eigenen Soldat.

Weibel Wehrheimer stand noch immer mit der jungen Heroldin im festen Griff an einer Seite der Halle, doch nun war es genug, Offizier und Kamerad waren in Gefahr. Mit einem nicht besonders rücksichtsvollen Stoß des Knaufes seiner Hiebwaffe beförderte er die Frau in seinem Gewahrsam in Borons Traumreich. Dann machte er sich im Laufschritt in Richtung des Magiers auf. Seinen schweren Streitkolben hatte er mit beiden Händen fest umschlossen, bereit diesen Übeltäter zur Strecke zu bringen.

Gerion sah, dass sein letzter machtvoller Beherrschungszauber gleich zwei seiner Feinde beschäftigte. Er war es, der den Ausgang dieses Kampfes bestimmen würde. Er wirbelte in Richtung des Weibels herum, den er wohl übersehen haben musste. Für diesen hatte er in seinem Zauberstab noch einen ganz besonders widerwärtigen Zauber. Finster lächelnd hob er den Stab.

Einige Schritt hinter ihm lag der brennende Schreiber des Schattenholzers am Boden und blickte schmerzerfüllt auf die Überreste seines verkohlten linken Armstumpfes. Der Verlust eines weiteren Körperteils erreichte seinen Verstand, der dennoch nicht aufgeben wollte. Yantur Zertel griff in einen alten Beutel an seinem Waffengurt, riss einen schwarzen Obsidian daraus hervor und hielt diesen vor sich. Er benötigte nun eine kleine Menge eines Elementes und da er teilweise in Flammen stand hatte er von Letzterem mehr als genug! Der alte Schreiber schwenkte seinen brennenden Stumpf über den schwarzen Edelstein und schleuderte Gerion, der ihm den Rücken zu wandte, mit einer weiteren Bewegung seines kokelnden Armes stiebende Funken entgegen. Diese verwandelten sich noch im Flug in ein elementares Inferno, das den feindlichen Magier schreiend in einem wahren Flammenmeer vergehen ließ! Gerion war gefallen.

Für Yantur war die Zeit der Maskerade nun ein für alle mal vorbei! Der brennende nun noch verkrüppeltere Schreiber richtete sich auf, so schnell sein lahmes Knie dies zuließ und erstickte die Flammen, die an ihm leckten, mit einer wortlosen Geste. Die Schwarze Knappin starrte den alten Mann, der genau wie sie Teil der Schwarzen Lanze war, mit weit aufgerissenen Augen an. Den schwarzen Obsidian, den der Zorn der Elemente nicht aufgezehrt hatte steckte dieser zurück. Gerions Zauber hatten mit dessen Tod aber nicht aufgehört zu wirken, sie wirkten machtvoll weiter, da sie keiner Aufrechterhaltung bedarfen. Sie mit seiner eigenen Antimagie zu brechen würde viel Zeit kosten. Sein erschöpfter Blick schwenkte zwischen Anshag und dem Waffenknecht von Storko hin und her – er entschied sich für den Waffenknecht, der eine akutere Gefahr darstellte: „Weibel Wehrheimer, haltet euren Kameraden zusammen mit Storko fest, damit ich ihn an der Stirn berühren kann und ihn im Namen Sokramors von dieser Zauberei befreien kann! Alleine schaffe ich es nicht.“ Zitternd humpelte Yantur auf die beiden Kämpfenden zu. Aber auch Ritterin Praiosmin und Gerbold von Zwölfengrund waren beide noch in schwere Kämpfe mit Hauptmann Odilbert und dem rasenden Anshelm von Grüningen beschäftigt. Der Wehrheimer konnte nur einem der Dreien zu Hilfe eilen.

Der Weibel Hagen Wehrheimer musste nicht lange überlegen wem er zur Hilfe kommen sollte, war doch gerade ein Untergebener dabei seinen Offizier zu attackieren. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Zauberer keine Unheil mehr anstellen konnte schritt er an Xebbert, der nur darauf fokussiert war Storko zu treffen, von hinten heran und versuchte ihn zu packen und zu entwaffnen, sodass der Waffenknecht den Geist des Soldaten von finsterer Magie klären konnte.

„Ketzertum! Nicht die Zwölfe rufen sie an, allein unter Götzen streiten sie!“ Tsafried sah seine Felle langsam, aber stetig davon schwimmen. Was auch geschehen würde, er würde es ihnen nicht leicht machen. Fest hielt er das gezogene Langschwert in seinen Händen und versuchte seine Frauen und Männer anzustacheln. „Haltet stand, damit Schlotz nicht finstren Kulten anheim fällt!“ Wenn er hier und heute fallen sollte, dann sollten diese Hunde um seinen Bastard sehen, was sie davon hatten an Seiten eines Anhängers der Alten Kulte zu kämpfen. Diese Botschaft würde den Saal verlassen und der Saatkorn für ihren Untergang sein.

