Efferdans Träume

Efferdans Träume

Es war ein ganz normaler Windstag im Rondramond, nun ja größtenteils normal. Dieser Praioslauf war besonders stürmisch und bereits früh war abzusehen das der Wind dunkle und schwere Regenwolken und Gewitter über das Ochsenwasser treiben würde. Bisher jedoch bescherte der Herr Efferd mit seinem starken Wind der Stadt Rommilys durchdringende, allgegenwärtige Nässe, denn die Gischt der donnernden Darpatfälle wurde von ihm bis in die 12 Meilen entfernte Metropole getragen.

Auf fast 300 Schritt Breite speiste der Wasserfall den Darpat, wobei im Zentrum das Wasser donnernd 50 Schritt lotrecht in die fiel, während er sich an den Seiten in zahlreichen kleineren Strömen kaskadenartig den Weg nach unten bahnte. Der junge Efferdan jedoch, weilte nicht in Rommilys, sondern direkt am Fuße der mächtigen Darpatfälle im Kloster Efferdsang, das sich ständig im Dunst der schämend weißen Wogen des zentralen Wasserfalls auf einem felsigen Eiland befand.

Einst hatte das Kloster als das schönste Binnenheiligtum des Launenhaften gegolten, war jedoch 1028 BF während der Belagerung der Stadt Rommilys von einem Knecht der Schwarzen Lande, dem Magier Asmodeus von Andergast, zerstört worden. Da ein Besuch des Heiligtums für viele Geweihte nahezu ein Muss ist und auch zahlreiche Pilger die heilige seit Jahrhunderten aufsuchen, hatten sich viele Spenden angesammelt und noch diesen Götterlauf sollten der Wiederaufbau endlich abgeschlossen sein. Auf das Kloster Efferdsang endlich wieder und noch schöner als je zuvor wieder erstrahlte.

Efferdan, selbst noch ein junger Geweihter, gehörte erst seit einigen Wochen der kleinen Klostergemeinde an. Das unermüdliche, ohrenbetäubende und körperlich spürbare Donnern der Fluten, ebenso wie die immerwährende Feuchtigkeit hatten ihn seit seiner Ankunft oft um den Schlaf gebracht und erst langsam begann er sich an diese Umstände zu gewöhnen. Sehr langsam. Das heraufziehende Gewitter sollte sein erstes innerhalb der Klostermauer sein. Bereits gegen Mittag war es derart Finster, als wäre die Nacht hereingebrochen. In Rommilys rüttelten Böen an den geschlossenen Fensterläden und es machte den Eindruck, als wolle er diese aus den Wänden reißen. In Efferdsang jedoch konnte diese Beobachtung nicht gemacht werden, denn ob der allgegenwärtigen Gischt, hatte man auf Fenster verzichtet. Als am späten Nachmittag starker Regen einsetzte, der in großen schweren Tropfen auf den Boden pladderte merkten dies die Bewohner des Klosters jedoch auch. Doch als wäre dies nicht bereits genug und als wären die Menschen nicht bereits so froh, wenn sie sich in ihren trocknen Stuben im Kreise ihrer Liebsten befanden, brach in den Abendstunden ein fürchterliches Gewitter los. Blitz und Donner waren allgegenwärtig und fast schien es so, als würde die Sturmherrin direkt über dem Wasserfall und der nahen Stadt eine Schlacht schlagen. Immer wieder hallte ohrenbetäubender Donner über den Darpat, übertönte selbst den tosenden Wasserfall und war am ganzen Leib zu spüren.

So suchte Efferdan das Heiligtum auf und versuchte im Gebet Sicherheit zu finden. Doch nur anfänglich erlangte er ein wenig innere Ruhe zurück, das unentwegte Donnern und das damit verbundene Gefühl als würde die Erde, ob der von Rondra geführten Schlacht, beben machten jeglichen Fortschritt hinfällig. „Oh, Herr Efferd, war nur geschieht hier!“, rief er flehentlich und resigniert aus. Doch Efferd schwieg.

