Juristische Examination der Erbfolge in Friedwang
Aus einem Gespräch seiner Spektabilität Veneficus, Magister der Grauen Schule, zu dem Thema der Legitimität der Herrschaft in Friedwang und der daraus resultierenden Erbfolge
Magister Veneficus runzelte die stirn. Wie sollte er dem jungen Mann die rechtliche Lage erklären, der ihn da auf die Zukunft Friedwangs ansprach. "Gewiss, irgendwann wird sich die Frage stellen, wie sich Friedwang in Zukunft darstellen wird. Baronin Serwa und Baron Alrik sind in den besten Jahren und so es der Wille der Zwölf ist, werden sie noch ein langes Leben vor sich haben. Aber ihr habt Recht, mein Freund, eine weise Herrschaft sorgt vor und regelt die Erbfolge, damit kein unnützer Bruderzwist oder gar Bürgerkrieg folgt, der dem Land und den Menschen nur sinnloses Leiden zufügen würde."
"Gewiss", antwortete dieser. "Nichts kann dieses vom Krieg zerrüttete Land weniger gebrauchen, als neuen Zwist und neuen Krieg, aber ist die Rabsburger Übereinkunft nicht deswegen geschlossen worden", wandte er ein.
"Ja und nein" antwortete Veneficus. "Das Problem ist, dass die Rabsburger Urkunde angreifbar ist aus rechtlichen Gründen, und zwar aus mehrerlei Aspekten, und dadurch eröffnet die Rabsburger Übereinkunft die Gefahr, dass jemand, der sich zu kurz gekommen fühlt, diese nicht anerkennt die Folge wäre eben jener Zwist, den es zu vermeiden gilt."
"Nun, ich bin kein Jurist, aber welchen Fehler enthält denn die Rabsburger Übereinkunft?" wurde Veneficus gefragt.
"Die rechtliche Lage ist kompliziert. die Lage in Friedwang war schon immer komplex, was daran liegen mag, dass es, anders als beispielsweise in Gallys, keinen dominanten Kernort der Baronie gibt, so dass jeder ort seine eigenen Privilegien und Traditionen hat. Das macht die Verwaltung in Friedwang nicht immer leicht. Manche sagen, die zerfaserten magischen Kraftlinien hätten einen solcherart chaotischen Einfluss, aber das ist Spekulation und hilft uns nicht weiter. Ach ja, die rechtlichen Grundlagen. Der Letzte, über einen längeren Zeitraum unangefochten in Friedwang herrschende Baron war Gernot von Friedwang-Glimmerdieck."
"Der Borbaradianer" warf Veneficus Zuhörer ein.
"Richtig, was aber erst kurz vor seinem Ableben bekannt wurde. Intrigant war er, und manche sagen ein Despot, aber zunächst einmal rechtmäßiger Herrscher von Friedwang. Und so wurde es auch aus der Kanzlei für Reichsangelegenheiten in der Regentschaft Kaiser Hals von Gareth bestätigt."
"Wobei ein Borbaradianer ja nicht Baron im Raulschen Reich sein kann. Das schließt das gesetz aus." warf der Mann ein.
"Ja, korrekt, allerdings wirft es ein Problem auf, dass Gernot lange Zeit nicht als Borbaradianer erkannt wurde. Er hat viele Geschäfte abgeschlossen mit seinen Nachbarn, mit Handelspartnern mit anderen adeligen Familien. Die Frage war daher welche dieser von Gernot getroffenen Verträge und Übereinkünfte gültig sind und welche nicht. Hierzu hat die Praioskirche ein grundlegendes Urteil gefällt, und wer möchte die Weisheit dieser Entscheidung in Frage stellen. Demnach können sich aus Rechtsakten durch gernot Rechtsansprüche ableiten - insofern die Praioskirche beteiligt war und auch die übrigen Beteiligten Guten Glaubens und rechtschaffen waren. Dieses Responsum wurde, wie die Praioskirche verlauten ließ, vor allem aus gründen der zwingend notwendigen Rechtssicherheit so entschieden."