Die Wachen konnten solch Reden nur allzu gut gebrauchen, nachdem was sich binnen weniger Augenblicke zugetragen hatte. Die Magie hatte sie beeindruckt und das Ende des alten Firnsjön wirkte noch immer nach. Anselm von Grüningen war für diese Worte jedoch nicht weiter empfänglich. Für ihn zählte nur noch der Kampf, der Augenblick, vor allem aber der Sieg über seine beiden Gegner. Ohne auf seine Verteidigung besonderen Wert zu legen, drosch er auf die beiden vor sich ein. Zu zweit waren sie ihm zwar überlegen, doch was nützte das gegen einen Gegner, der mit der Kugel seines Morgensterns wie von Sinnen mal hierhin, mal dorthin schlug? Die treue Waffenmagd an seiner Seite war bereits einmal von den Füßen gefegt worden, als sie einen Schlag parierte hatte. Gerbold war nur dankbar, dass Anselm nicht vor dem Thron stand. So wie er kämpfte, hätte er ein Erreichen des Barons beinahe unnötig gemacht. Doch so sah der Junker eine Möglichkeit, wie sie es noch zu einem guten Ende bringen konnten. „Nicht wider Schlotz fechten wir, sondern einen Baron, der übelste Magie an einem Ort wie diesen in den Kampf führt!“ Erneut musste er einem Hieb des Dienstritters ausweichen. „Lasst die Zwölfe Richter in dieser Sache sein. Vater und Sohn sollen entscheiden, wer im Recht ist!“

Worte, die zumindest Movert ganz recht waren. Nicht das er feige gewesen wäre. Als Burgwache hatte er mehr als einmal gekämpft und sein Leben riskiert. Aber das alles hier überstieg bei weitem, was man von ihm erwarten konnte. Wenn der Adel sich bekriegte, dann sollten sie bluten und nicht er und die anderen. Er hatte schon einige Treffer eingesteckt, aber auch gut ausgeteilt. Mehr als genug, wenn er recht bedachte. Er nickte der Korporalin an seiner Seite kurz zu und verzichtete auf die Möglichkeit zum Angriff und begann sich etwas aus dem Kampf zu lösen. Eine Entscheidung die von Yppolita, der Korporalin neben ihm, nach einem kurzen Zögern gerne aufgegriffen wurde. Eines war den beiden klar, sie würden ihre Waffen nicht aus den Händen legen. So oder so würde ein Zweikampf ihrer Gesundheit aber mit Sicherheit zuträglicher sein, als der weitere Kampf zum Schutz seiner Hochgeboren.

Der schwer verletzte Schreiber der Schwarzen Lanze, berührte den beherrschten Soldat von Storko an der Stirn und konzentrierte sich mit all seiner Kraft darauf, den Zauber Gerions zu bannen, während der Wehrheimer die Arme des Soldaten festhielt und diesen gut im Griff hatte. Fast hatte er die Beherrschung gebrochen. Storko der den Beherrschten zusätzlich nach unten gedrückt hatte, sah dass sein Weibel seinen Mann im Griff hatte, so dass er sich umschauen an anderer Stelle eingreifen konnte. Die größte Bedrohung ging nun noch von dem wütenden Dienstritter von Grüningen aus und Storko machte sich daran von hinten dem Ritter zusetzten zu können ohne von den unberechenbaren Schlägen erfasst zu werden. Die Schwarze Knappin warf die Überreste ihres halb zerschmetterten und halb verrosteten Rundschildes weg und holte sich einen neuen von der Wand des Thronsaals. Zufälligerweise handelte es sich um einen Schild mit rotem Bullenkopf auf gelben Grund – das Wappen des alten Darpatiens! Als sie mit diesem in Richtung der Burgwachen trat, um den Druck auf diese zu erhöhen, hielten einige der noch stehenden Wachen inne und wichen dann noch weiter zurück.

