5. Kapitel
5. Kapitel
Im Phexfinger
Alrik schob mit Verschwörermine die Schatulle über den Tisch und lehnte sich zurück: im Schlafgemach des "Flussschiffer", wo sich sein Hofmagus in der Zwischenzeit etwas erholt hatte. Hesindian wirkte völlig zerzaust - keine Spur mehr von dem geschniegelten Edelmann, den er noch bei seinem Besuch im Informations-Institut markiert hatte. Der Magier zog mit spitzen Fingern eine Phiole hervor, zückte seine Augengläser und musterte den grünlichen, schleimigen Inhalt.
"Mehr nicht?"
"Nun - um ehrlich zu sein, es war schon schwierig genug, einen einzigen Morfunello einzufangen." Wie zur Bestätigung rieb sich Alrik einen Pechspritzer aus dem Gesicht. Hoffentlich würde er sich nicht erneut anstecken. Der Weg zum Flussschiffer war merkwürdig genug gewesen. Hätten die Stadtwachen, das Trüppchen Badilakaner oder die grimmig blickende Bannstrahlerin auch nur im entferntesten geahnt, was er da in seiner Umhängetasche durchs schöne Rommilys spazieren getragen hatte, im dichtesten Menschengedränge: vermutlich würde er jetzt in einer echten Zelle sitzen.
Der Magus stellte die Phiole in einen Kerzenhalter, und wandte sich dem Zettel zu. Hesindian erschauerte, als er das Papier auseinander rollte, und ein verschlungenes Zeichen zum Vorschein kam.
"Zhayad" murmelte er
"Die Zauberschrift der Magier?"
"Davon gibt es einige. Manche würden sagen, Zhayad ist die Sprache der Dämonen". Ein trockenes Husten.
"B...L...Z."
Mit zittrigen Finger zeichnete Hesindian eine Hesindeschlange in die Luft. Eine einzelne Wanze rannte über den Tisch, stürzte von der Kante auf den Boden, landete auf dem Rücken, zappelte aufgeregt, drehte sich und war einen Herzschlag später in einer Ritze verschwunden. Hatte Alrik sich getäuscht - oder war das Krabbeltierchen geradewegs auf dem Zettel mit dem unheiligen Namen aufgetaucht?
"Der Name der Anti-Peraine, als Zhayad-Sigille. Den ich im Hier und Jetzt besser nicht nennen werde. Einer ihrer machtvollen Namen zumindest. Mögen die guten Götter uns beistehen."
Hesindian rollte den Zettel wieder zusammen. "Ich werde ihn verbrennen. Nachher. Dieser Meister Krummbacher hat das Dämonensiegel also auf die Fässer gemalt. Gar nicht so einfach, für einen Mogel."
"Mogel?"
"So haben wir Studiosi in Punin die Nichtzauberer genannt. Man kann sich auf der dritten Sphäre durchs Leben mogeln. Oder stolz und aufrecht zaubern..." Der Magus lächelte. "Man kann natürlich auch mit Magie schummeln. Gemalt hat der Bierbrauer die Zeichen mit dieser Kreide hier?"
Der Mondschatten nickte.
"Sieht nach Zauberkreide aus. Obwohl die meistens blutrot ist, nicht schimmelgrün. Womöglich eine Verhöhnung der heiligen Farbe der Göttin Peraine… Auf jeden Fall nicht billig. Ein Gemisch aus Kreide, Hahnenkamm, Alraune und Ochsenblut." Hesindian schnupperte vorsichtig daran. "Müffelt ein wenig nach Tlalucs Brodem, finde ich."
Der Zauberer wandte sich wieder der Phiole zu. Er tippte das Glas an: "ANALYS ARCANSTRUCTUR - ENTBLÖSSE DIE MAGIENATUR". Hesindian schien die Flüssigkeit ausgiebig zu betrachten, wenn auch mehr mit seinem geistigen Auge. Alrik wollte schon mit der Hand vor seinen Augen wedeln oder mit den Finger schnippen, da erwachte Hesindian auch schon wieder aus seiner Erstarrung.
"Das Gift ist eindeutig dämonischen Ursprungs", sagte er leise. "Bewirkt Magica Mutanda und Transformatorica, mit einer phantasmagorischen Komponente. Hektabeloid, aber selbst für einen Daemon Minor in einer zu infirmen Manifestation. Possibiliter stammt die Materia aus einer Invocatio Minima."
"Vielen Dank für den Fachvortrag, hochgelehrter Herr Magier. Aber könntet Ihr es vielleicht auch für einen Nicht-Bosparanier erklären?"
"Wie? Ach so. Nun, ich vermute, dass das Zeug aus einer minderen Beschwörung stammt. Bei der kein Dämon, sondern lediglich... Substanz aus der siebten Sphäre in unsere Welt geschleudert wird. Wobei `lediglich´ in diesem Fall relativ ist, wie Meister Nullstein sagen würde."
"Verstehe ich immer noch nicht."
"Nun, die Objektivitätstheorie von Emmeran Nullstein in drei Sätzen zu erklären, noch dazu einem Laien..."
"Das meine ich nicht. Was denn für Substanz? Substanz aus den Niederhöllen?"
"Gewiss. Säure, Schwefel, Staub, Dämpfe, Feuer - oder eben Schleim. Die Invocatio Minima ist eine, nun ja, Spielart des Manifesto, der rein derische Elemente herbeiruft. Eigentlich mehr eine Fingerübung für angehende Dämonologen als wirklich eine Beschwörung. Zumal das Ergebnis reichlich chaotisch sein soll. In dem Fall bewirkt Tlalucs Brodem, wie du das Gift nennst, eine eher harmlose Hautkrankheit. Die aber die perfekte Illusion der Zorganpocken erweckt. Was dann schon nicht mehr ganz so harmlos ist. Und es lässt unbelebte Materie verrotten."
Alrik nickte, und griff verstohlen nach dem Fuchsamulett unter seinem Kragen. Er hatte wahrlich schon oft genug mit solchen Dingen zu tun gehabt. Daran gewöhnen würde er sich nie, beim Unfassbaren Schleicher.
"Nicht, dass ich mich wirklich mit so was auskenne." Der Mondschatten deutete auf die Phiole. "Aber einen Moment lang hatte ich das Gefühl, dass der Morfunello und das Fasspech sich irgendwie, wie soll ich sagen - dass sie sich ziemlich ähnlich sind. Trotz der unterschiedlichen Farbe. Könnte es sein, dass schon das Pech aus...aus einer anderen Welt stammt...?"
Hesindian schüttelte das Grünzeug vorsichtig durch, das für einen Moment in der Phiole zu brodeln schien. "Schade, dass mein Labor zuhause in Friedwang steht. Wenn es Ucurian Lansborn nicht schon längst kurz und klein geschlagen hat. Wie? Nun ja, ausschließen möchte ich es nicht. Du hast nicht zufällig auch noch etwas vom Pech dabei?"
"Leider nein... das heißt, eigentlich doch" Alrik hob seinen rechten Ärmel, der tatsächlich pechverschmiert war. "Das Ding war wirklich schwer zu fangen. Nicht allzu schnell, aber nahezu unsichtbar. Und ziemlich schlüpfrig. Wenn dir das ausreicht?"
Hesindian rieb etwas mit dem Finger ab und schnupperte daran: "Riecht eigentlich wie Pech... gewöhnliches, derisches Baumpech. Föhre oder Kiefer, würde ich sagen."
"Bist Du unter die Botaniker gegangen?"
"Nun, als Bewohner deines Schlosses bin ich öfters in den Bergen unterwegs. Pechbrenner gibt es auch bei uns einige." Hesindian stützte sein Kinn auf die Linke. Alrik kannte diese Geste: Dann war sein Magierfreund entweder "ausgebrannt" oder wollte Madas Kraft sparen. Zumindest würde er jetzt so schnell keinen Zauber mehr wirken.
"Die Pecherer ja". Alrik nickte. "Werden da nicht Bäume angeschnitten, die Beulen haben? Wucherungen, die mit Harz gefüllt sind? Womöglich lösen die Morfunellos ja zuerst Baumkrankheiten aus - von denen aus sie dann auf die Menschen überspringen?"
"Gewagte Theorie, College, überaus gewagte Theorie": Hesindian verstaute die Phiole sorgfältig wieder in der Schatulle, mit verschmitztem Lächeln. "Eine Kiefer oder Föhre als Pestbringer? Dann schon eher Ratten, Füchse oder Fledermäuse..."
"Lass Phexens heilige Tiere aus dem Spiel." Auch Alrik schmunzelte. "Hab mich mal mit einer alten Siederin unterhalten. Hat sogar was von Baumpocken erzählt."
"Ich weiß nicht". Hesindian schüttelte den Kopf. "Was mich schon wundert, ist, dass die Substanz längere Zeit auf Dere verweilen kann. Normalerweise müsste niederhöllischer Schleim überaus flüchtig sein. Aber wenn sich Tlalucs Brodem mit Bier vermischt, dann sicher auch mit Pech. In einem Pechfass ist er vor Praioslicht geschützt und verbirgt auch seinen Gestank. Das macht Sinn."
"Und das Dämonenzeichen?"
"Das irritiert mich am meisten. Als Namens-Sigill ist es eigentlich zu unspezifisch, für einen Zauber. Ich vermute mal, dass es eine Art Aktivierungsrune ist, die Tlalucs Brodem aus dem Pech herauslöst und wieder manifestiert. Aber für eine Conclusio ist es da noch zu früh. Man müsste vielleicht mal in Erfahrung bringen, woher die Pechfässer stammen."
Alrik nickte: "Das ist der nächste Punkt." In kurzen Worten berichtete er vom Plan des Hopfenkrämers.
"Aber... ich muss zurück nach Neurommilys. Die letzte Fähre geht bei Einbruch der Dämmerung. Wenn ich nicht im Flusschiffer bin, und die Informationsmagier wollen mich auf die Akademie zitieren, zum Abschlussgespräch."