Unentwegt Donnerte es, sodass Efferdan sich dazu entschied das von Gwen Petryl Steinen erleuchtete Heiligtum zu verlassen. Durch die kleine Pforte trat er in die geräumige, ebenfalls von Gwen Petryl Steinen erleuchtete, Vorhalle durchschritt sie zügigen Schrittes und öffnete die kleine Pforte im Portal nach draußen. Vor dem Heiligtum und entlang der Klostermauern verlief ein Kreuzgewölbe, das es schon bald möglich machen sollte trocken überall hin zu gelangen. Doch noch fehlten einige der schönen Mosaikbildnisse aus farbigem Glas, die die Gischt aus den Gängen fernhalten sollte. Auf der anderen Seite des Kreuzgewölbes folgten zwei solide Mauern, die den Weg in den Innenhof erlaubten, doch Gischt und Regen durch ihre Stellweise aussperrten. Da es allerdings derart stark geregnet hatte, hatte sich inzwischen ein kleiner See im Innerhof gebildet, aus dem Stelen mit efferdgefälligen Bildnissen herausragten.

Jetzt wo er die dicken und schützenden Mauern des Heiligtums verlassen hatte, wurde Efferdan erst richtig bewusst wie sehr dieses Unwetter eigentlich wütete. Das Gewitter war direkt über ihm, dessen war sich Efferdan inzwischen bewusst, immerhin erklang der Donner fast zeitgleich mit dem erscheinen des Blitzes. Dabei folgten die Blitze derart schnell aufeinander, dass die Nacht in ihrem Stroboskoplicht erhellt wurde. Die Sorgen des jungen Geweihten wuchsen ob dieser Erkenntnisse noch weiter an und zugleich fühlte er sich inzwischen noch machtloser. Was sollte er tun? Konnte er überhaupt etwas tun? Dann, er wusste nicht wieso, erinnerte er sich unvermittelt an eine Geschichte die er auf dem Weg zum Kloster gehört hatte. Einer alten Sage nach hielt der Herr Efferd unter dem Ochsenwasser einen gefährlichen Riesen gefangen, was aber war, wenn unter den ständigen Erschütterungen der Fels hinter den Darpatfällen brach und sich die Fluten des Sees plötzlich über sie ergoss? Welchen Schaden mochte diese Kreatur wohl anrichten, hatte sie sich erst von ihren Fesseln befreit? Dann fiel ihm aber ein ganz anderes Problem auf, egal ob diese Erzählung wahr war oder nicht, sollte der Fels brechen, würden das Kloster, die Stadt Rommilys und alles was sich nach ihnen am Lauf des Darpat befand einfach hinweggespült werden. Rommilys, der Schoß der Traiva-Kirche! Eine Katastrophe nicht nur für all die Bewohner am mächtigen Darpat, nicht nur für das Reich, sondern für die gesamte götterfürchtige Gemeinschaft.

Derart von seinen Sorgen und seiner eigenen Fantasie getrieben wollte er nun unbedingt Abt sprechen. Er wusste, dass außer ihm niemand im Heiligtum gewesen war. So schickte er sich an im restlichen Kloster zu suchen. In den Unterkünften der Klosterbewohner traf er ihn leider nicht, ebenso keinen anderen seiner Glaubensbrüder und -Schwestern. Auch in der Pilgerunterkunft war niemand anzutreffen, ebenso wenig wie im Wirtschaftsgebäude. Efferdan öffnete auch die Pforte zur Steganlage, dort gelangte besonders wagemutige Pilger an, die sich dazu entschlossen mit dem Boot von Neuborn aus zu kommen, doch auch sie lag verlassen da. Das ganze Kloster war leer, nur er war noch da. Wo waren die anderen Geweihten? Wieso waren sie fort und wieso hatte ihm niemand Bescheid gesagt?

So schnell ihn seine Füße trugen rannte Efferdan zum Klosterportal. Außer Atem kam er davor zu stehen und tatsächlich, die Pforte war nicht verschlossen. Langsam öffnete er diese und blickte hinaus ins Dunkel. Nichts als Schwärze breitete sich dort aus, wobei die ständigen Blitze ihm immer wieder kurze Einblicke in das Gischt verhangene Geschehen erlaubten. Der Wind peitschte den Fluss zu hohen Wellen auf die immer wieder über die eh permanent algenbewachsene und glitschige Brücke spülte. Schon bei schönem Wetter war die schmale Brücke gefährlich, jetzt aber riskierte man sein Leben.

Gegen das Donnern der herabfallenden Fluten und das tobende Gewitter anschreiend rief Efferdan an: „OH, HERR EFFERD! WAS NUR GESCHIEHT HIER?“

Doch auch dieses Mal schwieg der Launenhafte.