Traviahold stand schwer atmend über dem gefallenen Sieghelm, mit dem er zusammen gegen Chraaz und dessen Kriegsgoblins gekämpft hatte. Auch hatte er zusammen mit dem alten Firnsjöner den Ort Firunsfelde befreit und letzten Endes „Stachelwanst“ bezwungen. Ein bitterer Sieg, aber Sieghelm hatte ihm keine andere Wahl gelassen. An mehreren Stellen drang Blut durch den staubigen Kettenpanzer des Schattenholzers und er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Sein offensiver Kampf gegen Sieghelm hatte ihn fast all seine Kraft gekostet. Langsam hob der Bastard aus dem Wutzenwald den Kopf, seine Narbe quer über dem Gesicht glänzte im Feuerlicht des Flammeninfernos, dass offensichtlich sein Schreiber entfesselt hatte. Er war verwirrt. Jetzt erkannte er auch, warum sich dieser so oft dagegen gesträubt hatte sein kurzes Kettenhemd anzuziehen – es hatte seine Magie behindert. Und Traviahold ahnte nun auch, dass es keine Geschichtsbücher, sondern Zauberbücher waren, die dieser so oft studiert hatte. Wie auch immer, sein Schreiber hatte diesen Gerion mit Magie besiegt, und nur das zählte im Moment. Traviahold ließ seine Ochsenherde, die er nicht mehr halten konnte fallen und schritt mit dem abgebrochenen alten Schlotzer Familienschwert langsam auf den Baron von Schlotz zu: „VATER!“

Tsafried musterte seinen Bastard kurz. Wenn er je eine Chance hatte, dann jetzt, wo er geschwächt war. Selbst wenn er sterben würde, er würde ritterlich gefallen sein. Dies würde Traviahold und seine usurpatorischen am Ende zu Fall bringen. Zumindest war dies seine Hoffnung. „Travia weiß, dass ich dies immer vermeiden wollte.“ Tsafried schritt langsam die Stufen vom Thron hinab. „Macht platz ihr treuen Streiter. Eure Treue soll nie vergessen werden!“ Als ob er nicht erkannt hatte, wie sie zu wanken begannen. Wenn er siegen würde, er wüsste sich dieser treulosen zu entledigen. Die so angesprochenen zögerten nicht lange und räumten ihre Position, auf dass sich Vater und Sohn zu Füßen des alten Throns messen konnten. Auch wenn Odilbert die Verräter nur zu gerne strafen wollte, auch er ließ von den beiden Kämpferinnen vor sich ab und machte sich daran, sich seinen Wachen anzuschließen. Allein Anselm war von all dem unberührt und drosch weiter auf seine Gegner ein. „Hier stehe ich also,“ erwartete der Baron Traviahold mit zur Abwehr erhobenen Schwert. „Zeig, was Du doch immer wolltest.“

Traviahold hatte unzählige Male in dieser Halle gestanden und die eher zweifelhaften Befehle seines angeblich achso friedvollen Vaters entgegen genommen. Ein Ruf, den er zu unrecht trug, wie jetzt alle wussten. Schritt für Schritt näherte er sich, eine Blutspur hinterlassend, dem Baron, der ihn schon erwartete. Er hatte die holen Worte seines Vaters vernommen. Selbst noch kurz vor seinem Ende versuchte er seine Getreuen zu blenden. Worte die schon Sieghelm von Firnsjön das Leben gekostet hatten. Traviahold drehte den Kopf und warf noch einen letzten Blick auf das riesige gespaltene Praios-Auge im Thronsaal – es war geblendet, wie alle Schlotzer Untertanen. Er packte die Reste der alten Klinge fester: „Was ich immer wollte? Ich habe mein Blut für Schlotz vergossen. Ich habe mich gegen alle Feinde dieser Baronie gestellt, nur um festzustellen, dass IHR der größte Feind von allen seid und immer wart! Ich, euer Bastard, schäme mich von Eurem hochadligen Blute abzustammen. Euer Blut, Hochgeboren, ist nicht edel. Das Volk hat stets zu euch hinauf geschaut, hier in eurer Trollfeste. Es hat sich auf euren Schutz verlassen und sich hilfesuchend an euch gewandt. Ihr aber habt es verraten und verblendet. DOCH DAS HAT NUN EIN ENDE! Ihr Vater, werdet genauso sterben wie die Kriegsfürsten dieser Baronie vor Euch!“ Der Schattenholzer spuckte Blut, schrie seinen Schmerz hinaus und stürmte auf seinen Vater zu. Funkenstiebend und parierte Tsafried die wuchtigen Hiebe seines Sohnes. Der ausgeruhte Baron sah sich gegen seinen schwer verletzten Bastard im Vorteil und kämpfte mit weit aufgerissenen Augen und siegesgewiss. Traviahold hatte alle Mühe die Schläge Tsafrieds mit seiner kürzeren Klinge abzuwehren, von der kaum mehr noch als die Länge eines Kurzschwertes übrig war. Doch auch wenn Traviaholds Körper schwach war, so waren die Hiebe des Barons doch vorhersehbar und von schwacher Hand geführt. Zu lange hatte sich dieser auf seine Ritter und Burggardisten verlassen und den Schwertkampf vernachlässigt. Schließlich durchdrang eine Finte des Bastards die Abwehr des Barons und das Alte Schlotzer Schwert vergoss Hochadliges Blut, das den Hallenboden besudelte. Ungläubig starrte Tsafried seine Wunde haltend auf seinen Sohn, der ihn mit einem zweiten Schwertstreich enthauptete!