Der Baron von Friedwang schüttelte den Kopf. Sein Hofmagier hatte wahrlich schon einige Abenteuer bestanden. Aber gegenüber diesen Zauberschnüfflern benahm er sich unterwürfig wie ein Scholar im ersten Lehrjahr. Ein wenig konnte er ihn sogar verstehen: Die Hüter von Ordnung und Gesetz (oder diejenigen, die sich dafür hielten), waren schon ohne arkane Künste lästig. Wenn sie einem auch noch in den Gedanken herumschnüffelten, wurde es endgültig unangenehm.
"Mir wäre es Recht, wenn Du heute Nacht in der Nähe der Schatulle sein könntest, von Rabertos Verhaftung ganz abgesehen. Du solltest schon in der Kneipe dabei sein. Ein einzelner Magier beeindruckt so ein Rudel mehr als drei Schwertkämpfer zusammen. Kenne dieses Gesocks zur Genüge." Alrik begann sich seine Pfeife zu stopfen, diesmal ohne Giftpfeil. Natürlich kannte er das Lumpenpack zur Genüge. Hatte lange genug selbst dazu gehört, unten am Mysob. Aber in Brabak besaßen selbst Rattenmenschen und Phexjünger noch eine gewisse südländische Eleganz und Würde. Im Katzloch nicht.
"Ich lass Dir ein Bett in die Kammer stellen, und schicke einen Dienstboten in den Fährmann, der deine Sachen abholt. Vor allem wird er dem Wirt sagen, dass Du nun unter dem Schutz des Barons von Friedwang stehst. Wer meinen Hofmagier angreift, greift mich an." Der Mondschatten klopfte sich ein wenig großspurig an die Brust.
"In der Zwischenzeit werde ich mir diesen Korwid Alfengrund vorknöpfen. Hast Du nicht gesagt, dass ihn diese Schwarzhexe ebenfalls erwähnt hat...? Den schau ich mir mal genauer an. Ach ja, wir müssen noch die Waffen der Abenteurer in den Finger bringen. Eigentlich ist Fremden das Waffentragen in der Stadt ja verboten. Die berühmten zwei Spann. Tuvoks Bogen haben die Wachen zum Glück als Jagdbogen durchgehen lassen. Phex ist uns auch sonst hold. Die Drei sind mit dem Flussschiff gekommen, da hat ihnen niemand ihre Klingen am Tor abnehmen können. Im Katzloch ist es wohl egal - aber irgendwie müssen wir den guten Stahl dorthin bringen."
"Also gut." Hesindian nickte. "Ich habe einen großen Rucksack. Da kann ich ein bisschen was verstauen. Einem Magier werden die Gardisten wohl nicht so schnell die Sachen durchwühlen."
"Klingt nach einem Plan. Im Zweifelsfall muss eben Jodokus ein gutes Wort für meine Leibwachen einlegen."
Dumpf knallte ein Stein gegen den Schild mit dem Rosenwappen, gefolgt von einer Tonflasche, die klirrend vor Marvins Füßen zersprang. Obwohl der Stadtgardist gut gepanzert war, sprang er zurück und hob drohend seine Klinge. Langsam wurde die Lage bedrohlich, unweit der Streunerkaschemme. Travis, sein Kamerad, schüttete einem aufdringlichen Katzlocher einen Eimer Leim ins Gesicht, als der ihm mit einem Messer zu nahe rückte. Die drei gräflichen Gardisten, mit ihren schmucken Federhelmen, blickten erschrocken und wichen mit gefällten Hellebarden zurück. Ein Mob von fast zwei Dutzend Gestalten hatte sich zusammengefunden, und versuchte die Streife zu umringen.
"Verdammte Darpatbullen-Schweine!" brüllte ein junger Randalierer und ballte in seiner Faust einen Dreckbatzen zusammen. Der Wurf galt einer jungen Soldatin der Markgräflichen, deren Waffenrock nun von Schlamm verunziert wurde. Auch der Gräfliche Ausrufer, den das Trio schützte, blickte blass und verstört aus seinem vornehmen, aber schon reichlich besudelten Gewand.
"Rupft die Rosen!" kreischte eine Katzlocherin und zeigte dabei faulige Zähne. Die Frau riss den Steckbrief von der Linde und zerriss ihn, als wäre sie damit persönlich geschmäht worden. "Wir sind Reichsbürger wie ihr! Wir haben auch Rechte!"
"Raberto ist ein Held!" schimpfte ein Dritter. "Er stiehlt den Reichen und gibt uns Armen! Und was macht Ihr? Lasst ihn in Ruhe!"
Aufgeregte Rufe schwirrten durch das abendliche Elendsviertel.
Die erste Brandfackel schwirrte heran, landete aber zum Glück in einer dreckigen Pfütze, wo sie zischende verlosch. Ein Gassenjunge nahm mit seiner Zwille Travis unter Beschuss, der sich gerade noch wegduckte.
Marvin schluckte und stieß einen pickligen Burschen, der gegen den Schild rempelte, zurück, gefolgt von einem Hieb mit der flachen Seite des Schwertes. Schade, dass sie keine Armbrüste mitgenommen hatten. "Kein Plan überlebt Feindkontakt", dachte das Mitglied der Stadtwache. Irgendjemand im Fürstenpalast war auf die Idee gekommen, dass der gestohlene Dukatenbeutel des Herrn Jodokus von Baernfarn einen Angriff auf die Autorität der Markgräfin darstellte - und hatte die drei "Gräflichen" zur Verstärkung geschickt. Die feinen, hochmütig blickenden Palastwachen hatten die Katzlocher aber erst recht provoziert. Dass ein reicher Edelmann fünf Goldstücke auslobte, nur um seine Geldbörse (mit Familienwappen) zurück zu bekommen, erschien dem Mob wohl als Gipfel aristokratischer Dekadenz. Immerhin, in den Nachbarstraßen hatten die Plakatierungsaktion eigentlich ganz gut geklappt.
Als hätten die Götter ein Einsehen, zog Abendnebel auf, vom Darpat her. Das schien die Gemüter etwas abzukühlen.
Raberto schlürfte grinsend einen Schnaps. Der aus seiner eigenen Schwarzbrennerei stammte, wie er zufrieden feststellte. Auch wenn das Mistzeug ganz schön in der Kehle brannte. Egal. Er kippte den Rest auf den dreckigen, von Messerstichen und Wurmfraß zerlöcherten Tisch und hauchte Krummbacher geradewegs ins Gesicht. Es tat gut, einen wohlgemästeten Bürgerlichen derart klein zu sehen, in seiner vornehmen, pelzbesetzten Schaube. Der Andergaster blickte sich in der schummrigen Kneipe um, wo der Geruch nach Schweiß, Warunker Knaster und eben billigem Schnaps in der Luft lag. Es wurde gebechert, gewürfelt, Boltan gezockt, getuschelt und manch dunkles Geschäft besprochen. Dinge, die sicherlich kaum praiosgefälliger waren als die Angelegenheit, die er gerade zu besprechen hatte. Dort drüben standen die Jungs der Mauerbande und warfen Messer auf eine Wurfscheibe. Ein Betrunkener tatschte gegen das Mieder der drallen Schankmaid: Ah, der glatzköpfige Ogerbarne war da. Ludolf der Lude ebenfalls, das Samtkätzlein, die Grüne Cordula, Schlagring-Bodo, der Kümmerling, Alrik Ohnekappe und Wahnfried der Stecher, aber auch einige Gestalten, die er nicht kannte.
Dort drüben saß ein Zwerg und palaverte mit irgendeinem schlitzäugigen Waldläufer sowie einem abgehalfterten Magierzausel. Der weißhaarige Kerl blickte nervös um sich, als wäre er geradewegs aus dem Haus der Noioniten entsprungen. Die Bardin am Tisch sah auch ziemlich schräg aus: die eine Seite ihres Kopfes hatte sie kahlrasiert, auf der anderen Seite trug sie das blonde Haar lang. Hübsches Ding, aber ziemlich hässliche Frisur. Die Frau spielte auf einer Laute und sang irgendwelche wehmütigen Lieder aus der Sichel. Normalerweise hätte Raberto der Singsang und das Gezupfe genervt. Aber im Moment war er froh, wenn die Geräuschkulisse sein Gespräch mit Meister Krummbacher übertönte. Ziemlich gut gefüllter Rucksack, der da unter dem Tisch der Fremden stand. Früher hätte er versucht, ihn zu klauen und mal reinzuschauen. Aber das hatte Raberto, der König des Katzloch, nicht mehr nötig.
Der eine oder andere finstere Blick traf den unglücklichen Braumeister, der in jedem Fall fehl am Platz wirkte, in seinem vornehmen Gewand. Sicherlich wäre der feiste Schwächling schon längst zusammengeschlagen und ausgeraubt worden. Wenn die Schnapphähne nicht Raberto erkannt hätten, Krummbachers, nun ja, Beschützer.
"Deiner Gemahlin geht es gut, keine Sorge", sagte der Rabe, kratzte sich mit seinem Stilett etwas Dreck aus den Fingernägeln und schnippte ihn gegen das Wams des Fettwanst. "Ebenso den Kindern. Den Umständen entsprechend, natürlich."
"Bitte, lass sie gehen. Ich habe doch alles getan, was du von mir verlangt hast."
"Hast du das?" Ein verächtliches Grinsen. "Das Zeichen, dass ich dir mitgegeben habe. Mals nochmal auf."
"Hier, im Finger?"
"Nein, oben im Palast, Schwachkopf."
Zitternd tat Krummbacher, wie ihm geheißen wurde.
"Sehr schön" Raberto verwischte die Schlieren wieder, mit dem Barrett seines Gegenübers.