"Das eulenkuhlsche Responsum des Prätors Nippert Eulenkuhl" warf der Zuhörer ein.
"Korrekt. Also hat die Praioskirchliche Weisheit damit entschieden, dass die Eheschließung von Serwa von Baernfarn und Gernot von Friedwang rechtskräftig ist. Als zwingende Rechtsfolge daraus ergibt sich, dass Serwa legitime Baronin ist. Trotz der später folgenden Eheschließung mit Alrik obliegt es also Serwa, eine Übereinkunft wie diejenige von Rabsburg zu treffen. Ohne Serwas Unterschrift ist die Rabsburger Übereinkunft immer anfechtbar."
"Ja das leuchtet ein. Andererseits vertreten manche die Ansicht, dass dies eine puristische Gallyser Rechtsauslegung ist, die auch den Familieninteressen des Hauses Baernfarn geschuldet ist."
"Ja, natürlich mag das bei manchem den Eindruck erwecken oder auch gezielt von Anhängern Alborans IV, der ja von der Rabsburger Übereinkunft profitieren würde, so verbreitet werden. Das ändert aber nichts an der korrekten Auslegung der Sache. Nebenher mein Freund, legt das Haus Baernfarn allergrößten Wert darauf, rechtskonform und zuverlässig zu handeln und zieht einen Großteil seiner Reputation daraus, dass die Mehrung der eigenen Macht nicht die Antriebsfeder des eigenen Tuns ist. Das Haus Baernfarn trägt nur deshalb seit mehr als Zwölf jahrhunderten die Verantwortung für Gallys, weil es diese stets zum Wohle der Menschen auszuüben bestrebt war. Insofern trifft dieser Vorwurf des Eigennutzes zwar schwer, aber letztlich nicht unbedingt zu." Veneficus hielt inne
"Aber genug davon. Das gehört nicht hier her und das ist auch nicht der einzigste Punkt, die die Rabsburger Übereinkunft zweifelhaft erscheinen lässt."
"Jetzt bin ich neugierig"
"Weiterhin ist es gutes altes Recht sowohl im Reich Rauls gemeinhin als auch insbesondere in der Friedwanger Tradition, dass kein den Zwölfen geweihtes Haupt, das für das Seelenheil seiner Schutzbefohlenen verantwortung trägt, die Last der Bürde weltlicher Herrschaft aufgeladen bekommen soll"
"Stimmt" warf der junge Mann ein. "Bishdarielon ist ja Golgarit aber er ist ja auch nicht alleiniger Herrscher von Friedwang"
"Ja, du sagst es. Die Sache ist strittig, aber eben dadurch angreifbar. Außerdem sind die Gerüchte, Baron Alrik wäre selbst ein Geweihter des Fuchsgottes, niemals verstummt" erläuterte Veneficus weiter.
"Das sind Gerüchte" warf der Zuhörer ein.
"Ja, Gerüchte. Wenn es nur das Gerücht allein wäre dann hätte das vielleicht keine Bedeutung. Aber jetzt gibt es schon drei nicht aus dem Erdenrund zu räumende Bedenken gegen die Rabsburger Übereinkunft. Dass Alrik und Bischdarielon als Kleriker oder auch mögliche Kleriker gar nicht selbst das Baronsamt ausüben können, und demzufolge auch keine Erbfolge dafür festlegen können. Und es gibt noch ein viertes Hindernis. Vergesst nicht, Bischdarielon war Answinist. Mithin ist es denkbar dass das KaiserHaus Gareth ihn als Verräter betrachtet. Nun, als gewissermaßen halboffizieller Mitbaron von alrik und Serwa nahm in Gareth davon niemand Notiz bislang, aber, und das ist für die Rabsburger Urkunde die entscheidende Frage: Wie gültig kann ein Vertrag betreffend der Erbfolge einer Baronie sein wenn beide Vertragsparteien de jure gar nicht rechtmäßige Barone sind?"