Der wütende Ritter von Grüningen war vor wenigen Momenten überwältigt worden, sodass alle Anwesenden den Kampf von Vater und Sohn gebannt mitverfolgen können. Erschrocken zogen einige in der Halle die Luft ein, denn der Kopf des Barons schlug dumpf auf dem steinernen Boden vor dem eisernen Thron auf, während dessen Krone durch das Blut im Halbkreis über den Boden rollte und direkt wie ein Zeichen vor Traviaholds Füßen liegen blieb. Wie es Tsafried gesagt hatte war Traviahold die Klinge und die hatte nun ihre Arbeit erfüllt – der Feind war geschlagen. Doch jetzt musste die Feder in die Hand genommen und die Klinge in die Scheide gesteckt werden, wenn Schlotz nicht weiter im Chaos versinken wolle.

Storko drängte sich etwas nach vorne sodass er neben dem schwer atmenden und blutverschmierten Ritter zu Schattenholz inmitten aller Anwesenden stand. Auch er war verletzt, das Blut der Wunde am linken Oberarm zog sich über Plattenteile und Gewand. Tief holte er Luft und blickte in Richtung der verbliebenen Burggardisten sowie des einzigen Ritters Odilbert von Erlenbruch. Dann nahm er den Arm Traviaholds der die alte gebrochene Schlotzer Klinge hielt und reckte sie zusammen mit dem Schattenholzer siegesdeutend in die Höhe. „DER TYRANN IST GEFALLEN, DIE KRIEGSHERREN BESIEGT – HOCH LEBE SCHLOTZ!“ stimmte er mit schallenden Worten an.

 

Status Quo

Burg Schlotz - 14.  Efferd 1033 BF

Es hatte Wochen gedauert, ehe es zu der heutigen Zusammenkunft kommen konnte. Zunächst hatte es nach dem Tod des Barons so ausgesehen, dass Schlotz vollends im Kampf versinken würde. Bernhelm von Ehrenforst, den Tsafried zuvor noch zum Edlen von Yggraling ernannt hatte, hatte getreu seiner Anweisungen gehandelt. Wie auch Ismena von Quellenfels in Rulendorf war von ihm die Landwehr ausgehoben worden. Als beide die Nachrichten vom Ende seiner Hochgeboren erfahren hatte, hatten sie verkündet, dass sie den Süden für das Baronshaus halten würden und keiner der Verräter es wagen sollte, sich dort blicken zu lassen. Gerüchte hatten die Runde gemacht, dass sie Boten nach Rosenbusch geschickt hätten und auf ein Heer des dortigen Baron warten würden. Doch auch unweit von Schnayttach rüstete man sich für den Kampf gegen die vermeintlichen Usurpatoren. Die beiden Söhne des alten Firnsjöner hatten die Wehr versammelt und nach den Ereignissen auf Burg Schlotz zurück nach Firnsjön geführt. Silvana von Firnsjön hatte sich hingegen in Schwaz mit ihrem Gefolge verschanzt und schien kurz davor gegen Gernatsborn zu ziehen.

Viele hatten Anteil daran, dass es schlussendlich nicht in einem gewaltigen Blutvergießen enden sollte. Schon nach dem Sieg im Thronsaal zeigte sich schnell, dass ein weiterer Kampf das letzte war, was die meisten wollten. Nicht zuletzt Odilbert von Erlenbruch, Hauptmann der Wache, erwies sich hierbei als große Stütze. Er war es, der mit dem Ehrenforster und der Quellenfelserin eine Waffenruhe aushandelte und die Schnayttacher zur Ruhe rief. Er konnte auch die Firnsjöner, die er aus seiner Knappenschaft nur zu gut kannte, davon überzeugen, dass ihr Vater ehrenvoll fiel.

