Frischer Wind über Gennshof - Mutter und Sohn

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Im Herrenhaus, ein paar Momente später

“Ich bin noch nicht so weit!”, blaffte der latent genervte junge Mann in die Richtung der Tür, von wo er soeben ein Klopfen vernommen hatte. ´Götter, nicht einmal jetzt konnte er für einen Moment ungestört sein´, dachte der groß gewachsene Ritter bei sich.

Abermals folgte ein Klopfen, nun deutlicher vernehmbar. “Götter, ja!” Nicht lange nach seiner schlussendlichen Einverständnis öffnete sich die schwere Holztür. Herein schritt eine würdevoll gealterte, schlanke Frau in einem schönen, hochgeschlossenen und dunkelroten Kleid. Sie war aufwendig frisiert und trug an ihrem Kragen eine schöne Brosche. Praiadne Racalla von Ochsenwied war einst die Zofe der letzten darpatischen Fürstin Irmegunde gewesen und hatte es bis zum heutigen Tag nicht verlernt sich bestmöglich zu präsentieren.

“Was willst du hier?”, kommentierte Junker Wolfrat von Gugelforst das Auftauchen seiner Mutter. Anders als der Neuankömmling, war der Gutsherr noch nicht fertig adjustiert und durchmaß seine Gemächer mit bloßem Oberkörper, wohl auf der Suche nach seinem Oberteil.

“Du bist noch nicht so weit”, es war eher eine Feststellung, denn Frage aus dem Mund der Ochsenwiederin, was ihren Sohn deutlich aufseufzen ließ.

“Das habe ich doch gerade eben gesagt.” Der Junker von Gennshof war eine beeindruckende Gestalt: sein beinahe 2 Schritt großer Körper war durch regelmäßige Waffenübungen athletisch und er trug sein dunkelblondes Haupt- und Barthaar stets sorgsam gestutzt und gepflegt. Für gewöhnlich blickten seine milden braunen Augen freundlich in die Welt. Nicht so heute - an seinem Hochzeitstag wirkte der Mann so als würden sich jeden Moment zwei Kugelblitze daraus lösen und jeden zu Staub verwandeln, der ihm krumm kam.

Praiadne jedoch ließ sich von dem unbeherrschten Gebaren seines Sohnes nicht einschüchtern. Kühl musterte sie ihn und wies dann auf die Schlafstatt. “Das dunkelblaue … und jetzt krieg dich wieder ein.” In der Stimme der Mutter schwang von einen auf den anderen Moment eine Bedrohlichkeit mit, die man der zierlichen Frau so gar nicht zugetraut hätte. “Es sind heute zu viele wichtige Leute da, als dass ich es dir durchgehen lassen kann, dass du dich wie ein bockiges Kind benimmst.”

Worte, die den Junker schnauben ließen. “Hättest vielleicht daran denken sollen, bevor du mich ohne Rücksprache versprochen hast.”

Der Blick seiner Mutter glich sich nun ihrer Stimme an und wäre Wolfrat nicht bereits so sehr in Fahrt gewesen, es hätte ihm das Blut in den Adern gefrieren lassen. “Du hast zugestimmt”, entgegnete Praiadne lauernd.

“Ja …”, doch setzten die Überlebensinstinkte des Gugelforsters immer noch nicht ein, weshalb er weiterhin gedankenlos mit unbedachten Worten um sich warf, “... nachdem du in meinem Namen schon bei ihrem Vater vorgesprochen hast und die Sache bereits in trockenen Tüchern war. Ich war damals im Kloster, ich weiß was du ihm versprochen hast.”

“Hüte deine Zunge, Sohn”, grollte schmale Hofdame. “Ich werde nicht zögern, dich hier und jetzt übers Knie zu legen … oder dann später vor deiner Ehefrau und den versammelten Gästen.” Erst jetzt manifestierten sich rötliche Flecken auf Praiadnes Wangen - ein Ausdruck ihres Zorns. “Reiz mich also nicht länger.”

Wolfrat ließ sie stehen, ging zu seinem Bett und schlüpfte dann wortlos in sein Wams. “Ich weiß genau, dass du etwas vorhast, Mutter. Ich kann es noch nicht wirklich festmachen, aber es hat einen Grund warum es Praida sein sollte. Wenn man dir etwas nicht vorwerfen kann, dann ist es Dummheit und fehlende Planung.” Mit fahrigen Bewegungen strich er sich das edle Kleidungsstück zurecht.

“Alles was ich will …”, Praiadne war an ihren Sohn herangetreten und richtete ihm den Kragen, “... ist, dass meine Kinder glücklich sind. Du bist doch sowieso lieber im Stadthaus in Rommilys … und deine Frau wird dort ebenfalls ihren Dienst verrichten, hm?” Die Stimme der Hofdame war nun wieder zuckersüß. “Dann habt ihr Zeit für euch und die Familienplanung.”

Die Augenbrauen des Junkers wanderten nach oben. War es das? Wollte sie sicherstellen, dass ihr Sohn auch zukünftig in Rommilys blieb und nicht auf seinem Gut? Ließ sich das mit den ständigen Vorwürfen vereinbaren, dass er so wenig oft hier am Ochsenwasser weilte? War es bloß ein Spiel? “Es hört sich beinahe an, als würdest du uns hier nicht haben wollen”, antwortete Wolfrat gespielt im Scherz - tatsächlich war es ihm ernst gewesen.

“Ach sei nicht albern”, antwortete seine Mutter. “Mach dich lieber fertig. Die Gäste … und deine Braut … warten bereits.”