"Ja, eine interessante Frage. Ich möchte mich nicht festlegen ob ich Euch da recht gebe oder nicht, ohne mich genauer mit der Materie zu befassen, aber auf den ersten Blick erscheinen Eure Ausführungen logisch."
Veneficus nickte und freute sich über die vorsichtige Zustimmung. "Das letztliche Problem daran wird sein dass ein denkbarer Erbe Alboran IV, wie in der Rabsburger Übereinkunft vorgesehen, dadurch immer ein Legitimationsproblem haben wird. Ein jeder der nach Macht und Einfluss in Friedwang sucht, kann daraus Profit schlagen und die Baronie entzweien mit allen denkbaren schlimmen Folgen für die Menschen."
Der junge Mann nickte. "Vielleicht war es doch ganz gut, dass in Friedwang derzeit die Erbfolge noch kein aktuelles Thema war und noch Zeit blieb, die Sache besser zu regeln als es bislang der Fall war.
"ich verstehe, aber gestattet die Frage. Wenn ihr sagt, dass also eigentlich Serwa das Baronsamt inne hat, wie ist die Ernennung Serwas zur Baronie-Tutorin zu werten. Wenn sie denn eigentlich schon Baronin war?"
"Gut, dass Ihr diese Frage stellt. Ihr wisst, dass es ein Prinzip der Rechtssprechung ist, dass Recht lebbar sein muss. Ein rein abstraktes Recht ohne Bezug zum Möglichen und Denkbaren wäre wenig von Nutzen. Nun müsst Ihr euch die politischen Gegebenheiten dieser Zeit ansehen. Die Epoche, in die die Ehe Serwas und Gernots und später Serwas mit Alriks fällt, ist zunächst einmal geprägt vom Machtkampf der großen Häuser Rabenmund und Bregelsaum. Sich zwischen diesen beiden Lagern auszurichten, ohne dabei zerrieben zu werden, war eine große politische Herausforderung dieser Zeit, die die Adeligen Darpatiens bewältigen mussten. Wer sich zu offen auf die eine Seite stellte oder ungeschickt taktierte, der ging sehr rasch seines Amtes verlustig, wurde verbannt oder hatte mit anderlei Konsequenzen zu rechnen. In Friedwang versuchten beide Häuser, in das Machtvakuum nach Gernots Tod vorzudringen. Es drohten Spannungen, gar kämpferische Auseinandersetzungen. Es war ein Gebot der Vernunft, zu dem sich Baronin Serwa und ihr Thronkonkurrent Alrik entschlossen. Zu Heiraten und sich die Herrschaft zu teilen, so war das Lager derer von Rabenmund damit zufriedengestellt, mit Alrik von Friedwang als Baron - eigentlich Baronsgatte - den einflussreichen Kopf der Baronie auf ihrer Seite zu wissen. Das Lager der Bregelsaums hingegen war damit einverstanden, dass rechtstheoretisch mit Serwa eine ihrem lager zuzurechnende Person den Steinbockthron innehatte. Serwa und Alrik hatten eine Lösung gefunden, die dem Land den Frieden sicherte, und die von beidseitiger umsicht gekennzeichnet war. Diese Übereinkunft absegnend bestätigte Landvogt Welferich von Bregelsaum Serwa im Amt, in dem er sie zur Baronie-Tutorin berief. Das geht konform mit der vorab dargelegten Rechtsauslegung und ist lediglich in der Wortwahl den politischen Verhältnissen geschuldet"
Veneficus Zuhörer war ein wenig verwirrt ob des geschichtlichen Exkurses, aber er bemühte sich, dem Magister zu folgen "Wer wäre denn nun eigentlich der Erbe Friedwangs, wenn Baronin Serwa und Baron Alrik nicht mehr wären "
"Nun Alrik und Serwa haben legitime eigene Kinder. Diese frage also stellt sich nicht wirklich. Es wird aller Voraussicht nach auf Tsalinde Dian Artema von Friedwang-Baernfarn hinaus laufen "