"Ja, ich glaube dir. Aber du verstehst, dass ich deine Olle und die süßen Kleinen nicht laufen lassen kann. Noch nicht. Der Hexer von Rommilys will erst Ergebnisse sehen. Womöglich musst du dein Gesöff ja noch etwas nachwürzen."
"Ich..."
"Ich warne dich!" Raberto deutete mit der Spitze des Stiletts geradewegs auf sein Opfer: "Ich meins gut mit dir. Aber mit dem Hexer solltest du dich besser nicht anlegen. Vielleicht kann ich für dich sogar noch einen Anteil heraus handeln. Und wenn sie dich schnappen, was ich nicht hoffe, dann kannst du immer noch herum wimmern und sagen: Hilfe, hilfe, der böse Raberto hat meine Familie verschleppt." Raberto verzog das stoppelbärtige Gesicht zu einer Grimasse, als er den Braumeister nachäffte und strich sich eine einzelne, schmalzige Locke aus den Haaren.
"Du hast es mir versprochen", sagte Krummbacher. Er wirkte erschöpft, mit den Nerven am Ende. "Gib mir doch wenigstens ein Lebenszeichen von den Dreien."
"Krümmelchen, Krümmelchen." Der Rabe schob ihm den Becher zu. "Sehe ich aus wie ein gemeiner Meuchelmörder? Hältst du mich für einen Schuft, der sein Wort nicht hält? Nun beruhige dich erst mal. Du hast deinen Schnaps noch gar nicht getrunken. Wie gesagt: Geht auf mich... in diesem Fall...."
Schwungvoll goss sich der Dieb selbst nach, steckte das Stilett weg und betrachtete selbstzufrieden den Dukatenbeutel, mit dem Bärenwappen. Allein dafür hatte sich der kleine Spaß an der Reitbahn gelohnt. In dieser Stadt fühlte er sich langsam wie der Hecht im Karpfenteich. Oder der Fuchs im Gänsestall.
"Trink" sagte er drohend. "Wenn dir etwas an unserer kleinen Abmachung liegt, dann sollten wir sie auch begießen."
Er stieß kräftig an, und grinste höhnisch, als Krummbacher einen großen Teil vom Schwarzgebrannten verschüttete.
Der Braumeister schlürfte den Rest, rümpfte die Nase und verzog angewidert das Gesicht.
"Krummbacher, Krummbacher, ich verstehe dich nicht... wo kommen plötzlich deine Skrupel her? Haben wir nicht immer gute Geschäfte gemacht, wir beiden? Also spiel hier nicht die Heilige Lechmin von Weiseprein." Gustlfinger drehte den Becher versonnen in der Hand. "Waren doch herrliche Zeiten. Die ganze Brauerzunft hat gekuscht, vor uns... alle haben Krummbachers Bier gesoffen. Der Schnaps im Bier hat die Leute wenigstens ihr Elend vergessen lassen. Das Riesenfass von Rommilys - ich frag dich, bist du dabei schlecht weggekommen? Die Schwachköpfe in der Brauerei denken noch immer, dass es verbrannt ist. Und du, sitzt da und zitterst wie ein Goblin... Nein. Das ist nicht mehr der alte Krummbacher, den ich kenne. "
"Du hast meine Frau, den kleinen Travian und Ilara verschleppt" sagte der Brauer tonlos. "Wenn ihnen etwas zustößt."
"Dann? Was hast du dann vor?" Raberto schüttelte den Kopf. "Eine kleine Vorsichtsmaßnahme, mehr nicht. Ich muss mich schließlich auch absichern. Das verstehst du doch? Ich möchte wetten - wenn es losgeht, wirst du verdammt froh sein, wenn sie nicht mehr in Rommilys sind. Du wirst mir verdammt nochmal dankbar sein, glaubs mir." Gustlfingers Gesichtsausdruck war reine Heuchelei.
"Ich bin Rommilyser, wie mein Vater und Großvater", murmelte Krummbacher. "Ich will nicht der Verderber dieser Stadt werden. Jemand, der die heilige Traviastadt ins Chaos stürzt. In den Abgrund."
"Chaos ist kein Abgrund. Chaos ist eine Leiter." Raberto trank angeheitert aus der Flasche.
Von draußen drang wie zur Bestätigung Lärm herein, Geschrei und Geschimpfe. Vor der Kneipe schien irgendeine wüste Rauferei im Gange zu sein.
"Hörscht du das?" Rabertos Stimme klang schon etwas betrunken. "Musik in meinen Ohren... Du muscht zugeben, dass die Zeiten früher besser waren. Bessers fürsch Geschäft. Sachn wir, du bringst einfach nur ein wenig Würze ins langweilige Leben der Rommilyser. Dasch is ja noch nichma gelochn..." Mit schwitzigem, geröteten Gesicht stierte Gustlfinger Richtung Eingangstür, wo nun Marike hereinkam, sein Liebchen. Er griente. Die Kleine hatte sich neu eingekleidet, hauteng und auch sonst rahjagefällig, wie er es mochte. Das Florett baumelte wieder an ihrer Seite. Waffenrecht, dieses Wort kannte Marike gar nicht. Zufrieden stellte Raberto fest, dass niemand sie anzufingern wagte, nicht mal der strohdumme Oger-Barne. Sie alle wussten, dass sie sein Mädchen war. Respektieren ihn. Nur so funktionierte es: Mit Respekt. Versonnen spielte Raberto mit dem Ring, der dem Schmuckstück ähnelte, das er neulich für die Maraske geklaut hatte.
Die Streunerin wirkte nichtsdestotrotz besorgt. Statt ein wenig mit den Jungs an der Wurfscheibe zu schäkern oder den Boltanspielern in die Karten zu blicken, wie es sonst ihre Art war, steuerte sie geradewegs Rabertos Stammplatz an. Setzte sich auf seinen Schoss, kaute aufreizend und blickte verächtlich zum armen Krummbacher. Rabertos Hände tasteten vergnügt über ihre Rundungen, bis hinab zu ihrer schwarz glänzenden Elburumer Lederhose. Dennoch, irgendetwas beunruhigte die Kleine, das konnte Raberto spüren.
"Und, hat der Fettsack pariert?" Die Maraske klang, als wäre der Braumeister gar nicht anwesend.
"Die Lieferung isch angekommen, ja." Raberto griff nun wieder nach Marikes Brüsten. Die biss ihm neckisch ins Ohr, mit einem wollüstigen Gurren. Die Verlegenheit des traviafrommen Einfaltspinsels da auf seinem Stuhl gefiel ihr. Erregte sie sogar irgendwie. Gerne hätte sie das Spiel noch fortgesetzt. Leider gab es schlechte Nachrichten. "Sie hängen gerade Steckbriefe von dir auf, nä", flüsterte sie ihrem Verlobten ins Ohr, während sie eine seiner Locken um ihren Finger wickelte. "In der ganzen Stadt."
Raberto lächelte, ebenso schmierig wie ungläubig. "Kein Büttel lecht die Hand annen Raben", sagte er laut. "Zumindest keiner, von dem isch weiß, wo scheine Familie wohnt." Nun gut, das war geprahlt. Aber ganz sicher wagte ihn niemand zu verpfeifen, von dem er wusste, wo er ihn früher oder später finden würde.
"Zehn Duckern", tuschelte Marike, gefolgt von einem Kuss. "Dieser verrückte Bärenhäuter scheint unbedingt seinen Dukatenbeutel wiederhaben zu wollen. Ein Erbstück. Hab mir ein Plakat vorlesen lassen." Die Streuerin klang ehrlich beunruhigt. "Draußen gibt´s schon Ärger deswegen." Sie schnupperte, wich zurück. "Bah, du hast schon wieder getrunken. Hör auf damit und verschwinde, bis sich der Ärger etwas gelegt hat. Zehn Goldstücke, dafür würde mancher hier drin seine Mutter verkaufen."
"Ärcher? Läuf doch alles wunnerbar... Die Rotrosen wern es nich wagen, den Finger zu stürmen. So verrückt sind die nich, mein Schatz. Noch ein paar Tage, und die machn sich in die Hosn, wenn alles drunner und drüber geht. Drunner und drüber, hmhm, verschtest du?"
Raberto schloss genießerisch die Augen und drückte seinem Liebchen ebenfalls einen feuchten Kuss auf die vollen, sinnlichen Lippen. Die wich erneut aus, etwas angewidert. Verstohlen zog sie einen der Steckbriefe aus ihrem Mieder und zeigte ihn ihrem Verlobten. Dieser begann lauthals zu lachen und schlug mit der Hand gegen das Papier.
"Dasch soll isch sein? Unnur zehn Goldschtücke Belohnung? Mehr nicht... dasch isch ja lächlich." Er hatte ein klein wenig zu laut nachgedacht, wie er nun merkte. Plötzlich verebbten die Gespräche im Finger. Mehr als nur ein Augenpaar drehte sich in seine Richtung. Irgendwie erinnerten Raberto die Blicke an Wolfsaugen, die nachts neben einem Schafstall leuchteten.
"Na kommt schon" Gustlfinger blickte herausfordernd in die Runde. "Von eusch hat doch niemand n Mumm, wegen zehn lausichn Rohajas seie Zähne zu rischkirn..."
"Oder ein Loch im Bauch!" zischte die Maraske und klopfte auf ihr Florett. "Und du, nä, glotz nicht so wie ne Traviagans wenns donnert!" Sie packte den unglücklichen Krummbacher, zerrte ihn vom Stuhl hoch. "Hast du uns das Ganze eingebrockt?" Sie schlug ihm in den Magen, und deutete einen Hieb ins Gesicht an. Mehr zur Abschreckung der Übrigen. Allerdings hatte Marike wirklich das Gefühl hatte, dass der Spießbürger irgendwas mit der Sache zu tun haben könnte. Wimmernd brach der Braumeister zusammen, und erntete noch einen Fußtritt.