 

Entschlossen seinen Suchradius zu erweitern nahm Efferdan seinen gesamten Mut zusammen und wagte sich vor die Klostermauern. Langsam, Fuß vor Fuß setzend überquerte er die lebensgefährliche Brücke. Dabei war das tobende Gewitter gleichermaßen Fluch wie Segen, ein jeder Blitz gewährte ihm einen Blick auf das vor ihm liegende, während ihm jeder damit einhergehende Donner erschrocken zusammenfahren ließ. Um sich selbst Mut zu machen begann er zu singen.

Du regnset, woklengüt’ger Herr

Lässt Blitz an Wolken wetzen,

Kam es ihm erst zaghaft, dann jedoch zunehmend kräftiger über die Lippen.

Tropfen perlen wundervoll

in Erde und von Steinen,

Lautes Rumpeln direkt nach einem dieser markerschütternden Donnergrollen ließ ihm das Herz in die Hose sinken. Polternd und mit viel Getöse brach ein großer Steinbrocken aus der Klippe und fiel anschließend nichts als eine große Welle hinterlassend in die Fluten des Darpat. Sein Gesang kam ins stocken und erst nach mehrmaligen Räuspern konnte er damit fortfahren.

Des Salzes Woge schlägt mit Wucht

an Ufer und an Klippen,

Endlich hatte er den besonders gefährlichen Abschnitt, direkt vor dem Zentrum lotrecht fallenden Teil des Wasserfalls hinter sich gelassen als er in einem Augenblick der Dunkelheit ein flackerndes, warmes schimmerndes Licht im Bereich der Kaskaden erblickte. Im Dunkeln ließ sich schwer sagen, welche der zahlreichen Höhlen es sein mochte, doch verwirrte Efferdan in diesem Augenblick die Lage. Denn ein unbestimmtes Gefühl sagte ihm, das dort sonst keine Höhle war. Damit hatte er etwas gefunden, hatte er ein Ziel auch wenn er nicht so richtig wusste was er davon halten sollte. Kaum das er endlich diese vermaledeite Brücke hinter sich gelassen hatte, begann er nun erneut zu kraxeln. Direkt entlang der Wand, vorbei an ihm bekannte Höhlen und Grotten, unter Kaskaden hindurch und durch flache Wasserströme watend hin zum unbekannten Schimmern. Als er direkt vor dem schmalen, beengt wirkenden Eingang stand wurde er unsicher. War er wirklich auf dem rechten Weg?

Nach einem erneuten Donner herrschte unvermittelt Ruhe. Es war, als hätte jemand für einem Moment den Wasserfall und auch das Gewitter auf Stumm gestellt. Doch dann rumpelte es und ein großer Streinbrocken schlug nur wenige Schritt von ihm entfernt ins Wasser. "OH EFFERD HILF!", rief er, doch noch immer schwieg sein Herr. Stattdessen drangen nun düstere Klänge an sein Ohr, gutturale Gesänge und disharmonisches Trommeln und Scheppern. Efferdas war klar, viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Er musste endlich etwas unternehmen, irgendetwas um das, wie er annahm, unausweichliche doch noch abzuwenden.

Der junge Geweihte zwängte sich durch den Spalt hinein in die Höhle. Der Boden war rutschig und verhinderte das er schnell im Schein blakender Fackeln vorankam. Laut bochend hörte er jeden einzelnen Schlag seines Herzens. Er bemerkte überhaupt nicht, dass er den Atem anhielt, dass sein gesamter Körper ungewohnt steif war und auch nicht das sein Gewand zerrissen war und er Blutstropfen für Blutstropfen seinen Weg hinein in den Fels hinein markierte. Dann war er da, unvermittelt und zu seinem Leidwesen auch sofort im Zentrum der Aufmerksamkeit. Auf einem blutigen Altar aus grob behauenen Stein war der Abt gefesselt worden. Blut ran bereits aus seinen Hand- und Fußgelenken und benetzte den Altar, den noch blutigen Dolch erhoben stand ein Mann in einem purpurnen Mantel über den Abt gebeugt. Schockstarr stand Efferdas da und sah wie Blut auf die Brust des Geweihten tropfte. Dann hob Mann im Mantel den Kopf an und Augen voll Wahnsinn funkelten Efferdas an. Wie Toll beleckte die Person über seine Zähne und während sich mit einem Ruck der Dolch direkt ins Herz des Abtes bohrte wurde es Efferdas klar, der Mann mit dem irren Blick, dass war Bruder Efferdtreu, ein älterer Bruder im Glauben und die rechte Hand des Abtes. Doch diese Erkenntnis vermochte sich nur für einen Herzschlag in seinem Kopf festsetzen, denn in diesem Moment wurden all seine Sorgen wahr. Auf Ohrenbetäubendes Rumpeln folgte tosenden Rauschen. Das Ochsenwasser suchte sich seinen Weg, doch Efferdas bekam davon nur die ersten Augenblicke mit, denn fast Augenblicklich drückten ihn die Wassermassen gegen den Fels, pressten erst die Luft aus seinen Lungen und dann seinen gesamten Körper, mit dem Geräusch splitternder Knochen zu Brei. Vor seinem inneren Auge sah er noch, wie eine riesige Flutwelle über Rommilys hereinbrach, die ahnungslosen Bewohner samt ihrer Häuser mit sich riss und nichts als Tod und Verwüstung zurückließ.

