An der Grenze zur Fehde

Feenburg, Efferd-Mond 1043 BF

Sich selbst betrachtete der junge Vogt der Mark Rommilys als Diener des Mittelreiches. Sein Wunsch war es dieses großartige Reich in Frieden erblühen zu sehen. Er wusste, dass dieser Wunsch beinahe an Utopie grenzte und dennoch war eben dies sein Ziel. Er diente dem Reiche Rauls um es zu stärken, ganz ohne dabei zu sehr auf die Rivalitäten der Fürstentümer achten zu wollen. Die Entwicklungen im benachbarten Gartien, die sich anbahnende Fehde der Grafschaften Reichsforst und Hartsteen, hatten ihn dabei von Anfang an besorgt. Eine Sorge, die wie sich herausgestellt hatte, berechtigt gewesen war. Die Lage hatte sich weiter verschärft, die Fronten sich verhärtet und die Kaiserin gebot diesem unrühmlichen Treiben kein Einhalt. Macht ihrer Autorität, ihres Amtes hätte sie all das im Keim ersticken können, stattdessen wollte Kaiserin Rohaja dass die Dienerschaft den Willen der Sturmherrin verkündete.

Auf dem Kloster Leuenfried war der Adel zusammengetreten um eben diesen Schiedsspruch zu hören. Um zu hören, welche Zukunft dem Herz des Reiches bevorstand. Und die Kunde verhieß nichts Gutes! Die Leuin wollte vom Blut der Ritterschaft kosten, wollte dass ihr karfunkelherziger Sohn durch blutige Schlachtfelder wartete. Sie wollte Krieg, Krieg bis ihr Durst nach Blut gestillt war. Direkt im Herzen des Reiches würde es schon wieder zu Raubzügen, Plünderungen und Blutvergießen geben. Doch wäre es diesmal nicht der Ork und es wären auch nicht die Heerscharen der Schattenlande, nein es wären Mittelreicher die im Namen der Leuin das Blut anderer Mittelreicher vergießen würden. Doch würden die Streithähne auf ihrer Suche nach Ruhm, Beute oder Vergeltung sich daran erinnern dass die Markgrafschaft nicht in diesen Streit involviert war?

Im Schutz der Feenburg müsste er sich eigentlich keine Sorgen machen und doch tat er es. Er machte sich Sorgen um die Auswirkungen auf das Reich, war dieses in den vergangen Götterläufen nicht zur Genüge gebeutelt und ausgeblutet worden? Unzufrieden mit dieser Entwicklung, hatte er eine Zeit lang in den fröhlich prasselnden Kamin geblickt, wandte sich nun aber ab und trat an das Fenster. Von seinem Arbeitszimmer aus hatte er einen guten Blick über den Hof der Feste, über die Burgkapella und die natürlichen Grünanlagen bis hin zum Praiostor. Die Bäume hatten sich in Rot und Gelb gewandet und würden schon bald ihre prächtigen Gewänder abstreifen, bis dahin aber wogen ihre Blätter sanft im Wind – gleich einem Strom aus Blut das sich schon bald über das Land ergießen würde. Zum jetzigen Zeitpunkt war ungewiss, wie sich die Fehde entwickeln würde. Noch war unklar ob der Rommilyser Mark Gefahr drohte. Noch war so vieles unklar! Gewiss hingegen war, dass die Gier nach Gold und Blut die Gemüter erhitzen würde. Schnell würde die Fehde in den Hintergrund rücken, stattdessen würden Kämpen aufsatteln, vorgeben für die hehre Sache zu streiten und doch nur von Reichtum und Macht geleitet werden.

Noch nicht lang in seinem neuen Amt, war dem neuen Vogt bereits jetzt klar dass ihm die erste Bewährungsprobe bevorstand. Ihm war die Sicherheit vieler Menschen anvertraut worden. Sich dem Kartentisch zuwendend, studierte er die Karte der Region und vor allem ihre Grenzen. Mit dem Ochsenwasser, dem Darpat und der Natter war die Mark Rommilys von drei Seiten vor Fußtruppen und Reiterei geschützt, offen war es nur gen Zwerch und an einem schmalen Stück rund um die Reichsstraße gen Gareth. Sumpfiger Untergrund sollte das benachbarte Zwerch vor den Kämpfern des Königreiches schützen, womit aus der Baronie vermutlich kein Ungemach drohte. Letztlich würde er in drei Vasallenlehen den Schutz für die gesamte Baronie herstellen müssen. Im Praios wachte dabei die Feste Hohenstein, der Rückzugsort der Markgräfin. Ihn anzugreifen wird vermutlich niemand wagen, zu groß, zu gut befestigt und zu gut bemannt war das mächtige Bollwerk. Im Firun hingegen lag das Kloster Sankt Mascha, an Sanktum der gütigen Herrin Travia in dem einst Flüchtlinge aus dem rahjawärtigen Darpatien angesiedelt hatten. Dort zu anzugreifen oder zu plündern wäre ein Frevel, während man sich dort auch nicht Verteidigen wusste womit der Schutz des Klosters ihm zufiel.  Blieb nur noch das Gut Randolphshöh, zwischen den beiden anderen Ländereien gelegen, zog es sich entlang der Reichsstraße bis an die Provinzgrenze heran.

Später würde er noch einmal mit seinen Vertrauten darüber reden, doch bereits jetzt formte sich in seinem Geist eine Idee. Wenig anderes blieb ihm übrig, sodass er der Grenze einen Posten einrichten lassen würde. Von diesem Posten aus würden seine Wachen pattrollieren und wenn nötig intervenieren. Allerdings hatte er, wenn auch noch jung an Götterläufen, bereits einige Erfahrungen gemacht. Zu diesen Erfahrungen zählte, dass er im Heerbann wider den Reichsverräter Helme Haffax in die Schwarzen Lande gezogen war. Die Schrecken im Rahja waren zahllos gewesen, ihr Sieg hatte viele Opfer gefordert und viel Blut war geflossen. Eines aber hatte sich trotz aller widernatürlichen Schrecken nicht geändert, ein Schwert, egal ob eingeschworen oder gemietet, musste versorgt werden. Ein Heerführer mussten seine Leute Proviant und Ausrüstung versorgen, Waffen und Rüstungen mussten gepflegt und repariert werden und so waren es am Ende immer die Handwerker und Händler die den Tross begleiteten die wirklich etwas zu Gewinnen hatten. Wie sehr dem so war, wusste er nur zu genau. Die Mutter seiner Gattin hatte damals neben den aufzubringenden Waffentreuen einen besonders großen Tross auf den Feldzug mitgenommen und gutes Gold damit verdient die schlechter vorbereiteten Truppen mit zu versorgen. In Randolpfshöh, so sein Plan, würden nicht nur seine Wächter Posten beziehen, sondern auch die verfehdeten Truppen des Königreiches gegen klingende Münze ausrüsten.

Womöglich Pragmatismus in einer besonders ausgeprägten Form, aber in dieser Situation hieß es aus der Not eine Tugend zu machen. Der Schutz der Grenzen musste bezahlt werden und die Garetier würden dieser Pflicht nachkommen. Alles war er darüber hinaus einnehmen würde, würde dem Wiederaufbau der Mark Rommilys zu Gute kommen. Bereits jetzt traf er Handelsvereinbarungen mit dem Wehrheimer Land, bei denen die Wehrheimer von ihm besonders gute Konditionen zugesprochen bekamen. Es war ein Teil seines Beitrages den verheerten Landstrich wieder aufzurichten und so schnell wie möglich wieder erblühen zu lassen!