Tatsächlich wanderten die gierigen Augen rasch weiter. Die meisten von diesem Gesindel hier hatten selber genug auf dem Kerbholz. Die würden nicht mal eben so zur Stadtwache rennen. Dennoch war es höchste Zeit, von hier zu verschwinden. Trauen durfte man diesem habgierigen Pack nie.
"Bei Angrosch Bart, er ist es wirklich!"
Marike runzelte die Stirn und suchte den Mann, der diese Worte ausgerufen hatte.
Sie musste nach unten blicken: Dort stand ein Zwerg mit Lederschürze, die Hand an einer Axt. Leise pfiff er durch seinen großen, kräftigen Zwergenzähne: "Zehn Dukaten, sagtet Ihr? Kann ich das Bild nochmal sehen?"
Die Maraske wollte schon blankziehen. Ulfert kam ihr zu vor, ein schmächtiger Herumtreiber aus Perricum, der unbedingt Anschluss an die "Andergaster" finden wollte: wie Rabertos Rattenschwanz aus Schutzgelderpressern, Leichenausbuddlern und Laufburschen genannt wurde. Die er gerne seine "Bande" nannte. Nicht, dass Marike besonders viel von dem "Kümmerling" hielt, aber nun kam er ihr zur Abwechslung mal gelegen. Klirrend zerschlug der Perricumer einen tönernen Bierkrug auf dem Kopf des Zwergs. Brummend und schnaufend stand Rovik da, wie ein begossener Pudel. Den Hieb schien er mit seinem klobigen Schädel gar nicht bemerkt zu haben.
"Jetzt gibt es einen Satz heißer Ohren", brummte der Angroscho, drehte sich um und trat den heimtückischen Angreifer kräftig auf die Füße. Als dieser sich jammernd vorbeugte, traf ihn tatsächlich zwei wuchtige Ohrfeigen gleichzeitig von links und rechts.
Der Kümmerling schüttelte sich verdutzt, und zog ein Messer: "Das lass ich mir von nem Wichtel nicht gefallen!"
"Wichtel?" Rovik zog die Axt. "Ich kann dich auch ein Stück kürzer machen, Lulatsch, wenn du das willst."
Der Zwerg schlug zu, allerdings mit der stumpfen Seite. Ulfert ging erneut in die Knie, und wurde durch einen weiteren Hieb mit dem Axtstiel auf die Bretter geschickt. Nun sah Marike, dass sich noch drei weitere Gegner im Raum verteilt hatten, vor den beiden Türen: die Bänkelsängerin, die ihr gerade eben schon aufgefallen war. Irgend so ein schlitzäugiger Hinterwäldler mit Pfeil und Bogen sowie - was ihr doch ein wenig Sorgen bereitete - ein weißhaariger, zerzauster Magier, mit reichlich Flecken auf der grauen Robe.
Raberto schien buchstäblich wieder ernüchtert zu sein. So kannte sie ihn. Mit einem Ruck stand er auf, ohne auf den umkippenden Stuhl zu achten. "In diesem Dukatenbeutel befinden sich zwanzig Goldstücke", log er und ließ die Börse mit dem Bärenwappen ein wenig klimpern. "Die bekommt derjenige, der dem Gnom und seinen Spießgesellen zeigt, was wir im Katzloch von miesen, kleinen Kopfgeldjägern halten."
Immerhin, der glatzköpfige Ogerbarne war dumm genug, sein Kurzschwert zu ziehen.
"BLITZ DICH FIND - WERDE BLIND!" Hesindian deutete mit zwei Fingern der linken Hand auf den Kahlschädel.
Dieser schrie zum Göttererbarmen auf und hielt sich die Hände vors Gesicht, als wären seine Augen gerade von glühenden Brandeisen durchbohrt worden. Das Kurzschwert polterte zu Boden. Der Magier ließ drohend seinen Zauberstab kreisen
"Den nächsten, der sich einmischt, wenn sich Erwachsene unterhalten, verwandele ich in eine Steinstatue", knurrte der Edle von Orweiler. Tatsächlich fühlte sich Hesindian schon wieder ziemlich ausgebrannt (auch wenn er es selten erlebt hatte, dass ihm der Geist eines Menschen so wenig Widerstand entgegen gebracht hatte, wie beim Zauber gerade eben). "Macht sich bestimmt gut in der Ecke da." Tuvok legte einen Pfeil auf den Bogen und schoss ihn auf die Wurfscheibe: genau ins Schwarze. Der Strauchdieb, der gerade ein Messer hatte herausziehen wollen, hob mit schiefem Grinsen seine Hände. Auch der Wirt, der eine kleine Armbrust unter der Theke hervorziehen wollte, legte diese schnell wieder zurück. "Ich will keinen Ärger", japste er.
Die Augen des Jägers irrten umher, während er ein weiteres Geschoss auflegte. Gerne hätte er Haldana und Rovik geholfen, aber er spürte, dass er die Meute im Griff halten musste. Tuvok hob den Bogen etwas. Diese Geste und der Magier verfehlten ihre Wirkung nicht. Manch Messer und Schlagring verschwand wieder im Ärmel oder Stiefel.
Sein Blick fiel auf Krummbacher, der stöhnend in Deckung krabbelte. Eigentlich hatte er ihn niederschlagen sollen. Aber diese Aufgabe hatte bereits die verrückte Streunerin übernommen, warum auch immer.
Raberto hastete auf das Kurzschwert zu, das Barne fallen gelassen hatte, was nicht allzu elegant aussah. Er raffte es gerade rechtzeitig auf, um einen Axthieb des Zwergen abzuwehren. Funken sprühten. Der Andergaster deckte Rovik mit mehreren Hieben ein und stieß gleichzeitig mit dem Stilett zu. Er war zwar ein wenig aus der Übung, aber Zweikämpfe durchaus gewohnt. Aus dem Augenwinkel spähte er bereits nach dem Hinterausgang.
Wutschreiend gingen Haldana und Marike aufeinander los, der Inbegriff einer Stutenbeißerei. "Was hast du eigentlich für eine hässliche Frisur?" zischte die Maraske. "Kopfläuse?" Die Sängerin zog wortlos ihren Rapier vom Leder, ihre Gegnerin stach zu.
Haldana parierte den Stoß, schlug über Kopf zurück, blieb allerdings am Deckenbalken hängen. Marike griff erneut an, schlitzte ihr den Ärmel auf. Haldana ließ ihre Klinge um die Finger wirbeln, wie bei einem aranischen Säbeltanz und verwirrte die Streunerin, die nun wieder zurückwich. Erst ein umstürzender Tisch stoppte ihren Rückzug. Becher stürzten zu Boden, Karten wirbelten umher. Gefluche und Geschrei. "Dich mach ich kalt, nä! Finger weg von Raberto!"
Das Duell wurde grimmiger. Kling-pling-pläng. Als wären zwei horasische Stutzerinnen aneinander geraten, tänzelten die Damen durch den Schankraum. Einige Herzschläge lang band die Maraske Haldanas Rapier über Kreuz, stieß sie zurück, attackierte. Die Sichlerin wich aus. Das Florett bohrte sich in einen der Stützbalken. Haldana griff erneut über Kopf an. In der engen Taverne hatte ihre gewohnte Angriffsweise Schwächen. Erneut verhakelte sich die Klinge, diesmal im Radleuchter. Kerzenwachs tropfte herab.
Marike konnte ihre Waffe befreien.
Erneut klirrte Stahl gegen Stahl.
Gleichzeitig umschlichen sich Raberto und der Zwerg. Es war ein ungleicher Kampf - der Zwerg war dem Andergaster zwar durchaus gewachsen. Allerdings nur, was seine Waffenkunst anhing. Durch die unterschiedliche Körpergröße blieb dieser Kampf ansonsten eine merkwürdige Stolperei. Raberto versuchte, den schlanken Dolch in der Linken und das Kurzschwert in der Rechten, seinen Gegner von oben festzunageln. Rovik behalf sich mit wuchtigen Tiefschlägen, die den Dieb immer wieder zum Zurückweichen zwangen. Ein wenig rondrianischer Tanz. Das Kneipenvolk schien dennoch sein Vergnügen zu haben. Es johlte und brüllte, als würde es gerade Zeuge eines Armdrückens. "Fünf Taler auf den Wichtel! Der ist flink, hoho"
"Raberto, mach ihn fertig! Acht Taler auf den Gustlfinger!"
"Sechs Taler auf die Maraske!"
Rabertos Stilett bohrte sich in die Lederschürze des Zwergs und blieb dort hängen. Knurrend schlug es der Hügelzwerg beiseite. Die Waffe flog dem Dieb aus der Hand und bohrte sich in die Theke.
Tuvok überlegte, ob er eingreifen sollte. Aber die größte Stärke seines Bogens, die Durchschlagskraft, war nun ebenfalls eine Schwäche. Die vier Kämpfer wirbelten ständig durcheinander. Würde er einen der beiden Schurken verfehlen, konnte er leicht einen Freund treffen.
Haldana schlug erneut zu, Marike parierte über Kopf. Pling... im nächsten Moment flog die Klinge des Floretts mitsamt Korb davon. Die Katzlocherin hielt nur noch den hohlen Griff in der Hand.
"Gibscht d´auf?" fragte die Sichlerin und senkte drohend das Rapier.
Die Maraske schnaufte schwer. "Leck mich!" brüllte die Katzlocherin und warf den Griff auf Haldana. Diese duckte sich. Im nächsten Moment sprang Marike in Richtung Radleuchter, gewandt wie eine Meerkatze, pendelte und schwang ihre Stiefel gegen Haldana. Diese stürzte keuchend zu Boden, ließ ihr Rapier fallen. Im nächsten Moment hielt die Diebin ein Messer in der Hand und versuchte es der Bardin in den Hals zu rammen. Die Bardin bekam gerade noch das Handgelenk ihrer Gegnerin zu fassen.
