Frischer Wind über Gennshof - Zukunftsentscheidungen
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Dorf Gennshof am Ochsenwasser, Baronie Markgräflich Zwerch, 11. Efferd 1043 BF
Praiadne Racalla von Ochsenwied blickte hinaus auf das Ochsenwasser. Sie stand an einem Fenster ihrer Gemächer im kleinen, aber schmucken Herrenhaus zu Gennshof und strich sich Stoff ihres Kleides zurecht. Wie beinahe jeden Tag war die Edeldame in ein züchtiges, aber schönes Gewand nach Rommilyser Mode gehüllt - gegenwärtig war dies ein hochgeschlossenes Kleid in dunkelblau mit einem Stehkragen. Dazu trug sie als einzigen Zierrat eine hochwertige Brosche, die, so wurde Praiadne nie müde zu betonen, ein Geschenk der letzten darpatischen Fürstin Irmegunde gewesen war, der sie bis zu ihrem Ableben über lange Jahre als Zofe diente. Auch heute noch war die Ochsenwiederin eine ansehnliche Frau: zierlich, gepflegt und stets aufwendig frisiert, jedoch stets auf ein züchtiges Äußeres bedacht.
Der Blick auf ihren Sekretär ließ sie seufzen. Es lag dort ein im Grunde genommen erfreuliches Schreiben aus den fernen Nordmarken. Wie es schien hatten ihre Bemühungen Erfolg gehabt - richtig freuen konnte sie sich darüber jedoch noch nicht. Ihr Sohn Wolfrat war beizeiten etwas störrisch und es dürfte ihr bestimmt einiges an Überzeugungskraft kosten ihm die Sache schmackhaft zu machen. Eine etwas suboptimale Situation, würde ein ´nein´ ihres Sohnes doch dazu führen, dass sie gegenüber einem Würdenträger des Götterfürsten wortbrüchig würde. Praiadne verdrängte den Gedanken daran, straffte sich und griff nach dem Schreiben, dann machte sie sich auf dem Weg hinunter.
***
Wolfrat von Gugelforst saß auf einer Bank nahe dem Gutshaus und genoss den Anblick auf das funkelnde Ochsenwasser und die sich in der Ferne erhebenden Trollzacken. Seine Mutter erzählte ihm als kleiner Junge öfters, dass der See deswegen besonders funkelte, wenn das Licht des Praiosmales darauf schien, weil sich unter Wasseroberfläche unzählige Schätze befanden, die von den Nixen des Sees behütet werden. Er lächelte beim Gedanken daran.
Das Knurren, gefolgt von einem bittenden Winseln vor ihm zerriss die idyllische Ruhe. Aus hellbraunen Augen musterte ihn sein Wehrheimer Rüde Balto. In seiner Schnauze hielt dieser sein liebstes Spielzeug - ein Stück Hanfseil. “Na Großer, ist dir langweilig?” Wolfrat wusste was das Tier von ihm verlangte, griff nach dem Ende des kurzen Seilstücks und zog daran. Ein kurzes Kräftemessen entbrannte und der Gugelforster musste sich eingestehen, dass der heranwachsende Hund immer stärker und stärker wurde.
Von einen auf den anderen Moment jedoch hielt Balto inne und setzte sich aufmerksam und brav vor seinen Herrn. Wolfrat wusste was dies zu bedeuten hatte. Ehrerbietend erhob er sich von der Bank und noch bevor er sich umwandte, grüßte er den Neuankömmling: “Mutter, was für eine Freude.” Ihr ernstes Gesicht und der Brief in ihren Händen alarmierten ihn.
“Hallo Wolfrat … was für eine Überraschung dich hier in deinem Lehen anzutreffen …”, Praiadnes Stimme konnte einen vorwurfsvollen Unterton nicht verhehlen, “... aber es trifft sich gut. Ich habe Neuigkeiten, die ich mit dir besprechen möchte.”
“So?”, fragte der Junker lauernd.
“Ja genau …”, sie wedelte mit dem Papier in ihrer Hand, “... eine Einladung in die Nordmarken.”
“Was soll ich dort?” Neben Skepsis schwang nun auch Unwillen in seiner Stimme mit. “Es gibt nichts was mich dort hinbringen würde.”