Entscheidend war jedoch das Verhalten der Baronsfamilie gewesen. Während in Schlotz noch über einen fragilen Frieden verhandelt wurde, hatte sich eine Delegation der Schlotzer nach Galbenburg begeben. Es waren die junge Siebensteinerin und der Sturmfelser, die gemeinsam die Idee hatten, den Umweg über Hallingen zu wählen. Der Baronet hatte sie alle als aufrechte Streiter kennen gelernt. Unter seinem Schutz würden sie in Galbenburg vorgelassen und gehört werden. Storko und Traviahold waren durch die öffentliche Beschuldigung des Barons allerdings zu umstritten, um den Gang zu wagen. So waren es der Junker von Sokramshain und die Ritterin von Siebeneichen, die sich am Ende auf den Weg machten.

Doch es gab nicht allein Sorgen und Nöte in diesen Tagen. Noch im Thronsaal hatte Traviahold seine bisherige Knappin in den Ritterstand erhoben. Einige mochte es geahnt haben, doch die meisten waren überrascht, als sie den Namen der Knappin das erste Mal vernahmen. Niemand anderes als Ariane von Wutzenwald, Schwester des Barons von Wutzenwald, wurde zur Ritterin geschlagen.

Nun, nach unzähligen Verhandlungen in kleinen und großen Gruppen, nach Rückschlägen und Warten, waren sie alle in dem alten Thronsaal um eine gewaltige Tafel auf Burg Schlotz versammelt. Die Frage der Bedeckung war bis zuletzt umstritten geblieben. Schließlich hatte man sich jedoch auf ein gemischtes Aufgebot aus Hallingen und Galbenburg unter Gilborn von Bregelsaum einigen können. Doch im Saal selbst waren allein die Schlotzer Adligen versammelt. Keine Bediensteten warteten ihnen auf, denn was zu besprechen war, sollte nicht von zu vielen Ohren gehört werden. Mit Hilberta von Rommilys verlies die Traviageweihte der Hallinger als letzte den Saal, nachdem sie zuvor den Segen der gütigen Herrin für das kommende erbeten hatte.

Vieles war zuvor besprochen worden, doch in dieser Runde kam man zum ersten Mal zusammen. Manch einer konnte seine Verachtung für den anderen nur schwer verbergen. Allen voran Silvana von Firnsjönbegegnete den Junkern von Gernatsborn und Schattenholz mit Ablehnung. Der Ehrenforster konnte dies zumindest geschickter überspielen. Auf der anderen Seite fanden sich mit der Siebensteinerin und dem Sokramshainer zwei, die für den Frieden in Schlotz eigene Befindlichkeiten hinten anstehen lassen konnten.

Schlussendlich kam man jedoch überein, wie es mit Schlotz weitergehen sollte. Die Witwe des Barons, Adginna von Binsböckel, würde Schlotz verwalten, bis ihre Tochter den Ritterschlag erhalten hatte und selbst über das Land regieren konnte. Odilbert von Erlenbruch würde ihr dabei als Burghauptmann treu zur Seite stehen. Der Baron selbst sei offenbar Opfer eines finstren Beherrschers geworden, der durch den tapferen Einsatz des Schlotzer Schutzbundes sein Ende gefunden hatte. Leider schien sein Bann so stark, dass er auch seinen Tod überdauerte. Bernhelm von Ehrenforst wurde als Edler von Yggraling bestätigt, und auch die Übertragung von Kahirswalden an den Junker von Sokramshain. Der Junker von Gernatsborn sollte das Recht erhalten, sein Gut zu einer Burg auszubauen. Auch sollte er für 5 Jahre das Recht erhalten im barönlichen Forst Holz zu schlagen. Silvana von Firnsjön sollte fürderhin als Ritterin von Firunsfelde den Ort für das Baronshaus verwalten und ein nahes Gut erhalten. Traviahold sollte schließlich den Namen von Schnayttach tragen dürfen und als Bastard des letzten Barons anerkannt werden. Wutzenbach, welches er so treu beschützt hat, soll er für das Baronshaus ebenfalls verwalten, wofür ihm ein Zehnt der Einnahmen aus dem Ort zustehen soll. Die Beratungen offenbarten, dass es auch weitere Absprachen zwischen dem Bastard und dem Baronshaus geben musste, doch schwiegen beide Seiten über deren genauen Inhalt. Doch nicht allein Schlotzer wurden geehrt und belohnt. Mit Anshag von Sturmfels wurde auch der Junker aus dem nahen Hallingen für seine selbstlose Hilfe geehrt. Ihm wurde der Titel eines Edlen von Schlotz verliehen, auf das fürderhin jeder sah, dass Schlotz ihm dankbar war. Seine Stimme sollte von diesem Tag an in Schlotz gehört werden, als sei er ein Adliger der Baronie. Hinzu kam das verbriefte Recht seine Herde auch auf ausgewählten Weiden in Schlotz Weiden zu lassen.