Kurz und wuchtig schlug Hesindian zu. Der Zauberstab traf schwer den Hinterkopf der Streunerin. Mit einem Ächzen sank Marike zur Seite, und rührte sich nicht mehr.
"So ein Stabzauber wirkt manchmal Wunder" stellte der Magier fest.
"Marike!" rief Raberto entsetzt. Dann schrie er vor Schmerz auf. Roviks Axt hatte ihn am Bein getroffen. Allerdings zahlte der Zwerg einen Preis für den Treffer. Das Kurzschwert traf ihn an der Schulter. Stöhnend wich er zurück. Gustlfinger nutzte seinen Vorteil, und humpelte auf die Tür zu. Hesindian versuchte ihm den Weg abzuschneiden.
Der Dieb hob seine Waffe. Tschkk. Schnell und wuchtig traf Raberto etwas in die Schulter. Entsetzt starrte er auf die rote Pfeilspitze, die nun aus ihm herausragte. Dann kam auch schon der Schmerz, zusammen mit dem Blut. Das kleine Schwert fiel ihm aus der Hand. Wimmernd sank er auf die Knie. Der Schatten des Jägers fiel über ihn. "Gib mir einen Grund, nochmal zu schießen!"
Haldana fesselte bereits Marike, während sich Hesindian um Roviks Wunde kümmerte.
"Ist nur ein Kratzer", brummte der Zwerg. "Ich lass mich bestimmt nicht von einem Zauberer behexen. Du solltet lieber diesen Raberto verarzten."
Den hatte nun Meister Krummbacher am Kragen gepackt, und schüttelte ihn, wie von Sinnen: "Wo-sind-meine-Kinder?"
Raberto schrie und stöhnte, antwortete aber nicht. "Meine Frau, wo ist sie"
Draußen tönte eine Büttelpfeife. Hesindian öffnete die Tür nach draußen. Dichter Nebel lag über der Straße, wo es immer noch hoch her ging. Ein ganzes Rudel Gardisten fiel nun als Verstärkung über die Katzlocher her und jagte sie auseinander.
"Razzia!" rief der Magier in die Runde. "Jede Menge Stadtgardisten." In Windeseile stürmte das "Publikum" zum Hinterausgang.
"Ich bin verletzt!" ächzte Gustlfinger und biss die Zähne zusammen. Bleich versuchte er mit der einen Hand das hervor sprudelnde Blut an der Schulter zurückzuhalten, während er die andere Hand auf die klaffende Beinwunde presste.
"Krummbacher, lasst ihn in Ruhe". Hesindian schob den Braumeister beiseite.
"Euch hat dieser verfluchte Baron geschickt, nicht wahr?" schimpfe Raberto. "Dem, aaah, breche ich alle Knochen. Ich bring ihn um, uaaah, ah. Die Pockenfresse hat Marike misshandelt."
"Gute Idee. Daran habe ich noch gar nicht gedacht" nickte der Magier. "Haldana, reich mir doch mal die Schnapsflasche."
"Ihr müsst mich verarzten. Ich verblute."
"Natürlich müssen wir das" Der Magier zog mit den Zähnen den Korken aus der Flasche. "Erst mal die Wunden reinigen."
Der Streuner brüllte wie am Spieß, als der Schnaps über seine Verletzungen floss.
"So, und nun spucks lieber gleich aus, bevor du in der echten Folterkammer landest. Wo sind die Krummbachers?"
"Einen Orkscheiß werde ich... Marike, Marike, was ist mit dir? Was haben die verdammten Schweine mit dir gemacht, aaah. Sag doch was? Verdammt, verdammt, verdammt..."
"Keine Angst, die Garde kriegt sie schon wieder zum Sprechen. Und wir dich auch. Weißt du eigentlich, was für ungeheuer schmerzhafte Zauber es gibt, um Abschaum wie dir die Zunge zu lockern?"
Der Dieb schwieg verstockt. Und brüllte erneut auf, als Tuvok am Pfeil rüttelte.
"Steckt fest", sagte der Waldläufer. "Guter Pfeil. Will ihn wieder haben."
Der Jäger packte den Schaft fester, ohne jede Regung in seinen nivesischen Augen.
"AAAAAAHHHH!"
Hesindian schloss die Augen, als ihm Blut ins Gesicht sprenkelte. Einen Moment lang kam er sich vor wie ein Al´Anfaner Folterknecht. Aber bei einem derart gefährlichen Gegner durften sie nicht zimperlich sein.
"Isch glaub, des Beinli müscht runner", kommentierte Haldana. "Wäche de Wunfiebär. Rovik, her mit der Axt."
"Ihr...ihr...seid...völlig verrückt", keuchte Raberto. "Was seid ihr denn für welche?"
"Du hast es in der Hand, wie viel von dir wir der Garde ausliefern werden". Hesindian stocherte dem Streuner in die Seite.
"Wo ist die Familie von Meister Krummbacher? Wo kommen die Pechfässer her? Sind doch einfache Fragen?"
"Schon gut, schon gut. Die Alte und die Bälger sind nicht mehr in der Stadt. Ich hab sie nicht versteckt... hab nichts mit der Sache zu tun. Fast nichts."
"Gehts genauer?"
"Weiß nur, dass sie auf der anderen Seite vom Darpat sind... Richtung Neuborn. Irgendwo beim Steinbruch von Marelengrund, in den Bergen. Da kommen auch die Fässer her. Mehr weiß ich nicht."
"Wie? Mehr weißt du nicht? Der große Raberto Gustlfinger, der Schrecken vom Katzloch?"
"Ich schwöre es, ich schwöre es… Dieser Heiler hat ihnen ein Schlafmittel gegeben, in der Brennerei. Wir haben sie heimlich mit dem Karren zur Fähre gebracht, und das wars dann."
"Welcher Heiler?"
"Dieser Korwid...Korwid Alfengrund, der Storchenbruder."
"Aha, der hochehrsame Medicus. Und das Pech?"
"Das kam mit der Fähre, gestern Abend, von Neurommilys rüber. Mit zwei so komischen Gestalten, Waldbauern oder Holzfällern. Was weiß ich... aaah. Helft mir doch, ich verblute..."
"Wir wollen dich nicht unterbrechen, red weiter!"
"Aaah, verdammt. Wir haben die Fässer übernommen, und die Krummbachers übergeben. Korwid hat dem Fährmann irgendwas von ner Schlafkrankheit erzählt. Dass er die Frau und die Kinder möglichst schnell aus der Stadt schaffen muss. Wegen der Seuchengefahr. Ein paar Taler bekam der Fährmann auch, dafür, dass er niemanden was erzählt. Mehr weiß ich nicht. Ich schwöre es, ich schwöre es... Aaaah... ihr müsst mich verarzten. Ich brauche einen Heiler."
Ein paar Stunden zuvor
Wohlgemut lenkte Alrik seinen Elenviner durchs Reichskanzler – Randolph -Tor, hinaus auf die Landstraße, die in Richtung Zwerch führte.
Den Perainetempel und das Spital hatte er hinter sich gelassen, in jeder Hinsicht. Es tat gut, wieder mal aus der eigentlichen Stadt herauszukommen. Auch Flocke freute sich über den Ausritt.
Litzelstadt, so nannten sich die Bauernhöfe und Äcker: trotz des Namens ein ländlicher Vorort, der ihn ein wenig an Marktfriedwang erinnerte. Dort drüben drehte sich eine Windmühle, geradeaus ging es zur Wechselstation der Beilunker Reiter.
Es war gar nicht so einfach gewesen, die Spur von Meister Alfengrund aufzunehmen (im echten Spital hatte er nicht nachfragen wollen). Ein Bettler des Grisefux hatte ihm die beste Auskunft gegeben, gegen einen großzügigen Almosen.
"Das Schwarze Spital", hatte der Alte gekrächzt, der sich - zumindest für Alrik gut sichtbar - das linke Bein hochgebunden hatte, unterm Lumpenkittel. Um den Krüppel zu markieren. "Dort wohnt er. Am Boronanger in der Litzelstadt." Der Bettler hatte mit der Krücke gen Norden gedeutet. "Jedenfalls nicht weit weg."
"In der Nähe seiner Kundschaft?" Alrik hatte noch einmal Münzen klappern lassen, im Napf seines "Bruders in Phex".
Ein Grinsen war dem zahnlosen Mund des greisen Bettlers entschlüpft. "Boron allein heilt jede Krankheit und jedes Gebrechen, wusstest du das nicht? Das Schwarze Spital ist der Totenanger von Rommilys. Doctor Korwid. Man munkelt, dass er... verbotene Dinge erforscht. Leute untersucht, die sich nicht mehr wehren können. Wenn du verstehst, was ich meine. Er sucht Dinge, die sonst keines Menschen Auge zu sehen bekommt. Außer in der Schlacht, wo ich mein Bein verloren habe, im Krieg gegen die Horden der Dämonenknechte. Wer kann schon einem anderen Sterblichen ins Herz blicken? In die Lunge, den Magen, die Leber oder in die Galle? Unter den Schädel oder zwischen die Rippen? Das ist wahrlich gegen den Willen der Götter."
Alrik hatte verstanden. Anatomische Studien. Es gab sogar eine direkte Verbindung zu Raberto. Der Hehler, Dieb und Gauner beschaffte dem Medicus das Eis, um seine Untersuchungsobjekte frisch zu halten. Aus Jodokus Brauerei. Womöglich buddelte er für seinen Geschäftspartner sogar die Kalten Alriks aus oder kannte finstere Gestalten, die diesen Frevel für ihn übernahmen. So genau wusste der Bettler das nicht zu sagen. Dem Mondschatten fröstelte, inmitten des wunderschönen Frühlingstages. Immerhin hatte er sich vor kurzem noch selbst in Korwids Behandlung befunden.
