Frischer Wind über Gennshof - Vater und Tochter
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Dorf Gennshof am Ochsenwasser, Baronie Markgräflich Zwerch, 12. Travia 1044 BF
Die junge Frau im reinweißen Kleid, welches kunstvoll mit goldenen Borten bestickt war und an der Taille von einem ebenfalls goldenem Gürtel gerafft war, stand nun schon ein geschlagenes am Ufer des, im Licht des Praiosmales funkelnden, Ochsenwassers. Sie bewunderte die Ruhe, die dieser Ort auszustrahlen vermochte und auch den ansehnlichen Kontrast zu den düsteren Trollzacken, die sich rahjawärts in weiter Ferne erhoben und die lieblichen Lande um das Ochsenwasser von der geschundenen Rabenmark trennten.
Es würde dies Praidas neue Heimat werden. Ein Gedanke, an den sich die junge Geweihte des Götterfürsten noch würde gewöhnen müssen. Zwar wurde die Feldkaplanin des Ordens vom Bannstrahl Praios´ im damals belagerten Beilunk geboren und lebte die ersten zehn Sommer ihres Lebens in der Perle im Randromtal, aber dennoch war ihr diese Gegend fremd gewesen. Sie war Elenvina gewohnt, lebte und diente in der Wehrhalle des Praios, hatte dort Freunde und auch das bisschen Familie, das ihr noch geblieben war. Hier jedoch, die Halbergerin stieß ein leises Seufzen aus, fand sie nichts dergleichen. Ein Dorf, in dem es nach Rindern roch, an einem zugegeben schönen See ... und einen zukünftigen Ehemann, der ihr fremd war und mit dem sie in erster Linie die Pflicht und Erwartungshaltung ihrer beider Familien verband.
Schwere Schritte, untermalt vom Klirren eines Kettenhemdes, rissen die junge Lichtträgerin aus ihren Gedanken. “Wenn deine Mutter dich nur so sehen könnte”, ertönte eine Stimme, die Praida wohlbekannt war.
“Hochwürden”, sie nickte dem Neuankömmling grüßend zu. Der ältere Mann war in seine Ordenstracht gekleidet - ein weißer Wappenrock über einem vergoldeten Kettenhemd und einen ebenso reinweißem Mantel - und machte, trotz offensichtlich fortgeschrittenem Alter, einen sehr rüstigen und agilen Eindruck. Er war mittelgroß gewachsen und immer noch von athletischer Satur.
“Bitte”, der Angesprochene winkte gönnerhaft lächelnd ab. “Du bist nicht im Dienst, Tochter. Heute bin ich nur dein Vater.” Adelhelm von Halberg, Hochgeweihter vom Orden des Bannstrahl Praios´ und Abt des Klosters Sankt Aldec, war näher an Praida herangetreten. “Ein Vater, der Gleißende möge mir verzeihen, voll Stolz über seine wohlgeratene Tochter. Deine Mutter wäre ebenfalls sehr stolz auf dich, Liebes.”
Der jungen Geweihten fiel es schwer den Blick ihres Vaters zu halten. “Hab Dank, Vater”, flüsterte sie. “Es bedeutet mir viel, dass du den Segen spenden wirst.”
Adelhelm entgegnete ihr ein väterliches Lächeln. “Das war mir ein besonderes Anliegen, Praida.” Dann wandte er sich um. Sein Blick lag auf erst auf dem See, dann auf dem ansehnlichen Herrenhaus, welches auf einer kleinen Insel im See lag und über eine steinerne Brücke erreicht werden konnte, auf welcher dann später auch die Trauung stattfinden würde. “Hast du dich schon etwas vertraut mit deinem zukünftigen Heim gemacht?”, fragte der Hochgeweihte dann.
“Ja, so gut es eben ging”, Praida ließ abermals ihren Blick sinken, was Adelhelm nicht sehen konnte, da seine Aufmerksamkeit immer noch auf der Brücke lag - oder besser, auf der Person, die diese gerade überquerte.
“Deine Schwiegermutter …”, schien der Halberger Abt nun das Thema zu wechseln, “... was hältst du von ihr?”
Da ihr Vater seinen Blick immer noch auf der Brücke hielt, bemerkte er das kaum zu vernehmende Augenrollen seiner Tochter nicht. “Ich denke, dass sie mich unterschätzt”, sagte Praida wahrheitsgemäß, was Adelhelm nun dazu brachte, seine Aufmerksamkeit wieder seiner Tochter zu schenken.
“So?”, er zog eine Augenbraue hoch. “Wie kommst du darauf?”
“Nun ja”, die Jüngere zog ihre Stirn kraus. “Ich denke, dass sie hier ganz gerne weiterhin das Zepter in der Hand halten würde und es ihr nicht ungelegen kommt, dass ich meinen Dienst in Rommilys verrichte und nicht hier am Gut.”
Adelhelm wusste um die ausgezeichnete Auffassungsgabe seiner Tochter und zog ihre Worte nicht in Zweifel. “Soll ich mit ihr sprechen? Es ist wichtig, dass sie ihren Platz kennt.”
“Nein”, Praida ließ auf diese Frage hin sogleich ein Kopfschütteln folgen. “Das wird meine Aufgabe sein … und die meines Gemahls.”
Der Hochgeweihte nickte bestätigend. “Du bist also bereit für den Bund?”, fragte er dann in etwas väterlicherem Ton, was seiner Tochter eine hochgezogene Augenbraue abrang. Diese Frage hätte er ihr vor der Verlobung stellen sollen.
“Es ist meine Pflicht, Vater”, kam es folgsam aus Praidas Mund. “Ich denke, dass Wolfrat ein guter Mann ist. Alles andere wird sich fügen.”
“Das freut mich zu hören, Liebes”, Adelhelm nahm seine Tochter in den Arm. Irgendetwas schien er bei der Erziehung seiner Kinder ja doch richtig gemacht zu haben.