 

Unvermittelt schreckte Efferdan auf. Die zurückliegenden Wochen, in denen er noch neu im Kloster war hatten ihn kaum Schlaf gegönnt und so musste er wohl während seines Gebets weggenickt sein. Dann jedoch Donnerte es vernehmlich, vermutlich hatte ihn an anderer Blitz soeben geweckt. Plötzlich erinnerte er sich an seinen Traum oder war es eine Vision gewesen? Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf und stürmte auf der Suche nach dem Abt los. Je mehr er sah, desto aufgeregter wurde Efferdan. Im Hof hatte sich ein See gebildet. Die Kammern der Klosterbewohner, leer. Die Pilgerräume, leer. Das Wirtschaftsgebäude, leer. Die Pforte zur Brücke, nicht riegelt.

„Oh Efferd!“, stieß er aus. Sich sicher, dass es sich nicht um einen Traum, sondern um eine Vision gehandelt hatte. „Der Abt!“, er musste sich beeilen, wenn er nicht nur den Abt retten, sondern auch dieses Ritual verhindern wollte. Erneut, also wie in seiner Vision, nahm er sämtlichen Mut zusammen und überquerte die Brücke. Tatsächlich erblickte er erneut, an eben dieser ungewöhnlichen Stelle das warme und unstete Leuchten einer Fackel. Erneut unterlief er Kaskaden, passierte Höhlen und wartete durch Wasserströme, hin zum e sich auch dieses Mal hindurch ins Innere der Felswand. Noch war nichts von den Klängen zu hören und so schlich er langsam voran. Er wollte nicht erneut unverhofft inmitten von Dienern des Rattenkindes stehen. Tatsächlich gelang es ihm nicht in den Altarraum hineinplatzen und lugte stattdessen verstohlen um die Ecke. Der Raum lag ruhig vor ihm, ebenso ruhig wie der auf den Altar gefesselte Abt. Angespannt lauschte Efferdan ob sich jemand näherte, als er sich sicher fühlte eilte er zum Abt hinüber und begann die Fesseln zu lösen. Vor Eile und Nervosität waren seine Bewegungen ganz fahrig und so lösten sich die die Knoten nur sehr beschwerlich. Ein Schauer erfasste ihn, lief ihm wie ein einzelner Tropfen kalten Wassers vom Nacken den gesamten Rücken herunter. Dort stand jemand und er sah ihm bei seinen verzweifelten Versuchen zu. Die Gestalt trug einen langen purpurnen Umhang und das Gesicht war von einer Kapuze verdeckt.

„Efferdtreu, du musst … du DARFST das nicht tun!", rief er stammelnd. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.

Herzhaft gähnend reckte sich Efferdan in seinem Lager und schwang behäbig die Beine heraus. Noch kurz sein Gewand überstreifend, machte er sich auch schon auf den Weg ins Wirtschaftsgebäude um ein wenig Frühstück zu sich zu nehmen. Es war ein schöner Windstag im Rondramond und wie in den zurückliegenden Wochen seit seiner Ankunft hatte auch diese Nacht ihm das monotone Donnern der Darpatfälle den Schlaf geraubt. So war er sehr müde und zudem schmerzte sein Hinterkopf unangenehm. Als er durch die Kreuzgänge, in die schobereits bekannten Zugang in den Fels. Entsetzt, erstaunt, überrascht und irgendwie auch panisch blickte er auf die Wand als er die Spalte tatsächlich wieder gefunden hatte, doch zögerte er nicht und presstn bald die letzten gläsernen Mosaikbilder eingesetzt werden würden und damit im Kloster endlich sämtliche Reperaturarbeiten abgeschlossen wären, durchquerte blickte er hinauf zum Himmel. Schnell zogen die Wolken über das Firmament und Efferdan ahnte, dass ein Gewitter herauf zog und irgendwie kam ihm all das unheilvoll bekannt vor.