“Tstststs …”, kam es daraufhin amüsiert aus Praiadnes Mund, “... und das von einem Mann, der vor Kurzem um die Hand einer Nordmärkerin freien wollte.”
“Mutter … bitte …”, fuhr der Sohn ihr dazwischen und machte ein bitteres Gesicht.
“Na ist doch wahr”, ein schmales Lächeln huschte der Ochsenwiednerin über ihren Mund. Jetzt hatte sie ihn da wo sie ihn haben wollte. Es amüsierte sie, dass die Erinnerung an die Abweisung der Rommilyser Stadtvögtin schon genug war, dass ihr Sohn seine Deckung fallen ließ. “Die achtbare Dame war so angetan von deiner Werbung, dass sie persönlich den Kontakt zu ihrer Cousine herstellte.”
“Ihre Cousine?” Wolfrat schob seine Augenbrauen zusammen. “Und die soll ich jetzt besuchen?”
“Ja, es ist alles vorbereitet.”
Der Junker atmete tief durch. “Und ich bin warum der Letzte, der davon erfährt?” Er schüttelte sein Haupt. “Mutter, ich weiß um meine Verpflichtungen. Ich werde den Bund schließen und für Nachkommen sorgen, doch … ich sollte schon auch ein Wort mitreden dürfen, meinst du nicht?”
Die Frau war an ihren deutlich größer gewachsenen Sohn herangetreten und strich ihm sanft über seine Wange. “Aber das tust du doch. Deshalb die Einladung.” Praiadne trat wieder einen Schritt zurück. “Sie wäre eine gute Wahl … jung, fromm und aus einem ehemaligen Baronsgeschlecht.”
Es half nicht wirklich Wolfrats Skepsis zu vertreiben. “Und weiß die junge Dame schon von ihrem Glück? Wo soll ich sie denn treffen?”
“Im Bannstrahler-Kloster St. Aldec in Kyndoch”, kam es zur Antwort.
“Bannstrahler?” Die Augenbrauen des Gugelforsters schossen nach oben. “Was macht sie denn dort?”
Praiadne lächelte und winkte mit ihrer Hand ab. “Ihren Dienst verrichten, nehme ich an. Ihr Vater ist der Abt und Praida selbst ist Feldkaplanin.”
Worte, die den Gugelforster auflachen ließen. “Eine geweihte Bannstrahlerin als Braut? Mutter, du weißt wie sehr ich den Gleißenden achte, aber denkst du wirklich, dass sie die richtige Wahl wäre um unseren familiären Fortbestand zu sichern? Soll ich mich dem Orden verpflichten und in die Nordmarken ziehen? Möchtest du deinen Sohn loswerden?”
Seine Mutter verzog auf diese Fragen hin ihr Antlitz zu einer säuerlichen Grimasse. “Schluss mit der Narretei. Das ist alles mit ihrem Vater besprochen. Praida würde in die Ordensniederlassung nach Rommilys wechseln. Du, mein Sohn, bist ja sowieso öfters im Stadthaus als hier auf dem Gut.”
Wolfrat starrte Praiadne in ihre Augen. “Gut, da du in meinem Namen wohl schon zugesagt hast bleibt mir nichts anderes über als mich deinem Wunsch zu beugen und in die Nordmarken zu reisen.” Der Blick des Ritters ging hinaus auf den See, lag dann auf seinem Hund und schloss seine Runde am braunen Augenpaar seiner Mutter ab. “Aber ich kann nichts versprechen. Die Dame wird zustimmen müssen ... ohne dazu gedrängt zu werden. Sie ist es schließlich, die aus ihrem Umfeld gerissen wird und für die sich alles ändert. Das ist meine einzige Bedingung.”
Zufrieden mit sich und dem Dererund nickte die ehemalige fürstliche Zofe ihrem Sohn zu. Er hatte ein gutes Herz, genauso wie sein Vater. Praida von Halberg war eine ausgezeichnete Wahl. Eine Frau aus einer hier in der Mark angesehenen Familie und noch dazu beruflich gebunden. Nein, sie würde keine Gelegenheit haben einen Keil zwischen sie und ihren Sohn zu treiben. Sie würde nicht hier auf dem Gut leben und auch die Erziehung ihrer Kinder würde sie nicht selbst überwachen können. Das Lächeln der Frau wurde nun noch etwas breiter…