Ein wenig verrückt hatte er schon gewirkt, der Zausel. Aber das Zeichen der Bettlergilde an seiner Schale war eindeutig gewesen. Womöglich konnte man auch in Rommilys über manche Dinge nur dann sprechen, wenn man über die nötige Narrenfreiheit verfügte.
Nun ritt er durch Litzelstadt, vorbei am riesigen Boronanger, mit seinen Grüften und Grabmälern. Jetzt, im Praiosschein, sah das "Schwarze Spital" fast schon freundlich aus. Hühner gackerten auf dem Weg. Ein Fuhrwerk kam ihm entgegen, gezogen von Darpatbullen. Der Baron fragte eine pausbäckige Dienstmagd, die Wasser aus einem Brunnen schöpfte, nach Korwid Alfengrund. Der wohne auf Helbers Hof, Richtung Zwerch, außerhalb der (neuen) Stadtmauer. Am Bienenschrein. Jawohl, ein überaus frommer und göttergefälliger Mann, der schon manches Bauernkind, aber auch Vieh geheilt habe. Fast schon ein Perainegeweihter, der sich rührend um die kleine Kapelle der "gütigen Bienenkönigin" kümmere.
"Bienenkönigin?"
"Gewiss, hoher Herr. Ein Edelmann aus Rommily hat Frau Peraine den Schrein gespendet. Man sagt, Helbers Honig hat ihn mal vor einer schweren Krankheit gerettet."
Alrik war nun doch froh, sein Pferd mitgenommen zu haben. Hinter der Äußeren Mauer, an der noch gebaut wurde, ritt er ein Stück die Straße entlang, vorbei an Kaiser Reto-Pappeln. Links und rechts erstreckten sich Äcker, Obstwiesen, Hecken, Viehweiden. Ein paar Traviapilger kamen ihm entgegen und ein wandernder Zimmermannsgesell. Schließlich zeigte ein Wegweiser Richtung "Helbers Hof". Ein Summen erfüllte die Luft. Neben der Abzweigung, ein besserer Feldweg, standen Bienenkörbe, an denen ein Imker zu Gange war. Das Gesicht war verschleiert, in der Hand qualmte eine Imkerpfeife.
Auch wenn Alrik (und Flocke) das Summen irritierte, brachte der Baron ein Gespräch mit dem Bienenzüchter zusammen. Dessen Name war Arve, er kam aus Helmbrechtstadt und hatte Helbers Bienen übernommen: nachdem der Hof im Krieg niedergebrannt und die Bauernfamilie weggezogen war. Das Haupthaus stand noch. Dort lebte nun Doctor Korwid und kümmerte sich aufopferungsvoll um die Bauernfamilien der Umgebung, die Darpaderos, die Torfstecher des Totenmuhr und die Rommilyser. Ein überaus perainegefälliger Mann. Allerdings sei er gerade nicht zu Hause, sondern in Richtung Berge aufgebrochen, um eine Kräuterhändlerin aufzusuchen. Der Schrein? Ja, der sei vor kurzem von einem wohlhabenden Städter wiederaufgebaut worden. Den Vorgängerbau hätten die Feinde des Rechten Glaubens zerstört, im letzten Krieg.
"Peraine seis geklagt".
Alrik zuckte zusammen, als ihn eine Biene in die Nase stach, wischte sich das Insekt aus dem Gesicht. Auch der Elenviner wurde immer unruhiger.
"Kann ich Herrn Alfengrund etwas ausrichten, wenn er aus den Trollzacken zurückkehrt?" fragte der Imker artig. "Das mag allerdings ein paar Tage dauern."
"Schon recht, ich bin einer seiner Patienten" Der Friedwanger rieb sich die schmerzende Nase, wo sich gerade eine Beule wölbte. "Und hätte da noch ein paar Nachfragen wegen meiner Behandlung."
"Ich hoffe doch, Eure Krankheit ist nichts Ernstes?"
"Sagen wir, die Zorganpocken sinds nicht." Alrik tippte zum Gruß an seinen Federhut. "Ich denke, ich werde ein kurzes Gebet im Peraineschrein sprechen und dann nach Rommilys zurückkehren."
"Möge die gütige Herrin Euch rasch genesen lassen, edler Herr."
"Seid bedankt. Auch Euch noch einen schönen Tag." Der Baron ritt weiter. Tatsächlich, dort vorne lag das Aussiedler-Gehöft, oder das, was davon noch übrig war. Die Nebengebäude waren bis auf einige Steintrümmer zerstört, ebenso die Außenmauer. Nur das Haupthaus stand noch, ein typisch darpatischer Fachwerkbau. Gediegen und freundlich, aber irgendwie zu abgelegen, um nicht das Misstrauen des Mondschatten zu wecken. Wer als Medicus vor den schützenden Mauern von Rommilys hauste: Der war entweder wirklich überaus perainegläubig oder hatte etwas zu verbergen.
Das da drüben war der Peraineschrein. Das Häuschen stand inmitten der Flur und war zur Wegseite hin offen.
Peraine, die gütige Bienenkönigin? Diesen Beinamen der Gütigen Göttin hatte er noch nie gehört. Waren die fleißigen Immen nicht die heiligen Tiere der Norbarden?
Alrik band seinen Braunen an einen Baum, vertrat sich etwas die Beine und ging in Richtung des Feldheiligtums.
Ein kleines, würfelförmiges Gebäude, frisch verputzt, mit Kuppeldach. Bsssrrr. Ein paar Hummeln und Käfer summten umher. Oder war das gerade eben eine Schmeißfliege gewesen? Da drüben, das Wintergetreide auf den Feldern wirkte irgendwie verdorrt, der eine Halm hatte sich schwarz verfärbt. Sah er bereits Gespenster, im Licht der langsam tiefer sinkenden Sonne?
Alrik trat näher. Im Inneren stand ein Altartisch, dahinter eine bemalte Holzstatue der Göttin. Ein großer, eisenbeschlagener Opferstock schien erst vor kurzem aufgestellt worden zu sein - der Größe nach fast schon eine Schatztruhe. Dazu kamen mehrere Wandgemälde. Die Bilder waren im Halbdunkel nur schwer zu deuten: Linkerhand schien eine dunkelblaue Wolke Kornfelder und Obstbäume zu beregnen. In der Mitte ragte eine Gestalt mit Stab und Storchenkopf auf, die Menschen wie Tiere segnete (oder sie heilte?). Zur Rechten knieten Gläubige vor einer Art Bienenstock, aus dem goldene Vielbeiner schwärmten, die zu klein waren, um sie wirklich zu erkennen.
Auf dem Podest stand eine zeitlos schöne, vornehm blasse Frau in grüngoldener Robe, die ihre linke Hand zur Segnung erhob und huldvoll lächelte. Ihr Haupt schmückte ein großer Blütenkranz, mehr eine Herrscherkrone als ein bloßer Kopfschmuck. In der Rechten hielt sie eine Art Topf oder Tiegel.
Alrik trat näher. Eine Schnur umspannte den "göttlichen" Bereich rund um die Statue, auch wenn der Geweihte im Moment keine karmale Kraft spüren konnte. Der Schrein schien nicht konsekriert zu sein, was für Heiligtümer in dieser geringen Größe nichts Ungewöhnliches war.
Die Statue segnete die Gläubigen mit der linken Hand? Tatsächlich. Noch eine andere Merkwürdigkeit fiel dem Mondschatten auf. Die Augen "Peraines" waren vielfach gespalten, wie bei einem Insekt. Eine Bienenkönigin in ihrem Nest.
SIE schien ihn zu mustern. Und dabei wissend (fordernd? herausfordernd?) zu lächeln. Wie kannst du daran zweifeln, dass Ich es wirklich bin? schien ihr facettenreicher Blick sagen zu wollen. Hast du überhaupt kein Vertrauen, Kleingläubiger?
Die Mehrdeutigkeit des Ganzen beunruhigte Alrik mehr, als es wimmelnde Fliegen oder Rattenschwärme vermocht hätten.
Auf den drei sichtbaren Seiten des Podests waren Worte eingraviert: Behüterin - Lebensherrin - Zartfüßige.
Alrik griff nach seinem Fuchsamulett. Zwischen den Großbuchstaben und dem übrigen Wort hatte der Steinmetz ein wenig Abstand gelassen: um das jeweils erste Kusliker Zeichen herauszuheben?
B-L-Z.
Zartfüßige? Er hatte erst Zartfühlende gelesen, aber dort stand wirklich Zartfüßige. Der Name passte eher auf Insekten, als auf eine Göttin des Zwölfer-Pantheons von Alveran.
SIE lächelte noch immer huldvoll. Ein Noionitenlächeln, wie Alrik mehr und mehr fand. Diese Lippen, und die gespaltenen Augen, sie brachten den schleichenden Wahnsinn, wahrlich auf zarten Füßchen. Kein Zweifel: B-L-Z.
"Phex, steh mir bei!" Alrik entflammte den Zunder, mit dem er sonst seine Pfeife ansteckte, und trat näher, ohne auf die Absperrung zu achten.
Das flackernde Licht enthüllte unzählige kleine Löcher, die in die Statue gebohrt worden waren. Holzwürmer? Das feine Bohrmehl auf dem Podest deutete darauf hin.
Ein klopfendes Geräusch drang an sein Ohr. Es kam aus dem Götzenbild. Dazu ein Scharren, Rascheln, Nagen, Schmatzen, das Huschen unzähliger Füßchen durch schleimige, matschige Fraßgänge. Ein fauliger Geruch trat an seine Nase. Der Priester ahnte, dass es im verrotteten Inneren der Statue von Würmern und Maden nur so wimmeln musste.
Der Deckel des Tiegels begann zu vibrieren, obwohl das eigentlich nicht möglich war, bei bloßem Schnitzwerk. Ein wütendes Summen erklang, wie von Myriaden Fliegen. Das Gefäß sollte keinen Topf mit Honig, Saatgut oder dergleichen darstellen... sondern eine Büchse der Pardona.
Der Mondschatten schlug das Phexzeichen und taumelte zurück. Im nächsten Moment hörten die Geräusche (die Visionen?) auf.
SIE lächelte wieder. Uralt. Ungreifbar. Unbesiegbar.
Erst jetzt merkte er, dass das Kupferamulett in seinen klammen Fingern eisig kalt war, niederhöllisch kalt. Fluchend ließ er es los.
Das hier also war der wunderwirkende Wallfahrtsort, zu dem die Rommilyser hätten pilgern sollen, um sich von der Pestilenz zu befreien.
Die Abendsonne fiel Jodokus in den Nacken, als er durch die Gassen zum Hafen ging. Seine Schritte waren beschwingt. Nicht deswegen, dass es leicht bergab ging. Er hatte von den Bütteln erfahren, dass zwei Diebe im Katzloch festgenommen wurden. Nicht nur der steckbrieflich gesuchte Raberto, auch dessen Mittäterin war überwältigt und verhaftet worden. Jodokus hatte nicht zu hoffen gewagt, dass ein Plan doch so reibungslos klappen würde. Nicht, nachdem sich die Gräflichen eingemischt hatten. Aber er hatte da wohl in ein Wespennest gestochen mit seiner Anzeige. Dass dieser Raberto in dem Ruf stand, mehr als nur ein Dieb zu sein, das hatte er nicht gewusst. Wohl aber die Büttel, bei denen Irmelinde ihre Meldung und Anzeige eingereicht hatte. Offenbar hatten Informanten der Obrigkeit zugetragen, dass dieser Raberto eine Bande Katzlocher Diebes- und Raubgesindel anführte. Nur, dass das bislang nicht wirklich belegt war und man dem Gustlfinger konkret nichts nachweisen konnte.
Da war dem Hauptmann die Sache mit der gestohlenen Börse wohl gerade recht gekommen. Ein konkreter Diebstahl, mit einem adeligen Belastungszeugen, da würde jeder Richter mitziehen, und man konnte endlich gegen die Mauerbande vorgehen.
Frohgemut schritt Jodokus die Neuborner Gasse herunter zum Hafen und pfiff leise ein Liedchen vor sich hin. Ein wenig verwünschte er das Kopfsteinpflaster. Mit genagelten Schuhen ein Gefälle auf den runden Steinen zu laufen war unangenehm. Rutschig. Ständig musste man sich mit den Zehen in die Ritzen nahezu festkrallen, um nicht abzurutschen. In der Altstadt, auf ebenem Untergrund und besseren Steinen war das leichter. Er hätte daran denken müssen, besseres Schuhwerk anzulegen. Jodokus war nicht so oft unten am Hafen. Aber er rechnete sich aus, dort Baron Alrik und seinen Hofmagus zu finden. Er war zu neugierig zu erfahren, was es genau mit diesem grünen Gift auf sich hatte.
„Hopp`la“ vernahm er einen Ausruf von hinten, als Jodokus wieder einmal beinahe weggerutscht wäre. „Isch`es glatt?“
Jodokus drehte sich um. Ausgerechnet die Bardin. „Nein, alles in Ordnung. Die Zwölf zum Gruß, Haldana!“ Er verwünschte sich erneut, die falschen Schuhe angezogen zu haben. Mit den rutschigen Schleichern würde er sicher auf dem Parkett eines jeden Balles eine gute Figur machen, aber ein zupackendes Mädel aus der Sichel würde er mit diesen Galoschen sicher nicht beeindrucken. „Schon zurück vom Kampf? Ich freue mir, dass dir nichts passiert ist. Also nichts ernstes“ fügte der junge Adelige hinzu, als er die Schrammen und Kratzer sah, die Marike Haldana bei der Rauferei auf dem Boden des Fingers verpasst hatte.
„Ach, des isch nischts“ wiegelte Haldana ab.
„Wo sind deine Gefährten?“ hakte Jodokus nach, froh, dass nicht seine unpassenden Schuhe thematisiert wurden.
„Die sin` no uf da Wache, wo se die zwei Schurk`n abg`liefert hen. I bin v`rausganga, um B`ron Alrik zum treffa, d`r wollt` sich a weng umseha in d`r Umgebung. Denk` er wird bald in d`n Flussschiffa kumma.“
„Ah ja. Das war auch mein Weg. Dann lass Dich begleiten, Haldana!“ Jodokus lächelte die Bardin an. Einen Moment lang überlegte er, ob er ihr den Arm anbieten sollte. Aber dann unterließ er es. Bei höfischen Damen wäre das Galant angekommen. Bei einer Sängerin und Fechterin wohl eher nicht, da würde es als affektiert aufgefasst werden. Außerdem war er mit seinen rutschigen Schuhen auch niemand, der Halt bieten konnte. „Erzähl, wie war die Arretierung von diesem Schurken. Gab es eine größere Auseinandersetzung?“
„Na wie man`s nimmt. S´war scho viel G`sindl im Fing`r. D`r Raberto war ned alloi. S´scheint, als wär er da Kommandant von so e paar Gauner, di sich selb`r di Mau`rbande nennet. Un sei Gspusi, die Marike, von der da Alrik erzählt hat, war au do. Ziemlich giftig`s Biest. Aba loyal, hat sich mit mehr Mumm vor ihr`n Raberto g`stellt als da Rest von da Mau`rbande. Kräft`g is sie. Hat mir e heftig`s G`fecht g`liefert. Aba da Magus hat ihr nen Stock über`n Schäd`l zog`n.“
„Aha, daher die Blessuren. Ich werde sie mir nachher ansehen, im Flussschiffer. Sind nur Kleinigkeiten, klar. Aber auch kleine Wunden eitern, wenn man sie nicht sauber macht.“ Was sagte Jodokus da? Er war kein Heiler, aber dass die Kratzer und Schürfungen keinen Medicus bedurften, das war ihm klar. Aber sie lieferten einen Vorwand, sich um die Bardin zu bemühen und sich ihr zu nähern. „Und hattet ihr schon Gelegenheit, dem Schurken auf den Zahn zu fühlen? Oder müssen die Büttel ihn noch verhören?“
„N`ja, so viel hat er net g`wisst. Aba des mit der Frau und de Kind`r vom Braumeischta, des stimmt. Die hat`r in Richtung Nüborn bringa lassa. Also nit er. Schätze d`r Gliche, d`r au deine Fäss`r vergift` hat, hat au die Drü i`gsperrt. Aba wo, des hat d`r Raberto net so g`nau gwisst.“
„Neuborn“ wiederholte Jodokus nachdenklich. „Das ist ein gutes Stück entfernt. Richtung Trollzacken.“
Als Jodokus und Haldana den Flusschiffer erreichten, herrschte dort bereits abendliche Betriebsamkeit. Der Tisch für die eingemieteten Gäste war natürlich frei. Jodokus legte seinen Mantel über den Haken, und Haldana legte, sich dabei bückend, sorgfältig ihre Laute auf die Bank. Baron Alrik war offenbar noch nicht da. Also winkte der junge Baernfarn die Schankmagd heran und bestellte erst einmal zwei Krüge Bier.
„Ein Festnahmebier muss sein.“ Erläuterte Jodokus. „Diese Tradition gilt bei den Bütteln nicht ohne Grund, und für die gute Arbeit habe ich ein Fass Rommilyser auf die Wache bringen lassen. Samt Spanferkel. Aber auch Du und deine Mitstreiter haben sich das Bier redlich verdient. Schließlich habt ihr Euch um die Brauerei verdient gemacht. Na eigentlich mehr als das, auch die Stadt Rommilys kann froh sein, dass zwei Schurken weniger im Katzloch umherstreunern. Na denn Prost“
Jodokus hob seinen Krug. Haldana ebenfalls, auch wenn Bier nicht ihr Getränk war. Ablehnen konnte sie ja auch nicht, ohne unhöflich zu sein. Wie immer trank sie langsam und in kleinen Schlucken. Was sie aber nicht daran hinderte, zu reden wie ein Wasserfall - was sie ohnehin oft tat - und in ihrem teils schwer verständlichen Sichler Dialekt über dies und jenes zu erzählen. Jodokus hörte aufmerksam und mit einem Lächeln zu. Besser konnte es kaum gehen, dachte er. So würde er jedenfalls mehr über die hübsche Bardin erfahren und brauchte sich zudem wenig bemühen, ein Gespräch am Laufen zu halten. Nur ab und zu fragte er interessiert nach. Jedenfalls erfuhr er, dass die Sichlerin irgendwo am Rand des Wutzenwald aufgewachsen war. Ihre Eltern schienen auf einem Hof am Gernat zu leben. Aber ab einem gewissen Punkt blieb sie über ihre Familie und Herkunft immer im Ungefähren. Jodokus bohrte nicht nach. Aber er kam zu dem Eindruck, dass Haldana vermutlich eine entlaufene Leibeigene war, und deswegen manche Dinge aussparte. Zumindest drängte sich ihm der Verdacht so auf. Er würde es ja auch nicht offen erzählen, wenn er irgendwo geflohen wäre und vielleicht ein Handlanger seines Grundherren nach ihm suchen würde. Jedenfalls war sie, wie er ja schon wusste, ein echtes Schwarzsichler Original. Eigentlich ein Menschenschlag, der sich nur ungern abseits der heimischen Berge und Wälder bewegte. Warum die Bardin auf Wanderschaft gezogen war, das erzählte Haldana nicht, was Jodokus in seiner Einschätzung bestärkte. Stattdessen erfuhr Jodokus vieles über den Hof, auf dem Haldanas Eltern und Geschwister lebten. Vom Stall mit einigen Pferden, von Kühen und Schafen. Jodokus tat interessierter, als er tatsächlich war. Mehr als die anderen Tiere schien es der Bardin aber die Bienenzucht angetan zu haben. Gut zwei Dutzend Bienenvölker schien es dort zu geben, und anders als die übliche Bienenhaltung, die er von den Zeitlern kannte - immerhin beschäftigten sich einige in seiner Familie nicht nur mit Bierbrauen, sondern auch mit der Herstellung von Meth - hatte man bei Haldanas Leuten angefangen, für die Bienen gezielt Behausungen anzulegen, in denen man gut an den Honig heran kommen konnte. Praktischer als die Haltung in Körben war das allemal, wie Haldana versicherte. Auch hatten ihre Leute es geschafft, Bienen gezielt in den bereitgestellten Behausungen anzusiedeln – anstatt, wie das sonst gemacht wurde, einen leeren Bienenkorb neben einen bewohnten Korb zu stellen und darauf zu hoffen, dass sich nach der Schwarmbildung der Schwarm selbst die bereit gestellte Unterkunft bezog. Offenbar war es möglich, Bienenschwärme als ganzes einzufangen und gezielt in eine bereitgestellte Behausung zu führen. Jodokus hatte sich nie näher mit der Bienenzucht beschäftigt, also kannte er sich nur vom Hörensagen aus. Auch erst jetzt, bei näherem Hinsehen, fiel Jodokus die silberne Kette auf, die Haldana um den Hals trug. Ein Anhänger, der eine kleine Biene darstellte, hing daran. Der musste die letzten Male unter den Gewändern der Bardin verdeckt gewesen sein, sonst hätte er ihn bemerkt.
Jodokus beschloss, nach dem Bier eine Runde Meth zu bestellen. Das würde seiner Gesprächspartnerin vielleicht besser schmecken als Bier.
Haldana erzählte von der weiter von der zweiten Besonderheit auf dem elterlichen Hof. Auch etwas, was Jodokus schon gewusst hatte, dass es das gelegentlich in der Sichel gab. In Haldanas Herkunftshof hatte man auch Hundezucht betrieben. Hunde nicht nur zur Jagd, sondern auch als Schlitten- und Karrenhunde. Das unwegsame Gelände der Sichel und die schmalen Gebirgspfade waren für Pferdegespanne, wie Alrik wusste, oft nicht zu befahren. Hundegespanne jedoch waren schmaler, kleiner. Sicher auch mit weniger Ladekapazität, aber dennoch sicher praktisch. Vor allem da Hundehaltung in einem weidelandarmen, jedoch wildreichen bewaldetem Landstrich durchaus Vorteile bot und sicher auch günstiger war als Pferdehaltung.
Gerade als Jodokus den Meth bestellt hatte, kam Baron Alrik. Und kurz darauf auch Tuvok, Rovik und Hesindian. Fast ein wenig zu früh, bedauerte Jodokus. Aber dennoch lauschte er interessiert, was Baron Alrik heraus gefunden hatte über den seltsamen Peraineschrein, der keiner zu sein schien, wie auch den Berichten der Gefährten - der Angroschim musste sich ein gewaltiges Gefecht mit Raberto geliefert haben, wenn auch nur die Hälfte von dem stimmte, was Rovik in blumiger Ausschmückung zum Besten gab. Haldana hatte sich wieder ein wenig aus dem Gespräch zurück gezogen und spielte nebenher ein paar leise Akkorde auf der Laute, während Rovik seine Geschichte zum Besten gab. Die zwei waren ein eingespieltes Team, dachte Jodokus. Als Erzähler und Musikantin könnten die beiden in Tavernen und auf Märkten so machen Taler verdienen.
Danach war es wieder an Jodokus, etwas zu erzählen.
„Nun, wie es scheint ist uns mit diesem Raberto ein größerer Fisch an den Haken gegangen“ begann er. „Die Verhaftung des Schurken hat Wellen geschlagen. Ich wusste noch gar nicht, dass wir im Katzloch ein Problem mit der Mauerbande hatten. Erst recht nicht, dass Raberto im Verdacht steht, der Anführer dieses Gesindels zu sein. Aber um so besser. Jedenfalls wollten sich einige profilieren mit der Festnahme des Katzlocher Bandenführers. Nicht nur, dass die Palastgarde dabei war. Das geschah auf Eingreifen der Stadtvögtin. Naja, hohe Politik, ich will das nicht weiter ausführen. Es kam der Stadtvögtin zupass, ein strenges Eingreifen im Katzloch auf ihr Panier zu schreiben. Jedenfalls schaut es übel aus für diesen Raberto. Ich denke, der bleibt eine längere Zeit im Kerker… Es haben zu viele einflussreiche Leute von der Sache erfahren und mitgemischt. Und das alles, obwohl bislang nur ein Taschendiebstahl bewiesen ist. Das mit der Mauerbande, klar, er wird da schon mit drin hängen. Aber da ist zu viel Ungefähres und Vages dabei. Im Normalfall hätte sich die Palastwache jedenfalls nicht wegen eines Taschendiebstahls eingemischt. Aber jetzt… nun, der Druck, dass die Aktion auch erfolgreich ist, der ist immens. Wenn ihr versteht, was ich meine. Es ist damit zu rechnen, dass Raberto gestehen wird, der Kopf der Mauerbande zu sein. Selbst dann, wenn er es nicht gewesen sein sollte. Man wird ihn schon entsprechend befragen. Naja. Zur Aussage und zum Geständnis bringen. Und auch für seine Kumpanin, diese Marike, schaut es nicht besser aus. Sie wird eine wichtige Rolle in der Mauerbande gespielt haben. Versteht ihr. Etwas anderes kann kaum heraus kommen bei dem Prozess. Die Palastwache hat sich weit aus dem Fenster gelehnt, und sie wird einen Erfolg vorweisen wollen. Ich meine, wer sich mit den Dämonischen einlässt, der hat es auch nicht anders verdient. Aber formal geht es nur um einen Diebstahl.“
Baron Alrik verstand als erster, was der Stadtadelige meinte. „Also entweder das, oder die Stadtoberen haben vielleicht auf anderen Wegen Wind von der Sache bekommen, dem Giftanschlag meine ich. Aber das können wir ohnehin nicht beeinflussen. Wie du sagst, als Scherge der Verderbten hat er sich das selbst zuzuschreiben. Es wird also letztlich kurzer Prozess gemacht. Man wird ihn aufhängen? Nicht, dass ich jetzt Mitleid hätte. Andere Leute zu vergiften und eine Panik auslösen, mit Dämonenpaktieren gemeinsame Sache machen, dafür hat er den Tod verdient.“
„Ja, kann sein, dass er hängen wird. Nur dass außer uns niemand weiß, dass Raberto hinter dem Giftanschlag auf Dich steht, Alrik. Und vom Versuch, das Bier zu, ähm, panschen weiß überhaupt niemand Bescheid. Jedenfalls kann ich mir das nicht vorstellen. Nun, ich werde dafür sorgen, dass man ihn korrekt befragt. Die Büttel sollen auf jedem Fall von dem schurkenhaften Plan erfahren. Unabhängig davon, ob schon jemand anderes von der Sache weiß oder nicht. Schon allein, damit wir nicht allein auf uns gestellt sind, und dass die Ratsherren gewarnt sind. Es steht zu viel auf dem Spiel. Wir können Rommilys nicht einer solchen Gefahr ausgesetzt sehen.“
Alrik nickte. Mit Raberto hatte er kein Mitleid. Eher schon mit Marike. Um sie war es schade. Eine Streunerin wie er, nur halt mit weniger Glück. Und mit extremen Pech bei der Partnerwahl, wie sich zeigte. Man lässt sich nicht mein jemandem ein, der sich nicht von Dämonischem fernhalten kann. Nun… ein wenig Mitleid empfand Alrik. Aber auch nicht zu viel.
Endlich hatte die Schankmagd den Meth gebracht. Nicht nur zwei Krüge, sondern sechs. Aber Jodokus, so kostenbewusst er im Geschäftsleben war, es reute ihn dennoch nicht. Ohne die spontane Hilfe Baron Alriks und seiner Leibwache hätte seine Brauerei dicht machen können. Nicht auszudenken, wenn sein Bier eine solche Katastrophe ausgelöst hätte. Jodokus stellte zufrieden fest, dass Haldana mehr vom Meth nippte als zuvor vom Bier.
„Nun, ich möchte Euch jedenfalls danken für Eure Hilfe“ nickte Jodokus und hob seinen Krug. „Ohne Eure Warnung und Eure Mithilfe hätte es sowohl um die Brauerei wie auch um die Stadt schlimm ausgesehen.“
„Aber was machen wir nun? Auch wenn dieser Raberto erstmal dingfest gemacht ist… sein Auftraggeber, dieser Gerrich oder wie er sich nennt, ist auf freiem Fuß. Wir wissen weder, wo er sich aufhält noch was er weiter vor hat. Geschweige denn, was er sonst noch plant.“
„Aber wir wissen zumindest die Richtung, in der er die Gefangenen gebracht hat. Richtung Neuborn“ warf Tuvok ein. „Sollten wir in die Richtung nachforschen und herausfinden versuchen, wo die Braumeisterin und ihre Kinder eingesperrt sind?“
„Dass ist aber alles sehr vage. Neuborn ist ja auch nur eine grobe Richtungsangabe“ warf Alrik ein. Wir könnten auch der falschen Perainekapelle auf den Zahn fühlen. Die hat doch jemand errichtet, da gibt es doch sicher falsche Priester oder andere, die man finden könnte.“
„Oder wir forschen in Rommilys nach diesem Gerrich und der Hexe. Die müssen doch irgendwo zu finden sein“ ergänzte Hesindian.
Zu einer Entscheidung wollte sich keiner durchringen. Auch Alrik und Jodokus vermochten sich nicht auf die beste Strategie festzulegen, der der Hofmagus und die drei Abenteurer sicher gefolgt wären.
Stattdessen lauschten alle den Klängen der Laute, auf der Haldana die bekannte Sichler Weise `Vom Friedstein auf Gallys zu` zum Besten gab.